TimetunnelMachen Sie eine Zeitreise … Erkunden Sie die Zeittafel der Machtergreifung 1933
  • Start
  • Aktuelles * Termine * Seitenüberblick * Chronik einer Pandemie
    Leitartikel & TermineAktuelle MitteilungenRSS-Feed
    SitemapImpressumDatenschutz
    2019     |     20202021     |     20222023     |     2025
  • 100 Zeitzeugen stellen sich vor * Zeitzeugenberichte; unsere Bücher
    ÜbersichtZeitzeugen von B – FZeitzeugen von G – HZeitzeugen von H – KZeitzeugen von K – PZeitzeugen von P – SZeitzeugen von S – Z
    Die Schreibwerkstatt
     
    Für Mitwirkende
    LogIn Intern
    Bücher bestellenKriegskinderSchwarzbrot mit ZuckerDennoch gelacht…
  • Zeitzeugenberichte, zeitlich und thematisch geordnet
    Kaiserreich1900 - 1939Erster WeltkriegNS-DiktaturZweiter WeltkriegShoa, HolocaustU-Boot und Seekrieg
    NachkriegszeitWährungsreform40 Jahre DDR1950 - 19701980 bis HeuteFluchtgeschichtenRund ums Auto
    Moderne ZeitenWeihnachtlichesSchule, TanzstundeVerschickungskinderMaritimes, SeefahrtReiseberichteDer vordere Orient
    Omas KücheTierischesHeiter bis poetischGeschichtliches WissenGeschichte in ZeittafelnGedanken zur Zeit - BlogThemen im Überblick
  • Lexikon der alten Wörter und Begriffe
    A - AalB - BaasC - CalculusD - dalbernE - EcherF - FäheG - Gabelfrühstück
    H - HaarnetzI - IbexJ - JachK - KaapL - LaberdanM - MachorkaN - Nabob
    O - ObersP - PachulkeQ - QuacksalberR - RabattmarkeS - SabberlatzT - TabernakelU - Ubiquisten
    V - VabanqueW - WackelpeterX - XanthippeY - YachtZ - ZabelMaritimes LexikonOstpreußens Vokabular
  • Impressum * Kontakt zur Erinnerungswerkstatt * Gästebuch
    KontaktformularImpressum
    GästebuchBuchbestellung

Die 50er - 70er Jahre

1949
1950
1951
1949
1950
1951
Die 50er bis 70er Jahre, Nierentisch und Tütenlampe
  Diese Seite anzeigen im …  
  • Bildschirm-ModusBildschirm
  • Lesemodus NormalLesemodus Normal
  • Lesemodus KontrastLesemodus Kontrast

Wählen Sie ein Kapitel dieses Zeitzeugenberichtes:

Meine Kindheit, ein Leidensweg
1949 bis 1995
Krankheit als Versagen

Diesen Bericht können Sie sich auch vorlesen lassen. Steuern Sie die Wiedergabefunktion mit den Bedienelementen des Players.

Leider unterstützt dein Browser dieses Audio Element nicht.

  1. Prolog – Meine Kindheit, ein Leidensweg
  2. Fahrt nach Helgoland 1953
  3. Erziehung bei Tisch
  4. Ein parkendes Auto
  5. Ein norddeutsches „Moin“
  6. Klassenspiegel und blauer Brief
  7. Entnazifizierung der „Nazi-Kinder“
  8. Krankheit als Versagen
  9. Meine innere Flucht
  10. Ausbruch und Flucht vor der Familie
  11. Mein selbstbestimmtes Leben
  12. Sehnsucht – Bitte melde dich
SozialhygeneReiter, Hans und Joh. Breger, München, Röhrig, 1942 Deutsches Gold. Gesundes Leben - Frohes Schaffen Antisemitisches NS-Hetzwerk 1942 herausgegeben von Hans Reiter, Honorarprofessor für Sozialhygiene

© Copyright by Erinnerungswerkstatt Norderstedt 2004 - 2025
https://ewnor.de / https://www.erinnerungswerkstatt-norderstedt.de
Ausdruck nur als Leseprobe zum persönlichen Gebrauch, weitergehende Nutzung oder Weitergabe in jeglicher Form nur mit dem schriftlichem Einverständnis der Urheber!
 zurück zur Normalansicht 
Wolfram Stratmann

Krankheit als Versagen

Nach der NS-Ideologie war Krankheit gleichbedeutend mit Schwäche und Kranke, schadeten der VolksgesundheitSiehe: Reiter, Hans und Joh. Breger, München, Röhrig, 1942
Deutsches Gold, Gesundes Leben, Frohes Schaffen
, mussten getötet werden. Daraus ergab sich eine Volksangst, die Krankheit verleugnete. Hinzu kam, für Narzissten sind Kranke Feinde, weil sie ihm nicht zu Willen sind. In meiner Familie gab es entsprechende Vorkommnisse.

Damals wie heute ist allgemein bekannt, Kinder werden krank. Es gibt die Kinderkrankheiten. Mit den richtigen Medikamenten und Zuwendung ist das schnell überwunden.

Nun wurde ich krank. Damals grassierten Mumps, Masern, Windpocken. Eine dieser Kinderkrankheiten quälte mich.

So lag ich in der neuen Wohnung das erste Mal krank im Bett. Ab dem späten Nachmittag. Das Bett stand in dem winzigen Kinderzimmer und ich hatte den Eindruck, zur Strafe ins Bett geschickt worden zu sein. Mutter nutzte die Gelegenheit wieder zur Herabwürdigung und Schuldzuweisung. Sie beschwerte sich über die zusätzliche Belastung, die ihr das Kind auferlegte. Jetzt müsse sie auch noch eine Entschuldigung für die Schule schreiben und machte die Kinderzimmertür etwas lauter hinter sich zu. Sie behauptete, dass der immer abwesende Vater dafür zuständig wäre, sie könne das nicht. Die spätere Lebenserfahrung zeigte mir, dass besonders selbstbewusste Menschen nicht immer in der Lage sind. einfache Schreiben zu verfassen. Ihr war es jedoch peinlich, sich als Mutter dieses Kindes zu outen.

Alleingelassen litt ich vor mich hin, weil mir zu der Krankheit nichts gesagt wurde. Mutter kam nicht wieder an mein Bett.

Irgendwann, am nächsten Tag, ging ich raus, in die Wohnküche. Mutter befahl: „Geh sofort ins Bett!“ Dem Befehl folgte ich wortlos. Nach einigen Stunden kam sie zu mir ans Bett und sagte höhnisch: „Wie geht es dir, stell dich nicht so an!“ Die folgende Nacht überstand ich irgendwie.

Am nächsten Tag hatte ich keinen Hunger und fühlte mich elend. Mutter kam an mein Bett und verhöhnte mich weiter: „Musst du immer noch im Bett liegen? Stell dich nicht so an!“

Am vierten Tag machte sie mir Vorwürfe: „Kannst du immer noch nicht aufstehen? Wenn du da rumliegst, machst du mir nur Arbeit. So schlimm ist das nicht.“

Vermutlich brachte sie mir zu trinken und etwas feste Nahrung. Die Erinnerung daran fehlt mir. Jetzt kam sie nur noch mit finsterer, vorwurfsvoller Miene zu mir an das Bett. Dabei unterstellte sie mir Faulheit und Drückebergerei. Erst erwartete sie von mir und dann verlangte sie, dass ich aufstehe, ihr nicht länger zur Last falle und meine Pflicht erfülle. Mir ging es schlecht.

Ihr Tun wurde zum Psychoterror und der quälte mich. Das behinderte meinen natürlichen Gesundungsprozess. Die Situation dauerte an, bis Vater von seiner auswärtigen Arbeit nach Hause kam. Sofort gab Mutter die leidende Fürsorgliche. Sie habe schon so viel für das kranke Kind getan und könne jetzt nicht mehr, weil ich nicht aufstehen würde. Die Entschuldigung für die Schule müsse er dringend schreiben, sie habe das wegen der vielen Arbeit, die sein Kind ihr mache, nicht tun können.

Wenn Kinder unentschuldigt in der Schule fehlten, dann konnte das, wegen der gesetzlichen Schulpflicht, gegen die Eltern als Rechtsverstoß geahndet werden. Das war Mutter jedoch bis dahin egal. Das Kind war schuld. Nun hatte Vater diese „Tat“ des Kindes formgerecht auszugleichen. So hatte Mutter auch ihren Ehemann, gleich nach seiner Heimkehr, wieder in den Sozialclinch der Familie eingegliedert.

Als ich endlich aufstehen konnte, war ich froh, denn die Vorwürfe und der Psychoterror von Mutter wurden weniger. Ich fühlte mich etwas entlastet. Ihr Druck und die Schuldzuweisung blieben allerdings bestehen. Ob ich ansteckend krank war, war egal. „Werde ja nicht wieder krank. Achte auf deine Gesundheit!“, war Mutters Forderung.

Obwohl ich an einer verbreiteten Kinderkrankheit litt, war für Mutter klar, ich sei wegen Unachtsamkeit an meiner Erkrankung schuld. Kranksein war also schlecht, erkannte ich. Mein Leiden interessierte niemand. Es war vielmehr der Ausdruck von Schwäche und Faulheit. Der notwendige Genesungsprozess war nicht mit Freude über dessen Fortschritt verbunden, sondern mit zunehmenden Vorwürfen. Diese rechtfertigten auch den von Mutter vorgenommenen Nahrungsentzug. Das half bei der Überwindung des inneren Schweinehunds. Von der Erfüllung meiner Pflichten dürfe ich auch krank nicht abweichen. Mir kam das Verhalten dieser Frau absolut falsch und feindlich vor. Es war NS-korrekt.


Sie sind auf Seite: 8 / 12 1 6 7 8 9 12
  • Autor: Wolfram Stratmann, im März 1995
  • Artikel drucken
  • Seitenanfang
  • SiteMap
  • Impressum
  • Kontakt
  • Gästebuch
  • Developed by © HaKenn 2004 - 2025