Damals … Erinnerungen 1935 -1948
Im NS-Staat geboren
Ich wurde am 30. Januar 1935 geboren, genau zwei Jahre nach dem Tag der Machtergreifung30. Januar 1933: Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler - machen Sie eine Zeitreise ... [... Klick] durch die Nationalsozialisten.
Meine Mutter erzählte mir, dass in jener Nacht vom 29. auf den 30. Januar 1935, als sie in die Klinik Finkenau fuhr, weil ich mich anschickte, das Licht der Welt zu erblicken, Hamburgs Straßen im Dunkeln lagen. Die Straßenlaternen brannten nicht und man sah keine erleuchteten Fenster, denn es wurde die erste Verdunkelung geprobt. Jeder Bürger hatte die Pflicht, innen an seinen Fenstern schwarze Papierrollos anzubringen, damit kein Licht auf die Straße fiel. Eine Vorsichtsmaßnahme gegen feindliche Luftangriffe, die erst vier Jahre später ihre Bedeutung bekam.
Der 30. Januar war zum Zeitpunkt meiner Geburt ein historisch wichtiges Datum. Zwei Jahre zuvor hatten die Nationalsozialisten unter Hitler die Führung Deutschlands übernommen. Aus diesem Grunde wurde am 30. Januar geflaggt, das heißt, aus den Fenstern, auf Dächern und Plätzen wehten die Hakenkreuzfahnen, was dazu führte, dass ich diese „Ausschmückung“ in meinen ersten Kinderjahren meinem Geburtstag zuschrieb.
Meine Eltern hatten am 7. April 1934 geheiratet, aber die Ehe dauerte nur kurze Zeit und wurde im September 1935 geschieden, da war ich gerade sieben Monate alt. Als meine Großmutter Hedwig, sie wurde von uns „Omi“ genannt, sah, wie die Ehe meiner Eltern verlief, hatte sie meine Mutter Betty schon vor meiner Geburt zu sich in die Flotowstraße geholt. Als ich ungefähr ein Jahr alt war, zogen wir in eine Dreizimmerwohnung in der Wohldorfer Straße 15. Es war eine schöne geräumige Wohnung im dritten Stock, mit zwei Balkonen, einem Bad, separater Toilette und einem großen Flur, auf dem Omis Kleiderschrank Platz fand.
Durch die Scheidung meiner Eltern mussten ja fast zwei Hausstände untergebracht werden, der von meiner Mutter und der meiner Großmutter. An den Kleiderschrank auf dem Flur erinnere ich mich ganz besonders. Er stand gegenüber der Türöffnung zum Bad und in der Türöffnung befanden sich oben zwei Haken, an denen man eine Schaukel befestigen konnte. Bei geöffneter Badtür machte ich also meine ersten Schaukelübungen. Als ich dann größer wurde, musste die Kleiderschranktür geöffnet werden und so manches Mal stieß ich mit den Füßen gegen die weichen Wäschestapel. Im Wohnzimmer gab es einen hohen weißen Kachelofen, der mit Holz und Kohlen beheizt wurde. Die Wärme, die er verströmte, war eine ganz andere als unsere Heizkörperwärme heute; sie verbreitete große Gemütlichkeit. Nur erforderte es viel Mühe, die Kohlen herbeizuschaffen und den Ofen zu säubern. Auch in der Küche und im Kinderzimmer mussten der Herd und der gusseiserne Ofen, in dessen Röhre Omi Bratäpfel zubereitete, selbst beheizt werden.
Ich denke gern an die ersten Kinderjahre in der Wohldorfer Straße zurück, allerdings gab es auch etwas, das mir gar nicht gefiel und an das ich mich nicht gewöhnen konnte. Da Mutti und Omi arbeiten mussten, um Geld zu verdienen, war es notwendig, dass ich in den Kindergarten kam. Und das vom Montag bis Samstag, vom morgens 7 Uhr bis nachmittags 16.30 Uhr, samstags bis 13.00 Uhr.
Ich hasste den Kindergarten und hatte ständig Heimweh, musste ihn aber von 1936 bis 1941 ertragen, bis ich zur Schule kam.
Mutti war seit dem 1. Oktober 1936 bei den Gummiwerken Tretorn im Labor beschäftigt. Sie hat dort 37 Jahre gearbeitet, bis sie 1973 in Rente ging. Omi hatte in den zwanziger Jahren, nachdem mein Großvater im Ersten Weltkrieg gefallen war, eine Anstellung in der Frauenklinik Finkenau gefunden, wo sie den Arbeitsablauf im sogenannten Wäschehaus leitete. Durch das viele Stehen an der Heißmangel und beim Wäschesortieren bekam sie offene Beine und wurde aufgrund dieser Erkrankung im Herbst 1941 vorzeitig mit 53 Jahren pensioniert. Das bedeutete für uns ein großes Glück, zumal sich der Zustand ihrer Beine allmählich besserte. Nun brauchte Omi nicht mehr zu arbeiten und war immer zu Hause. Sie konnte mich morgens in die Schule schicken, die ich seit dem Herbst 1941 besuchte, und war stets für mich da. Und auf den Kindergarten konnten wir verzichten!
Meine engsten und liebsten Spielgefährten waren meine Cousinen. Rose-Dore, genannt Rosi
, Gisela und mein Cousin Werner, die Kinder von Tante Irmgard, zweitälteste Schwester meiner Mutter und Onkel Arthur. Sie wohnten in der Weidestraße und später im Glindweg. Wir besuchten uns oft, oder eines der drei Kinder schlief bei uns. Das war für mich immer ein schönes Erlebnis. Wir spielten gerne miteinander, zumal wir alle im gleichen Alter waren.
Großen Spaß hatten wir, wenn uns Tante Lotti, die älteste Schwester meiner Mutter, und Onkel Richard besuchten. Sie wohnten bis zum Kriegsausbruch in der Rönnhaidstraße. Onkel Richard war Polizeibeamter und wurde bei Kriegsbeginn 1939 nach Binenwalde in der Nähe von Berlin, später nach Nickelsdorf und Batzdorf/Bielitz nahe Kattowitz in Oberschlesien versetzt. Wenn wir sie dort besuchten, nahmen wir gern meine Cousine Rosi mit. Das war eine herrliche Zeit. Wir spielten in Tante Lottis großen Garten, machten Ausflüge in die Umgebung oder fuhren im Boot auf dem See.