Das Schullandheim in Nieblum auf Föhr
Lange vor meiner Zeit an der Schleeschule taten sich im Jahr 1925 Eltern und Lehrer der Schleeschule zusammen, kauften das Gasthaus Föhrer Hof
in NieblumSeit den 1950er Jahren nutzte das Ernst-Schlee-Gymnasium in Hamburg-Groß Flottbek ein Schullandheim in Nieblum. Nach der Umwandlung in eine staatliche Handelsschule übergab man das Heim dem Gymnasium Othmarschen im gleichnamigen Hamburger Stadtteil. Wikipedia.org [1] auf der nordfriesischen Insel Föhr und bauten es zu einem Schullandheim aus.
Auch meine Klasse kam jedes Jahr in den Genuss, hier zwei Wochen verbringen zu können. Wir Schüler schätzten das sehr, denn die Zeit im Schullandheim war ein Höhepunkt des Schuljahres, nicht nur wegen der guten Nordseeluft.
Bis nach Dagebüll kamen wir mit der Bahn. Von dort aus brachte uns die Fähre der Wyker Dampfschiffs-Rederei nach Wyk. Während unser Gepäck mit einem Fuhrwerk transportiert wurde, mussten wir die zehn Kilometer vom Wyker Hafen aus zu Fuß gehen. Das Schullandheim war das erste Haus Nieblums auf der linken Straßenseite. Vor dem Haus ging ein Feldweg ab. Gegenüber dem Heim auf der anderen Seite des Feldweges lag der Sportplatz, ein abgetretener Rasenplatz. Dahinter befanden sich Weiden, die mit einem Elektrozaun gesichert waren, und es war ein Spaß, neue Schüler zu animieren, dagegen zu pinkeln.
Neben dem Heim befand sich ein kleines Haus mit der Eisdiele Zumpe
. Sie war eine begehrte Anlaufstelle für uns Schüler. Ich erinnere mich, dass bei einer der Reisen beim ersten Mittagessen von den Lehrern verkündet wurde, dass sich jeder Schüler nur eine Kugel Eis kaufen dürfe. Ich habe keine Ahnung, was die Lehrer mit dieser Anordnung bezweckten. Vielleicht war mein Unverständnis dieser Anordnung der Grund, warum ich sie auf dem Weg zu Zumpe bereits vergessen hatte. So kaufte ich mir zwei Kugeln Eis, was mir eine Rüge einbrachte.
Das Haus war spartanisch, Vielbettzimmer mit Etagenbetten, Massenwaschräume, Aufenthalts- und Unterrichtsräume. Natürlich lief der Unterricht weiter, vielleicht etwas lockerer, da nicht alle Fachlehrer mitreisen konnten.
Außerhalb des Unterrichts organisierten die Lehrer diverse Aktivitäten. Natürlich gehörte der Sport dazu: Fußball auf dem Sportplatz, Tischtennis und Schach, in denen Wettbewerbe ausgetragen wurden. Außerdem spielten wir leidenschaftlich Skat. Und eine Skiffle-Gruppe gab es. Außerhalb des Heims wurden Geländespiele organisiert, die auch nachts stattfanden. Dazu wurden die Schüler in zwei Spielgruppen aufgeteilt, die mit unterschiedlich farbigen Bändern am Oberarm gekennzeichnet wurden. Eine Gruppe bekam einen Schatz
. Ihre Aufgabe war es, den Schatz als Ganzes oder in Teilen bis ins Heim zu schmuggeln
. Die andere Gruppe musste den Schatz abfangen.
Natürlich machten wir auch Wattwanderungen. Und dann war da die Lembecksburg. Sie war gut zu Fuß zu erreichen, etwa sechs Kilometer entfernt gleich hinter dem Ort Borgsum. Zu sehen war zwar nur noch ein Ringwall von etwa zehn Metern Höhe, aber wenn man genug Fantasie hatte, konnte man die Palisaden auf dem Wall und die Gebäude im Innern des Walls, erahnen, der einen Durchmesser von 100 Metern hatte. Ich fand das genauso spannend wie die Vogelkojen, in die die Wildenten mit Attrappen angelockt wurden, um dann auf den Tellern der bäuerlichen Bevölkerung zu landen.
Aber wir hatten auch viel Freizeit. Die nutzten wir, um durchs Dorf zu schlendern. Die Reetdächer der malerischen Friesenhäuser waren weit heruntergezogen, nur über dem Eingang war ein hoher Giebel. Ich habe erst später erfahren, welchen Zweck der Giebel hatte. Denn falls das Reet Feuer fing, hielt der Giebel immer einen Fluchtweg frei. Die Grundstücke wurden durch die typischen Steinwälle begrenzt, die oft mit Hecken-Rosen bepflanzt waren. Meine Schwiegereltern hatten in Nieblum Freunde. Sie hießen Käthe und Fritz Jessen. In ihrer verwinkelten Gästewohnung haben wir 1978 einmal Urlaub gemacht, als Benjamin ein Jahr alt war. Fritz war Steinwallbauer. Von ihm wussten wir, dass es eine große Kunst ist , diese Steinwälle zu bauen.
In der Mitte des Dorfes befand sich die Kleine Nordsee
, wie sie unter den Schülern genannt wurde. Vermutlich war sie einmal ein Löschteich gewesen. Nördlich davon erhebt sich weit sichtbar der Friesendom St. Johannis, ein wuchtiges Backsteinbauwerk aus dem 11. Jahrhundert. Über dem Südeingang prangte eine eiserne Sonnenuhr. - Zwei Teile der Inneneinrichtung sind mir noch in Erinnerung, die ich damals mit meiner Agfa Clack geknipst habe: Da war dieser schwere Taufstein aus Granit, auf dem zwei Löwen über einen Menschen herfielen. Außerdem hing über dem Mittelgang ein wunderschönes Segelschiffmodell von der Decke herab.
Auch der Friedhof, der die Kirche umgibt, bot einige besondere Schmuckstücke. Einige der alten Grabsteine erzählen die Lebensgeschichten der Verstorbenen, weshalb man sie auch die Sprechenden Grabsteine
nennt. Viele der alten Steine stammen aus der Zeit, in der die Föhrer vom Walfang lebten und gen Grönland fuhren. Auf einigen Grabsteinen sind Reliefs mit Segelschiffen zu sehen.
[2] Link zur Homepage des Schullandheims Nieblum mit Fotos aus der Zeit 1953 bis 1956: http://www.schullandheim-foehr.info/?page_id=40