Wie kommt man eigentlich an einen Oldtimer?
Kapitel 1
Fahrschule und Führerschein
1979 machte ich mein Abi am Coppernicus-Gymnasium im Norderstedter Stadtteil Garstedt. Einige der Schüler mit etwas besser betuchten Eltern bekamen zu diesem Anlass ihr erstes Auto. Wir waren definitiv nicht besser betucht, also kein Auto. War aber auch nicht schlimm: Ich hatte ja noch keinen Führerschein und wollte eigentlich auch keinen. Aber meine Mutter Gisela Lange war der Meinung, ein junger Mann in der heutigen Zeit
könne nicht ohne Führerschein sein, damit verbaue er sich einen Teil seiner Zukunft, und begann bereits ein Jahr vor dem Abi, an meiner Einstellung zum Autofahren zu arbeiten
. Und ja, irgendwann hatte sie mich weich – und meinen ebenfalls autokritisch eingestellten Opa gleich mit, der sollte nämlich für den Führerschein zahlen.
Also begann ich Anfang des Jahres 1979 mit der Fahrschule. Die Sache war aber nicht ganz so einfach. Weil niemand in meiner Familie einen Führerschein besaß, ich deswegen seit Jahren nur äußerst selten im Auto mitgefahren war und dabei schon gar nicht auf die Straße geachtet hatte, kam mir jetzt Tempo 50 rasend schnell vor. Natürlich, wenn der Fahrlehrer sagte: Blinker einlegen, abbremsen, nach hinten absichern, in die Straße abbiegen, …
– das schaffte ich! Denn wie mein Großvater schon früher bemerkt hatte, war ich ja längst kein lütten Döskopp
– ich rätsele übrigens bis heute immer noch, warum er das lütten
so merkwürdig betonte …
Trotzdem war der Fahrlehrer nach jedem Abbiegen unverständlicherweise ziemlich aufgebracht: Dabei folgte ich doch jeder seiner Anweisungen auf das genaueste und sorgfältigste. Gut, die Sorgfalt hatte natürlich einen Preis: Wie üblich war ich dadurch recht langsam. Aber was störte es einen großen Geist, wenn ich dadurch drei Straßen später abbog als geplant?
Schließlich, nach etwa 20 Fahrstunden, hatte ich endlich eine Ausrede, warum ich die Fahrstunden unterbrechen musste: Das schriftliche Abi stand bevor. Danach kam Ostern, dann das mündliche Abi – alles willkommene Unterbrechungen. Dann kam eine etwas weniger willkommene, dafür deutlich nachhaltigere: Beim Spielen auf der Straße fiel ich unglücklich, brach mir das linke Handgelenk: sechs Wochen Gips!
Irgendwann dämmerte meiner Mutter, dass die Sache mit dem Führerschein eng zu werden begann. Denn Ende September 1979 wollte ich zum Studium ins ferne Braunschweig ziehen, der Gips sollte Mitte September wieder ab, mittlerweile lagen auch sämtliche Anträge fast ein Jahr zurück, bei einer Ummeldung nach Braunschweig wäre alles verfallen. Prompt wurde ich genötigt, zwei Wochen täglich Fahrstunden zu nehmen, danach den allerersten möglichen Prüfungstermin, der gleichzeitig auch der letztmögliche war, bevor ich nach Braunschweig zog.
Die Führerscheinprüfung bestand ich mit Ach und Krach, fünf Tage später ging es nach Braunschweig, fünf Monate später kam ich zurück nach Norderstedt, um hier meinen Zivildienst bei der Garten- und Friedhofsabteilung der Stadt Norderstedt abzuleisten. Und hier, etwa ein Dreivierteljahr nach der bestandenen Prüfung, sollte ich dann auch erstmals meinen Führerschein einsetzen.
Das ging nicht ohne spannende Momente ab: Einmal geriet ich ungewollt in einer Baustelle auf die Gegenfahrbahn und konnte mich nur in allerletzter Sekunde durch die Baken auf die richtige Fahrbahn zurück mogeln. Ein anderes Mal sprang mir beim Rückwärtsfahren eine Birke hinter das Auto, so geschwind, dass ich weder bremsen noch ausweichen konnte und eine etwa meterlange, tiefe Schmarre in den erst halbjährigen Dienstwagen zog.
Eines Tages, man schrieb das Jahr 1980, tagte der Familienrat. Meine Großeltern wurden langsam immer älter und gebrechlicher. Hatten sie Autos über Jahrzehnte aus diversen Gründen verachtet, begannen sie nun die damit verbundene Bequemlichkeit zu schätzen. Allein, es gab ein Problem: Niemand in unserer Familie besaß eines, einzig ich besaß einen Führerschein. Aber als Zivildienstleistender natürlich nicht genug Geld, um ein Auto zu kaufen.
Also wurde beschlossen: Der Opa kauft ein Auto, der Enkel bezahlt die laufenden Kosten, darf das Auto benutzen und kutschiert dafür seine Großeltern an den Sonntagen zu Ausfahrten sowie in den Urlaub. Einziges Problem: Das musste nun noch dem Enkel unterbreitet werden – diesen Anteil übernahm meine Mutter. Ihrer Überredungsgabe war es dann auch zu verdanken, dass ich das Angebot am Schluss weniger überzeugt als überredet annahm. Denn normalerweise fuhr ich die 13 Kilometer zu meiner Zivildienststelle mit dem Rad. Gut, neulich hatte ich auf Geheiß meiner Chefin unverzüglich mit dem Dienstwagen zurückkehren müssen, weil ich auf der Fahrt so durchgeregnet war, dass bei meiner Ankunft das Wasser in meinen Schuhen stand und ich keinen trockenen Faden mehr am Leib hatte. Aber das war bisher nur einmal in einem halben Jahr passiert, ansonsten bereitete mir das Fahrradfahren eigentlich keinerlei Stress.