Der Bart ist ab!
Nun ist er ab! Der zauselige lange Corona-Bart! Mal mit Kuchenkrümeln, mal mit etwas Suppe garniert, spross er ein Jahr lang vor sich hin.
Meine Frau meint Das kann man ja nicht mehr mit ansehen!
und schwupps war die Schere raus. Nicht irgendeine, sondern die besonders teure zum Haareschneiden. Schnipp, schnapp, da war er ab, der Bart! Na ja, nicht alles, aber das meiste.
Mit dem Bart ab
hatte ich schon einmal Erfahrung gemacht. Unsere Tochter war in der ersten Klasse und da wir dicht an der Schule wohnten, zog immer ein ganzer Trupp Kinder an unserem Haus vorbei. Ich hatte Spätschicht und saß mit ausgebreiteter Zeitung auf dem Sofa. Morgens hatte ich meinen Bart abrasiert, da ich darunter stark juckende Ekzeme hatte.
Töchterchen stürmte ins Zimmer, wie sie es immer machte. Sie hatte doch so viel zu erzählen, was sie alles erlebt hatte. Sie starrte mich an, rannte wieder raus und rief ihren Schulkameradinnen zu, sie sollen doch alle mal reinkommen. Da standen sie nun, die fünf Zwerge und starrten mich an. Guckt mal, wie doof mein Vater aussieht!,
schrie meine Tochter und fing fürchterlich an zu heulen. Seitdem trage ich wieder Bart.
Noch eine Geschichte über den Bart, nicht aus meiner Erinnerung, aber aus den Erzählungen meiner Mutter. Ich muss wohl so zwei bis drei Jahre alt gewesen sein, auf dem Nachttisch meiner Mutter stand das Bild eines Mannes. In Uniform, mit einem langen schwarzen Backenbart. Das ist dein Papa
, wurde mir immer wieder erzählt. Nun sollte das große Wunder wohl passieren: Der Papa kommt nach Hause!
Dann stand aber ein Mann an meinem Gitterbettchen, ohne Uniform und ohne Bart! Du bist nicht mein Papa, hau ab
soll ich geschrien und fürchterlich geheult haben.
Sicherlich auch eine Riesenenttäuschung für meinen Vater.
Unter dem gleichen Titel wurde schon einmal in der Erinnerungswerkstatt von mehr oder weniger freiwilliger Rasur berichtet. Lesen Sie auch den Zeitzeugenbericht aus den letzten Kriegsjahren, aufgeschrieben von Ida Slomianka: Der Bart ist ab
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