Polizei und Räucherfisch!
Ende der 50er Jahre bekamen meine Großeltern väterlicherseits eine größere Wohnung. Diese Wohnung lag im Nachbarstadtteil Altona, im dritten Stock in der Eggerstedtstraße 72. Sie liegt zwischen Holstenstraße, Max Brauer Allee (früher hieß sie nur Allee) und der Haubachstraße. 1951 wurde die Viktoriastraße in Eggerstedtstraße umbenannt.
Die Viktoriakaserne hatte einen großen Umfang von Gebäuden und war von mehreren Straßen umgeben. In der Bodenstedtstraße ist ein kleines Stück der Viktoriakaserne Block 3 erhalten geblieben. 1977 wurde ein Großteil der Kaserne abgerissen.
Bei Oma und Opa schräg gegenüber sah man die Holsten-Brauerei. In der Straße roch es immer nach Braugerste. Gegenüber vom Haus war eine Polizeiwache, in einem roten, kasernenförmigen Gebäude untergebracht. Die Polizeiwache und das Gebäude gibt es nicht mehr. Nur den Hochbunker (Eggerstedtstraße 51) gibt es noch.
Den besten Platz bei Oma und Opa hatte ich immer im Schlafzimmer, auf der Fensterbank. Es war nie langweilig. Es bewegte sich immer etwas in der Straße. Polizeifahrzeuge Typ Mercedes und Ford waren immer vor der Tür, oder sie fuhren auf Einsatztour. Die lebende Leinwand veränderte sich immer schnell, ohne Stromzufuhr. Bei Oma und Opa gab es noch keinen Fernseher im Wohnzimmer zu der Zeit. Manchmal wurden auch Personen in die Wache abgeführt. Abfahrt mit Blaulicht war immer der Hit des Schauplatzes. Oma und Opa fragten nach, ob ich noch lebe, weil ich immer so still war.
In den Schulferien war ich öfters mal ein paar Tage bei Ihnen zu Besuch. Die Anreise war ohne Auto und ging mit der Straßenbahn Linie 15 Richtung Altona-Hohenzollernring, es waren 20 Haltestellen bis zum Ziel. Der Schaffner an der Kasse sagte persönlich jede Haltestelle und jede Zahlgrenze durch das Mikrofon durch. Triebwagen (Motorwagen) war zu der Zeit mit Fahrer und Schaffner bestückt. Der Anhänger der Straßenbahn hatte einen Schaffner, der hinten saß. Oma oder Opa gingen mit mir auf den Spielplatz um die Ecke. Er befand sich Ecke Holstenplatz/ Holstenstraße. Heute steht dort ein größeres Bürohaus. Auf dem Spielplatz waren immer Kinder vorhanden. Eine Aufsichtsperson von der Stadt war immer anwesend, natürlich nur unter der Woche. Nebenan war eine rote Backsteinbrücke mit Rundbogen der Deutschen-Bundesbahn. Die Brücke ging über in die Haltestelle Holstenstraße und diente der Hamburger S Bahn. Sie wurde in den 80er/90er Jahren durch eine Eisenbrücke ersetzt. Die Backsteinbrücke wurde komplett abgerissen. So fuhren viele Züge am Spielplatz vorbei, die Hamburger S Bahn, Fernzüge und Güterzüge unter Dampf. Der Dampf der Loks war immer gigantisch anzusehen. Oma oder Opa hatten immer Mühe, mich vom Spielplatz loszueisen. Aber ihre Überredungskunst siegte doch.
Bei normalen Tagestemperaturen gingen wir öfters in der Haubachstraße in Richtung Altonaer Bahnhof spazieren. Auf der rechten Seite war eine Fischfabrik (Appel??). Es roch nach Fisch. Am Eingang zum Pförtner hing ein Schild Heute Heilbuttbruch
oder Schillerlockenbruch
oder andere Fischsorten als Bruch. Beim Pförtner wurde bezahlt und man bekam die Ware. Der Preis dafür war wohl nur die Hälfte dessen im Fischgeschäft. Im Hochsommer wurde kein Fisch gekauft. Einen Kühlschrank besaßen sie noch nicht. In den Altbauten gab es eine kleine, kühle Speisekammer, wo die Lebensmittel und Speisen aufbewahrt wurden. Die Speisekammer war in der Küche, Größe ca. 2 mal 2 Meter und hatte eine Tür. Waschtag in der Küche, die Wäsche wurde aus dem Küchenfenster zum Trocknen gehängt. Ein Holzrahmen mit Haken zum Befestigen der Wäscheleine war nach außen angebracht. Bei schlechter Wetterlage hing die Wäsche in der Küche, die Wäscheleine berührte fast die Küchendecke.
Lärm wurde auch gemacht, wenn die Müllabfuhr kam. Die Müllgefäße waren im Treppenhaus untergebracht. Sie waren rund, aus Metall und ohne Räder!!! Die Gefäße wurden immer zum Leeren an die Straße gedreht. Heute werden die Gefäße auf Rädern gezogen. Wenn man sich vorstellt, jede Wohnung hatte Kohlenheizung. Wie viel Asche in den Gefäßen sein musste und sehr schwer. Trotzdem haben die Müllwerker mit ihren grünen Fahrzeugen es toll bewältigt. Der Geruch von den Mülltonnen war natürlich nicht sehr angenehm, vor allem im Sommer, und das im Treppenhaus!
Etwa zehn Jahre später musste ich noch einmal die Haubachstraße kennenlernen. Aber nicht zum Fischkauf, sondern von der Bundeswehr. Die Einberufung lautete, Hamburg-Altona, Haubachstraße mit Ziel Heiligenhafen in Holstein zur Grundausbildung für 18 Monate. Die ehemalige Viktoriakaserne in der Haubachstraße war sehr groß und hatte viele Gebäude-Komplexe.
Trotzdem fahre ich heute noch gerne durch die alten Straßen der Erinnerung von Altona.