Unsere Lieblingshündin Tjapa
Es war ein schöner Sonnabend im März 1969. Ich war allein zuhause. Mein Stiefvater war schon zur Datscha gefahren, um das Haus dort vom Schnee zu befreien. Plötzlich öffnet sich die Tür und Mama kommt mit einer großen Tasche herein. Aus der Tasche rast etwas zotteliges schwarzes heraus, versteckt sich unter dem Herd und fängt an, uns anzuknurren. So
, sagte Mama, ich habe schon die Hoffnung verloren, dass du mir Enkel schenkst. Jetzt habe ich mir ein Hündchen gekauft und habe wenigstens jemanden, mit dem ich spazieren gehen kann. Und sie wird Tjapa heißen
. Tjapa ist bald aus ihrem Versteck herausgekrochen, hat die ganze Wohnung beschnuppert und uns in ihre Herde aufgenommen. Als nach drei Tagen der Stiefvater von der Datscha kam, traf sie ihn mit lautem Bellen und wollte uns vor ihm schützen. Aber nachher ist er ihre große Liebe und die wichtigste Person in ihrem Leben geworden.
Tjapa war ungefähr ein halbes Jahr alt, eine Kreuzung zwischen einem Schoßhund und einem Scotch Terrier (so hat der Verkäufer gesagt), eigentlich ein Mischling ohne Stammbaum. Aber klug, sehr treu, nett, wir haben sie sehr liebgehabt. Wir hatten keine Erfahrung mit Hundehaltung, Mutter hat ein spezielles Buch durchstudiert, trotzdem ist Tjapa krank geworden und hat die Wohnung vollgekotzt. Der Tierarzt sagte, sie hat zu fett gefressen, ihre Leber hat es nicht verkraftet. Ihre Hauptspeise muss Haferflocken werden, damals waren keine speziellen Hundespeisen im Verkauf. Also musste ich Tjapa halten und Mama hat ihr die Medizin auf die Schnauze geschmiert.
Tjapa hat schnell gelernt. Schon nach kurzer Zeit kannte sie das Wort Guljat
, spazieren auf Russisch. Sofort suchte sie ihre Leine, rannte zur Tür, stellte sich auf die Hinterbeine und fing an zu bellen. Dann haben wir unter uns das deutsche Wort Spazieren
genutzt, aber sie hat schnell verstanden, dass es das Gleiche ist. So ist sie ein Mischling mit Deutschkenntnissen geworden.
Spazieren war manchmal nicht leicht; unser Mischling war ein Aristokrat, konnte Vertreter der Arbeiterklasse in Overalls nicht ausstehen, stürzte sich auf Betrunkene, bellte sie an, wahrscheinlich hat sie in ihrer Kindheit unter denen sehr gelitten. Überhaupt hat Tjapa fremde Männer nicht geliebt und knurrte sogar böse, wenn man ihr ein leeres Wodkaglas zu riechen gab.
Im Sommer haben meine Eltern Tjapa zur Datscha mitgenommen. Was für ein Freiraum, was für eine Freude! Man kann ohne Leine herumlaufen und nach Belieben die Erde umgraben, so, dass die Klumpen wie eine Fontäne fliegen. Wen jagte sie dabei? Nur Pilze sammeln im Wald war mit ihr nicht leicht. Immer hat sie versucht uns alle auf einen Haufen zu versammeln. Wahrscheinlich bewachten ihre Vorfahren die Schafe und trieben sie zur Herde zurück. Tjapa brachte Freude und Harmonie in unser Leben, lenkte die Eltern von Diskussionen über Politik und Kunst ab, in denen sie keinen Konsens finden konnten.
So vergingen für Tjapa ein paar glückliche Jahre. Und dann kam meine Tochter Julia zur Welt. Unser Leben veränderte sich. Und Tjapas auch. Sie erhielt jetzt weniger Aufmerksamkeit, wir spielten seltener mit ihr. Der Stiefvater, der jetzt Opa war, probiere es zu kompensieren. Jetzt schlief sie in der Nacht auf dem Stuhl neben seinem Kopf. Tjapa zeigte kein besonderes Interesse an dem Baby. Später näherte sie sich dem Laufstall, steckte ihre Nase zwischen die Stäbe und beide unterhielten sich friedlich. Probleme traten erst auf, als Julia aus dem Laufstall entlassen wurde und probierte zu laufen. Auf ihren unsicheren Beinchen stapfte sie zum Opa, und das konnte Tjapa nicht aushalten. Aus Eifersucht versuchte sie das Kind umzuwerfen und sogar in die Fersen zu beißen. Der Hund und das Kind stellten sich als unvereinbar heraus und wir verstanden, dass wir uns von Tjapa trennen müssen.
Als Trost hörte Opa auf, Tjapas Freier aus unserem Hof zu jagen. Sie brachte vier süße Welpen zur Welt. Aber ihre Eifersucht ist geblieben und sie schikanierte die Kleine immer noch.
Und eines Tages hat Opa einen Kasten genommen, platzierte Tjapa und ihre Familie darin und sie fuhren mit dem Zug nach Tschernigow in der Ukraine. Dort, in einem Militärvorort, lebte sein Sohn, ein Pilot, mit seiner Frau und zwei Schulkindern. Haushunde waren dort noch sehr selten, und sie alle freuten sich über das Geschenk. Und Tjapa legte den Grundstein für eine neue Dynastie.
Ich denke, dass auch Haustiere stumme Zeugen ihrer Zeit sind. Nach der Revolution und dem Zweitem Weltkrieg sind die Haushunde in Moskau und anderen großen Städten selten geworden. Familien lebten auf engstem Raum, oft in Gemeinschaftswohnungen. Alles war knapp, das Geld, die rationierten Lebensmittel. Unter solchen Bedingungen war für Hunde kein Platz. Für eine Katze konnte man leichter ein Plätzchen finden.
In den Dörfern wurden Hunde gehalten, sie machten ihre Arbeit – bewachten das Haus, halfen den Hirten, man brauchte sie für die Jagd. In den 1960ern ist das Leben in der Stadt leichter geworden, man hat angefangen, Wohnungen zu bauen. Und man hat wieder angefangen, Hunde zu halten.
Nur drei Jahre lang haben wir mit Tjapa gelebt, aber wie viel Freude und Glück hat sie in unser Leben gebracht! Danke, liebe Tjapa!