Utbüxt
Egenlich wull lütt Jan dat gor nich. Eenfach utbüxen? Och wat. Em weer dat blots to langwielig! Toeerst, as dat regen dee, hett he to Huus mit siene Holtiesenbohn speelt. As he dat satt harr, hett he sik de Flaag ut't Finster ankeken un sik blangenbi in de Nees bohrt. Wat in'n Kiekkasten leep? Rein gor nix leep in'n Kiekkasten! Nich blots, wieldat sien Öllern so'n Dings nich harrn, nee, dat Feernsehn weer 1935, as Jan utneiht is, noch gor nich rutfunnen!
Aver dat Vagelscheten in Harborg, dat geev un gifft dat al lang, de Schüttengill existeert sogor siet mehr as veerhunnert Johren. Vun´t Scheten wüss Jan nix vun af, aver vun´t Snopen üm so mehr! Un Korussellfohren, jo, dat wull he ok!
Mama, wann goht wi denn hen na'n Patz?
Wat för'n Ding? Och, du meenst dat Vagelscheten op'm Swattenbargplatz, nich? Sünnavend wüllt wi hen. Dor kümmt Papa freuher na Huus.
Un wat is hüüt?
Hüüt hefft wi Dingsdag. Nu goh man spelen, Jung, dat is al dreug un de Sünn schient.
Achim weer al dor, op'm Patz.
Platz heet dat, Jan, nich Patz. Plll-atz.
Achim weer al -
Aver du büst nich Achim. Un ik heff keen Tied. Nu man rut mit di an de Freujohrsluft!
Dingsdag is hüüt, hett Modder seggt. Denn mutt he noch ... veermol slopen? Mann inne Tünn! Un Modder hett keen Tied? Dat wull he glieks Achim vertellen, de wahnt üm de Eck.
Man bi Achim weer keeneen to Huus. Un Helmut? Helmut is wegtrocken. Un Peter? De liggt in`n Krankenhuus. Wat nu? Mitmaal full em Hinnerk in, vun gegenöver. Aver denn mutt he över de groote Stroot lopen … Na, man to, lütt Bötel - keen Auto to sehn! Nee, dat deit he denn doch nich. Passeert so veel, hett Modder seggt. Jan is jo al veer un bannig verstännig.
Wenn he man Kried harr! Mit Kried kann een scheun wat op't Ploster molen … Bä! Wat so utseeg as witte Kried, is nix as ole Hunnenkacke … Miteens heur Jan Musik vun'n Patz, nee, Plll-atz. Un denn rüük dat so, na brennte Manneln, na törkschen Honnig, na Lakritzen …
Welkeen vun de Wallstroot 42, wo Jan wahnt, na'n Swattenbargplatz rop will, geiht an'n besten den pielen Weg hooch, an'n Suldatenkarkhoff vörbi. Dat is nich allto wiet. Jan sien Kinnerdokter wahnt dor ok dicht bi. Un dat gifft keen groote Stroot, de een överdweren mutt!
Dat geev den Utslag. Un noch wat. Dat Modder keen Tied hett … Un-un-un dat Sünnavend amenn al allens afboot is! Un wat denn? Sühst woll! Jan stevel los.
As he op'm Swattenbargplatz ankeem, seeg he eerstmaal nix as Minschen, Minschen - un dat Resenrad. Wat weer dat blots vull hier! Un luut! En Gebimmel un en Geschree, meist to'n Weglopen. Aver dat wull he jo grood nich. Wenn he blots 'n beten dichter bi de Boden rankeem! All de groten Lüüd stünnen vör em. Wat schull he moken? He schoov 'n beten. Dor see 'ne Fro: Och, kiek doch mol den Lütten hier. De kann jo gor nix sehn!
Dor moken s' em Platz, he keem ganz bit na vörn. Aha, dacht Jan. Nu wüss he Bescheed un versök dat wiet un siet, bi elkeen niege Bood, un allemal keem he an'n Drücker, wat scheun!
Unverwohrens seeg he Achim un den sien Opa. Achim feuhr Korussell; he seet ganz alleen in en Füerwehrauto un bimmel: Bim! Bim-bim! Bim-bim-bim-bim! Bim-bim!
Achim!
, schree Jan, man Achim bimmel un bimmel, jümmers in'n Krink an em vörbi. De is nu al dat tweete Mol hier, un mien Modder hett keen Tied, dacht Jan un güng trurig wieder.
Wat groot hier allens weer! Bood an Bood … Wo geiht egenlich de Weg na Huus af? Dat kunn he nich utmoken. Aver dat geev hier jo ok noch bannig veel to bekieken!
Middewiel weer't duuster, aver Jan is keen Bangbüx. Nee, wohrhaftig nich! Un hier op'm Platz weer allens vull witte un bunte Lichten. Man blots, een vun de groten Lüüd harr em jo mol so'n Hart ut Levkoken spenderen kunnt oder en Ies. Dat harr he annohmen, aver keen Schokolaad un ok keene Bontjes. Dat sünd beuse Mannslüüd, de so wat verschenken doot! Mitschnackers, see sien Vadder. Vör so een wull he woll weglopen, dat gläuv man!
Wo laat much dat woll ween? Dat weer lang nich mehr so vull as vördem. Jan keem sünner Noot an jedeen Bood ran. Man wat hölp em dat? He harr jo kein Geld! Aver - kiek an: Twee Udels kemen op em to. De een vun jüm güng in de Huk un wull Jan sien Noom weten. Na, dat weer jo 'n Klacks för em. Un denn hefft s' em bi de Hand nohmen, de twee Schupos, un seggt, dat sien Modder op em teuv, dor achter. Denn harr se nu doch Tied? Wat scheun!
Aver as Modder ehrn Jan seeg, fleug se op em to, güng ok in de Huk un drück em so fast, dat he na Luft snappen müss, un se ween un see, se wull glieks morgen mit em wedder herkomen na'n Swattenbarg, se hett doch dacht, dat he bi Achim weer un vergeten harr Bescheed to seggen, un dat Papa nich mit em schimp un em nich haut, dat see se ok noch.
Un nie nich, heurst du, mienleev nich dörfst du wedder weglopen, mien Jan! Versprekst du mi dat, hooch un hillig?
He nickköpp. Eernst holl se em ehre Hand hen. Sloog in!
Dat hett Jan denn ok mookt, ofschoonst he dat Gefeuhl harr, dat dat 'n beten to fierlich weer. Aver em weer ok so, as wenn he miteens 'n Stück wussen weer - liekers he nich wüss, woso. Dat sien Vadder nich mit em schimp oder em sogor haut, na, dat harr Modder nu nich seggen müss. Jan harr ehr doch blots en beten Arbeid afnohmen, wieldat se keen Tied harr! Richtig utbüxen? Nee, dat wull de lütte Jung gor nich. He hett doch nich mol 'n Buddel Saft inpackt! Ok keen Appel, gor nix! Op eenmol is em bannig koolt worrn, un wenen müss he ok.
Mama, ik, dörv ik -, he müss slucken -
dörv ik op - op dien Arm?
Ausgekniffen
Eigentlich wollte der kleine Jan das gar nicht. Einfach auskneifen? Ach was. Ihm war das nur zu langweilig! Zuerst, als es regnete, hat er zu Hause mit seiner Holzeisenbahn gespielt. Als er das satt hatte, hat er sich den Schauer aus dem Fenster angeguckt und nebenbei in der Nase gebohrt. Was im Fernsehen lief? Überhaupt nichts lief im Fernsehen! Nicht nur, weil seine Eltern so’n Ding nicht hatten, nein, das Fernsehen war 1935, als Jan ausgekniffen ist, noch gar nicht erfunden worden!
Aber das Vogelschießen in Harburg, das gab und gibt es schon lange, die Schützengilde existiert sogar seit mehr als vierhundert Jahren. Vom Schießen hatte Jan keine Ahnung, aber vom Naschen um so mehr! Und Karussell fahren, ja, das wollte er auch!
Mama, wann gehen wir denn auf den Patz?
Was für'n Ding? Ach, du meinst das Vogelschießen auf dem Schwarzenbergplatz, nicht? Sonnabend wollen wir da hin. Da kommt Papa früher nach Haus.
Und was ist heute?
Heute haben wir Dienstag. Nun geh mal spielen, Junge, es ist schon wieder trocken und die Sonne scheint.
Achim war schon da, auf'm Patz.
Platz heißt das, Jan, nicht Patz. Plll-atz.
Achim war schon -
Aber du bist nicht Achim. Und ich habe keine Zeit. Nun mal raus mit dir an die Frühjahrsluft.
Dienstag ist heute, hat Mutter gesagt. Dann muss er noch viermal schlafen? Mannomann! Und Mutter hat keine Zeit? Das wollte er gleich Achim erzählen, der wohnt um die Ecke.
Aber bei Achim war keiner zu Hause. Und Helmut? Helmut ist weggezogen. Und Peter? Der liegt im Krankenhaus. Was nun? Auf einmal fiel ihm Hinnerk ein, von gegenüber. Aber dann müsste er über die große Straße laufen. Na, man zu, kleiner Knirps - kein Auto zu sehen! Nein, das tut er dann doch nicht. Es passiert so viel, hat Mutter gesagt. Jan ist ja schon vier und ziemlich verständig.
Wenn er bloß Kreide hätte! Mit Kreide kann man schön was aufs Pflaster malen. Bä! Was so aussah wie weiße Kreide, ist nichts als alte Hundekacke. Plötzlich hörte Jan Musik vom Patz, nein Plll-atz. Und dann roch das so nach gebrannten Mandeln, nach türkischem Honig, nach Lakritzen.
Wer von der Wallstraße 42, wo Jan wohnt, zum Schwarzenbergplatz rauf will, geht am besten den steilen Weg hoch, am Soldatenfriedhof vorbei. Das ist nicht allzu weit. Jan sein Kinderarzt wohnt auch in der Nähe. Und es gibt keine große Straße, die man überqueren muss!
Das gab den Ausschlag. Und noch was. Dass Mutter keine Zeit hat. Und-und-und dass Sonnabend vielleicht schon alles abgebaut ist! Und was dann? Siehste wohl! Jan stiefelte los.
Als er auf dem Schwarzenbergplatz ankam, sah er zunächst nichts als Menschen, Menschen - und das Riesenrad. Wie war das bloß voll hier! Und laut! Ein Gebimmel und ein Geschrei, fast zum Weglaufen. Aber das wollte er ja gerade nicht. Wenn er bloß ein bisschen näher an die Buden herankommen würde! All die großen Leute standen vor ihm. Was sollte er machen? Er schob ein bisschen. Da sagte eine Frau: Och, seht doch mal den Lütten hier. Der kann ja gar nichts sehen!
Da machten sie ihm Platz, er kam ganz bis nach vorn. Aha, dachte Jan. Nun wusste er Bescheid und versuchte das überall, bei jeder neuen Bude, und jedes Mal klappte das, wie schön!
Plötzlich sah er Achim und dessen Opa. Achim fuhr Karussell; er saß ganz allein in einem Feuerwehrauto und bimmelte: Bim! Bim-bim! Bim-bim-bim-bim! Bim-bim!
Achim!
, schrie Jan, aber Achim bimmelte und bimmelte, immer im Kreis an ihm vorbei. Der ist nun schon zum zweiten Mal hier, und meine Mutter hat keine Zeit, dachte Jan und ging traurig weiter.
Wie groß hier alles war! Bude an Bude. Wo geht eigentlich der Weg nach Hause ab? Das konnte er nicht entdecken. Aber es gab hier ja auch noch massenhaft viel zum Angucken!
Mittlerweile war es dunkel geworden, aber Jan ist kein Angsthase. Nein, wahrhaftig nicht! Und hier auf dem Platz war alles voller weißer und bunter Lichter. Bloß, einer von den großen Leuten hätte ihm ja mal solch Lebkuchenherz spendieren können oder ein Eis. Das hätte er angenommen, aber keine Schokolade und auch keine Bonbons. Das sind böse Männer, die so was verschenken! Mitschnacker, sagte sein Vater. Vor so einem wollte er wohl weglaufen, das glaub man!
Wie spät mochte es wohl sein? Es war lange nicht mehr so voll wie vorher. Jan kam mühelos an jede Bude ran. Aber was half ihm das? Er hatte ja kein Geld! Aber - sieh mal an: Zwei Polizisten kamen auf ihn zu. Der eine ging in die Hocke und wollte Jans Namen wissen. Na, das war ja ein Klacks für ihn. Und dann nahmen sie ihn bei der Hand, die zwei Schutzleute, und sagten, seine Mutter warte da hinten auf ihn. Dann hatte sie nun doch Zeit? Wie schön!
Aber als Mutter ihren Jan sah, flog sie auf ihn zu, ging auch in die Hocke und drückte ihn so fest, dass er nach Luft schnappen musste, und sie weinte und sagte, sie wolle gleich morgen mit ihm wieder herkommen zum Schwarzenberg, sie habe doch gedacht, dass er bei Achim sei und vergessen hätte Bescheid zu sagen, und dass Papa nicht mit ihm schimpft und ihn nicht verhaut, das sagte sie auch noch.
Und nie wieder, hörst du, nie im Leben darfst du wieder weglaufen, mein Jan! Versprichst du mir das, hoch und heilig?
Er nickte. Ernst hielt sie ihm ihre Hand hin. Schlag ein!
Das hat Jan dann auch gemacht, obgleich er das Gefühl hatte, dass das ein bisschen zu feierlich war. Aber ihm war auch so, als sei er plötzlich ein Stück gewachsen - obgleich er nicht wusste, wieso. Dass sein Vater nicht mit ihm schimpft oder ihn sogar verhaut, na, das hätte Mutter nun nicht sagen müssen. Jan hatte ihr doch nur ein bisschen Arbeit abgenommen, weil sie keine Zeit hatte! Richtig ausbüxen? Nein, das wollte der kleine Junge gar nicht. Er hat doch noch nicht mal eine Flasche Saft eingepackt! Auch keinen Apfel, gar nichts! Auf einmal ist ihm sehr kalt geworden, und weinen musste er auch.
Mama, ich, darf ich
, - er musste schlucken - darf ich auf - auf deinen Arm?