Der Traum vom eigenen Haus
Wir, das waren unsere Eltern und drei Kinder, wohnten in einer wunderschönen, Dreieinhalbzimmerwohnung in Hamburg am Hofweg. Die Wohnung hatte eine kleine, überdachte Terrasse und einen ebenso kleinen Garten von etwa fünfzig Quadratmetern. An den Rändern ein paar Blumen, der Rest war Rasen.
Bei schönem Wetter stand hier der Kinderwagen mit meiner vierzehn Jahre jüngeren Schwester, bewacht von meinem Schäferhund Lord
. Der knurrte schon, wenn jemand am zwanzig Meter entfernten Durchgang zu den hinter dem Haus liegenden Garagen vorbeiging.
Bis auf die ungeliebte Schule gab es hier alles, was mir gefiel. Die Taschen hatte ich voller Geld, da ich Blumen ausgetragenLesen Sie auch meine Geschichte:Als Blumenjunge auf der Uhlenhorst
[Klick …] habe. Fußballspielen konnte ich in der Schulmannschaft und beim USC Paloma in Barmbek. Ich hatte einen Freund, der ein Kanu besaß, mit dem er mich manchmal direkt von der Tür abholte, denn keine fünfzig Meter von unserer Haustür war ja der Hofwegkanal, welcher in den Uhlenhorster Kanal führte und dann direkt in die Außenalster. Auch an die herrlichen Winter kann ich mich erinnern. Wenn die Kanäle und die Alster zugefroren waren, konnte ich von unserem Kanal, auf Schlittschuhen, über die Alster bis zum Dammtor laufen. Dort arbeitete mein Vater, mit dem ich dann in seinem VW zurück nach Hause fuhr. So etwas wie das spätere Eisvergnügen
gab es noch nicht. Man war so ziemlich alleine auf dem Eis. Vorsichtig musste man unter den Brücken sein, wo das Eis noch nicht so dick war. Dann musste ein ordentlicher Anlauf genommen werden, um schnell über das dünne Eis zu kommen. Auch beim Überqueren der Alster musste man an der Fahrrinne der Alsterfähren aufpassen, diese wurden so lange wie möglich offengehalten. Doch wenn sie zufror, schoben sich hier die Eisschollen übereinander. Obwohl ich mich mit dem Eis auf der Alster gut auskannte, bin ich doch eines Tages beim Abendspaziergang mit meinem Hund Lord
hinter der Anlegestelle Uhlenhorst ins Eis eingebrochen. Das tückische war, dass es unter der oberen Eisschicht noch eine zweite Eisscholle gab. Auf dieser rutschte ich immer tiefer ins Wasser. Als es mir schon bis zu den Knien reichte, stand plötzlich Lord neben mir. An seinem Fell konnte ich mich festhalten und er krallte sich mit seinen Pfoten in das Eis, sodass wir Schritt für Schritt wieder ans Ufer kamen. Leider hat sich Lord dabei eine Lungenentzündung geholt. Nachdem ich meinem Vater davon erzählt hatte, durfte ich mit ihm zu einem teuren Tierarzt gehen. Auch nachts durfte Lord nun in mein Bett, was ihm nach seiner Genesung schwer wieder abzugewöhnen war.
Fazit meines Vorwortes: Ich fühlte mich hier rundum wohl.
Aber meine Eltern! Im Nachhinein erinnert es mich immer an die Geschichte De Fischer un sien Fru
Ein Fischer, der mit seiner Frau in einer armseligen, als Pissputt
bezeichneten Hütte lebt, angelt im Meer einen Butt, der als verwunschener Prinz um sein Leben bittet; der Fischer lässt ihn wieder frei.
Als Ilsebill, die Frau des Fischers, das hört, fragt sie ihn, ob er sich denn im Tausch gegen die Freiheit des Fisches nichts von ihm gewünscht habe. Sie drängt ihren Mann, den Butt erneut zu rufen, um sich eine kleine Hütte zu wünschen. Diesen Wunsch erfüllt ihm der Zauberfisch.
Doch schon bald ist Ilsebill damit nicht mehr zufrieden. Erneut verlangt sie von ihrem Mann, den Butt an Land zu rufen und einen größeren Wunsch vorzutragen.: Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje inne See, myne Fru de Ilsebill will nich so, as ik wol will
…
Sie wollten unbedingt ein Haus haben. Obwohl unsere Mutter nach der Geburt unserer Schwester im Alter von vierzig Jahren öfter krank und erschöpft war, sodass ihre Schwester, unsere Tante Else
, oder unsere Oma aus Berlin als gelernte Krankenschwester anreiste und den Haushalt versorgte. Für mich immer ein zweischneidiges Ereignis. Einerseits liebte ich meine Oma sehr, bis zu ihrem Tod mit zweiundneunzig Jahren. Andererseits war sie sehr streng. Da gab es kein Das mag ich nicht
oder Das mach ich morgen
. Einmal habe ich versucht, mich wegen eines bevorstehenden Diktats vor dem Schulbesuch zu drücken, indem ich eine starke Erkältung vortäuschte. Ich versuchte das Fieberthermometer durch Reiben in die Höhe zu treiben und ordentlich zu Husten. Mein Vater ordnete an: Das kranke Kind bleibt zu Hause!
Kaum war Vater aus der Tür, kam Oma. Na, dann wollen wir das arme Kind mal versorgen!
Wadenwickel, Halswickel mit lauwarmem Wasser und gesalzenem Haferschleim, den ich austrinken musste. Mittags war ich gesund!
Zurück zu unseren Eltern. Schon morgens stöberte meine Mutter als Erstes im Hamburger Abendblatt auf den Immobilienseiten herum und markierte einige Anzeigen. Nach einigen Wochen hatte sie wohl etwas gefunden, was ihren Preisvorstellungen entsprach. Es war ein Grundstück an Rande von Quickborn mit einem kleinen Haus mit drei Zimmern und drei Anbauten aus Holz. Das Grundstück war nur fünfundzwanzig Meter breit, aber einhundert Meter lang, was später für uns beschwerlich war. Das Haus stand am Ende des Gartens. Dahinter begann das Holmmoor
, heute bebaut mit vielen Häusern, neuen Straßen und der Autobahn.
Die Arbeitskollegen meines Vaters amüsierten sich und fragten, ob der Ort denn überhaupt auf der Landkarte zu finden ist. Quickborn war eben noch ein Dorf, aber nur dreißig Kilometer von der Hamburger Innenstadt entfernt. Die Vorstellungen der Eltern waren, dort hinzuziehen, um die Miete in Hamburg zu sparen. Groß genug war das Haus für uns. Dann wollten sie sich ein neues Haus bauen. Hierfür sollten neue Anbauten gemacht werden und dann das alte zum Teil abgerissen oder umgebaut werden.
Für mich bedeute der Umzug nach Quickborn, das letzte dreiviertel Jahr in eine neue Schule zu gehen. Was für ein Schock. Hier waren wir mit Mädchen zusammen in einer Klasse. Seltsame Wesen. In den Pausen standen sie zusammen, flüsterten, zeigten auf uns Jungens und lachten – aber nicht richtig, sie kicherten. Sie forderten uns auf Versteck zu spielen, aber dann flüsterten sie: Hallo Bernd hier bin ich!
Einige Zeit später fand ich dann Molli
ganz nett und wollte sie in das neue Quickborner Kino einladen. Aber sie wollte nur mitkommen, wenn ich auch eine Tafel Schokolade kaufe. Das war es dann vorläufig für mich mit den Mädels.
Aber von Anfang an fand ich in der Klasse einen Freund, Jochen. Wir hatten die gleichen Interessen und die gleiche Abenteuerlust. Fußball war es nun nicht mehr, aber Abenteuer in Wald und Moor, rund um Quickborn. Im Himmelmoor, wo seine Tante wohnte, ihr Mann war Direktor des Außenlagers des Bremer Zuchthauses, wurden die Häftlinge hier zum Torfstechen eingesetzt. Wenn wir den Onkel und die Tante mit dem Fahrrad besuchten, freute sie sich immer sehr, denn es war hier im Himmelmoor doch sehr einsam. Einige der Gefangenen waren auch bei der Tante im Haus beschäftigt. Hier wurde für die Gefangenen das Essen gekocht und die Wäsche gewaschen. Sie erzählte uns dann, dass ihr die Mörder am liebsten waren, denn die blieben lange im Haus und mussten nicht immer neu angelernt werden.
Die innige Freundschaft mit Jochen hielt dreißig Jahre, bis zu seinem Tod, gewürzt mit vielen Erlebnissen und Abenteuern.
Unsere Mutter blühte mit dem Hausbau richtig auf und entwickelte erstaunliche Kräfte. Ihr Bruder Hugo, der in der Nähe seinen Garten hatte und unter einer starken Sehschwäche litt, baute ihr, zusammen mit seinem Sohn, einen Stall neben dem Haus. Hier wurden Hühner und Gänse untergebracht. Daneben stand der Kaninchenstall. Versorgt wurden die Tiere von unserer Mutter und meinem Bruder Jens. Auch das Schlachten besorgte Jens damals, mit seinen vierzehn, oder fünfzehn Jahren.
Außerdem hatten wir ja noch unseren Hund Lord
und bald kam auch eine Katze dazu. Da die Katze noch sehr klein war, hatte Lord sie angenommen und sie durfte sogar bei ihm auf der Decke schlafen. Als eine kleine Gans krank wurde und im Haus versorgt werden musste, durfte auch die mit Hund und Katze auf der Decke schlafen. Alle drei haben sich gut vertragen.
In dem langen Garten standen sehr viele Obstbäume. Vom Quittenbaum, Äpfel der unterschiedlichsten Sorten, verschiedene Birnbäume, sowie verschiedenen Kirschsorten, Zwetschgen und Mirabellen, war hier alles angebaut. Dazu noch Stachelbeeren, sowie schwarze und rote Johannisbeeren. Gemüsebeete gab es auch noch, von Mutter und Jens bearbeitet. Und natürlich Erdbeeren, sowie Spargelbeete. Seitlich wurde das Grundstück von zwei mächtigen Buchenhecken begrenzt.
Meine Freundschaft mit Jochen sollte sich als Glücksfall für unsere Familie erweisen, denn seine Familie war eine alteingesessene Quickborner Maurerfamilie. Söhne und Schwiegersöhne, alle waren im Baugewerbe tätig. Der Vater war Polier einer großen Hamburger Baufirma und führte eine Kolonne Quickborner Maurer an, die zu der Zeit ein großes Bauprojekt der gewerkschaftseigenen Wohnungsbaugenossenschaft Neue Heimat
in Hamburg-Langenhorn durchführte. Die Männer fuhren die ganze Woche mit dem Fahrrad fünfzehn Kilometer von Quickborn zur Baustelle in Langenhorn. An den Wochenenden arbeiteten sie an ihren eigenen Häusern, oder halfen den Kollegen auf deren Baustellen. Viel später, als ich in einem der Häuser in Langenhorn wohnte, habe ich dann erfahren, dass ein Viertel mehr an Steinen, Dachziegeln, Toiletten und andere Materialien in Langenhorn angeliefert wurde, als es überhaupt Häuser gab. Mir wurde klar, wo das geblieben war. In Quickborn wurde zu der Bauzeit nämlich unter Eingeweihten
immer die Hausfrauen zu bestimmten Adressen und Uhrzeiten bestellt. Hier war dann ein Anhänger mit Baumaterialien abgestellt worden. Der Lkw fuhr dann weiter nach Langenhorn, anschließend holte er den Anhänger in Quickborn wieder ab, den die Frauen inzwischen abgeladen hatten. Das war ein Teil des Wirtschaftswunders!
Nur bei uns tat sich nichts! Wir hockten in dem neuen Zuhause mit dem großen Garten, obwohl meine Eltern beide in Großstädten aufgewachsen waren und noch nie einen Garten hatten. Auch für ihre Idee, mit dem Umbauen des Hauses, konnten sie keine Baufirma begeistern.
Meine Schulzeit war inzwischen beendet. Als Vorteil erwies sich es, dass ich hier ein Zeugnis mit durchgängigen Zweien bekam, da wir den Stoff in Hamburg schon in der achten Klasse durchgenommen hatten. Mit dem Zeugnis bekam ich eine Lehrstelle als Schiffsmaschinenbauer auf der SchliekerwerftLesen Sie auch meine Geschichte:Mein langer Weg zur Schliekerwerft
[Klick …].
Bei uns zu Hause herrschte zunehmend schlechte Stimmung, so zog ich mich immer mehr zum Elternhaus meines Freundes Jochen zurück. Hier wurde ich wie ein viertes Kind aufgenommen! Ohne Fragen oder Kommentare. An den Wochenenden habe ich oft hier geschlafen. Das alles bekam der Vater meines Freundes natürlich auch mit. Er nahm sich nun unseres Dilemmas an.
Als Erstes vermittelte er uns einen Kontakt zu dem Gemeindearchitekten, der sich gerne etwas dazuverdiente, indem er private Aufträge annahm. Das hatte den Vorteil, dass er den Bauplan erstellte, absegnete, dann auch die Bauabnahme durchführte und sogleich genehmigte.
Dann verabredete er mit meinen Eltern, dass er jeden Samstag und Sonntagvormittag an dem Umbau arbeiten werde. Bedingung war aber, dass die Materialien, Steine, Sand und Zement vorher beschafft und vor Ort waren. Da der Weg von der Straße bis zum Behelfsheim aber achtzig Meter lang und schmal, dazu noch an beiden Seiten mit Buchsbaum bepflanzt war, welche mein Vater unbedingt erhalten wollte, luden die Lieferanten ihre Materialien an der Straße ab. Wir, aber überwiegend mein Bruder Jens, da er noch zur Schule ging und nachmittags zu Hause war, haben dann diese im Laufe der Woche mit der Schubkarre zum Haus gebracht.
Jens erinnert sich:
Manchmal, wenn ich mit dem Transport von Baumaterial zu tun hatte, kamen Freunde vorbei, um mir zu helfen, damit ich schneller fertig werde, und wir dann gemeinsam Streifzüge durch das Moor machen konnten. Oder wenn wir baden gehen wollten. Ein Schwimmbad gab es in Quickborn noch nicht, also sind wir mit dem Fahrrad nach Ulzburg in die alte Kiesgrube, oder zum Elsensee gefahren. Im Elsensee befand sich unter den Seerosen ein alter Panzer, zu dem manche von uns runter getaucht sind. Ob der heute noch da drinnen ist?
Nun ging es flott voran. Meine kleine Schwester bekam ein Schild mit Namen und Adresse um den Hals, wurde am Hauptbahnhof in den Zug nach Berlin gesetzt und dort von unseren Großeltern abgeholt. Denn zeitweise konnten wir bei den Umbauarbeiten nachts die Sterne sehen, da das Dach schon abgerissen war. Dieses erzählte unsere Schwester dann auch auf der Fahrt munter dem netten Ehepaar, das sich ihrer angenommen hatte, wobei sie auch noch erzählte, dass wir mit dem Regenschirm auf die Toilette mussten.
Bei den Abrissarbeiten des alten Daches kamen darunter noch drei ältere Dächer zum Vorschein, die früher beim Erweitern des alten Hauses angebracht wurden, um dann irgendwann von einem größeren Dach überbaut zu werden. Somit war das alte Gebäude ein Haus mit sieben Dächern.
Das neue Walmdach hat dann ein schon in Rente lebender Zimmermannsmeister, Herr Gölk, entworfen. Er hat mich von Anfang an in die Konstruktion mit einbezogen. Das fand ich sehr interessant. Die gesamte Dachkonstruktion als Brettbinder
wurde im Garten auf der Wiese von Herrn Gölk und zwei Zimmerergesellen zusammengebaut. Es passte später alles auf den Zentimeter genau. Mich interessierte dabei vor allem, dass der eine Geselle zwei BMW – 500 ccm Motorräder mit Büffeltank
hatte, mit denen er abwechselnd zu uns kam. Sehr schwer war es, die Brettbinder
von der Wiese auf das Mauerwerk zu heben. Hierfür mussten möglichst viele Leute anpacken, Zimmerleute, Maurer und alle, die zu bekommen waren.
Der Umbau war inzwischen so weit fortgeschritten, dass mein Freund, der Fliesenleger gelernt hatte, bei uns in der Küche die Kacheln verlegen konnte. Nun hatte sich aber gerade ein anderer Fliesenleger in Quickborn selbstständig gemacht. Er zeigte meinen Freund wegen Schwarzarbeit bei unserem Dorfpolizisten an. An einem Samstag erschien der Polizist dann bei uns, um den Tatbestand
zu ermitteln. Er war sehr angespannt, denn er war ein guter Freund des Vaters meines Freundes. Hatte der ihm doch, ähnlich wie bei uns, beim Hausbau geholfen. Er kam dann darauf zu sprechen, dass ich doch Schlosser lerne und bei den Eltern meines Freundes im Garten eine Wasserleitung verlegt habe. Damit war es eine Nachbarschaftshilfe
und damit nicht strafbar.
Das Haus war nun zu neunzig Prozent fertig und unsere Eltern vollkommen entzweit. Mutter im Kittel auf der Baustelle, mit langsam grauer werdenden Haaren. Und Vater hatte in seiner Reederei Stinnes eine sehr attraktive, zehn Jahre jüngere Sekretärin bekommen.
Die Beziehung der beiden wurde natürlich schnell bekannt. Mein Vater wurde daraufhin zu Frau Stinnes nach Blankenese zitiert. Hier erhielt er eine ordentliche Kopfwäsche. Er könne sich ja eine Geliebte nehmen, aber eine Ehefrau mit drei Kindern verlässt man nicht, verkündete sie und sorgte für seine, sowie die Entlassung der Sekretärin aus der Firma.
In Hamburg hatte mein Vater somit keine Möglichkeit mehr auf eine Anstellung in Schifffahrtskreisen. Was gab er damit alles auf, für seine neue Liebe, unsere spätere Stiefmutter … Den Vorsitz des Prüfungsausschusses der Seefahrtschule, den Beisitzer am Seegericht, er wurde als Beisitzer des Verbands Deutscher Reeder ausgeschlossen und verlor seine schifffahrtsbezogenen Ehrenämter.
Das war also der Traum vom eigenen Haus. Am meisten hat mein jüngerer Bruder darunter gelitten. Er musste die ganzen Auseinandersetzungen der Eltern über sich ergehen lassen. Mein Glück, dass ich am Ende des Dramas schon zur See fuhr.
Dann reichte unser Vater die Scheidung ein. Damit war auch der Verkauf des noch nicht ganz fertigen Hauses verbunden und der Verkaufspreis war entsprechend niedrig. Trotzdem blieb für beide noch etwas übrig. Unsere Mutter, völlig am Ende ihrer Nerven und kurz vor einem Selbstmord, verlor ihren Anteil am Hausverkauf dann noch an einen windigen Immobilienmakler, der ihr ein Haus in einer Kleingartenkolonie versprach. Am Ende musste sie dann mit sechsundfünfzig Jahren in ein Pflegeheim.
Vater heiratete seine Sekretärin und zog berufsbedingt nach Hessen. Er fand dort eine Anstellung als Kundendienstingenieur für Industriekessel. Durch geschicktes Taktieren seiner neuen Frau, unserer Stiefmutter, gelang es, ein billiges Grundstück auf einem bisher unbebauten Hügel, oberhalb des Dorfes, zu erwerben. Beide bauten hier ein neues, relativ großes Haus. Unsere kleine Schwester Katharina zog zu ihnen, da Mutter ja im Pflegeheim war. Später, als unser Opa gestorben war, zog Oma, also seine Mutter, auch hier ein.
Ob unsere Stiefmutter sich das Ganze so vorgestellt hat, habe ich nie erfahren, aber unsere Schwester berichtete von regelmäßigen Auseinandersetzungen wegen der Unterhaltszahlungen an unsere Mutter.
War unser Vater in der neuen Beziehung glücklich?
Er war die ganze Woche in seinem neuen Job unterwegs, lebte von Spesen und übernachtete in Hotels. Aber uns in Hamburg mit inzwischen zwei Enkelkindern vermisste er wohl sehr. Immer öfter bat er jetzt darum, dass wir ihn doch mit den Enkelkindern öfter besuchen sollten Es sind doch nur fünfhundert Kilometer
. Beruflich eingebunden, mit Wochendiensten hatte ich aber immer eine Ausrede.
Heute tut es mir unendlich leid, dass wir ihn nicht öfter besucht haben, denn ich bin heute selber sehr glücklich, wenn mich meine Enkel besuchen.