Tarpen-Trina
Kannst du di mol in de veerdiger Johrn trüüchdenken? Dormols weer Gorstedt noch'n Dörp un harr noch keen tein Dusend Inwohners, dat heet dat geev veel weniger Hüüs un mit de Industree weer 't ok nich wiet her.
Wenn du dormols över de Ohschossee no'n Asploh röverföhrt bist un wieder den Barg hindol, denn legen de Tarpen vör di. Dor geev dat noch Fabers Kuul un de lütten Bargen blangenbi, de as Hünengräber tituleert wöörn. Rund üm leeg de Gorstedter Heid. Dat neegste Huus steiht noch. Een Wirtschaft is dor hüüt nich mehr bin - so veel as ik weet, warrt dat as Moschee nutzt.
Ik müch aver mi mit ju noch üm hunnert Johr wieder trüüch versetten. Dormols güng de Gorstedter Heid in de Borstler un de Neendörper Heid över. Se weer wohl so groot as hüüt dat Flughobengelände und dat Siedlungsgebiet, dat noch dortwischen liggt. Un dor wo hüüt de oole Wirtschaft steiht, stünn dormols een Strohdackkoot, in de nüms mehr wohnen müch.
Eenes Doogs aver harr sik dor een junge Fro verkropen. Se weer krank un bruuk Help. Gorstedter hebbt ehr pleegt un ehr holpen sik in de Koot intorichten. Se verroodt nüms ehrn Noom un so wöör se Tarpen-Trina ropen, weil se in de Tarpenkoot leven dee. Bi de Buurns arbeidt se op'n Hoff. Se verding sik rundüm, dormit se leven kunn. Ut de Heid, de vör ehr Döör wassen dee, bünn se Pottschrubber un Riesbessen ut de Barken. Se legg sik ok eenen Goorn an un harr toletzt een Zeeg un ok Höhner. Twee Johr leev ok'n Mann ut Neendörp bi ehr, de ehr dat Dack repareer un den Goorn versorg. Eenes Doogs verswünn he un keem ok nich wedder. Tarpen-Trina kunn aver alleen trecht kommen.
Von een Dag op den annern verwannel Tarpen-Trina sik. Se höll sik nich mehr rein, arbeidt nich mehr un füng dat Drinken an. Se bettel överall, sleep in Schünen oder ok mol achtern Knick. Keen Mensch kunn dat begriepen. Ehr Tiern versorg se ok nich mehr. Denn slöög de Blitz in de Koot in un all ehrn Kroom verbrenn.
Se dreev sik doogelang in Hamborg rüm. Poormol wöör se opgreepen un in een Heim steken. Man se kneep jümmers wedder ut. Wenn annerwegens een Fest fiert wöör, bettel se un kreeg överall ehrn Deel. De Lüüd harrn ehr nich vergeeten un kunnen överhaupt nich begriepen, wat mit ehr passeert weer. Dat letzte Mol fünn man se op'n Grenzsteen sitten in Regen - natt bit op de Huut.
Se bröchen ehr int Emilienstift. Dat weer ehr letzte Statschon. Se starv dor an 19.November 1887. In ehr Bett fünn man een Medaillon mit ehrn richdigen Noom :Maria von Abercron. Se weer een dänsche Grafendochder. De Lüüd hier sään, se weer een Prinzessin west.
As se mit söbentein Johr Modder von een lütten Jung wöör, wulln de Öllern weten, wer de Vadder dorto weer. Aver se hett em nich nöömt. Bi Nacht is se weglopen un hett ehrn Söhn bi de Öllern loten. Landt is se opletzt in Gorstedt in de Tarpenkoot.
Ehr Söhn wöör Hauptmann un hett an den Krieg in Amerika deelnommen. In de Slacht bi Frederiksborg — een lütte Stadt — is he fullen. Sien letzten Wöör weern: Hier heet dat Frederiksborg? So heet ok dat Slott, wo ik opwussen bin.
Eenige Johrn loter mutt Tarpen-Trina dat to weten kreegen hebben, un von de Dag an wull se ok nich mehr leven, dreev sik rüm un verkeem.
To ehr Beerdigung op den Neendörper Friedhoff keemen ok Affsandte ut Dänemark un veele Menschen ut de Dörper rundüm. Dat Graff gifft dat hüüt nich mehr, aver de Geschicht is doch dat Vertelln wert - meen ik.
Tarpen Trina
Versetze dich mal in die vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Damals war Garstedt noch ein Dorf und hatte noch keine zehntausend Einwohner, das bedeutet, es gab viel weniger Häuser und Industrie gab es so gut wie gar nicht.
Wenn man damals von der Ohechaussee in die Aspelohe einbog und dann den Berg hinunter fuhr, lagen die Tarpen vor einem. Dort gab es Fabers Kuhle und die kleinen Berge daneben, die als Hünengräber tituliert wurden, aber keine waren. Rundum lag die Garstedter Heide. Das einzige, alte Haus dort steht noch, es ist aber keine Wirtschaft mehr- sie hieß Zur Tarpenkate
. Soviel ich weiß, wird sie als Moschee genutzt.
Ich möchte mich mit dir noch um weitere hundert Jahre zurück versetzen. Damals ging die Garstedter Heide in die Borsteler und Niendorfer Heide über. Sie war wohl so groß wie das Flughafengelände und das Siedlungsgebiet, das noch dazwischen liegt. Und da, wo heute die alte Wirtschaft oder die Moschee steht, stand damals eine Strohdachkate, in der niemand mehr wohnen wollte.
Eines Tages aber hatte sich dort eine junge Frau verkrochen. Sie war sehr krank und brauchte Hilfe. Garstedter haben sie gepflegt und ihr geholfen, sich in der Kate einzurichten. Sie verriet niemanden ihren Namen und so wurde sie einfach Tarpen-Trina genannt, weil sie in der Tarpenkate wohnte. Bei den Bauern arbeitete sie auf dem Hof und verdingte sich rundum, um zu überleben. Aus der Heide, die vor ihrer Tür wuchs, machte sie Topfschrubber und Reisigbesen aus Birkenzweigen. Sie legte einen Garten an und hatte zuletzt auch Hühner und Ziegen. Zwei Jahre lebte ein Mann aus Niendorf bei ihr, der das Dach reparierte und den Garten besorgte. Eines Tages verschwand er und kam auch nie wieder. Tarpen-Trina konnte aber gut allein zurechtkommen.
Von einem Tag auf den anderen verwandelte sie sich. Sie hielt sich nicht mehr sauber, arbeitete nicht mehr und fing an zu trinken. Sie bettelte überall, schlief in Scheunen oder auch mal hinterm Knick. Kein Mensch konnte es begreifen. Ihre Tiere versorgte sie nicht mehr. Dann schlug der Blitz in die Kate ein und alle ihre Sachen verbrannten.
Sie trieb sich tagelang in Hamburg herum. Ein paar Mal wurde sie aufgegriffen und in ein Heim gesteckt. Aber sie kniff immer wieder aus. Wenn irgendwo ein Fest war, bettelte sie und bekam immer ihren Teil. Die Menschen hatten sie nicht vergessen und konnten ihre Verwandlung nicht begreifen, nicht verstehen, was mit ihr passiert war. Das letzte Mal fand man sie im Regen auf einem Grenzstein sitzend — nass bis auf die Haut. Sie brachten Tarpen-Trina ins Emilienstift. Das war ihre letzte Station. Sie starb dort am 19. November 1887. In ihrem Bett fand man ein Medaillon mit ihrem richtigen Namen: Maria von Abercron. Sie war eine dänische Grafentochter. Die Menschen hier sagten, sie war eine Prinzessin.
Als sie mit 17 Jahren Mutter von einem kleinen Jungen wurde, wollten die Eltern wissen, wer der Vater war. Aber sie hat ihn nicht verraten. Bei Nacht ist sie weggelaufen und hat ihren Sohn bei den Eltern gelassen. Gelandet ist sie zuletzt in Garstedt, in der Tarpen-Kate.
Ihr Sohn wurde Hauptmann und hat den Krieg in Amerika mitgemacht. In der Schlacht bei Frederksborg- einer kleinen Stadt- ist er gefallen. Seine letzten Worte waren: Hier heißt es Frederiksborg? So hieß auch das Schloss, wo ich aufgewachsen bin
. Einige Jahre später muss Tarpen-Trina das erfahren haben. Von dem Tag an wollte sie nicht mehr leben, trieb sich herum und verkam.
Zu ihrer Beerdigung auf dem Niendorfer Friedhof kamen auch Abgesandte des Dänischen Adels und viele Menschen aus den Dörfern rundum. Das Grab gibt es heute nicht mehr, aber die Geschichte ist es doch wert, sie zu erzählen — denke ich.