Unsere Fahrt nach Oslo 1925
Teilnahme an der Allgemeinen Evangelisch-lutherischen Konferenz
Der zweite Konferenztag
Am Freitag [4. September] predigte bei der Morgenandacht in der Schlosskapelle anstelle des erkrankten Bischofs Danell der Hofprediger Norby aus Stockholm über 2. Korinther 3, 4.6Wir haben durch Christus so großes Vertrauen zu Gott. Doch sind wir dazu nicht von uns aus fähig, als ob wir uns selbst etwas zuschreiben könnten; unsere Befähigung stammt vielmehr von Gott. Er hat uns fähig gemacht, Diener des Neuen Bundes zu sein, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.
[24]. Er hielt die ganze Predigt schwedisch, ehe sie von Günther deutsch wiedergegeben wurde. Man bewegte sich also seit der Eröffnungspredigt in aufsteigender Linie, sehr zum Vorteil des Ganzen. Und die Predigt war auch besonders fein und geistvoll. Darauf folgte die dritte Hauptversammlung in der Aula der Universität, in der zunächst Professor Bachmann aus Erlangen über das Thema Das Wort sie sollen lassen stahn
in seiner ebenso gemütvollen als frischen Weise spracht. Er zeigte, wie dieses Wort auch gegenüber der seit Luthers Tagen so gewaltig fortgeschrittenen Natur- wie Geschichtswissenschaft seine Geltung behalte und formulierte die Stellung der lutherischen Kirche zur Schrift im Anschluss an ein Wort von ThomasiusGottfried Thomasius (1802-1875) war ein deutscher lutherischer Theologe. Er schrieb über das Bekenntnis der lutherischen Kirche.Klick hier für Wikipedia [25], in dem dieser seine Stellung zum Bekenntnis formulierte, und im Gegensatz zur reformierten wie der römischen Kirche dahin: Der Calvinist fühlt sich der Schrift gegenüber als Knecht, der Römischkatholische als Fremdling, der Lutheraner als freies Kind des Hauses.
Aus der Diskussion ist mir besonders erinnerlich das Wort des Bischofs Hogenstad aus Bergen, der gegenüber einer falschen Fassung des das Wort sie sollen lassen stahn
, wo man sich um das Wort nicht weiter kümmere, ja ihm wohl gar Fesseln anlege, hervorhob, es müsse auch heißen: Das Wort sie sollen lassen gahn
, gehen in alle Welt und sie erfüllen. Eine etwas peinliche Szene entstand, als Professor Hallesby unter Bezugnahme auf einen Zeitungsartikel, in dem erklärt worden war, die lutherische Konferenz sei keine Parteikonferenz, sondern sie schließe niemand aus, welcher Richtung er auch sei, der sich zum Luthertum bekenne, eine klare Frontstellung verlange. Ein anderer Professor - ich weiß seinen Namen nicht - wies demgegenüber auf die Eröffnungspredigt von Ihmels hin, die eine durchaus klare Frontstellung gezeigt hätte. Ihmels konnte in seiner Erwiderung diesem Redner nur danken, indem er bemerkte, da er den fraglichen Zeitungsartikel nicht gelesen, könne er zu demselben im Augenblick, und da er kein Norwegisch verstehe, wohl überhaupt nicht dazu Stellung nehmen. Er glaube aber, durch Themata wie Es ist in keinem andern Heil
und Das Wort sie sollen lassen stahn
habe die Konferenz hinreichend gezeigt, dass sie alle die ausschlösse, die ein Hein in einem anderen als Jesu Christo allein bringen und die das Wort nicht stahn lassen wollten. Darauf hielt Lic. [Erich] Stange noch einen Vortrag über die lutherische Kirche und ihre Jugend
, der ja besonders aktuell war und dies Thema in gewissenschärfender Weise behandelte.
Zu Mittag aßen wir im Handwerkerhause, dem allgemeinen Mittagslokal, mit Onkel Friedrich und Pastor D. Freiherr von der Trenck aus Chemnitz. Ich hatte ihn, den ich von der Engeren Konferenz her kannte, der er als Vertreter der Presse angehörte, am Morgen auf dem Wege vom Schlosse zur Universität getroffen und war von ihm gefragt worden, ob ich an einem Ausflug nach Bergen teilnehmen wolle. Damit war er meinen Wünschen entgegengekommen. Ich hatte schon hin und her gesonnen, wie ich die Tage bis Dienstag [8. September], wo ich nach Swinemündein Swinemünde wohnte seine Schwester Elly [26] kommen wollte, ausfüllen solle. Dass ich das Land, das ich doch nach menschlichem Ermessen nicht wieder betreten würde, noch genauer kennen lernen müsse, stand mir fest. Aber wohin mich wenden? Eine Fahrt nach Bergen hatte mich schon immer gereizt. Leidhold suchte Teilnehmer an einer Autofahrt dahin und ich wäre gern mit von der Partie gewesen. Aber sie hätte mehr Zeit in Anspruch genommen, als Eva ihrer Porzellanmalerei abgewinnen konnte. Von der Trenck legte mir nahe, dass, wenn wir Sonntag früh mit der Bergenbahn abführen, wir abends von da abreisend Montagmittag wieder in Oslo wären. Dann kamen wir zurecht, Eva zu ihrer Porzellanmalerei, ich nach Swinemünde. Also schlugen wir ein und von der Trenck versprach, die Fahrscheine auf dem Reisebüro zu besorgen.
Zunächst hatten wir für diesen Nachmittag und Abend den Ausflug nach Frognerseteren vor uns. Zehn Minuten vor fünf fanden wir uns auf dem Sammelplatz Majorstuen, von dem wir schon wiederholt in unsere Herberge gefahren waren, ein und bestiegen dort die Elektrische. Aufwärts führte der Weg in nordwestlicher Richtung durch schönes Tannengehölz, das aber hier und da einen Durchblick ließ auf die tief unter uns liegende Stadt mit dem Fjord dahinter. Die mitfahrenden Norweger machten uns aufs Zuvorkommendste Platz, wenn sich eine Aussichtspunkt bot. In der Höhe von 600 m steigen wir aus und begaben uns wieder ein Stück bergabsteigend nach dem Gesellschaftshause. Dort blieben wir im Freien stehen, auf die anderen wartend, die mit der nächsten Elektrischen ankamen. Leidhold benutzte die Gelegenheit, mich mit Eva und D. Laible, an den ich mich unterwegs angeschlossen hatte, zu typen. Dann wurde die ganze Gesellschaft fotografiert. Darauf ging's in das Gesellschaftshaus, wo schon lange Tafeln gedeckt waren. Ich gehörte zu den Glücklichen, denen ein besonderer Platz reserviert war. Mit meiner Tischnachbarin Frau Professor Frömig kam ich freilich nicht recht in Gang, da sie mich nicht verstand, desto mehr aber mit meinem Gegenüber Reichsgerichtsrat Hambro, einem prächtigen alten Herrn, auf den das Wort Juristen, schlechte Christen
jedenfalls nicht zutraf. Auch Eva saß nicht weit von mir auf der anderen Seite der Tafel. Als alle Platz genommen hatten, wurde uns mitgeteilt, dass es zunächst keine leiblichen Genüsse gebe, sondern geistige. Und Pastor Grönland aus Oslo hielt uns einen Vortrag über
Hans Nielsen HaugeHans Nielsen Hauge (1771-1824) war ein norwegischer Laienprediger und Stifter einer evangelischen Erweckungsbewegung, die großen religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Einfluss auf die norwegische Landbevölkerung hatte. Durch seine Tätigkeit als Laienprediger prägte er den norwegischen Pietismus bis heute.Klick hier für Wikipedia [27], den norwegischen Bauern, der zur Aufklärungszeit unter Verfolgungen und Drangsalierungen aller Art eine bis heute fortwirkende Bewegung hervorgerufen hatte. Dann wurde gegessen. Zum Nachtisch gab's ein spezifisch norwegisches Gericht, MultebeerenDie Moltebeere (Rubus chamaemorus) gehört zur Unterfamilie der Rosoideae innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Sie ist in Mitteleuropa sehr selten und ist ein Wahrzeichen Lapplands.Klick hier für Wikipedia [28],
eine in den höchsten Regionen reifende Frucht, Himbeeren ähnlich, aber herber, deshalb stark zu zuckern, mit Sahne. Auch Wein wurde getrunken und verschiedene Trinkspräche dazu ausgebracht, zuerst auf den König, wobei die Norweger mit Genugtuung bemerkten, dass die Deutschen auch monarchisch gesinnt seien. Bei den Trinksprüchen redete jedes Volk in seiner Sprache. Da hörte man Deutsch, Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Finnisch. Auch musikalische Genüsse wurden geboten. Eine Dame sang, eine andere spielte die Violine, beide mit Klavierbegleitung. Etwa um zehn Uhr wurde zum Heimweg aufgebrochen, auf dem wir dann die Stadt in tausendfachem Lichterglanz unter uns strahlen sahen. Ich schlief auch in der folgenden Nacht vortrefflich.
Wir haben durch Christus so großes Vertrauen zu Gott. Doch sind wir dazu nicht von uns aus fähig, als ob wir uns selbst etwas zuschreiben könnten; unsere Befähigung stammt vielmehr von Gott. Er hat uns fähig gemacht, Diener des Neuen Bundes zu sein, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.
[25] Gottfried Thomasius (1802-1875) war ein deutscher lutherischer Theologe. Er schrieb über das Bekenntnis der lutherischen Kirche.
[26] in Swinemünde wohnte seine Schwester Elly
[27] Hans Nielsen Hauge (1771-1824) war ein norwegischer Laienprediger und Stifter einer evangelischen Erweckungsbewegung, die großen religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Einfluss auf die norwegische Landbevölkerung hatte. Durch seine Tätigkeit als Laienprediger prägte er den norwegischen Pietismus bis heute.
[28] Die Moltebeere (Rubus chamaemorus) gehört zur Unterfamilie der Rosoideae innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Sie ist in Mitteleuropa sehr selten und ist ein Wahrzeichen Lapplands.