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1980

Die 80er - 90er und das 21.Jahrhundert

Flucht

Flucht, Vertreibung, Integration …

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Flucht, Vertreibung, Integration …

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Die 80er - 90er und das 21.Jahrhundert

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Flucht und Vertreibung

ElternhausDas Elternhaus meiner Mutter in der Roonstraße 25 in Osterode/Ostpreußen 1941 NeuanfangNeuanfang nach der Flucht in Hamburg 1950 ostródaDas Elternhaus meiner Mutter in Ostróda/Polen im August 2006 AnstiegKarte von Ostpreußen 1918 – 1945 OsterodeOsterode am Drewenzsee in Ostpreußen, Aufnahme von 1940

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Kreisheimattreffen 1956 in Hamburg

Meine Großmutter und meine Mutter mit ihrer neugeborenen Tochter, meiner Schwester, sind am 20. Januar 1945 mit dem Zug von Osterode in Ostpreußen nach Elbing gefahren. Damit gehörten sie zu den wenigen, die ihre Heimat mit der Eisenbahn verlassen konnten. Die meisten machten sich mit Pferd und Wagen oder zu Fuß auf, um aus ihrer Heimat zu flüchten.

Am 12. Januar 1945 überschritt die Rote Armee in Ostpreußen die deutsche Grenze. Der braune Zar im Königsberger Schloss, Gauleiter Erich Koch, hatte bei Todesstrafe verboten, das Land zu verlassen. Erst am 19. Januar, viel zu spät, hieß es Rette sich, wer kann. Viele Trecks werden so auf den vollen und angesichts der großen Kälte vereisten Straßen von den Truppen der Roten Armee überrollt. Osterode in Ostpreußen wird vom Heilsberger KesselLesen Sie auch den Zeitzeugenbericht einer damals zwölfjährigen Zeitzeugin aus Ostpreußen, als sie auf der Flucht in die Kampfhandlungen im Heilsberger Kessel geriet und wie sie das Kriegsende erlebte.[Klick …] abgeschnitten, nur einem Teil der Menschen gelingt die Flucht über die Nogat- und Weichselbrücken. Das Leid der flüchtenden Menschen ist unermesslich groß. Die Männer bei den Trecks werden zumeist erschossen, die Frauen vergewaltigt. Diejenigen, die nicht durchkommen, kehren in ihre Dörfer und Städte zurück.

Wer über die Weichsel gekommen ist, zieht über Danzig, Pommern und Mecklenburg überwiegend nach Schleswig-Holstein. Auch die über die Ostsee von der Halbinsel Hela Geretteten gelangen nach Lübeck und Kiel. Andere verschlägt es nach Sachsen und Sachsen-Anhalt, letztlich aber verlieren alle Flüchtlinge ihre Heimat und werden über die ganze Welt zerstreut.

Das Städtchen Osterode in Ostpreußen wird am 21. Januar von der Roten Armee eingenommen. Die Stadt fällt ohne Kampfhandlungen fast völlig unzerstört in die Hände der Roten Armee, wird aber bis Ende Januar durch Brandschatzungen, insbesondere im Zentrum, weitgehend zerstört.

Erich Koch

Historische Anmerkung zu Erich Koch:

(Gauleiter in Ostpreußen und brauner Zar der Ukraine)

Erich Koch wurde 1896 in Elberfeld geboren. Nach dreijähriger kaufmännischer Lehre trat er in den Dienst der Eisenbahnverwaltung ein. Von 1915 bis 1918 war er Frontsoldat, danach aktiver Teilnehmer an den Abwehrkämpfen in Oberschlesien und an der Ruhr. Im Ruhrkampf wurde er mehrmals von den Franzosen verhaftet. Bals trat er mit der nationalsozialistischen Bewegung in Berbindung. Von 1922 bis 1928 gehörte Koch der Gauleitung Ruhr der NSDAP an. 1926 wurde er wegen seiner politischen Betätigung aus dem Staatsdienst entlassen. 1928 berief ihn der Führer zum Gauleiter von Ostpreußen. 1933 wurde er dann auch Oberpräsident dieser Provinz. Seine Arbeit für diese Provinz hat ihren Ausdruck gefunden in dem nach ihm benannten Koch-Plan. (Quelle: Artikel der Frankfurter Zeitung (Frankfurt/Main) Nr. 590 vom 18. Nov. 1941)

Ab 1928 war Koch Gauleiter der NSDAP in der preußischen Provinz Ostpreußen. Von September 1930 bis 1945 vertrat er den Wahlkreis Ostpreußen zunächst im Reichstag der Weimarer Republik, dann im nationalsozialistischen Reichstag. Nach dem Wahlsieg der NSDAP bei der Reichstagswahl März 1933 erhielt er 1933 trotz des Widerstandes der preußischen Regierung das staatliche Amt eines Preußischen Staatsrats. Er drängte den ostpreußischen Oberpräsidenten Wilhelm Kutscher aus dem Amt und machte sich zu dessen Nachfolger. Im August 1933 übernahm er auch das Amt des Präses der Provinzialsynode der Kirchenprovinz Ostpreußen. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Erich Koch zum Reichsverteidigungskommissar für Ostpreußen (Wehrkreis I) ernannt. Nach dem Ende des Überfalls auf Polen musste er den Regierungsbezirk Westpreußen am 26. Oktober 1939 an den neuen Reichsgau Westpreußen (später Danzig-Westpreußen) abtreten, bekam dafür aber den neuen Regierungsbezirk Zichenau (in Polen Ciechanów) hinzu. Dieser umfasste nur altpolnisches Gebiet und reichte bis über die Ufer von Weichsel und Narew. Nach dem Angriff gegen die Sowjetunion wurde Koch mit dem 1. August 1941 zum Zivilkommissar ernannt. Als Chef der Zivilverwaltung im Bezirk Białystok war er bis 1945 für die Festlegung und Umsetzung der Besatzungspolitik verantwortlich.

Ab 1. September 1941 nahm er auch die Funktionen eines Reichskommissars für das Reichskommissariat Ukraine wahr. Damit wurde Koch der mächtigste Mann Osteuropas. Sein „Herrschaftsbereich“ reichte im September 1942 von Königsberg über Zichenau, Białystok, Kiew, Nikolajew und Poltawa bis zum Schwarzen Meer und auf die Ostseite des Dnepr. Er umfasste deutsches, polnisches und ukrainisches Gebiet.

Bei der Gefangennahme von zivilen Arbeitskräften für die Zwangsarbeit im Deutschen Reich arbeitete er mit dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, zusammen. Er war in seinem Zuständigkeitsbereich am Völkermord der polnischen und ukrainischen Juden führend beteiligt. Unter seiner Herrschaft wurden die weiterführenden Schulen und Universitäten geschlossen, weil die Ukrainer nach dem Willen der deutschen Führung ungebildet bleiben sollten. Für die Versorgung der Wehrmacht und der deutschen Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln wurden diese in so großen Mengen aus der Ukraine abtransportiert, dass die einheimische Bevölkerung extrem schlecht versorgt wurde.

Erich Koch floh am 24. April 1945 mit einem Flugzeug von Pillau-Neutief auf die Halbinsel Hela, von wo er auf dem eigens für ihn bereitgehaltenen Hochsee-Eisbrecher Ostpreußen am 27. April 1945 vor den vorrückenden Truppen der Roten Armee über die Ostsee entkommen konnte. Am 29. April 1945 erreichte er Sassnitz, das ebenfalls schon von der Roten Armee bedroht wurde, am 30. April 1945 Kopenhagen und am 5. Mai 1945 Flensburg. Dort nahm er eine neue Identität an, indem er sich falsche Papiere ausstellen ließ. Sein Hitlerbärtchen rasierte er ab, zudem trug er nun zur Tarnung eine Brille (Rattenlinie Nord). Dies schützte ihn tatsächlich vor der Entdeckung: Als er, noch in Schleswig-Holstein, von einem britischen Kommando aufgegriffen wurde, wurde er nicht verhaftet, sondern unter seinem falschen Namen in das Kriegsgefangenenlager – und ehemalige Arbeitsdienstlager – Wolfsberg bei Hasenmoor in der Nähe Hamburgs eingeliefert. Nach Auflösung des Lagers blieb Koch in der dazugehörigen Gemeinde. Er mietete sich in einem einsam gelegenen Haus ein, in dem noch weitere Flüchtlinge untergebracht waren. Dort lebte er sehr zurückgezogen und pflegte mit seinen Nachbarn ein sehr auskömmliches Verhältnis, wohingegen er sich in seiner Dienstzeit als Gauleiter herrschsüchtig und cholerisch gezeigt hatte.

Seinen Lebensunterhalt verdiente er durch Vertretungen, gelegentliche Landarbeit und den Ertrag einer kleinen Gartenparzelle, die er bewirtschaftete. Nach der Währungsreform im Jahr 1948 erhielt er Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 18 Mark. Zwei ihm gehörende Grundstücke in Westdeutschland konnte er als gesuchter Kriegsverbrecher nicht nutzen; er gab sich als ehemaliger Major der Reserve Rolf Berger aus. Bei seiner Verhaftung im Mai 1949 besaß er aber dennoch fast 250 DM, was für einen angeblich vermögenslosen Flüchtling knapp ein Jahr nach der Währungsreform ein erklecklicher Betrag war.

Zu seiner Verhaftung am 24. Mai 1949 kam es, als er, der ehemalige Reichsredner, bei einer öffentlichen Flüchtlingsversammlung das Wort ergriff und sich zum Versammlungsleiter wählen ließ. Dabei wurde er erkannt und angezeigt. Am Abend desselben Tages wurde er von einem britischen Offizier und einem deutschen Kriminalbeamten aufgesucht, verhaftet und im Januar 1950 an Polen ausgeliefert.

Dort wurde gegen Koch ab dem 20. Januar 1958 vor dem Woiwodschaftsgericht in Warschau verhandelt. Ihm wurden seine Taten in Ciechanów und Białystok als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen den Frieden, als Kriegsverbrechen, Massenmord aus politischen, nationalen und rassischen Gründen, Verschleppung in Konzentrationslager, Ghettos und zur Zwangsarbeit sowie Massenaussiedlungen durch Abbrennen von Siedlungen vorgeworfen. Am 9. März 1959 wurde Koch zum Tode verurteilt, das Urteil jedoch nicht vollstreckt. Bis zu seinem Tod 1986 war er Häftling im Gefängnis von Barczewo.

In Deutschland blieb Koch vor allem als Hauptverantwortlicher für das Leid der ostpreußischen Flüchtlinge am Kriegsende in Erinnerung. Siehe: de/Wikipedia.org/wiki/Erich_Koch


Meinen beiden Großvätern ist es dank der Durchhaltebefehle des Gauleiters und Kriegsverbrechers Erich Koch 1945 nicht mehr gelungen, Ostpreußen zu verlassen. Der eine wollte, als dienstbeflissener Landbriefträger, seine Post nicht im Stich lassen und ist in Osterode verhungert, weil er als Deutscher keine Lebensmittel bekam. Der andere, Fuhrunternehmer, wollte seine Pferde nicht im Stich lassen, ihm erging es ähnlich, auch er wurde Opfer des Krieges.

Soweit erzähle ich hier etwas nach, was mir als Kind von meinen Eltern über meine Familie erzählt wurde. Meine eigene Erinnerung an diese Zeit beginnt erst viel später, etwa im Juni 1956. Da machten sich meine Eltern auf, am Kreisheimattreffen der Osteroder Landsmannschaft teilzunehmen, das diesmal in Hamburg stattfand. Ich musste mit dorthin, einen Siebenjährigen kann man doch nicht allein zu Hause lassen.

An den Ort der Veranstaltung kann ich mich nicht mehr erinnern, ich weiß noch, dass es außerhalb des Festsaals einen Spielplatz mit Sandkiste und Schaukel gegeben hat, der mein Interesse fand. Drinnen standen viele Menschen, dichtgedrängt, und vom Rednerpult schmetterten markige Worte in die Menge: Deutschland geteilt? – Niemals! und Deutschland den Deutschen. Polen wurden in den Reden als Pollacken diffamiert. Und ich hörte auch, dass davon gesprochen wurde, die Heimat notfalls mit Waffengewalt zurückzuholen.

Mich erstaunt es heute immer wieder, wie gut Kinder intuitiv selbst komplizierte Zusammenhänge erfassen können. Vielleicht nicht mit dem Kopf, dazu fehlt noch zu viel geschichtliches Wissen und Lebenserfahrung, aber mit dem Bauch. So jedenfalls ging es mir damals und deshalb ist mir dieses Kreisheimattreffen auch so unangenehm in der Erinnerung geblieben. Ich hatte das Gefühl, dass die Erwachsenen von uns Kindern erwarteten, dass wir, mit der Waffe in der Hand, in Polen einfallen, um die Heimat der Eltern zurückzuerobern. Aber das hatten wir doch schon, 1939, haben die Redner denn gar nichts aus der Geschichte gelernt?

Meine Mutter erzählte mir sehr viel später einmal, da war ich schon im Erwachsenenalter, sie wäre ihrem Mann nach Kiel gefolgt, hätte ihre Heimat Ostpreußen freiwillig verlassen, um bei ihrem Mann zu leben. Mein Vater hatte sich 1939, gleich nach Beendigung seiner Lehrzeit, freiwillig zur Kriegsmarine gemeldet, sein Heimathafen war damit Kiel.

Es macht doch einen großen Unterschied, ob man freiwillig seinen Wohnort wechselt oder aus seiner Heimat vertrieben wird. Als wir 2006, 61 Jahre nach Kriegsende, nach Ostróda in Polen fuhren, meine Mutter, meine Schwester und Schwager, meine Frau und ich, erlebten wir ein liebenswertes polnisches Städtchen, aber fast alle deutschen Spuren waren ausgelöscht. Auf den Friedhöfen suchte man vergebens nach den Namen der Vorfahren, der Freunde und Nachbarn. Die Steine waren entfernt oder lagen mit der Schriftseite nach unten auf dem Boden.

Und heute? Wieder markige Sprüche, besonders jetzt, wo die Parteien um die Stimme des Wahlvolks buhlen. Markige Sprüche ohne Aussage, Halbwahrheiten und sogar Lügen werden verbreitet, um sich wählen zu lassen. Euphemismen wie Remigration werden wieder gesellschaftsfähig gemacht, wie in der Nazizeit, dabei meint das Wort nichts anderes als Vertreibung. Menschenrechte wie das Asylrecht werden offen infrage gestellt und es wird offen gegen Ausländer gehetzt. Dabei sind wir doch selbst Ausländer, fast überall auf der Welt, und wir freuen uns über die vielen freundlichen Menschen, die uns aufnehmen und bedienen, wenn wir im Urlaub in fernen Ländern weilen. Erfolge der scheidenden Regierung werden von denen in Grund und Boden geredet, die uns 30 Jahre konservativen Stillstand beschert haben. Nach der atomaren Katastrophe von Fukushima 2011 beschloss die damalige Bundesregierung den sofortigen Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Atomkraft und Kanzlerin Merkel verkündete eine Energiewende. Was wir dann während der Restlaufzeit der Kanzlerin erlebten, war die konsequente Behinderung des Ausbaus der erneuerbaren Energie und ein weiterwurschteln beim Ausbau der Netze, Windkraftanlagen durch unsinnige Verwaltungvorschriften verhindern und zulassen das hier entwickelte Technilogien zur Solartechnik aus Profitgier nach China verkauft wurden. Zuständig dafür war der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, im Kabinett Merkel IV. Er schaffte es, das EEG (Erneuerbare Energiegesetz) so zu verbiegen, dass ein weiterer Ausbau von Solarstrom und Windenergieanlagen fast zum Erliegen kam. Stets unterstützt von der bayrischen Schwesterpartei und ihrem Ministerpräsidenten König Marcus I., der in Bayern zum Schutz der Heimat einen besonderen Weg fand, alternative Energieerzeugung erfolgreich zu verhindern. Stattdessen spukt wieder die Atomkraft in den Hirnen herum, als wenn sich Fukushima nicht jederzeit wiederholen könnte, als wenn wir ein Endlager zur Verfügung hätten oder die dafür erforderliche Brennstäbe mit eigenen Ressourcen herstellen könnten. Wer die Rückkehr zur Atomkraft fordert, führt uns wieder in eine Abhängigkeit, die wir gerade beim Erdgas erlebt haben.

Schlimmer noch die Thesen der AfD und ihrer Sprecherin Alice (Wunderland) Weidel: Alle Windräder niederreißen sagte sie. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande, fügte Weidel hinzu. Markige Sprüche, Wahlgetöse.

Um die Arbeit der Ampel (ohne Gelbphase) zu schmälern, werden jetzt die durch die zusätzliche Bürokratie geschundenen kleinen Unternehmen zitiert, die durch das seit dem 1. Januar 2024 geltende LieferkettengesetzDie ausufernde Bürokratie betrifft hauptsächlich die Bauindustrie. Hier werden schon während der Bauphase durch immer neues Gesetze und Bestimmungen die geplanten Baukosten wesentlich erhöht. Diese erweiterten Auflagen werden von verschiedenen Behörden verfasst, die sich untereinander noch behindern. Dies ist aber nicht nur der Ampel zuzuschreiben.
Warum ausgerechnet des Lieferkettegesetz, das übrigens in etwas anderer Form schon während meiner Berufstätigkeit (bis vor 19 Jahren) schon bestand, jetzt so groß herausgestellt wird, kann ich nicht nachvollziehen. Sollen jetzt die Schutzmechanismen für die, die den Wohlstand zum großen Teil mit ihren Händen erarbeiten, abgeschafft werden?Die Redaktion – MB
so belastet werden, dass unsere Wirtschaft zusammenzubrechen droht. Bürokratie abschaffen skandiert die Gelbphase, Ex-Regierungsmitglied und verschweigt dabei, dass dieses Gesetz nur Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigen trifft. Die kleinen Unternehmen, die da zusammenzubrechen drohen, sind davon gar nicht betroffen, aber das weiß Herr Lindner wahrscheinlich nicht, das hört er morgens bei seinem Bäcker nicht. Dabei regelt dieses Gesetz die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten. Dazu gehören beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne und der Schutz der Umwelt. Von einer fairen Globalisierung profitieren aber die Menschen in den Lieferketten, in den Unternehmen und letztlich auch die Konsumenten.

Und auch die Wahlkampfparolen des Herrn Merz und Mitgliedern seiner christlichen Union kommen mir doch so seltsam bekannt vor. Streichung des Bürgergeldes für Arbeitsunwillige fordert sein Adlatus, Herr Linnemann und steigt damit in die Fußstapfen der NSDAP; denn diese Forderung stand bereits 1920 in deren 25-Punkte-ProgrammSiehe Punkt 10, dort heißt es:
[…]
10. Erste Pflicht jeden Staatsbürgers muß sein, geistig oder körperlich zu schaffen. Die Tätigkeit des Einzelnen darf nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, sondern muß im Rahmen des gesamten und zum Nutzen aller erfolgen.
Daher fordern wir:
11. Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens.
[…]
gez. Adolf Hitler
und es wäre nicht das erste Mal, dass sich Konservative zum Steigbügelhalter der Faschisten machten.

Ich mache mir ernsthaft Gedanken und verspüre eine gewisse Angst, nachdem ich mich als Migrant geoutet habe, wohin man mich wohl remigrieren wird, wenn Putins willfährige Helfer bei einer Wahl die Mehrheit der Stimmen erringen oder eine Regierungsbeteiligung erhalten. Ich hoffe aber doch und setze auf die Vernunft der Menschen, die nicht nur in der ErinnerungswerkstattStöbern Sie doch mal in der Zeitleiste der Machtübernahme 1933, einer Zusammenstellung geschichtlicher Daten … Zeitzeugenberichte gelesen und verstanden haben, wohin eine solche Wahl führen wird. Wieder spricht das Volk: Denen da oben muss man einen Denkzettel verpassen und einmal kann man sie doch wählen; das ist 1933 so richtig daneben gegangen. Nach 1933 gab es keine Wahlen mehr! Und gerade in Schlesien und Ostpreußen haben sie, die 1945 ihre Heimat verlassen mussten, zu 55 Prozent NSDAP gewählt.

Auf einem Schweizer Stimmzettel zur Wahl der Züricher Steuerkommission tauchte erstmals 1874 auf, was damals von vielen deutschen und österreichischen Zeitungen amüsiert berichtet wurde: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber. Machen wir nicht wieder den gleichen Fehler!

Nachtrag, was geschah noch 1956:

Am 2. Januar 1956 erfolgte die Aufstellung der ersten Einheiten der Bundeswehr.
Am 18. Januar 1956 beschließt die Volkskammer der DDR das Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee.
Am 21. Januar 1956 erfolgt die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der Bundesrepublik.
Am 25. Februar auf dem XX. Parteitag der KPdSU enthüllt Nikita Chruschtschow die Verbrechen unter der Herrschaft von Josef Stalin.
Am 15. März 1956 wird das Wahlgesetz in der BRD beschlossen; die 5%-Hürde bleibt.
Am 07. Juli 1956 erfolgt die Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes durch den Bundestag.
Am 17. August verbietet das Bundesverfassungsgericht die KPD.
Am 20. September flüchtet der millionste DDR-Flüchtling nach Westberlin.


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In der Hölle von Heilsberg –aber sterben wollte ich nicht

Mit Grauen denke ich an das Jahr 1945 zurück. Im Oktober 1944 mussten wir unser Heimatdorf Wartenhöfen verlassen. Ich war zwölfeinhalb Jahre alt. In einem Dachstübchen ohne Heizung hatten wir eine Bleibe gefunden, meine Eltern und ich. Weihnachten war vorbei, der Januar eiskalt.

Die Front rückte näher mit ständigem Kanonendonner, dazwischen Fliegeralarm und Bombenangriffe. Dann flüchteten wir in einen Kartoffelkeller zwei Häuser weiter. Wir hoben einen Deckel im Fußboden hoch, stiegen eine kleine Leiter runter und landeten in einem Kartoffelkeller. Es war ein schmaler Gang mit mehreren Boxen voller Kartoffeln. Da setzten wir uns drauf und warteten auf das Sirenengeheul, auf Entwarnung. Elf Personen fanden sich immer ein.

Eines Nachts, Ende Januar, brach die Hölle los. Die Sirenen hörten nicht auf im Dauerton zu heulen. Dann fingen die Kirchenglocken an zu läuten und dazwischen Kanonen- und Bombeneinschläge. Die Schlacht um Heilsberg begann. Die Kellerwände wackelten, als würde das Haus einstürzen. Panzer ratterten an unserem kleinen Kellerfenster vorbei. Heute bekomme ich noch Herzklopfen, wenn ich daran denke. Stundenlang ging das so. Als ein Lichtschimmer durch das kleine Kellerfenster drang wussten wir, es war Tag. Und dann Totenstille.

Eine alte Frau lag tot auf den Kartoffeln. Sie wurde die Leiter hochgehüsert und auf ein Bett gelegt. Wir wagten es in die Wohnstube zu gehen. Alles war verwüstet. Auf dem Tisch lag ein großer runder Käse unappetitlich zerstückelt. Jeder schnitt sich ein Stück ab, dann schnell wieder runter in den Keller. Wir froren erbärmlich. Dann brach der Lärm wieder los. Viele Jahre später erfuhren wir, dass Heilsberg von deutschen Soldaten zurückerobert wurde.

Heilsberg
Heilsberg, südlich von Königsberg und südwestlich der Stadt Bartenstein, auf einer Landkarte von 1910

Als trügerische Stille herrschte, wollten die Frauen es wagen Federbetten aus der Wohnung zu holen. Ich wollte mit. Wir kletterten die Stiege hoch, standen in einer fremden Stube, geblendet von Sonnenlicht. Als wir auf die Strasse blickten, trauten wir unseren Augen nicht, Möbel und aufgeschlitzte Federbetten lagen in Schnee. Ein russischer Soldat schlug mit seinem Gewehrkolben eine große Schaufensterscheibe ein. Nun wussten wir Bescheid. Eilig verschwanden wir wieder in unserem Verlies, irgendwann würden wir es schaffen, die Federbetten zu holen.

Nun lag ich auf den Kartoffeln mit Schuhen, Mütze, Mantel unter einer warmen Decke und drückte meinen kleinen alten Teddy an mich, meinen Talisman von zu Hause. Zu essen hatten wir nichts. Meine Mutter war so mutig, einen Eimer Wasser von der Pumpe draußen zu holen.

Für die Notdurft gab es einen kleinen Blecheimer. So vergingen die Tage. Vielleicht wären wir in dem Keller verhungert, wenn nicht eines Tages Stiefelgetrampel auf unserem Kellerdeckel zu hören war. Mein Herz fing an zu rasen, und schon standen drei Russen vor uns. Uhren wollten sie haben. Mein Vater gab seine hin. Nun sollten zwei Frauen mitgehen. Nein, sie wollten nicht. Da stellte sich ein Russe hinten an die Wand und nahm sein Gewehr von der Schulter. Ich sprang weinend von den Kartoffeln, meinen Teddy im Arm. Der Russe drückte mich väterlich an sich. Die Frauen gingen mit und kamen weinend wieder. Und ich betete, lieber Gott lass die Russen nicht wiederkommen, doch sie kamen wieder.

Wir hatten uns ausgerechnet, dass eine Woche vergangen sein müsste. Dann wurden wir aus dem Keller geholt. Bewacht von mehreren Russen mit aufgepflanztem Bajonett ging es über die Strasse, die übersät war mit rausgeworfenen Hausrat und Möbelstücken, Glasscherben von zerbrochenen Fensterscheiben. In einem Keller sperrte man uns ein, der Schlüssel drehte sich im Schloss. Wir standen auf dem Zementfußboden. In einer Ecke stand ein Waschkessel. Hinter dem kleinen Fenster leuchtete es glutrot. Es roch nach Rauch, die Stadt brannte. Niemand sprach ein Wort, ich glaube alle haben gebetet. Kälte und Hunger spürten wir nicht, nur Angst, Todsangst.

Dann standen sie wieder vor uns, mit ihren aufgepflanzten Bajonetten, mitkommen bedeutete man uns. Im Gänsemarsch ging es durch einen verschneiten Garten, rechts und links Soldaten. Ich ging zwischen meinen Eltern. In der Ferne glitzerte Wasser. Ich dachte, sie werden uns erschießen. Rücklings werden wir ins Wasser fallen. Ich tat einen Schritt vor meine Mutter, klemmte meinen Teddy unter den Arm, faltete meine Hände und betete: Lieber Gott, lass mich zuerst sterben.

Nein, wir mussten weiterleben. Eine Kehrtwendung und wir marschierten auf das dazugehörende Haus zu. Drinnen nur Chaos. Man schloss uns wieder ein. Vor einem Fenster setzten wir uns auf den Fußboden. Hinter der heilen Fensterscheibe war der Himmel glutrot. Durch die Ritzen zog Rauchgeruch. So verbrachten wir die Nacht. In einer anderen Ecke kauerten auch ein paar Menschen.

Morgens stand wieder ein Soldat vor uns. Ich sollte mitgehen, er wollte mir Brot geben. Ich klammerte mich an meinen Vater und der bedeutete ihm, er möge uns alle drei erschießen. Er ging und kam nicht wieder. Heute glaube ich, er hatte es ehrlich gemeint. Nun hausten wir hier ohne Essen und Trinken. Nachts wurden die Frauen abgeholt.

Dann jagte man uns einfach davon. Eine Russin stand in der Tür, eine Reitpeitsche in der Hand, sagte sie in gebrochenem Deutsch, jetzt bekämen wir das wieder, was man ihnen angetan hätte. Meinen Vater führten sie ab. Wir standen auf der verwüsteten Strasse. Es wurde dunkel. Wir gingen einfach in ein Haus, Totenstille. Da schrie plötzlich eine Frau. Wir trauten uns nicht vor und nicht zurück, setzten uns in die Nische einer Zementtreppe. So verbrachten wir die Nacht.

Als es hell wurde gingen wir ohne Ziel durch die Stadt. Es war nur noch eine Trümmerwüste. Aus einer Ruine ragte ein Bein mit einem braunen Schnürstiefel. In ein Haus, das noch Fenster und Türen hatte, wollten wir rein. Von weitem schrie uns ein Russe an, wir fingen an zu laufen, da knallte ein Schuss.

Wir kamen in eine warme, überfüllte Stube mit verzweifelten Menschen. Wir setzten uns in eine Ecke. Trotz der Wärme behielt ich Schuhe, Mantel und Mütze an, auch hier Russen auf Frauensuche. Von sich das Leben nehmen war hier die Rede. Ich erschrak vor meiner eigenen Stimme als ich rief: Ich will noch nicht sterben. Wir verließen das Haus, gingen über den Marktplatz vorbei an dem Bein mit dem braunen Stiefel. Meine Beine waren wie Blei, ich schwankte und aß etwas Schnee. Lebte ich überhaupt noch? Es mussten wohl zehn Tage gewesen sein, ohne zu essen und zu trinken. In einiger Entfernung lag ein Haufen nackter Schaufensterpuppen? Ich wollte mir nicht eingestehen, dass es Menschen waren. Wir verließen die Stadt und kamen zu einer Siedlung mit schwarzen Giebeln und voll mit Deutschen. Wir sahen alle unsere Nachbarn wieder, die mit uns geflüchtet waren. Aber auch hier war Hunger und Elend.

Wir fanden Unterschlupf in einem Häuschen, wo schon Frau Belau mit Tochter Liesbeth vegetierte. Vor dem Fenster lag ein großer Haufen Kleidung, festgefroren im Eis. Mit kochendem Wasser tauten wir alles auf und fanden brauchbare Kleidungsstücke und ein rosa Puppenkleid für meinen Teddy.

Im Schuppen war Holz zum Heizen. So konnten wir nach fast zwei Wochen nachts Mantel und Schuhe ausziehen und mich auf einem alten Sofa lang ausstrecken, eine Wohltat, auch ohne Nachthemd. Aber wo war Papa? Jeden Abend betete ich, er möge wieder zu uns finden. Und er kam, nur noch Haut und Knochen wankte er uns entgegen. Eine Woche war er mit anderen Männern in einem Keller eingesperrt, nachts Verhöre und Schläge. Hakenkreuzabzeichen wurden in Hosentaschen geschmuggelt, kein Essen. Ein todkranker Mann wurde auf den Hof geschleppt Kameraden helft mir doch waren seine letzten Worte. Ein Elend ohne Ende. Und doch erwachten ein paar Lebensgeister.

Einmal die Woche rumpelte ein Pferdefuhrwerk die Strasse rauf, lud Schlachtabfälle und Innereien auf dem Friedhof ab. Es wurde jedes Mal ein Festessen. An der Strasse standen lange Schlangen mit russischen Lastwagen. Wir Kinder wurden mutig und bettelten. Die Soldaten reichten uns aus ihren Autos Brot und manchmal auch Käse. Wir wussten ja gar nicht, dass immer noch Krieg ist. Wir hatten jedes Zeitgefühl verloren.

So vergingen unbemerkt der 4. und der 30. März, Papas 40. und mein 13. Geburtstag. Wir wagten uns in unseren Horrorkeller, fanden unsere Federbetten, aber leider keine Kartoffeln mehr. Papa und ich gingen oft in die Stadt, immer vorbei an dem Bein mit dem braunen Stiefel. Ich stieg in Keller von Ruinen ein, reichte meinem Papa Essbares raus. Einmal war es eine geräucherte Gänsekeule. Mit Liesbeth ging ich zum fünf Kilometer entfernten Gutshof. Dort gab es Milch. Für einen Liter gingen wir zehn Kilometer, bis die Russin eines Tages den Kopf schüttelte.

In der Stadt war eine Bäckerei für die Russen, bescheiden klopften wir an die Tür, etwas gab es immer. Als wir lästig wurden, fiel hinter der Tür ein Schuss. Eine neue Quelle tat sich auf. Hinter einem Stacheldrahtzaun lagen haufenweise Käsedosen. So viel wir tragen konnten, schleppten wir weg, bis uns ein Russe erwischte. Er nahm sein Gewehr von der Schulter und bedeutete uns, uns aufzustellen nicht totschießen weinte ein Junge. Ich dachte, er tut es. Ich starrte in sein Gesicht und bemerkte ein Lächeln. Wir durften gehen. Eines Nachts standen zwei Soldaten in unserer Stube, einer setzte sich auf meine Füße. Ich hielt still. Lautlos verschwanden sie wieder.

Am nächsten Morgen stand ein Sack Zucker auf dem Flur. Zufällig hatten Liesbeth und ich ein Päckchen Vanillepudding gefunden. Mit Wasser und viel Zucker wurde Pudding gekocht. Auf den Dachboden kam er zum Auskühlen. Endlich war er kalt. Ich durfte die Schüssel holen, verfehlte dabei die letzten Stufen und ließ die Schüssel fallen. Liesbeth sprach drei Tage nicht mit mir.

Die Frauen mussten arbeiten, meistens tote Soldaten auf dem Friedhof begraben. Liesbeth und ich versteckten uns deshalb morgens immer. Wir gingen in einen Schrebergarten und aßen winzige Stachelbeeren bis der Bauch weh tat. Oder wir saßen auf einer feuchten Wiese und zupften kleine Sauerampferblätter.

Eines Nachts begann eine wüste Schiesserei. Wir machten uns auf das Schlimmste gefasst, hofften dass wir befreit werden. Am Morgen dann das böse Erwachen. Russische Soldaten fuhren durch die Strassen und schrien auf Russisch: Hitler kaputt, Krieg kaputt. Wenn sich viele Soldaten näherten um Arbeitsleute zu suchen, stiegen wir die Leiter zu dem kleinen Schuppen hinauf und zogen dann die Leiter in den Schuppen rein, ein sicheres Versteck. Einmal schafften wir es nicht.

Ein Leiterwagen stand bereit, wurde mit Frauen und Männern beladen und ab ging es zur Arbeit. Meine Eltern waren auch dabei, abends wartete ich vergeblich auf sie. Auch am nächsten Abend stand ich auf der Strasse und betete: Lieber Gott, lass wenigsten einen wiederkommen. Am dritten Tag kam meine Mutter wieder, heimlich war sie abgehauen. Dann kam auch mein Vater, und wieder passierte Schreckliches. Hungertyphus brach aus.

Am Haus wurde ein Schild angebracht Seuche. Die Menschen starben wie die Fliegen. Ein Leiterwagen fuhr durch die Strassen und holte die Leichen in Papiersäcken ab. Ein russischer Kommandant herrschte über die Siedlung. Er war sehr deutschfreundlich. Er wollte uns etwas Gutes tun. Jeder sollte ein Stück Fleisch bekommen Pferdefleisch.

Alle standen auf einem freien Platz mit einer Schüssel in der Hand. Ein Pferd wurde herangeführt und erschossen. Die Menschen bildeten einen Kreis um das Pferd, jeder wollte in der ersten Reihe stehen und hielt eine Schüssel hin. Auch ich stand ganz vorne. Wenn ich heute auf dem Wochenmarkt einen Stand mit Pferdefleisch oder Wurst sehe, wird mir schlecht.

So wurde es langsam Sommer. Die Siedlung zu verlassen wurde bestraft. Man wurde drei Tage in einem Hühnerstall eingesperrt. Trotzdem gelang es vielen Flüchtlingen, sich auf den Weg nach Hause zu machen. Mein Vater wollte auch unbedingt nach Hause. Er war sehr krank, hatte nur noch drei Monate zu leben. Aber auch die Nachbarn, von zu Hause, wollten zurück.

Frau Schapens mit ihren drei Kindern, Frau Buchholz mit zwei Mädchen, Frau Heß mit drei Kindern, Frau Babian allein und wir, Familie Ennulat. Noch ein paar andere schlossen sich uns an. Jeder hatte einen Handwagen zu ziehen. Bei uns war das Wichtigste die Federbetten und etwas Hausrat, was wir zusammengetragen hatten. Eines frühen Morgens Mitte Juni verließen wir früh um drei Uhr die Stätte des Grauens. 130 Kilometer und drei harte Jahre unter russischer Herrschaft lagen vor uns.Gerda Laudan geb.Ennulat


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  • Autor: Hartmut Kennhöfer, 23. Januar 2025
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