Barbier in Gorstedt — Deel twee
38 Johr weer Hermann Langehein Friseur in Gorstedt. Sien neen Gesell Theo Neumann hett he ton 15. August 1956 instellt un hett dormit sienen Nofolger in dit Geschäft funnen. 1957 hett Langehein den Loden an den Vadder von Theo Neumann verpacht un de Söhn weer op den Posten, denn he sik wünscht hett. Wenn he hier ut Fenster keek, kunn he wohrhaftig aff un an noch mol Köh op de Stroot sehn, de von de een Wiesch no een annere Wiesch dreeven wöörn. Dat weer wat — dat geev dat in Hamborg nich.
Dat geev hier noch Kunnen, de mit Peer un Wogen vörfohrn deen. De Peer stünnen dor ruhig an den Kantsteen un töven, dat de Buur frisch raseert un mit sneeden Hoor wedder op'n Bock steeg.
Hier snacken de Kunnen noch platt, hier wöör dat Neeste vertellt, man kreeg den Dörpsklatsch frisch serveert. De Lüüd kennen sik un harrn ok Spooß mit'n anner.
Ik weer nülich in den Loden un heff em mi no veele Johrn mol wedder ankeeken. De ooln Buntglasfenster sind noch dor. Dor is noch een oole Haarschneidemaschine
, de noch bruukt warrt. Jo, dat is een ganz oolet Dings. De is, glööv ik, von 1931. Jedenfalls is se öller as ik
, vertell mi Theo Neumann. Se funktschoneert noch un ik bruuk se jümmers, so as nu.
Meist müch ik dat nich glööven — aver se süht so oolt ut! (Ik heff loter mol son Maschien int Museum in Meldörp sehn!)
Wat fehlt, is de Hoken an den Döörnposten op de linke Siet, wo de Ledderstriepen ton Messscharpen hüng. As ik dorno froog, kreeg ik to höörn, dat de neen Raseermessen utwesselbore Klingen hebbt.
De Lüüd , de dor hüüt ton Hoorsnieden kommt, kennt sik meist nich. Se kommt rin, griept sik een Zeitung, leest un töövt, dat se an de Reeg sind. Dor is dat musenstill, dor warrt kuum snackt un vertellt un noch weniger lacht. Un wenn se snackt, denn ganz gewiß hochdeutsch
. Eegentlich schood - wo Theo Neumann so geern platt snackt.
As he 1956 ton eersten Mol Hertmann Bäcker (Hatje) raseern schull, keem he dormit nich trecht. De harr son Boort so hatt as'n Tackeltuun (Stacheldraht) — he kreeg em nich aff — dor müß Langehein ran un helpen.
Herbert Faber ut de Tarpen keem tweemol de Woch. He kreeg sien Rasur ton Sonderpries — 80 Penn — worüm weet ik nich. He harr man een Oog. Dat anner harr he bit Holtklöven dörch‘n Holtspoon verloorn. Jümmers harr he een Oogenklapp doröver. Wenn een Lehrling em raseer, denn lüft he de Klapp un sä: Dunnerlitschen, wat is de Boort all wedder wussen, hest em nich richdig raseert?
De Lehrling schööt in Dutt — aver man bloß dat eerste Mol.
Een anner Kunn weer nich in de Loog still to sitten. Jedes Mol hett he mit sien unruhigen Fööt den Asbfluß von't Waschbecken twei mookt. Aver he weer dat nich west, bedüür he. Nich mol as he alleen in Loden weer — also keen anner dat harr moken kunnt. Doröver amüseer de sik ok noch — ton Arger von Theo Neumann.
Fröher harrn de Lüüd noch Tiet ton Klönen. Se harrn sik noch wat to vertelln un Televischen geev dat ok noch nich. Se freun sik, wenn se welk ton Snacken dropen. Hüüt freut sik de Kunnen, wenn se so gau as dat geiht wedder ut de Döör gohn könnt. De kommt bloß op Besöök. Kunnen — dat sind Lüüd, de sik un mi Tiet mitbringt. Eegentlich is mien Tiet jo all vörbi, ik bin all Rentner — aver wat mook ik mit mien Hannen — de wöllt arbeiden. Un dorbi schall dat ok eerstmol noch blieven
, seggt Neumann, ok wenn, ik nu all 45 hier in Gorstedt Hoor sneeden heff.
Friseur in Garstedt - Teil zwei
38 Jahre war Hermann Langehein Friseur in Garstedt. Seinen Geselle Theo Neumann hat er am 15.August 1956 angestellt und damit seinen Nachfolger für sein Geschäft gefunden. 1957 hat er es an den Vater von Theo Neumann verpachtet und der Sohn, der es sich so gewünscht hatte, war auf seinem Posten der Geschäftsführer in Garstedt. Wenn er hier im Laden stand und aus dem Fenster sah, konnte er manchmal noch Kühe auf der Straße sehen, die auf eine andere Wiese vorbei getrieben wurden. Das war etwas Lebendiges, was es in Hamburg nicht gab.
Es gab aber auch noch Kunden, die mit Pferd und Wagen vorgefahren kamen. Die Pferde standen ruhig am Kantstein der Straße und warteten, bis der Bauer frisch rasiert und mit geschnittenem Haar wieder auf den Bock stieg.
Hier wurde noch Platt gesprochen, hier wurde das Neueste erzählt, man bekam den Dorfklatsch frisch serviert. Die Leute kannten sich und hatten viel Spaß beim Friseur.
Ich war neulich in dem Laden und hab ihn mir nach vielen Jahren mal wieder angesehen. Die alten Buntglasfenster sind noch an ihrem Platz, die Einrichtung unverändert. Die alte Haarschneidemaschine ist auch noch vorhanden und wird noch benutzt. Ich glaube, die ist von 1931
, erzählte mir Theo Neumann, auf jeden Fall ist sie älter als ich. Sie funktioniert noch und ich benutze sie noch, so wie jetzt.
Fast wollte ich es nicht glauben, aber sie sieht wirklich so alt aus. (Wochen später habe ich so eine Maschine in Meldorf im Museum gesehen!)
Was fehlte, war ein Haken am Türpfosten auf der linken Seite, wo der Lederstreifen zum Schärfen der Rasiermesser hing. Als ich danach fragte, bekam ich zur Antwort, dass die neuen Rasiermesser auswechselbare Klingen hätten. Das Leder war überflüssig geworden.
Die Leute, die dort heute zum Haarschneiden kommen, kennen sich meist nicht. Sie kommen herein, greifen sich eine Zeitung, lesen und warten, bis sie an der Reihe sind. Da ist es ganz still, dort wird kaum gesprochen oder erzählt und schon gar nicht gelacht. Und wenn sie reden, dann ganz bestimmt Hochdeutsch. Eigentlich schade- wo Theo Neumann doch so gerne Platt schnackt
.
Als er 1945 zum ersten Mal Hermann Bäcker(Hatje) rasieren sollte, kam er damit überhaupt nicht zurecht. Der hatte einen Bart hart wie Stacheldraht — er bekam ihn nicht ab - da musste Hermann Langehein herbei und helfen.
Herbert Faber aus in de Tarpen
kam zweimal in der Woche. Er bekam seine Rasur zum Sonderpreis von 80 Pfennigen, warum weiß ich nicht. Er hatte nur ein Auge. Das andere hatte er beim Holzhacken durch einen Holzsplitter verloren. Er hatte aber immer eine Augenklappe davor. Wenn ein Lehrling ihn rasieren musste, dann lüftete er die Klappe und sagte: Donnerwetter. wie ist der Bart wieder gewachsen, hast du letztes Mal nicht ordentlich rasiert?
Der Lehrling erschrak — aber nur beim ersten Mal.
Ein anderer Kunde war nicht in der Lage, still zu sitzen. Jedes Mal hat er mit seinen unruhigen Füßen den Abfluss vom Waschbecken demoliert. Aber er ist das nicht gewesen, beteuerte er immer wieder. Auch nicht wenn er einziger Kunde im Laden war und es niemand anders hätte sein können. Und darüber amüsierte er sich noch — zum Ärger von Theo Neumann.
Früher hatten die Leute noch Zeit zum Klönen. Sie hatten sich noch etwas zu erzählen und Fernsehen gab es noch nicht. Sie freuten sich, wenn sie jemanden zum Schnacken antrafen. Heute freuen sich die Kunden, wenn sie so schnell wie möglich wieder aus der Tür gehen können. Die kommen nur zu Besuch. Kunden — das sind Menschen, die sich und mir Zeit mitbringen. Eigentlich ist meine Zeit vorbei, ich bin doch schon Rentner- aber was mache ich mit meinen Händen — die wollen noch immer arbeiten. Und dabei soll es erstmal auch bleiben
, sagt Theo Neumann zu mir, auch wenn ich nun schon 45 Jahre Haare in Garstedt geschnitten habe
.