Gold, Glanz und Wüstengeschäfte – Eine Reise nach Dubai
Im Sommer 2007 bekamen wir vom ADAC-Reisebüro ein Angebot, das wir nicht ablehnen konnten: Eine Studienreise nach Dubai, der schillerndsten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate, zu einem außergewöhnlich günstigen Preis.
Wie ich im Vorfeld unserer Reise recherchierte, hatte der Emir von Dubai erkannt, dass die Erdölreserven des Emirats in absehbarer Zeit erschöpft sein werden, und deshalb verstärkt auf den Tourismus gesetzt. Nur noch etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts stammen aus der Erdölindustrie. Ich dachte, dass deshalb Touristen mit Sonderangeboten angelockt werden sollten. Den wahren Grund habe ich erst vor Ort erfahren.
An einem Samstagabend im Spätsommer ging unser Flug mit der Emirates Fluggesellschaft pünktlich von Frankfurt nach Dubai. Vor Ort empfing uns unser deutscher Reiseleiter und machte uns mit den Mitreisenden bekannt, es waren überwiegend allein reisende Freiberufler wie Anwälte und Ärzte. Dann stiegen wir in einen Kleinbus, der mit sechzehn Personen voll besetzt war.
Da es noch zu früh war, unser Hotel zu beziehen, begannen wir zuerst mit einer Stadtrundfahrt. Wir fuhren mit einer Dau über den Dubai Creek, der Lebensader der Stadt, und besuchten den legendären Gold-Souk mit über 300 Goldhändlern. Hier begann meine ganz persönliche Goldallergie
, die sich bis zum Ende der Reise noch verstärken sollte.
Wir wurden am Nachmittag zu unserem luxuriösen Fünf-Sterne-Hotel im Stadtzentrum gebracht. Ich hatte für den Reisepreis ein Mittelklassehotel erwartet, doch so etwas gab es wohl in der ganzen Stadt nicht. In der Nähe war die Baustelle des fast vollendeten Burj Dubai, auf den endgültigen Namen hatte man sich noch nicht geeinigt. Es war geplant, dass das Gebäude mindestens 1000 Meter hoch werden sollte.
An den folgenden Tagen wurden uns die Sehenswürdigkeiten des Landes gezeigt und wir bekamen auch einen Blick hinter die Kulissen.
In der Einkaufsmall war eine riesige Skihalle integriert, mit Rodelbahn, Almhütte und echten Tannenbäumen. Wir beobachteten das winterliche Treiben durch die gläserne Wand eines Lokals an der Außenseite. Anschließend gingen wir in eine Bar, die ganz aus Eis war. Wir bekamen dicke Mäntel und Schuhe geliehen, setzten uns dann an die aus Eis geschnitzte Theke und bekamen aus Eisgläsern einen Schnaps zum Aufwärmen – während draußen eine Hitze von über 40 Grad war.
Ein Bade-Ausflug führte uns vom Persischen Golf in das ungefähr 150 km entfernte Emirat Fudschaira am Golf von Oman. Auch hier waren wir wieder in einem Fünf-Sterne-Hotel. Doch obwohl es am Strand Sprühnebel gab, um die Hitze erträglicher zu machen, blieben mein Mann und ich im klimatisierten Hotel. Auf der Rückfahrt in der Dunkelheit stellte ich fest, dass alle Straßen durch unbewohntes Gebiet über die Berge und durch Wüstengebiete mit Straßenlaternen beleuchtet waren.
Ein weiteres Highlight war ein Besuch in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinten Arabischen Emirate. Wir bestaunten die große Scheich-Zayid-Moschee, die Platz für 40.000 Gläubige bietet. Das anschließende Abendessen im Emirates-Palast, damals das teuerste und luxuriöseste Hotel der Welt, verstärkte nochmals meine Goldallergie
. Auch eine Allrad-Wüstensafari mit Stopp bei arabischen Falknern und ein Barbecue in der Wüste mit Folkloredarbietungen durften nicht fehlen. Alles war im Reisepreis inkludiert.
Nachdem wir die touristischen Highlights abgehakt hatten, wurde es Zeit für einen tieferen Blick hinter die Kulissen. Viele der Wolkenkratzer waren noch im Bau. Von der Straße aus sahen sie fertig aus, denn die unteren Etagen waren bereits bewohnt, doch auf den Dächern standen noch die Kräne. Wir haben eine Musterwohnung in einem dieser Gebäude besichtigt. Es war eine große, sehr luxuriöse und vollständig feudal eingerichtete Wohnung. Die Einrichtung war im Kaufpreis der Wohnung enthalten. Direkt neben der Küche und nicht mit der restlichen Wohnung verbunden war eine kleine, spärlich eingerichtete Kammer, die für das Dienstmädchen gedacht war – unsichtbar für die restlichen Bewohner.
Wir fuhren durch die Siedlungen der Arbeitsmigranten, die hauptsächlich aus Ostasien kammen . Es war hier sehr ärmlich und stand im krassen Gegensatz zu dem Glanz in Dubai. Wir konnten die Unterkünfte nur von außen sehen, stellten aber fest, dass es vor jedem Fenster eine Klimaanlage gab. Dann konnten wir eine Art Bank
besichtigen, in der eine unendlich lange Schalterstraße war. Hier konnten die Arbeitsmigranten am Zahltag ihren kärglichen Lohn in die Heimat überweisen.
Weiter ging es zu einer größeren Siedlung, in der alle Häuser gleich aussahen. Der Reiseleiter erzählte uns, dass jeder Staatsangehörige von Dubai, der eine Staatsbürgerin heiratet, eines dieser Häuser nach der Hochzeit zu einem Spottpreis erwerben kann. Dazu muss man wissen, dass von den dreieinhalb Millionen Einwohnern Dubais nur etwa fünfzehn Prozent Einheimische sind. Einer aus unserer Gruppe machte einen Scherz darüber, dass die Muslime zum Glück keinen Alkohol trinken dürfen, sonst würden sie nach einer Party ihr eigenes Haus in dieser einförmigen Siedlung nicht mehr finden. Allerdings war Alkohol hier nie ein Thema. Die Hotelbars waren mit alkoholischen Getränken genauso gut ausgestattet wie die großen Hotels in anderen Ländern.
Auch die im Meer aufgeschüttete Insel The Palm
konnten wir besichtigen. Diese künstliche Insel, welche die Form eines Palmwedels hat, war noch nicht abgeschlossen, stand jedoch kurz vor der Eröffnung. Auf den einzelnen Palmblättern
stehen kleinere Wohnhäuser, vor jedem Haus gibt es eine Anlegestelle für die eigene Jacht. Wenn man sich mit dem Nachbarn unterhalten will, muss man nicht aus dem Haus gehen, sondern man braucht dazu nur die Fenster zu öffnen, so nahe stehen die Häuser zusammen. Auch wenn diese Enge mir nicht gerade luxuriös erschien, gab es schon viele prominente Eigentümer, denn wer dazu gehören wollte, musste hier gemeldet sein. Es waren noch mehrere künstliche Inseln in Planung, wie The Earth
, ein gigantisches Projekt, das die Erde abbilden sollte.
Später fuhren wir zu großen Modellanlagen, an deren Verwirklichung Dubai in nächster Zukunft arbeitet. Das waren eine Formel-1-Rennstrecke und ein Vergnügungspark, der größer als Las Vegas werden sollte. Platz genug gab es in der Wüste im Hinterland. Wir fuhren zu dem Ort, wo Las Vegas 2.0 entstehen sollte. Die Bauarbeiten waren hier schon im Gange. Wir standen vor einer riesigen Baugrube, hier sollte ein weiteres Luxushotel gebaut werden – alles wirkte gigantisch.
Am nächsten Tag hatten wir einen Termin im Wahrzeichen der Stadt, dem Burj al Arab. Das Hotel ist in Form eines Segels gebaut und gilt als eines der luxuriösesten Hotels der Welt. Hier wurden wir vom Außenparkplatz mit Golf Cars abgeholt. Wir waren hier zum Mittagessen und anschließend war ein mehrstündiges Meeting in einem Sitzungssaal in der oberen Etage des Hotels anberaumt.
Es war wie bei einer geschäftlichen Besprechung. Jeder hatte einen Schreibblock mit Stift am Platz und mehrere Getränke standen zur Auswahl. An der Wand war eine Leinwand, auf die man Bilder mit dem bereitstehenden Overheadprojektor projizieren konnte. Ich ahnte, dass wir jetzt den eigentlichen Grund unserer Reise erfahren würden – und ich sollte Recht behalten.
Unser Reiseleiter hielt einen Vortrag, wie man sein Geld am besten in Dubai anlegen kann, denn es ist ein reines Steuerparadies. Hier werden keine gezahlt. Mit Bauvorhaben werden viele Investoren angelockt, denn es gibt keinerlei Steuern wie Grund- und Grunderwerbsteuer. Die Baugenehmigungen sollen vom Emir persönlich erteilt werden und zügig erfolgen, ohne langwierige Bürgerbeteiligung und Prüfung auf Umweltverträglichkeit. Die Baukosten sind aufgrund der Dumping-Löhne für Arbeitsmigranten niedrig.
Dann kam er zum Punkt: Es wurden Einlagen für einen geschlossenen Immobilienfonds für den Bau des Luxushotels gesammelt, vor dessen Baugrube wir am Vortag gestanden hatten.
Der Reiseleiter
erklärte uns ganz offen, sehr anschaulich und gut verständlich, wie man Geld, und damit war auch Schwarzgeld gemeint, völlig legal in Dubai anlegen konnte. Es musste nur einen Umweg über mehrere Länder nehmen. Also deshalb waren überwiegend Freiberufler in unserer Gruppe.
Hier passten wir als Arbeitnehmer, die keine Möglichkeit haben, Schwarzgeld anzuhäufen, so gar nicht rein. Vielleicht sollten wir und noch ein Paar die Absicht der Reise etwas verschleiern?
Nach dem Vortrag hatte der Reiseführer
Zeit für Fragen. Fast alle, bis auf uns und das andere Paar, nutzten dieses Angebot. Wir sahen uns währenddessen die zugänglichen Bereiche des berühmten Hotels an. Der große Ballsaal war überwältigend und funkelte nur so vor Gold. Hier kam meine Goldallergie
endgültig zum Ausbruch. Es war einfach alles zu viel und zu groß.
Im Vorraum der Damentoilette sah ich, wie die vollverschleierten Araberinnen ihre Verschleierung abnahmen, um sich frisch zu machen. Dass alle High Heels anhatten, konnte man auch mit der Verschleierung sehen, doch dass darunter Frauen hervorkamen, die mit jedem Top-Modell mithalten konnten, hat mich schon überrascht.
Den letzten Tag hatten wir zur freien Verfügung, da der Reiseleiter
geschäftliche Einzelgespräche mit den Mitreisenden führte.
Wieder zu Hause waren wir uns einig, dass es eine sehr interessante Reise war, doch einmal reicht. Wir bekamen anschließend noch eine Zeitlang das Dubai-Magazin auf Deutsch zugeschickt. Das Magazin und auch andere Informationen über das Land haben wir weiter mit Interesse verfolgt.
Unmittelbar nach unserer Reise machte sich die globale Finanzkrise bemerkbar, die mit dem Zusammenbruch der amerikanischen Großbank Lehmann Brothers am 15. September 2008 ihren Höhepunkt erreichte.
Auch Dubai wurde davon nicht verschont. So wurden aus der geplanten Höhe von eintausend Metern für den Burj Dubai, der jetzt Burj Khalifa heißt, nur
830 Meter. Es ist damit immer noch das weltweit höchste Gebäude.
Las Vegas 2.0 wurde aufgegeben, später wurden mehrere Vergnügungsparks gebaut, die aber bei Weitem nicht die vorgesehene Größe erreichten. Die Formel-1- Rennstrecke wurde 2009 nicht in Dubai sondern in Abu Dhabi errichtet. Das gigantische Projekt The Earth
liegt heute noch brach.
Ob aus der riesigen Baugrube, vor der wir standen, ein Luxushotel wurde und ob unsere Mitreisenden von ihren Investitionen je etwas zurückbekommen haben, bleibt wohl ein ungeklärtes Rätsel.