Redd sik, wer kann …
Märzdagen 1945 mit Endtietstimmung binah överall to griepen. Volksstorm, ut tomeist öllere Mannslüüd würrn tosamen stellt, de HJ-Jungs in Uniform, de Deerns mit ehr tomeerst flochten Zöpp un de SA-un-SS-Utbilders in Teltlagers för de ganzen Grappen vun denn Führer
un siene Tosnackers, un allemaal in een achtersinnige Utbill as ’n Spill? Woför weer eegentlich?
Ehr Naam weer Erna
un se weer all poor Johr Wittfro un müss sik mit ehr veer Kinner dagdääglich an de harten Bestimmungen vun de Obrigkeit anpassen, üm ok ahn denn Bistand vun ehr’n doot bleven Mann överleven to können. Dat weern de Tieden vun Missen, vull gresige Truur un mootlos warrn bi dat todelen vun Levensmittelmarken, de Plichten för ’t sammeln vun Krüder över Sommer, vun Haagbudden plücken, de riepen Brummelbeern, un de harten Aarntinsätze op apen Feller, bi oftins döötliche Beschuuß vun Deepflegers. Ok noch naföhlen: denn Koffeersatz Muggefug
, Steekrövernsupp un ni nich genoog to ’n eten in düsse Wuchen ahn Höpen.
In een Kali-Bargwark harr sik ehr Mann Johannes een dootbringende TBC in de slimmen Kriegswuchen totrocken. So würrn, ok för Erna, düsse Tieden ahn Barmen to ’n Överlevenskampf för so vele tappere Frunslüüd to Huus un ehr tomeist still utholen Schicksaal mang Gruus un Muus ahn Höpen, avers gröttste Tapperkeit.
Jümmers düütlicher würrn de Afsatzbewegungen vun de düütsche Wehrmacht to sehn, un dat Dörcheenanner wies sik in unglöövsche Szenen. Redd sik, wer kann
greep as slieken Gift üm sik, sünnerlich bi de verantwoorden, schick uniformeerten Offiziere in ehr Riederbüxen un bruunen Steveln.
Welck versöchen, vör de dichter rankommen fiendlichen Truppen sik jichtenwo in anonyhme Sekerheit to bringen. Dat dorbi dat gemeine Volk oftins genoog ok noch heftigst vun de SS-Schergen beklaut un utplünnert wüürn, weer dormaals in vele, jümmers noch ut Bang vör de Gestapo
un bloots ünner de Hand vertellte Geschichten, lebennig.
Hier nu Erna Geschicht:
Se harr vun’t Kreisordnungsamt as Witwe mit veer minnerjährige Kinner eenen Betoogschien för een Fohrrad kregen, eene würklich grote Hölp för se, un harr dat in oolen Schuur vun ’t Wahnhuus stahn. De quietschige Larm vun de Schuurdöör in late un düüstern Nacht verfehr se in Slaap un mit ’n Handstikken un Taschenlamp pedd se vörsichtig op denn düüstern Hoff. Dor kunn se in de apen Schuurdöör een Schadden utmaken, de se drauhend anblaff: Maak Dien Lamp ut, Wief!
He harr Ernas Fohrrad in de Hannen, rönn op se to un schups se brtutal to Bodden. - He weer een düütsche Offizeer in swatte Kleedaasch, de op Ernas Roop för Hölp mit sien Gebrüll: Sülven Schuld, Du dumme Kooh
reageer. Bi düsse Würr stöört he in grote Hektik op de Flucht över dat Fohrrad, schree luut op, rappel sik avers weller op, stööt sik een poormaal mit de Fööt af un verswünn mit Ernas Fohrrad in de Düüsternis vun de Nacht. Een poor nieschierige Navern löpen vull Opreeg tosamen, avers nüms waag dormaals ut Bang een Verfolgung.
Düsse taffe Erna würr Johre later, wieldat dat Leven ok schicksalhafte Geschichten schrifft, mien charaktervulle, jümmers hölpsbereite Swiegermoder …
Rette sich, wer kann …
Märztage 1945 mit fast greifbarer Endzeitstimmung überall. Volkssturm, aus meist älteren Männern zusammengestellt, die HJ-Jungen in Uniform, die Mädels mit ihren meist geflochtenen Zöpfen und von SA- und SS-Ausbildern in Zeltlagern für die große Ideologie des Führers
und seiner Schergen schon einmal, fast spielerisch vorbereitet, auf was wohl?
Ihr Name war Erna, sie war bereits seit über zehn Jahren Witwe und musste sich mit ihren vier Kindern tagtäglich den harten Bestimmungen der Obrigkeit anpassen, um ohne Beistand ihres geliebten verstorbenen Ehemanns überleben zu können. Es war eine Zeit der Entbehrungen und unsagbarer Trauer und Verzweiflung. Die Zeiten mit der Zuteilung von Lebensmittelmarken, der Pflicht des Sammelns von Kräutern im Sommer, vom Hagebutten pflücken, reifen Brombeeren und den harten Ernteeinsätzen auf offenen Feldern bei oftmals tödlichem Beschuss durch Tiefflieger. Auch erinnere ich mich an den Kaffee-Ersatz Muckefuck
, die Steckrübensuppe und dass es nie genug zu essen gab in hoffnungslosen Wochen.
Ihr Mann Johannes hatte sich in einem Kali-Bergwerk eine tödliche TBC in diesen endlos quälenden Kriegsjahren zugezogen. Es wurde, auch für Erna, der erbarmungslose Überlebenskampf für so viele tapfere Frauen zu Hause, und ein meist still ertragenes Schicksal zwischen Ruinen der Hoffnungslosigkeit, aber großer bewältigter Tapferkeit …
Immer deutlicher wurden die Absatzbewegungen der deutschen Wehrmacht sichtbar, und die chaotischsten Ereignisse zeigten sich in unglaublichen Szenen. Rette sich, wer kann
griff wie ein schleichendes Gift um sich, besonders bei den verantwortlichen schick uniformierten Offizieren in Reiterhosen und braunen Stiefeln. Etliche versuchten, vor den nahenden feindlichen Truppen sich irgendwo in anonyme Sicherheit zu bringen. Dass dabei die Bevölkerung oft genug auch noch heftigst von den SS-Schergen beraubt und ausgeplündert wurde, war damals in vielen, immer noch aus Angst vor der Gestapo und nur unter der Hand erzählten Geschichten, lebendig.
Hier nun Ernas Geschichte:
Sie hatte vom Kreisordnungsamt als Witwe mit vier minderjährigen Kindern einen Bezugsschein für ein Fahrrad bekommen, eine wirklich große Hilfe für sie, und hatte es im alten Schuppen hinter dem Wohnhaus stehen. Das quietschende Geräusch der Schuppentür in später dunkler Nacht schreckte sie aus dem Schlaf, und mit Handstock und Taschenlampe bewaffnet trat sie vorsichtig auf den unbeleuchteten Hof.
Dort sah sie den schattenhaften Umriss einer Figur in der offenen Scheunentür, der sie drohend anblaffte: Mach deine Scheiß-Lampe aus, Weib!
Er hatte Ernas Fahrrad in den Händen, rannte drohend auf sie zu und schubste sie brutal zu Boden. Es war ein deutscher Offizier in schwarzer Uniform, der auf Ernas Hilferufe mit dem Gebrüll: Selber Schuld, du blöde Kuh!
reagierte. Bei diesen Worten stürzte er auf seiner Flucht in Hektik über das Fahrrad, schrie laut auf, rappelte sich aber wieder auf, stieß sich ein paarmal mit den Füßen ab und verschwand mit Ernas Fahrrad in der Dunkelheit der Nacht. Ein paar neugierige Nachbarn liefen aufgeregt zusammen, aber niemand wagte damals aus Angst eine Verfolgung.
Diese taffe Erna wurde Jahre später, weil das Leben auch seltsame Geschichten schreibt, meine charaktervolle, immer hilfsbereite Schwiegermutter …