Sperrmüllabfuhr
Eine ganz moderne Geschichte aus heutiger Zeit
Die Sperrmüllabfuhr ist ein vorbildlich moderner und bürgerfreundlicher Service, weil wir nun wurmstichige alte Bücherregale und Apfelbäume nicht mehr in mühsamer Handarbeit in mülleimerfreundliche Stücke zersägen oder zerhacken müssen, wie früher einmal. Weil wir unsere uralten dreiteiligen Matratzen endlich losgeworden sind und weil wir nun verrostete Fahrräder, zerdrückte Koffer und ausgediente Kinderwagen einfach auf die Straße stellen können.
Apropos Kinderwagen: Die kann man natürlich auch verschenken oder im Kindergartenbasar oder Kirchenbasar verscherbeln. Es gibt auch heute noch Mütter, die nicht im Gelde schwimmen und wissen, dass die Gesundheit, Fröhlichkeit und die geistigen Fortschritte ihrer Kinder nicht im direkten Verhältnis zu einem nagelneuen Kinderwagen stehen.
Also hatte meine Tochter eines Tages eine Sportkarre sorgfältig abgeseift und poliert. Sie hatte ein Schlafsäckchen, ein Ziehtier und Bauklötze in den Wagen gepackt und wollte mit ihrem fünfjährigen Sohn zusammen zum Kindergarten fahren, um die Sachen dort für den Wochenendbasar abzugeben.
Auf der Straße angekommen, vermisste sie ihre Autoschlüssel und beauftragte den Kleinen: Du bleibst jetzt fein neben unserem Auto und dem Kinderwagen auf dem Gehweg stehen und passt auf, dass nichts wegkommt. Ich hole nur schnell die Autoschlüssel aus dem Haus
.
Im Haus klingelte gerade das Telefon und ich rief: Gesa, ein dringendes Gespräch für dich
, so dass sich die Rückkehr auf die Straße kurz verzögerte. Bei ihrer Rückkehr fand meine Tochter ihren Sohn dort schluchzend vor. Anklagend hob er Arm und Hand und wies damit die Straße hinunter, wo gerade der große gelbe Wagen der städtischen Müllabfuhr um die nahe Kurve bog und stieß hervor: Die Müllmänner haben unseren Kinderwagen
.
Nun sind für den Basar bestimmte Dinge kein unwiederbringlicher Verlust. Doch unter der Holzlokomotive, die obenauf die Krönung des Sportkarreninhaltes dargestellt hatte, befand sich die große leinene Einkaufstasche mit der Ledereinfassung und den Seitentaschen und darin, wohlverschlossen, die Brieftasche mit 50 Euro Inhalt, Kleingeldbörse und Führerschein.
In Hast wurde Klein Johannes im Kindersitz des Autos festgeschnallt und dann brauste Mutti hinter dem riesigen gelben Autountier her. Das düste zwei Nebenstraßen hindurch ungehindert weiter, ohne von Sperrmüll am Straßenrand aufgehalten zu werden. Beim nächsten Halt des gelben Wagens stürzte Klein Johannes Mutter gleich auf die beiden orange gekleideten Herren und erbat ihr Eigentum zurück. Die Herren in Orange machten sich auch gleich auf die Suche nach Einkaufstasche samt Inhalt.
Einfach war das nicht, weil im Bauch des modernen Maschinenzeitalter-Ungeheuers die verschluckten Opfer nicht unversehrt blieben wie ehedem der Prophet Jonas im Bauch des biblischen Walfisches. Sie hatten sich dort ineinander gedrückt, verschoben.
Doch konnte anhand der Räder dann doch eine zusammengedrückte Kinderkarre ausfindig gemacht werden, die unter einem zersplitterten Schreibtisch hervorgezogen wurde. Zwischen das Gestänge gequetscht, fand sich dann auch die große Einkaufstasche. Sie hatte durch ein hineingedrücktes Metallteil nur ein einziges großes Loch erhalten und war noch brauchbar.
Brieftasche mit Geld und Führerschein waren unversehrt. Und die Moral von der Geschichte? Lass niemals Kinderwagen am Straßenrand stehen, auch wenn sie kein Baby enthalten.
(Die Geschichte trug sich nicht in Norderstedt zu, sondern bei meinem Besuch in Trier. Ob ein Norderstedter gelber Wagen eine vollgepackte Karre am Straßenrand übersehen
hätte?)