Schwarzmarkt und Hamsterfahrt
Neben dem Schwarzen Markt
konnte auch die Hamsterei
ein lukratives Geschäft sein.
Hamstern bedeutete der Tausch von Wertsachen gegen Nahrungsmittel, Obst und Gemüse, aber am begehrtesten waren wohl Kartoffeln.
Man zog aus, um die Bauernhöfe im Hamburger Umland zu besuchen. Zu verschenken hatten die Bauern natürlich auch nichts. Es war immer auch ein Tauschgeschäft. Familien, die nicht ausgebombt waren, schleppten hauptsächlich Bettwäsche, Handtücher und andere Haushaltsgegenstände an, die von den Bauern heiß begehrt waren. Auch Schmuckstücke wechselten die Besitzer.
Meine Mutter war zu der Zeit in einer Fabrik tätig, die Konservendosen herstellte. Für die Mitarbeiter gab es Zuteilungen, eben dieser Dosen. Die wurden von den Bauern sehr gerne genommen, um ihr Gemüse zu konservieren. Damals hat man die Dosen nach dem Leeren des Inhaltes immer wieder neu gebraucht. Die Ränder ließ man abschneiden und dann kam ein neuer Deckel drauf und die Dosen wurden neu verschlossen. Und so kam es, dass die Bauern gerne die Dosen und vor allem die Deckel gegen Naturalien tauschten.
Uns war es am liebsten, wenn man Lebensmittelmarken dafür bekam, so brauchte man die Männer, die oftmals an den Bahnhöfen standen, die die Hamsterer kontrollierten und ihnen das kostbare Gut abnahmen, nicht zu fürchten.
Die Züge mit den Hamsterern waren zum Bersten voll, ja die Menschen klebten außen auf den Trittbrettern vor den Waggontüren. Es muss grauenhaft gewesen sein.
Meine Mutter erzählte mir einmal, als sie auf der Rückfahrt war, dass sie eine Frau, die ihr Brot aus der Tasche holte, um ein Stück angebettelt hatte. Sie konnte sich vor Hunger und Strapazen kaum auf den Beinen halten. Wie schwer muss ihr das gefallen sein, war sie doch eine stolze und couragierte Frau. Die Brotmarken, die sie am Körper versteckt trug, nutzen ihr in der Situation gar nichts.
Ich wurde nur sehr selten mitgenommen. Es war einfach zu anstrengend für ein derzeit in der Pubertät befindlichen Mädchens, das lang und dünn und immer hungrig war.
Ich habe die Hamsterei somit in keiner guten Erinnerung. Einerseits freute ich mich, wenn wir Erfolg hatten, aber dann hieß es meistens Schleppen und das auf weiten Wegen.
Aber, ich habe auch lustige Erinnerungen an die Hamsterzeit.
Eine Tour, an die ich mich noch sehr gut erinnere, habe ich mit meiner Großmutter und einer Tante ins Alte Land gemacht. Zum Äpfelholen!
Tauschobjekte hatten wir keine und es war sehr mühselig. Zuerst einmal mussten wir sicher sein, dass kein Hund auf dem Hof zugegen war.
Einmal haben wir wie verrückt kehrt gemacht, als ein Rudel ausgewachsener Gänse hinter uns her war.
Hamstern ohne etwas für die Bauern anbieten zu können, war kaum möglich. Aber wir hatten dann doch noch Glück und bekamen etwas in unsere Rucksäcke.
Auf dem Weg zum Dampfer, kamen uns andere Hamsterer entgegen, die uns warnten und sagten, dass am Landungssteg von Kontrolleuren alles abgenommen würde.
Nun haben wir drei uns mit Äpfeln ausgestopft. In die langen Trainingshosen, in die Taschen, überall wo Platz war, wurde das Obst versteckt. Meine Oma und meine Tante hatten sich zu diesem Zweck einen Beutel mitgebracht, den sie sich nun vor den Bauch und unter den Mantel banden. Jetzt mit den fast leeren Rucksäcken, und den dicken Bäuchen, konnten wir vor Lachen kaum weiter laufen. Man stelle sich das vor, meine Oma, nebst Tante, beide längst nicht mehr im gebärfreudigen Alter, sahen aus wie Hochschwangere. Unseretwegen gab es dann auch am Anlieger ein ziemliches Gelächter.
Ich hatte das Band von meinem Rucksack zigmal verknotet, um die Kontrolle zu erschweren. Somit behielt ich alle meine Äpfel.
Als der Dampfer los fuhr und uns nichts mehr geschehen konnte, verwandelten sich die Schwangeren
wieder in zwei Grazien. Wir packten unser kostbares Gut wieder in die Rucksäcke.
Warum es so gut gegangen war, ist mir nie klar geworden. Vielleicht war der Kontrolleur ein humorvoller Mann. Jedenfalls, haben wir nicht einen Apfel eingebüßt!