Transitstrecke F5 durch die DDR – 1970
Als ich 1970 meine 18 Monate Wehrdienst bei der Bundeswehr beendete, lernte ich den Nachbarn meiner Eltern kennen. Er war Inhaber einer Firma, die sich iph
(Industrie Plastics GmbH) nannte. Es war ein Spezial-Unternehmen für Grundwasser-Abdichtungen, Bautenschutz-, Dach- und Schornstein-Isolierung, Wasserspeicher und Schwimmbecken. Die Firma verarbeitete Qualitäts-Folien mit Prüfzeugnissen deutscher Hersteller im Heizkeil- und im Hochfrequenz-Schweißverfahren. Vorfertigung von Teilflächen bis 500 Quadratmeter waren möglich. Bei größeren Flächen erfolgt die Verschweißung dieser Großteile an der Baustelle.
Ich sah mir die Firma in Hamburg-Altona im Hohenesch 17 an. Es herrschte ein gutes Betriebsklima. Der Meister Paul L. war gut drauf, und so fing ich im November 1970 bei der Firma an. Es gab viele Baustellen, die ich auf Montagetouren kennengelernt habe.
So hatte der Chef auch eine große Baustelle der Esso AG in Berlin-Spandau.
Für diese Baustelle musste ich Vordrucke bei der Wirtschaftsbehörde am Alten Steinweg in Hamburg 36 abholen. Diese Vordrucke wurden dann in der Firma genau ausgefüllt. Alles an Werkzeugen, Material, Elektrokabeln, Stromaggregaten und Aluleitern musste aufgelistet werden. Die ausgefüllten Vordrucke brachte ich wieder zur Wirtschaftsbehörde und bekam sie abgestempelt zurück.
Die Firma hatte einen Daimler-Benz 319D Pritschenwagen mit hohem Aufbau, Baujahr 1966, mit ungefähr 60 Litern Tankinhalt, der etwa 100 km/h fuhr. Vor der Fahrt nach Berlin-Spandau ging das Fahrzeug noch einmal in die Werkstatt. Es gab die Werkstatt Mercedes-Walter
, sie war in der Kieler Straße vor der Ecke Holstenkamp auf der linken Seite. Denn auf den 238 Kilometern durch die DDR sollte das Fahrzeug keine Panne haben. Ein Zwischenfall auf der Fernverkehrsstraße 5 war nicht auszudenken.
Am Vorabend der Abfahrt wurden alle vorgefertigten Folienteile auf die Pritsche geladen. Das übrige Werkzeug wurde erst kurz vor der Abfahrt eingeladen. So konnte ich am frühen Vormittag starten. Am Zonenkontrollpunkt musste ich bei der Einreise in die DDR meinen gültigen Reisepass und die Frachtpapiere der Firma vorlegen. Viel Zeit verbrachte man an den Kontrollstellen der DDR.
Vier Transitstrecken gab es nach Berlin. Eine der Strecken war die Fernverkehrsstraße 5. Sie führte von Hamburg über Bergedorf, Lauenburg/Elbe, Boizenburg, Ludwigslust, Perleberg, Kyritz, Nauen, Berlin-Staaken, mit 238 Kilometern Länge. Die Fernverkehrsstraße 5 durfte man nicht verlassen. An allen Ecken und Knicks standen die Volkspolizisten mit ihren Fahrzeugen. Sie warteten darauf, dass ein Fahrzeug der BRD einen Fehler machte. Dann waren sie schnell hinterher. Devisen der BRD in D-Mark waren bei ihnen hoch im Kurs. Auch bei beschrankten Bahnübergängen war es wichtig, dass man wartete, bis die Schranke ganz oben war. Erst dann durfte man losfahren. Es lief alles gut, keine Panne und keine Devisen der Volkspolizei abgegeben.
Als ich dann in West-Berlin angekommen war, fuhr ich gleich auf die Baustelle der Esso AG in Berlin-Spandau. Dort wurde das gesamte Material abgeladen. Nach einer kurzen Pause gab es eine Arbeitsbesprechung, 1971 ging das noch persönlich und ohne Handy. Anschließend suchte ich ein Hotel auf. Es war nicht weit von der Baustelle entfernt. Neben dem Hotel lag ein Aldi-Supermarkt. Für uns Monteure war es super, denn die Verpflegung für den nächsten Tag war so gesichert.
Am nächsten Tag fuhr ich mit allen Papieren, die ich für die Rückfahrt benötigte, zurück nach Hamburg. Auf der Rückfahrt machte ich, nachdem ich die DDR hinter mir gelassen hatte, in Lauenburg an der Elbe eine kurze Telefonpause und rief meine Mutter aus einer gelben öffentlichen Telefonzelle an. Ich sagte ihr, dass ich ungefähr um 14 Uhr zurück in der Mozartstraße in Hamburg-Barmbek-Süd wäre und sie möchte bitte einen Kaffee kochen, denn Lauenburg war nicht weit von Hamburg entfernt. Mutti freute sich, dass ich so gut wieder nach Hause gekommen war, denn zu dem Zeitpunkt wohnte ich noch bei meinen Eltern. Sie sagte, sie muss mir was Neues erzählen. Was es war, wollte sie mir aber nicht sagen. Ich dachte an einen Lottogewinn.
Die letzten Kilometer gingen ohne Stau voran. In der Mozartstraße kam ich pünktlich an. Der Kaffee wartete schon und war noch nicht kalt. Das Neuste wurde mir erzählt und endlich auch das Geheimnis gelüftet. Ich hatte einen ersehnten Brief bekommen, Absender war die Berufsinformation der Post. Meine Bewerbung beim gelben Riesen
war erfolgreich gewesen und ich konnte zum 2. Oktober 1971 meine neue Arbeitsstelle antreten. Meine Mutter und ich freuten uns sehr über diese Brief-Postsache. Anschließend fuhr ich den Daimler-Benz zurück nach Hamburg-Altona. Dort wurde schon neues Material für eine andere Baustelle gefertigt.
Zum 30. September1971 beendete ich meinen Arbeitsvertrag bei dieser Firma und fing am 2. Oktober 1971 beim gelben Riesen
, der Deutschen Post, in Hamburg an. Bis zu meinem Ruhestand arbeitete ich am Hühnerposten, beim Postamt 3 und in Hamburg-Altona beim Postamt 2.