Ich doch nicht!
Dieser ganze Markenhype geht mir gehörig auf die Nerven. Wenn ich sehe, wie junge Leute stundenlang für das neueste Smartphone einer bestimmten Marke anstehen oder wie ehemals billige, als „Gesundheitslatschen“ verspotteten Schuhe plötzlich ein Vermögen kosten, – nur weil ein Promi sie trägt –, fehlt mir jedes Verständnis.
Ich mache bei diesem Markenwahn nicht mit. Ich doch nicht! Und das hat gute Gründe:
Zu Beginn meines Berufslebens arbeitete ich in einer großen Lederwarenfabrik. Dort wurden Handtaschen und Kleinlederwaren in Massenproduktion gefertigt. Unsere Hauptabnehmer waren Warenhäuser und ein großes amerikanisches Billigkaufhaus. Doch auch eine große Luxusmarke zählte zu unseren Kunden. Sie kaufte unsere Ware, brachte lediglich ihr Markenlogo an, – und schon war der Artikel ein Vielfaches wert.
Ich konnte dieselben Produkte mit Personalrabatt direkt in unserer Firma kaufen – allerdings ohne das berühmte Logo. Der Unterschied lag allein im Markenimage, nicht in der Qualität.
Später war ich bei einem Bauernverband tätig. Die angeschlossenen Meiereien belieferten den größten deutschen Discounter mit ihren Produkten, die dort unter einer Hausmarke verkauft wurden. Doch der Preisdruck des Discounters wurde so groß, dass für die Erzeuger kaum noch Gewinn übrig blieb. Schließlich kündigten sie den Vertrag und brachten ihre Produkte unter einer eigenen Marke auf den Markt.
Und siehe da – obwohl es dasselbe Produkt war, zahlten die Leute plötzlich gern mehr dafür. Denn jetzt war es ja ein Markenartikel. Der Umsatz blieb fast gleich, aber die Gewinnspanne stieg deutlich.
Diese Erfahrungen haben mich geprägt. Marken beeindrucken mich nicht. Auch bei Kleidung achte ich darauf, dass keine Logos zu sehen sind. Mein Mann sagt immer: „Ich mache für einen Hugo oder Tommy keine Werbung – schon gar nicht kostenlos.“
Trotzdem tankte er früher ausschließlich „blaues“ Benzin. Bis er bemerkte, dass genau diese Marke bei Preiserhöhungen stets die erste und bei Senkungen die letzte war. Heute nutzt er eine App, sucht gezielt nach dem günstigsten Preis – ganz egal, welche Marke – und freut sich wie ein König, wenn er ein paar Cent spart.
Das alles nur als Vorwort:
Der UmzugLesen Sie auch:
Der Elefant in der Streichholzschachtel von Margot Bintig aus dem Reihenhaus in eine kleine Dreizimmerwohnung liegt nun 20 Jahre zurück. Damals mussten wir etwa die Hälfte unseres Hausrates aussortieren – es war einfach nicht genug Platz im neuen Zuhause.
Ich war mir sicher: Nie wieder würde ich so viel ansammeln! Für jede neue Anschaffung sollte etwas altes aussortiert werden. Doch wie das mit guten Vorsätzen so ist – nach all den Jahren hat sich doch wieder einiges angehäuft.
Also fingen wir erneut an zu entrümpeln. In den Schränken und besonders in dem kleinen Keller, in dem man kaum noch einen Fuß auf den Boden setzen konnte. Auch die alte weiße Vase im Wohnzimmerschrank, die ich fast nie benutzt habe, sollte jetzt endgültig weg. Sie war vor über fünfzig Jahren ein Geschenk von einer mir sehr lieben Tante. Ich fand die Vase von Anfang an potthässlich, doch wenn die Tante zu Besuch kam, stellte ich sie manchmal auf den Tisch. Sonst stand sie unbeachtet in der hintersten Ecke des Schrankes.
Beim Umzug vor zwanzig Jahren habe ich sie – aus Pietät – dennoch behalten, obwohl die Tante damals schon verstorben war. Als ich sie jetzt noch einmal in die Hand nahm, bevor sie in den Müll kam, entdeckte ich den Stempel auf der Unterseite: KPM – Königliche-Porzellan-Manufaktur – eine der edelsten und teuersten Porzellanmarken Deutschlands.
Wegwerfen? Oder zu Hempels, dem Sozialkaufhaus, geben? Das brachte ich dann doch nicht übers Herz. Ich sah sie mir noch einmal genau an – und stellte überrascht fest: Sie ist eigentlich gar nicht so schlecht. Sogar richtig schön!
Jetzt steht sie häufig mit frischen Blumen auf dem Tisch – und ich werde sie ganz bestimmt nicht mehr weggeben. Bin ich also doch so leicht zu beeinflussen, dass erst eine Nobelmarke mir zeigt, wie schön etwas ist?
Ich doch nicht!