Verordnung: Kinderlandverschickung, 1940
Kinderlandverschickung
(KLV) - Originaltext des Rundschreibens 1940
Der Führer hat angeordnet, daß die Jugend aus Gebieten, die immer wieder nächtliche Luftalarme haben, auf der Grundlage der Freiwilligkeit in die übrigen Gebiete des Reiches geschickt wird.
Hierbei sollen vor allen Dingen die Kinder aus Laubenkolonien und solchen Stadtteilen, die keine ausreichenden Luftschutzkeller besitzen, berücksichtigt werden.
Die Unterbringung erfolgt, soweit wie möglich, schul- bzw. klassenweise. Die Lehrkräfte der Heimatschulen werden zu einem erheblichen Teil bei der Unterbringungsaktion mit eingesetzt und sorgen für eine Aufnahme des Schulunterrichts in ausreichendem Maße in dem Unterbringungsort.
Die Unterbringung erfolgt in Jugendherbergen, Gaststätten und anderen geeigneten Räumen. Sind derartige Räumlichkeiten zur Zeit als Hilfslazarett oder andere Zwecke belegt, so können sie, wenn nicht ganz besondere Gründe im Einzelfall vorliegen, ebenfalls für diese Aktion in Anspruch genommen werden.
Mit der Durchführung dieser Maßnahme hat der Führer Reichsleiter Baldur von Schirach beauftragt, zu dessen Unterstützung insbesondere die NSV, die Hitler-Jugend und der NS-Lehrerbund tätig sein werden.
Die NSV übernimmt die Verschickung der vorschulpflichtigen Kinder und der Kinder der ersten vier Schulklassen. Die Hitler-Jugend übernimmt die Unterbringung der Kinder vom fünften Schuljahr an. Die Unterbringungsaktion beginnt am Donnerstag, dem 3. Oktober 1940.
Für die Aufnahme der Großstadtjugend kommen folgende Gaue in Frage: Bayrische 0stmark, Mark Brandenburg, Oberdonau, Sachsen, Schlesien, Sudetenland, Thüringen, Wartheland, Ostland. Weitere Weisungen für die Landverschickung der Großstadtjugend werden vom Reichsleiter Baldur von Schirach herausgegeben.
Bei der Durchführung dieser Maßnahme ist engste Zusammenarbeit der beteiligten Organisationen erforderlich. Für ein reibungsloses Zusammenarbeiten sind die Gauleiter verantwortlich. Die Gauleiter haben ferner eine einheitliche Werbung und Propaganda bei den Eltern zwecks freiwilliger Meldung der Kinder für die Landverschickung durchzuführen. Der Entwurf eines Schreibens der örtlichen Hoheitsträger der Partei an die Erziehungsberechtigten wird in Kürze den Gauleitern, aus deren Gebiet die Landesverschickung von luftgefährdeter Großstadtjugend erfolgt, zur Verteilung in den Schulen übersandt. Eine öffentliche Propaganda, insbesondere durch die Presse, hat nicht zu erfolgen.
Beim Eintreffen der Jugendtransporte kann in der örtlichen Presse des Empfangsortes hierüber kurz berichtet werden. Nach einer Anordnung des Führers ist jedoch hierbei nicht von einer Evakuierung, sondern lediglich von einer Landverschickung der Großstadtjugend zu sprechen. Rückfragen sind an Reichsleiter von Schirach zu richten.
Quelle: Rundschreiben des Reichsleiters M. Bormann an die obersten Reichsbehörden und Parteidienststellen vom 27. September 1940; Wiedergabe nach Dabel, G.; KLV-Lager 1940 bis 1945; Freiburg 1981, S. 7.