Kriegsende in der Ferne
Mit einem akuten Bronchialleiden lag ich am 08. Mai 1945 im Militärkrankenhaus der 3. Region. In den letzten drei Monaten hatte ich 28 Kilo an Gewicht abgenommen und mein Schwächezustand erlaubte es mir nicht, das Bett zu verlassen. In der letzten Zeit war unsere Pioniereinheit Tag und nachts im Einsatz beim Brückenbau gewesen. Weder die Uniform noch die Stiefel wurden wieder trocken. Kein Wunder, dass meine Bronchien nicht mehr mitmachen wollten.
Anfang 1945 wurde ich als gebürtiger Argentinier zum Dienst im Ejército Argentino (Argentinische Armee) eingezogen. Als Reserveoffiziersanwärter wurde ich der dritten Kompanie des Pionierschulbataillons in Concepción del Uruguay, Provinz Entre Rios, zugeteilt. Dort bekam ich meine Infanteriegrundausbildung mit zusätzlicher Ausbildung im Brückenbau, Sprengungen, Landminenlegen und -räumen, Schützengrabenbau und dem Umgang mit Stacheldraht.
Am 27. März hatte die argentinische Regierung, auf diplomatischen Druck der Amerikaner, Deutschland und seinen Verbündeten den Krieg erklärt. So befand ich mich in der verzwickten Lage, dem Land meiner Väter als virtueller Feind gegenüber zu stehen. Gerüchte gingen umher, dass wir wahrscheinlich nach Italien verschifft würden um dort Aufbauarbeiten zu verrichten. Schließlich seien dort schon brasilianische Truppen tätig.
Wegen meines schlechten Gesundheitszustandes war ich eigentlich nicht in der Lage, mir größere Sorgen darüber zu machen.
Für die über tausend Besatzungsmitglieder des Panzerschiffs Admiral Graf Spee
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Internierung in Argentinien
Augenzeugenbericht von Ernesto Potthoff, die seit 1939 als Kriegsinternierte in Argentinien weilten, bedeutete dies ihre Einstufung als Kriegsgefangene und sie wurden unter Militärbewachung gestellt. Meinem Vater wurde der Personalausweis eingezogen und er bekam ersatzweise eine graue Karte, die ihn als Extranjero bajo vigilancia
(Ausländer unter Aufsicht) bezeichnete. Er durfte seinen Wohnort in Buenos Aires nicht verlassen und musste sich jede Woche bei der Polizei melden. Alle deutschen Schulen und Vereine wurden aufgelöst und die Gebäude als feindliches Eigentum von den argentinischen Behörden beschlagnahmt. Desgleichen geschah mit den Schiffen, die unter deutscher oder italienischer Flagge im Hafen von Buenos Aires lagen. Der Begriff Weltkrieg
wurde den Deutschen in Argentinien zur traurigen Realität.
An jenem 8. Mai 1945 hörte ich in meinem Krankenbett ein heftiges Glockenläuten. Keiner in unserem Saal konnte es verstehen, wieso mitten in der Woche die Kirchenglocken aus der nahe liegenden Provinzhauptstadt Paraná ertönten. Wir vermuteten, es könnte sich um eine der üblichen
politischen Revolten handeln, weswegen die Glocken zur Warnung der Bevölkerung geläutet wurden. Erst später sickerte die Nachricht durch: Der Krieg ist aus!. Deutschland hatte an allen Fronten kapituliert und in ganz Europa waren die Kampfhandlungen eingestellt worden. Obwohl ich die deutsche Niederlage sehr bedauerte, war es für mich eine seelische Erleichterung zu wissen, dass ein Kriegseinsatz für mich nicht mehr in Frage kommen würde.
In den nächsten Tagen wurde auf den meisten öffentlichen Plätzen Argentiniens gefeiert und gejubelt. Mein Vater schrieb mir darauf, es käme ihm vor als ob die Welt auf ihrer eigenen Leiche tanze
.
Diese Kundgebungen wurden aber auch von Krawallen unterminiert. Der große Krieg war beendet. Der Kalte Krieg hatte gerade begonnen.
Die Spee-Leute blieben nach Kriegsende noch monatelang in ihren Lagern stationiert und wurden im März 1946 in ein größeres StalagKriegsgefangene wurden nach Offizieren und Mannschaftsdienstgraden getrennt untergebracht. Die Lager für Offiziere hießen Oflags
(Offizierslager), die Lager für Mannschaften Stalags
(Stammlager).[1], das in der Garnison Campo de Mayo bei Buenos Aires für sie errichtet wurde, konzentriert, um dann mit der M/S Highland Monarch in englischer Gefangenschaft zurück nach Deutschland transportiert zu werden. Sie hatten einen jahrelangen, verhältnismäßigen friedlichen Aufenthalt in Argentinien hinter sich. Nun erwartete sie der Schrecken der Nachkriegszeit in der Heimat.
Oflags(Offizierslager), die Lager für Mannschaften
Stalags(Stammlager).