Taschengeld in der Nachbarschaft
In der Schulzeit, Ende der 1950er Jahre, besserte ich das Taschengeld auf.
Nach Schulschluss ging es schnell nach Hause. Dann wurde Mittag gegessen und die Schularbeiten gemacht. Danach ging es auf Tour. In unserem Mietshaus in Barmbek-Süd wohnten 16 Familien. Unter anderem wohnte im zweiten Stock eine ältere Dame. Frau J. war ca. 70.Jahre alt und immer sehr lustig. Sie hatte einen kranken Fuß und konnte schlecht laufen. Einkaufen war für sie unmöglich. Wenn ich aus der Schule kam, hörte sie mich die Treppenstufen raufgehen (60 Stufen). Ihre Tür ging auf und sie fragte mich, ob ich für sie einkaufen könne. Ich sagte natürlich immer: Nach den Schulaufgaben komme ich!
Frau J. (man nannte sie auch Tante Käthe), sagte mir, was sie für heute an Lebensmitteln brauchte, gab mir Geld und ab ging es.
Kanarische Bananen wurden gebraucht, etwa fünf Stück. Die gab es beim Gemüsemann (Gemüseladen) um die Ecke, in der Herderstraße im Keller.
Der Ladeninhaber hieß Holzhausen. Die Bananenstaude hing an einer Kette, befestigt an der Decke über dem Tresen. Dann wurden fünf Bananen von der Staude abgeschnitten. Lose Kartoffel (Sorte Grata oder Hansa) wurden auch gebraucht und mitgebracht.
Fisch sollte ich immer bei einem bestimmten Fischladen kaufen. Fisch – Hülsen war ein kleiner Laden in der Herderstraße. Mal sollte ich Ihr eine Seezunge besorgen oder Krabben mit Schale. Nebenan gab es die Schlachterei Popp. Dort gab es Schweinebraten mit Schwarte und Gelee frisch aus dem Ofen zu kaufen. Beim Abschneiden der Scheiben bekam ich immer Hunger am Tresen.
Nebenan war ein tolles Kaffeegeschäft (Java-Kaffee), dort roch es immer sehr schön nach Kaffee.
Frau J. freute sich immer, wenn die gewünschten Sachen auf ihrem Küchentisch lagen. Den Rest des Geldes legte ich auf dem Küchentisch ab. Dann wurden Kohlen aus dem Keller geholt, lose Briketts und Eierkohlen. Die Eimer musste ich im Keller erst mal vollmachen. Im ganzen Haus gab es nur Kohleöfen zum Heizen.
Frau J. saß immer nur in Ihrer Küche. Dort bediente sie ihren Küchenofen, der immer warm war. Auf einem Küchenstuhl durfte man Platz nehmen. Ich wurde gewahr, was es Neues in unserem Mietshaus gab.
Frau J. war früher Köchin in Blankenese gewesen. Ihre ehemaligen Herrschaften kamen immer Weihnachten vorbei und brachten ihr einen sehr großen Präsentkorb. Den Korb zeigte sie mir auch immer.
Neue Telefonbücher besorgte ich ihr auch vom Postamt. Den Luxus, eingeschweißte Päckchen aus Gelbe Seiten
und zwei Telefonbüchern gab es früher nicht. Auch das Mitnehmen der Telefonbücher an der Tanke, der Tankstelle, gab es nicht.
Mit einer Abholkarte und 2 Telefonbüchern sowie einem Branchenbuch (gelbe Seiten) ging es zum nächsten Postamt. Die alten Bücher musste man am Schalter abgeben. Nur so bekam man die neuen Bücher.
Nach den Besorgungstouren bekam ich immer einen Obolus von ihr. Dafür konnte ich mir dann ein Eis kaufen, eine Kugel Eis kam zu der Zeit zehn Pfennig. Eine Vanilleschnitte, Punschschnitte, oder eine Kinokarte für 50 Pfennig (Sonntags-Jugendvorstellung) waren manchmal auch drin.
Fernseher hatten wenige Mieter, denn der Empfang ging über die Antenne und die war auf dem Dach montiert. Wenn man vier Fernsehantennen auf dem Dach sehen konnte, war es viel.