Schöne digitale Welt
Meine Reise durch den Irrgarten des O2 Kundenservice begann mit dem Tod meines Freundes Egon G. Seine 85 jährige Frau bat mich, sein Internet abzumelden. Das Telefon wollte sie aber natürlich weiter behalten. Kein Problem
, dachte ich mir in meinem jugendlichen Alter von 74 Jahren, schließlich hatte ich doch Internet, Telefon und Handy auch bei O2. Also die Nummer des Kundenservice im Internet rausgesucht und angerufen. Eine nette Computerstimme fragte nun, ob ich etwas über Handy wissen wolle oder über DSL, dann sollte ich die entsprechende Taste drücken. Ich wollte aber nichts über Handy oder DSL wissen, sondern vom Kundendienst erfragen, wie ich das Internet für meinen Freund kündigen kann! Auf gut Glück habe ich dann mal die Taste 2
gedrückt. Wieder bin ich mit einer Computerstimme verbunden, die mir mitteilte, dass ich in ca. drei Minuten verbunden werde. Es dauerte dann etwas länger, aber ich bin ja ein geduldiger Rentner.
Nun war ein echter Mensch am Telefon. Ich schilderte ihm mein Anliegen und nach einigem Hin und Her konnte ich klarstellen, dass es sich nicht um meinen Anschluss handelt, er hatte wohl auf seinem Computer meine Telefonnummer, von der ich ja auch angerufen hatte. Nach Übermittlung der Kundennummer und des Passworts meines verstorbenen Freundes Egon wurde mir nun mitgeteilt, dass eine andere Abteilung dafür zuständig ist, aber er ist so nett und stellt mich durch. Eine schöne Melodie verkürzte die Wartezeit, bis sich ein anderer Herr meldete. Ihm schilderte ich die Geschichte erneut. Nun wurde mir erklärt, dass die Witwe Frau G. einen neuen Anschlussadapter braucht und er den auch gleich versenden wird. Auf die Umstellung auf einen neuen Vornamen würde er großzügig verzichten, denn das kostet ja nur Geld. Daraufhin habe ich Frau G. angerufen, um ihr mitzuteilen, dass ein Paket von O2 demnächst bei ihr ankommt und ich ihr das Gerät dann anschließe.
Nun ist Frau G. aber schon ein bisschen vergesslich und hat die Annahme des Pakets verweigert, da sie ja nichts bestellt hat. Mit dem neuen Sachverhalt habe ich nun wieder bei O2 angerufen. Nach dem mir ja nun schon bekannten Warten und Durchstellen meldete sich wieder eine menschliche Stimme, der ich neuerlich meine Leidensgeschichte erzählte, mit dem Ergebnis, dass erst die Rücksendung des Adapters bei ihm gemeldet sein muss, bis ein neues Paket abgesendet werden kann.
Zwei Tage später erhielt ich dann eine E-Mail, in der stand, dass das Paket als nicht zustellbar zu O2 zurück gekommen ist. Also nichts wie ans Telefon, um das Paket wieder auf die Reise zu schicken. Nun war eine Dame am Telefon, der ich die ganze Geschichte erneut schilderte. Sie erklärte mir dann, dass es aus Datenschutzgründen nicht möglich sei, dass ich einen Adapter für meinen Freund Egon bestelle, auch wenn ich ihr seine Kundennummer und das Passwort mitteilte. Das könne nur der Anschlussinhaber persönlich machen. Auf meinen Einwand, dass der ja nun tot ist und dieses ja wohl nicht mehr möglich ist, bekam ich zu hören, sie müsse sich erst mal mit Kollegen besprechen.
Nach einigen Minuten meldete sich die Dame wieder und teilte mir mit, dass aus Datenschutz und bla-bla es nicht möglich ist, Frau G. einen neuen Adapter zu schicken, aber sie verbindet mich weiter.
Nun hatte ich eine ganz kompetente Dame an der Strippe, sie ließ sich erst noch einmal die ganze Geschichte vortragen, um mir dann zu erzählen, dass ich O2 eine Sterbeurkunde und einen Antrag auf Namensänderung, sowie eine Vollmacht schicken müsste. Ich habe mich für das Gespräch und den tollen Service bedankt. Zehn Minuten später rief Frau G. mich über ihr Handy an, um mir mitzuteilen dass ihr Telefon gesperrt ist.
Daraufhin habe ich wieder bei O2 angerufen, diesmal meldete sich wieder ein Herr, dem ich die ganze Geschichte erneut erzählte. Nun haute es mich vom Hocker! Der Herr sagte mir, dass alle anderen Auskünfte Blödsinn sind und es bei O2 nur einen Minimaltarif gibt, in dem Telefon, Internet und Handy enthalten sind. Wenn jemand nur das Telefon benutzt, hat er selber Schuld. Die Sperrung des Telefons kann nur vor Ort aufgehoben werden, wurde mir auch noch mitgeteilt.
Nun nahm sich ein netter Nachbar der Sache vor Ort an. Er telefonierte mit O2 und erzählte die ganze Geschichte, mit dem Ergebnis das Frau G eine neuer Adapter zugesandt wurde, ohne Sterbeurkunde, ohne Vollmacht und ohne Angabe der Schuhgröße. Der nette Nachbar konnte aber mit dem Adapter auch nichts anfangen, und brachte Frau G einen Antrag der Telekom, den sie auch unterschrieb und verschickte. Da Frau G nun schon 12 Tage ohne Telefon war und mit dem Handy auch Schwierigkeiten hatte, fuhr ich nach Travemünde, um ihr Telefon nun endlich anzuschließen.
Ich befürchtete nur, dass Frau G bei der Telekom vom Regen in die Traufe kommt.
Ich kann mich noch an die Zeit erinnern als ein netter Herr von der Post kam, das Telefon persönlich brachte, den Stecker montierte und das erste Gespräch zu Testzwecken selber führte.
Schöne digitale Welt 2 — wie es weiterging
Aber meine Befürchtungen sollten sich bestätigen! Nachdem Frau G. 14 Tage nach Antragstellung bei der Telekom immer noch nichts gehört hatte, außer einem Werbeprospekt: Lehnen Sie sich zurück, wir machen das
, fuhr Frau G. mit dem Bus von Travemünde nach Lübeck, in den nächsten ihr bekannten Telefonladen. Hier erhielt sie die Auskunft, dass O2 ihre Telefonnummer noch nicht freigegeben hatte. Aber man werde sich sofort darum kümmern! Es gingen wieder 14 Tage ins Land, ohne dass sich die Telekom meldete. Auf Nachfragen kam immer die Auskunft, dass der Fehler bei O2 liege. Zu diesem Zeitpunkt erfuhr ich von der schon recht verzweifelten Frau G vom Stand der Dinge, denn mit ihrem Handy konnte sie auch nicht so recht umgehen, vor allem bekam sie keine Anrufe mehr, da ihre Bekannten ja nichts von ihrem Dilemma wussten und bei Anrufen immer nur die Auskunft erhielten: Kein Anschluss unter dieser Nummer
‑ und das nun schon seit sieben Wochen.
Mein erneuter Anruf bei O2, warum denn die Telefonnummer von Frau G nicht freigegeben werde, erstaunte mich schon sehr und macht den ganzen Wahnsinn von Computergesteuerten Arbeitsabläufen sichtbar. Mir wurde nach mehrfachem Durchstellen an einen kompetenten Mitarbeiter erklärt, dass der Fehler beim Kunden liege! Frau G hätte nicht kündigen dürfen, sondern erst den Anschluss mit dem Vornamen ihres Mannes auf ihren Vornamen ändern müssen, danach hätte sie kündigen können. So verbleibt die Telefonnummer auf dem Namen ihres Mannes, und nur er kann den Anschluss kündigen. Auf meinen Einwand, dass das ja nun schlecht möglich ist, da er verstorben ist, und meine Frage, wieso Frau G denn aber den Anschluss kündigen konnte, bekam ich als Antwort, dass hierfür ja die Sterbeurkunde vorgelegen hätte. Dies gelte aber nicht für die Telefonnummer. Vielleicht kann mir das ja irgendein Mensch erklären. Der Herr von O2 konnte es nicht!! Die Telefonnummer ist also auf ewige Zeiten im digitalen Orbit verschwunden. DACHTE ICH!!
Nun geschah das Wunder. Es schaltete sich ein Mensch aus Haut, Knochen und Verstand ein. Und das kam so: Frau G sah zufällig einen Wagen der Telekom am Hafen von Travemünde stehen. Der Monteur machte dort seine Mittagspause. Er hörte sich geduldig die Geschichte von Frau G und ihr Flehen an, ihr nach fast drei Monaten doch endlich zu ihrem Telefonanschluss zu verhelfen. Er telefonierte kurz und nach einer halben Stunde hatte Frau G ihren Telefonanschluss mit der alten Nummer von O2 bei der Telekom!! Sie schließt ihn jetzt immer in ihr Nachtgebet ein.