Brennholz für Kartoffelschalen
In den ersten Nachkriegsjahren fuhr bei uns Neukölln in regelmäßigen Abständen ein kleiner Dreirad-Transporter herum, ein Tempo oder Goliath, genau weiß ich das nicht mehr und sammelte Kartoffelschalen und Gemüse-abfälle. Ein kräftiger Mann mit Stentorstimme krabbelte aus dem engen Führerhaus, in dem auch ein Junge saß. Der ältere ging mit einer Handglocke immer auf die Höfe und rief mit einer ganz bestimmten Betonung: Brennholz für Kartoffelschalen
wobei das für
tiefer klang als Brennholz
und Kartoffelschalen
und diese beiden Wörter wiederum wurden möglichst langgedehnt! Die Glocke schlug er vor dem Ausruf und auch danach jeweils zwei Mal! Es war ein Ritual. Wenn er breitbeinig auf dem Hof stand und seine Stimme erschallen ließ, guckte er immer in die Höhe und versuchte, die Hausfrauen hinter den Gardinen zu erspähen.
Da diese Sammelei immer nach bestimmten Zeitregeln ablief, kamen die Frauen oder Kinder mit ihrem Eimer oder der Blechschüssel sofort herunter und tauschten ihre Abfälle gegen ein Bündelchen Brennholz. Der Junge hatte die Aufgabe, die begehrten Abfälle gegen bleistiftdickes Spaltholz einzutauschen, das in kleinen Bündeln mit Draht oder Schnur zusammengebunden war.
Wieso dieses?
In einigen alten Straßen der Berliner Randbezirke hatten Reste von ehemaligen Bauernhöfen die Zeiten überstanden. Dort hielten seit eh die Nachfahren dieser Bauern inmitten der um sie herum gebauten Häuser weiterhin ihre Milchkühe, Schweine und Ziegen. Groß jedenfalls war der Hof der Familie Schäfer nicht, den sie in der Pannierstraße 62 noch lange nach dem Krieg betrieben. Da meine ältere Schwester mit Tochter Heidi eng befreundet war, weiß ich, dass es dort mehrere Milchkühe gab, und frühmorgens in dem kleinen Hofladen Milch verkauft wurde. Es gab auch allerlei anderes Vieh, das natürlich gefüttert werden musste.
Futter herbeizuschaffen, war sicher in der damaligen Zeit mitten in der Stadt kein Vergnügen. Dass da jemand auf die Idee mit dem Brennholz kam, lag eigentlich in der Luft, aber die wurde sicher auch nicht erst nach dem Krieg geboren, und Brennholz brauchte man tagtäglich, vor allem im Sommer.
In jeder Wohnung gab es in der Küche eine Kochmaschine, die auch im Sommer befeuert werden musste, um eine warme Mahlzeit zu kochen. Es war und ist immer mühselig, ein Kohlenfeuer anzuzünden. Mit viel Zeitungspapier geht das wohl, aber Brennholz ist da die bessere Alternative.
In den Häusern, die in der Gründerzeit bis etwa 1910 in den Randbezirken Berlins erbaut wurden, gab es auch Gasanschlüsse und sicher hatten auch viele Haushalte einen Gaskocher mit zwei Flammen oder sogar einen Gasherd, aber die Gaswerke hatten aus bestimmten Gründen in den Mietskasernen, wo meistens Arbeiterfamilien wohnten, so genannte Gasometer installiert, in die man Münzen einwerfen musste, um eine bestimmte Gasmenge verbrauchen zu können. Viele Familien hatten nicht einmal die paar Groschen, um sie in den Zahlkasten zu werfen. Zwar kann ich mich erinnern, dass meine Großmutter auch Kartoffelschalen in der Kochmaschine verbrannte, aber später, als der Ausrufer dann die Küchenabfälle gegen Brennholz eintauschte, musste ich immer runter rennen, um den kargen Tausch zu tätigen.
So hatten dann doch beide Seiten bei diesem Geschäft ihre kleinen Vorteile!
Wir sammeln zwar heute schon wieder Kartoffelschalen und Gemüseabfälle in speziellen Biotonnen, aber dafür gibt's leider nix mehr!
Die Vidal & Sohn Tempo-Werk GmbH. mit Sitz in Harburg wurde 1928 gegründet, um Lieferwagen zu bauen. Bekannt sind heute vor allem noch die Tempo-Dreiräder und das Modell Matador. Für den Bundesgrenzschutz (heute: Bundespolizei) fertigte das Werk zudem Land Rover in Lizenz. Gemeinsames Konstruktionsprinzip der eigenen Fahrzeuge war, im Fahrerhaus alles Benötigte unterzubringen, so dass man in der Wahl des Aufbaues freie Hand hatte. Daraus resultieren auch unzählige Sonderaufbauten für Spezialtransporte und Kommunen.
Unter dem Druck des Marktes war Oscar Vidal (Tempo) bereits 1955 eine Verbindung mit Hanomag eingegangen und 1959 verschmolzen beide Firmen im Rheinstahl-Konzern. 1965 gab Vidal seine letzten Geschäftsanteile an den Rheinstahl-Konzern ab, woraufhin die Marke Tempo starb. 1965 übernahm Hanomag das Unternehmen und entwickelte aus den Tempo-Lieferwagen die sogenannten Harburger Transporter, die zunächst unter den Namen Hanomag vertrieben wurden. Ab 1966 fuhr auch der Tempo Matador mit dem Hanomag-Logo. Nach dem Kauf von Hanomag durch die Mercedes-Benz AG trug der Transporter den Mercedes-Stern. Die ehemaligen Tempo-Werksanlagen gehören noch heute zum Daimler-Konzern.
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