Mein Leben - ein Blick zurück
Kapitel 4
Neue Heimat DDR, 1948 bis 1952
Im Frühjahr 1948 begann ich eine Ausbildung zum Stellmacher in Gützkow, Kreis Altentreptow. Mein Lehrmeister führte auch Zimmereiarbeiten für die Neubauern der Bodenreform aus. So lernte ich ein Ehepaar aus Hüttenhof kennen, das mich wie einen Sohn aufnahm. Ich half beim Neubau des Bodenreform-Siedlungshauses, und im Winter jagten wir illegal Füchse und verkauften die Felle nach Westberlin.
Im Frühjahr 1950 wurde mein Lehrmeister durch einen Unfall berufsunfähig und musste den Betrieb aufgeben. Zu dieser Zeit baute die DDR ihre Werftindustrie auf und benötigte Nachwuchskräfte. Ich legte eine Zwischenprüfung ab und bekam eine Umschulung, eine Ausbildung zum Schiffbauer-Holz als Schiffszimmermann bei der Warnow-Werft in Warnemünde. Es war eine sehr intensive Ausbildung in Theorie und Praxis.
Im Frühjahr 1952 legte ich meine Prüfung zum Facharbeiter Schiffbau-Holz ab. Parallel dazu lernte ich bei der Gesellschaft für Sport und Technik das Segeln und technische Nothilfe bei der Jugend-Feuerwehr. So konnte ich eine Mitgliedschaft in der FDJ umgehen. Ich war ein gebranntes Kind und wollte das Hemd einer politischen Jugendbewegung nicht tragen. Ansonsten war meine Generation, also auch ich, von dem demokratischen Sozialismus angetan. Jugend, bau auf! Und wir wollten aufbauen, ein neues Deutschland, ohne Zwang.
Unsere Berufsausbildung war sehr praxisbezogen, also gut. Sie war aber auch sehr politisch. Gesellschaftskunde war ein sehr wichtiges Fach. Mit der Gründung der DDR 1949 wurde auch die Handelsschifffahrt aufgebaut. Es wurde eine militärische Truppe aufgestellt, die kasernierte Volkspolizei, die der Vorläufer der Nationalen Volksarmee war. Ich bewarb mich 1952 bei der Seereederei Rostock um eine Anstellung oder Ausbildung im Decksdienst. Meine Bewerbung wurde abhängig gemacht von einem zweijährigen Dienst bei der kasernierten Volkspolizei. Das wollte ich nicht. Nie wieder Uniform! So entschloss ich mich, nach dem Westen
zu gehen und dort mein Glück zu versuchen.
Fluchtversuch aus der DDR
Den Grenzverlauf in der Region Lübeck-Ratzeburg kannte ich einigermaßen gut. Zwei Altersgenossen von mir waren bei der Grenztruppe in dieser Gegend. Sie hatten mir in ihrem Urlaub viel erzählt. Auch hatte ich mir alte Landkarten besorgt und die Grenze eingezeichnet.
Ich war entschlossen, das Land zu verlassen und mir mein Leben nicht länger vorschreiben zu lassen! Über West-Berlin wollte ich nicht gehen, ich wollte mir das Notaufnahme-Lager ersparen. In einer dunklen Nacht im Frühsommer 1952 versuchte ich die Flucht: Was ich nicht wusste, am Vortag gab es einen Zwischenfall. Ein flüchtender Grenzer hatte seinen Postenführer angeschossen und war über die Grenze entkommen. Die Truppe war dort durch eine andere abgelöst worden und es herrschte Grenzalarm.
Ich wurde mit Waffengewalt festgenommen und nach Schwerin zur Staatssicherheit gebracht und vernommen. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass es eine Stasi gab! Im Verhör eröffnete mir der vernehmende Offizier, dass ich mit zwei bis drei Jahren Gefängnis wegen Republikflucht rechnen müsste. Wenn ich mich freiwillig zur kasernierten Volkspolizei (K.V.P.) melden würde, gäbe es kein Verfahren. Ich willigte in den Handel ein, es gab keine Alternative. Ich kam zu einer Pioniereinheit nach Pasewalk, Einsatzgebiet Eggesin.
Wir trugen erdbraune Uniformen und wurden militärisch und pioniermäßig ausgebildet. Unsere Hauptaufgabe war es, den Truppenübungsplatz bei Eggesin am Oder-Haff einzurichten, Bäume zu fällen, Stubben sprengen, Baracken aufstellen. Nach einem halben Jahr war ich schon Gefreiter, ohne es zu wollen.