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80er, 90er Jahre; das 21. Jahrhundert

1980
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Die 80er bis 90er und das 21.Jahrhundert
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Nachtkerzen (Oenothera)Nachtkerze (Oenothera) Blüte und Schwebfliege – Foto: H.Kennhöfer Nachtkerzenblüte und InsektNachtkerze (Oenothera) Blüte mit Wespe – Foto: H.Kennhöfer Nachtkerzenblüte bei DämmerungEine Nachtkerzenblüte öffnet sich in der Dämmerung – Foto: H.Kennhöfer

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Die Nachtkerze,
und wie sie nach Norderstedt kam

Kennen Sie Nachtkerzen (Oenothera)? Dann will ich gestehen, dass mir bis vor dreißig Jahren die Pflanze auch gänzlich unbekannt war, obwohl ich mit Gärten und Biologieunterricht erteilenden Tanten groß geworden bin.

Sicherlich bin ich die erste Norderstedterin, die Bekanntschaft mit der attraktiven Staude gemacht hat. Vor drei Jahrzehnten sah ich eines Sommerabends gelbe Blütensterne im romantischen Garten meiner Freundin Eva an einem Hang im Bergischen Land. Von den leuchtenden Sternen vor den dunklen Tannen in der Dämmerung war ich fasziniert, so dass ich mir gleich ein paar Ableger ausbat (die Pflanze ist zweijährig). Eva erzählte mir, dass sie sich Ableger der Staude, die aus dem fernen Amerika stamme, aus einer Gärtnerei habe schicken lassen, und die sich durch Aussamung erfreulich vermehrt hätten.

Nach Norderstedt übergesiedelt, fühlten sich die Amerikanerinnen in meinem Garten auch gleich zu Hause und freundeten sich mit den heimischen Fingerhüten, mit Silbertalern und Maiglöckchen an, den einzigen Blumen, die es unter meinen vielen Bäumen ganz ohne meine gärtnerische Fürsorge gemütlich finden. Eine Norderstedter Freundin allerdings, der ich vor Jahrzehnten die ersten Ableger schenkte, hat die vermehrungsfreudigen Stauden längst wieder ausgerupft. als die Einwanderinnen Böschungen und Wiesen der Tarpenbek zu erobern begannen. Denn nicht nur Nachtfalter fliegen sie an, sondern auch Vögel scheinen sich für die ölhaltigen Samen zu interessieren und für Verbreitung zu sorgen.

Für ordentliche deutsche Hausfrauen und -männer ist alles, was ohne Dünger, Blumenerde und Pflanzaktion einfach so aus dem Boden sprießt, Un-Kraut und gehört nicht in einen gepflegten Garten. Außerdem, wer nimmt schon Nachtschönheiten wahr und lustwandelt nachts in seinem Garten oder streift im Mondschein über Böschungen, Gräben und Ödflächen? Denn im Gegensatz zu einem klugen Buch, nach dem die Blüten 24 Stunden geöffnet sein sollen, nahmen sich meine Blumen stets die Freiheit, beim heißen Kuss der Sonne am nächsten Morgen schamhaft die Blüten zu schließen.

Im nördlichen Schleswig-Holstein an der Eider, wohin ich ein paar Nachtschönheiten in den Garten meiner Reetdachkate verpflanzt hatte, erweckte die Nachtkerze lebhaftes Interesse. Dutzende von Gartenbesitzerinnen erbaten sich Ableger, und bald standen in etlichen Gärten die eineinhalb Meter hohen kräftigen grünen Stauden mit den unzähligen grünen Blütenknospen an der Spitze, von denen sich wochenlang jeden Abend in der Dämmerung ein paar öffneten.

Zwei Jahre später erschien dann ein Nachbar ganz empört bei mir, um mir mitzuteilen: Ihr gelbes Unkraut hat die ganze Gegend verseucht. Sogar in der großen Sandkuhle wachsen sie nun. Ich freute mich darüber, während ich an die blauen Lupinen dachte, die einige Anhänger der Rekultivierung in ordentlichen Reihen an die Hänge gepflanzt hatten, wo sie absolut nicht hinpassten. Aber mein Nachbar dachte an gestörte Ordnung und an den Riesenbärenklau, der überall die Eisenbahnböschungen überwucherte und plötzlich in den Geruch der Giftigkeit geraten war. Vergeblich versuchte ich, von therapeutisch wertvollem Nachtkerzenöl zu erzählen, von ungesättigten Fettsäuren und medizinischen Heilmöglichkeiten. Die Pflanze war plötzlich ein ganz wildes Unkraut geworden und gehörte ausgerupft. Meine Hinweise auf die nahe Verwandtschaft mit unseren deutschen Königskerzen und Weideröschen schadeten ihrem Ruf nur; denn mein Nachbar wusste, dass ich die aus einer Schutthalde ausgegraben hatte! Bah!

Nein, meine wilde Nachtschönheit mit dem zarten Duft in der Dämmerung konnte im Dorf keinen Blumenpott mehr gewinnen und verschwand aus den Hausgärten.
Nur ein einziges Mal erweckte sie rückhaltlose Bewunderung. Das war in Pfalzl, der romantischen kleinen Stadt an der Mosel, gegenüber der alten Bischofs- und historischen Römerstadt Trier. Meiner Tochter, die mit Familie in Pfalzl wohnte, hatte ich ebenfalls Ableger geschenkt. Eines Sommerabends saßen wir mit Gästen, Mitarbeitern des Trierer Landesmuseums, im Hof hinter dem Haus. Die Häuser der mittelalterlichen Stadt sind am Flussufer eng aneinandergebaut und die Gärten dahinter voneinander durch Sandsteinmauern abgegrenzt. Der Moselwein in unseren Gläsern trug zum lebhaften Gespräch bei. In unserem Rücken blühte eine Budleia, ein großer Sommerfliederbusch, und entlang der brüchigen Mauer wuchsen die grünen Stauden.

Gerade hatten zwei Fledermäuse im Zickzackflug unsere lebhafte Gruppe um den runden Gartentisch überflattert, da wurde es plötzlich still in der Runde. Niemand sprach mehr ein Wort. Alle Augen starrten die Sandsteinmauer an, hinter der gerade im schwachen Schein der Mond aufging. Dort geschah etwas. Vor der dunklen Mauer in den Spitzen der Pflanze leuchteten Sterne auf: fünf, zehn, dreißig, hundert Sterne. Die flachen Tellerblüten öffneten sich der Nacht innerhalb weniger Minuten. Niemand in der Runde hatte bisher so etwas gesehen, höchstens in einem Naturfilm in Zeitlupe. Atemloses Staunen ringsumher. Und dann sagte eine leise Stimme andächtig: Ein Wunder der Natur. Wie schön! Ein Wunder? Ich dachte an die Böschungen und Sandgruben in Schleswig-Holstein voller Un-Kraut, deren Blütenkerzen in der Nacht niemand wahrnahm, sondern fast jeder als Verseuchung empfand. Um ein Wunder zu sehen, braucht es offene, wache Augen und ein wundergläubiges Herz. Wer hatte das schon?

Die Schöpfung ist so vielgestaltig und auch die Augen der Menschen und die Aufnahmefähigkeit ihrer Herzen. Ich musste lächeln, als mir ein Satz aus vergessenen Kinderzeiten einfiel: Wat den eenen sin Uhl is, is dem annern sin Nachtigall. Die Nachtkerzen rührt das nicht an. Sie werden ihre Blütenkelche dem Mond zuwenden – an der Mosel, in den Sandgruben Schleswig-Holsteins und auch in Norderstedt und überall in der Welt, wohin die Vögel und der Wind ihre Samen tragen, gleichgültig, ob wir sie für ein Wunder oder ein Unkraut halten.

Zur Geschichte von der Nachtkerze schrieb mir Frau Hannelore (Loki) Schmidt, anerkannte Fachfrau für Botanik und Umweltschutz, der ich die Geschichte zwei Jahre vor ihrem Tod ins Krankenhaus schickte:

In meinem Langenhorner Garten wachsen sie auch. Ich habe sie aber nicht gepflanzt, die Samen sind durch die Luft zu mir gekommen. Die etwas großblütigere Nachtkerze, die Sie in Norderstedt haben, und die kleinblütigere sind beide aus Nordamerika eingeschleppt. Sie haben sich aber hier in Deutschland so wohl gefühlt, dass es inzwischen eine ganze Reihe Kleinarten gibt, die durch Kreuzungen entstanden sind. Das Verblüffende für mich ist, dass sich diese beiden Nachtkerzenarten nicht mit den Nachtkerzen in Amerika kreuzen können.

Frau Loki Schmidt schreibt dazu weiter: Wir beiden Schmidts lassen uns nicht durch das Wort Unkraut verschrecken. Wir erfreuen uns an der Vielfältigkeit, die wir selbst hier in Langenhorn um uns herum immer wieder sehen können.

Die Tatsache, dass Loki Schmidt der einzige Mensch ist, der sich jemals schriftlich zu meiner Geschichte geäußert hat, obwohl sie damals krank war, beweist nicht nur ihr lebhaftes Interesse, sondern auch ihre außergewöhnliche Liebenswürdigkeit.


  • Autorin: Liesel Hünichen, im August 2015
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