Operation Gomorrha
Juli 1943
Operation Gomorrha war der militärische Codename für eine Serie von Luftangriffen, die von der britischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg beginnend Ende Juli 1943 auf Hamburg ausgeführt wurden. Es waren die damals schwersten Angriffe in der Geschichte des Luftkrieges. Befohlen wurden diese Angriffe von Luftmarschall Arthur Harris, dem Oberbefehlshaber des Britischen Bomber-Command.
Namensgebung
Im Alten Testament galten die Städte Sodom und Gomorrha als die Städte der Sünder und Verbrecher, die Gott mit Regen aus Feuer und Schwefel bis auf die Familie Lot vollständig vernichtete.
Lutherbibel 1912, 1. Mose 19/24Da ließ der HERR Schwefel und Feuer regnen von Himmel herab auf Sodom und Gomorra und kehrte die Städte um und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war.
Vorgeschichte
Den Luftangriffen ging eine Absprache zwischen den Westalliierten und Stalin voraus. Stalin hatte auf einer zweiten Front im Westen von Deutschland bestanden. Die Westmächte wollten diesen Angriff mit Bodentruppen allerdings noch nicht einleiten und hatten als Kompromiss
die Bombardierung deutscher Städte angeboten. Die zweite Front wurde erst mit der Operation Overlord am 6. Juni 1944 eröffnet.
Voraussetzung für die Operation Gomorrha waren die von den Alliierten erstmals eingesetzten Täuschungstechniken (Codename Windows) gegen die Radaranlagen des deutschen Luftverteidigungssystems. Mit Stanniolstreifen, die in großen Massen abgeworfen wurden und ein überdimensionales Radarecho erzeugten, konnten die deutsche Radaranlagen nahezu wirkungslos gemacht werden.
Das Bombardement
Beginn
Im Rahmen der Operation Gomorrha kam es zu fünf Nachtangriffen durch die Royal Air Force und zwei Tagesangriffen durch die United States Army Air Forces (USAAF). Die Angriffe begannen am 24. Juli 1943 mit der Bombardierung durch 791 britische Bomber. In den nachfolgenden Tagen griffen die Amerikaner mit 122 Bombern vom Typ Flying Fortress (Fliegende Festung) an, und störten somit die angelaufenen Bergungsarbeiten. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juli gipfelten die Angriffe und lösten einen Feuersturm aus, den es in einem solchen Ausmaß bisher noch nie gegeben hat. Der Feuersturm vernichtete große Teile im Osten der Stadt, tötete ca. 35.000 - 45.000 Menschen und machte eine Million Menschen obdachlos. Die genaue Zahl der Toten ließ sich nie ermitteln, da viele Opfer vollständig zu Asche verbrannten.
Es traf vor allem die Stadtteile Rothenburgsort und Hammerbrook völlig unerwartet. Da die Leichen nicht schnell beseitigt werden konnten, wurde das Gebiet des Hammerbrook abgeriegelt, um wegen der erwarteten Seuchengefahr ein Betreten zu verhindern.
Evakuierung
Es zeigte sich, das die vorhandenen Bunker und Schutzräume völlig unzureichend waren. Daher wurde eine Evakuierung eingeleitet, die in einigen Stadtteilen noch rechtzeitig durchgeführt werden konnte, z.B. in Barmbek. Alle Bewohner, die nicht unbedingt in der Rüstungsproduktion benötigt waren, mussten die Stadt verlassen. Kinder wurden weitestgehend aus der Stadt auf das Land verschickt (Kinderlandverschickung), um sie in Sicherheit zu bringen.
Angriffstechnik
Zur Bombardierung verwendete die RAF eine Mischung von Luftminen, Spreng-, Phosphor- und StabbrandbombenDie Stabbrandbombe, auch Brandstab oder Elektron-Thermitstab, ist eine auf der Magnesium-Aluminium-Legierung Elektron basierende Brandbombe, die mit Thermit als Anzündladung entzündet wurde. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Luftkriegsführung von der britischen Royal Air Force und von der deutschen Luftwaffe eingesetzt. Die britische Variante wurde in den Jahren 1935/1936 im Auftrag des britischen Ministry of Defence durch Imperial Chemical Industries (ICI) entwickelt. Siehe Wikipedia.org.
Zunächst wurden Luftminen und Sprengbomben abgeworfen. Die Sprengbomben sollten die unter den Straßen verlaufenden Wasser-, Gas- und Kommunikationsleitungen zerstören, wodurch die Koordinierung von Feuerwehreinsätzen und die Bekämpfung von Bränden zum Teil unmöglich wurde. Um die Sprengbomben möglichst tief eindringen zu lassen, wurden diese häufig mit einem Verzögerungszünder ausgestattet, so dass sie nicht beim Aufschlag, sondern erst tief im Erdreich bzw. in Hauskellern detonierten.
Gleichzeitig wurden durch den ungeheuren Luftdruck der Luftminen (Wohnblockknacker
) Dächer abgedeckt und sämtliche Fenster und Türen umliegender Häuser zerstört. Die Phosphor- und Stabbrandbomben konnten die nun freiliegenden hölzernen Dachstühle entzünden und gelangten durch die zerstörten Fenster auch direkt in die Wohnungen, wobei sich die Brände über die fast ausschließlich aus Holz bestehenden Treppenhäuser auf die weiter unten liegenden Etagen ausbreiteten und – begünstigt durch die zerborstenen Fensterscheiben – auch genügend Sauerstoff erhielten. Die Gebäude brannten in der Regel vollständig aus.
Löschversuche wurden dadurch vereitelt, dass etwa eine Viertelstunde nach dem Hauptangriff eine weitere Welle von Bombern eintraf, um die Löschkräfte in den Schutzräumen zu halten. Erst durch die dadurch viel zu spät einsetzenden Lösch- und Rettungsmaßnahmen wurden die großen Flächenbrände möglich.
Diese Technik wurde von den Alliierten später als Hamburgisierung
bezeichnet und auch auf andere Städte angewandt. Geprobt wurde dieses Verfahren zuvor in Lübeck.
Die Angriffe richteten sich immer gegen einen Sektor der Stadt. Zentraler Ausgangspunkt war der rund 147 Meter hohe Turm der Nikolaikirche. Die Ruine wurde 1951 teilweise abgerissen; den Turm und einige Mauerteile ließ man als Mahnmal stehen. In der Krypta gibt es eine Dauerausstellung zur Operation Gomorrha.
Die vorhandenen Luftschutzbunker zum Schutz der Bevölkerung konnten 1943 nur noch bedingt Schutz bieten, da während des Krieges immer größere Bomben eingesetzt wurden. Auch führte die Entstehung goßer Mengen von Brandgasen oder das Platzen von Gasleitungen in den Kellern zur Erstickung der Eingeschlossenen.
Feuersturm
Nach einer längeren Hitzewelle schob sich am 26. Juli 1943 eine kühlere, schwerere Luftschicht über die sehr warme Luft der unteren Schichten. Die aufsteigenden sehr heißen Brandgase der beginnenden Brände durchstießen die kühleren Luftmassen und erzeugten sich ausbreitende Löcher in dieser kühleren Schicht. Dadurch entstanden mehrere Kamine, die das Hochreißen unterer Luftschichten äußerst stark förderten und die schließlich über Hammerbrook und Rothenburgsort einen einzigen gigantischen atmosphärischen (meteorologischen) Kamin bildeten, was weder zuvor, noch später je wieder erreicht wurde, weil diese Wetterlage bei anderen Bombenangriffen auf deutsche Städte nicht wieder zeitgleich auftrat. Laut Brunswig erreichten erst durch diesen Kamineffekt (Schlotwirkung
) die bodennahen Luftmassen nie wieder erreichte Geschwindigkeiten, die Menschen in die Feuer rissen oder sogar Straßenbahnwagen umstürzen ließen. Auf diese Weise waren die Brände bereits in der Entstehungsphase unbeherrschbar geworden.
Auswirkungen
Häufig wird behauptet, der Sauerstoffbedarf der Brände führte zum Erstickungstod vieler Menschen in Luftschutzbunkern oder Luftschutzräumen oder Menschen wären dadurch zu Tode gekommen, dass sie im schmelzenden Straßenasphalt stecken geblieben wären. Der damalige Oberbrandmeister der Hamburger Feuerschutzpolizei Brunswig korrigiert diese Angaben.
Brunswig weist richtig darauf hin, dass nicht der den Schutzräumen entzogene Sauerstoff den Tod von Menschen verursacht habe, was physikalisch unmöglich wäre, sondern in die Keller eingedrungenes Kohlenoxid oder andere giftige Brandgase. Diese Menschen wurden dann völlig unverletzt, wie schlafend aufgefunden, aber mit allen Symptomen einer Gasvergiftung.
Des Weiteren starben Menschen in den Schutzräumen durch Lungenriss, verursacht durch den Luftdruck explodierender Luftminen, durch Hitzschlag infolge der über den Luftschutzräumen mit etwa 1000 Grad brennenden Trümmern, wobei die Leichen häufig mumifiziert wurden, dadurch, dass durch die Keller führende Heißwasser- und Trinkwasserleitungen brachen und die Menschen im kochenden Wasser umkamen oder ertranken oder dadurch, dass die Decken der Schutzräume unter den einstürzenden Bauten durchbrachen. Diese Todesarten waren aber nicht auf Hamburg beschränkt, sondern trafen die meisten aller Todesopfer des Bombenkrieges.
Auch die in Panik und Chaos gemachte Beobachtung, der Asphalt habe gebrannt und Menschen wären in ihm stecken geblieben, ist unrichtig, bzw. wurde später falsch interpretiert. Brunswig gibt an, dass zum einen fast alle Straßen in deutschen Städten nicht aus Asphalt bestanden, sondern in Stein gesetzt waren, zum anderen, dass die Wärmestrahlung brennender Häuser nicht die Hitze entwickeln kann, die nötig wäre, um Asphalt zu entzünden. Der Eindruck brennenden Asphalts entstand laut Brunswig vermutlich daher, dass der durch Phosphor in Brand gesetzte klebrige Kautschuk abgeworfener Brandkanister auf den Straßen brannte und versehentlich in diesen Kautschuk tretende Personen diesen an den Schuhen kleben hatten, beziehungsweise, kurzzeitig in ihm kleben blieben. Menschen, die diesen Kautschuk an den Körper bekamen, erlitten mitunter schwerste Verletzungen, da Löschversuche durch den sich immer wieder - durch den zugesetzten Phosphor - neu entzündenden Kautschuk unmöglich waren. Brunswig weist aber auch daraufhin, dass sich der brennende Kautschuk am Körper unter Wasser - etwa in einer Wasserwanne oä - leicht entfernen ließ. Allerdings dürfte es diese Möglichkeit zur Entfernung der brennenden, klebrigen Masse in den seltensten Fällen schnell genug gegeben haben um schwere Verletzungen zu vemeiden.
Eine Zeitzeugin aus Hamburg beschreibt ihre Erlebnisse zum allgemeinen Leben während des Bombenkrieges wie folgt:
Nach dem ersten Angriff wollte keiner mehr im Bunker [Heiligengeistfeld] sein […], weil es da grausam stank. Da lagen Berge von Sch… [= Exkremente]. […] Die Fenster und Türen in unserer [und auch in anderen] Wohnung[en] waren zertrümmert. […] [Deshalb] war alles was wir hatten geklaut worden.
Des Weiteren erinnert die Zeugin über alliierte Flugblätter:
Ich hörte Bombengeräusche, hab meine Sachen gepackt und wollte zum Bunker laufen. Direkt neben mir schlug ein Paket Flugblätter auf. Ich steckte mir schnell ein paar in die Tasche und schon kam der Luftschutzwart und sagte mir, ich solle ihm das Paket geben. Ich gab sie ihm und bestätigte auf Nachfrage, dass ich sie nicht gelesen hatte. Später, als ich zu Hause und allein war, guckte ich mir die paar Blätter an. Sie waren auf Deutsch geschrieben und beinhalteten Warnungen, wo [von den Alliierten als nächstes] bombardiert werden würde.
Nachwirkungen bis heute
Die Folgen der Operation Gomorrha kann man heute noch sehen. So sind in dem damals vollständig zerstörten Stadtteil Hammerbrook, vorher ein überwiegend von Hafenarbeitern bewohntes Viertel, praktisch keine Wohngebäude und Altbauten mehr vorhanden. Stattdessen findet man hier fast ausschließlich Gewerbebauten, gläserne Bürohochhäuser und Autohändler (City Süd
).
Geht man durch die östlichen Hamburger Wohnviertel Barmbek, Borgfelde, Dulsberg, Eilbek, Rothenburgsort und Wandsbek, so findet man an unzähligen Nachkriegsbauten eine Tontafel mit dem Hamburger Wappen und der Inschrift Zerstört 1943 - 1956 aufgebaut
. Hierbei ist die Jahreszahl 1956 ein Beispiel, die letzten Bombenbrachen der Operation Gomorrha wurden erst Ende der sechziger Jahre beseitigt.
Vor dem Einkaufszentrum an der Hamburger Straße
befindet sich ein Denkmal, das an die über 300 Opfer erinnert, die sich im nahen Kaufhaus in einen Schutzraum befanden, jedoch hierdrin durch die eindringende Brandgase erstickten. Das Denkmal befindet auf einer Verkehrsinsel einer vielbefahrenen Kreuzung.
Auf dem Friedhof Ohlsdorf befindet sich das Massengrab der Bombenopfer mit dem Mahnmal von Gerhard Marcks. Der Öjendorfer Park, eine hügelige Landschaft im Osten Hamburgs im Stadtteil Billstedt, ist auf den abgeladenen Kriegstrümmern entstanden.