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Zweiter Weltkrieg, 1939 bis 1945

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1940
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1945
Zweiter Weltkrieg, Flucht und Vertreibung, 1939 bis 1945
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Erinnerungen Einleitung

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  1. Wir Mädchen von der 11. Brigade
  2. Schulzeit im Kriegsjahr 1943
  3. Meine LBA-Zeit in Rößel
  4. Die Russen kommen …
  5. Zwangsarbeit in Sibirien
  6. Medizinische Versorgung im Lager 1083
  7. Politunterricht in Potanino
  8. Wenn die Lagermusi spielt
  9. Unvergessliche Weihnachten
  10. Schuldenträume
  11. Rückkehr in ein geteiltes Deutschland
  12. Mein neues Zuhause 1948
Hilde BöttcherHilde Böttcher erlebte dreieinhalb Jahre Zwangsarbeit im Internierungslager 1083, Potanino im Alter von 16 Jahren. – Bild im Privatbesitz Hilde Heimerl, geb. Böttcher Meine Uralschwestern im Internierungslager 1083, PotaninoMeine Uralschwestern im Internierungslager 1083, Potanino am 5. August 1947
Elfriede Podehl, Waltraut Krebs, Hilde Böttcher, Erika Stawinski, Wally Droschinki, Lotte Schikorra, Elisabeth Kohtz, Erika Schröder, Magdalena Schmidt, Erika Gerdau, Irmgard Kaplinski, Herta Witulski, Edith Neumann, Gertrud Blank, Martha Klägel, Leonore Barzick.
Bild: Privatbesitz Hilde Heimerl, geb. Böttcher
Landkarte PotaninoLandkarte, Wilkendorf/Ostpreußen - Potanino/südl. Ural. – Quelle: Openstreetmap Potanino, GedenksteinIn 2001 wurde in Potanino auf dem Zivilfriedhof ein Gedenkstein zur Erinnerung aufgestellt. – Quelle: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. / Gedenkstätte Potanino

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Erinnerungen
Einleitung
Wir Mädchen von der 11. Brigade

Im Internierungslager 1083

Wir saßen so fröhlich beisammen
in einer so stürmischen Nacht
mit unserem Meister Lammen
in einer SemljankaSemljanka, eine Erdhöhle. Sie befand sich an der Linie zum Kohlenschacht, die wir versorgten. Im Sommer Bohlenwechsel und Schlacke unterstopfen; im Winter vom Schnee befreien. am Schacht

Das Feuer im Ofen, es brannte.
wir haben uns aufgewärmt.
Und wer die Semljanka nicht kannte,
hat hinterher von ihr geschwärmt.

Wir Mädels der elften Brigade —
ich denke immer daran —
erlebten Frost ohne Gnade —
was ein Mensch doch aushalten kann!

Wir haben uns nie verloren,
wir sind Uralschwestern heut',
das hatten wir uns geschworen
für immer und allezeit.

Hilde Heimerl, geb. Böttcher

Hallo, Ihr Mädchen von der 11. Brigade!
Ich weiß, dass Ihr es nicht vergessen habt, damals vor nun schon über 70 Jahren, da wir neben, über und unter auf den Holzpritschen in der Baracke 10 wohnten, im Lager 1083, in Potanino im entfernten Sibirien. Wie vom Winde verweht leben wir, heute ergraut in Norderstedt, in Finowfurt, in Duisburg, in Neuwied, in Offenbach, in Gaggenau und in München. Wir alle vermissen die Uralschwestern, die schon im Himmel sind, und die, von denen wir nichts wissen.

Wir erinnern uns gern an die Wiedersehen, die wir in Familienkreisen mit angetrauten Ehemännern erleben durften, bei voller Unterkunft und Verpflegung, und an unvergessenen Weißt du noch-Stunden, begleitet von Fröhlichkeit, Gesang und Tränen. Wer heutzutage in seiner Familie so eine Herzlichkeit und Harmonie unter Geschwistern erlebt, der weiß, wie wir uns fühlen. Wir sind dankbar, dass wir nach unserer schweren und harten Jugendzeit so ein hohes Alter erreicht haben, und auch  jetzt, wo schon vier von uns allein und ohne Ehemann sind, einen zufriedenen Lebensabend haben.

Wir haben jetzt alle ein Dach über dem Kopf, eine warme Stube, ein kuscheliges Bett und ‒ keinen Hunger! Bis heute werfen wir keinen Kanten Brot weg und essen die selbstgekochte Kohlsuppe gern. In Gedanken gehen wir dann mit dem Kochgeschirr an die Ausgabe der Lagerküche und hoffen, dass die Schöpfkelle tief in den Suppenbottich gesenkt wird, sodass da ein paar Hirse- oder Graupenkrümel mehr geangelt werden und nicht so viele Fischgräten. Ich glaube, dass keiner von uns heute Brot dazu isst. Vergessen werden wir auch nie, dass die kleinen Brotstückchen der Morgenportion, die als Gewichtsausgleich mittels Holzstöckchen oben aufgepiekst waren, wohl teils unabsichtlich abfielen und dann in die Morgensuppe der Brigadierin (Frau B.) plumpsten. Kein Wunder, dass sie dann während des Tages erzählen konnte, sie habe noch ihre ganze Morgenportion Brot, weil sie morgens noch nicht so hungrig war. Mädels, Ihr wisst, dass es nicht nur einmal so war.

Wenn ich zum Beispiel in meinen Kleiderschrank sehe, der bis zum geht nicht mehr voll ist, erinnere ich mich, als ich damals meinte, dass ich, wenn ich nach Hause komme; keinen Kleiderschrank brauche. Nur einen Nagel in der Wand. Wenn dann das Zeug eines Morgens heruntergefallen ist, werde ich mir etwas kaufen. Alles andere Geld, das ich dann haben werde, gebe ich für Lebensmittel und Süßigkeiten aus. Ich sah mich schon in einer Keksfabrik als Schuttfahrerin!

So war das noch in der 34. Brigade im 2. SawodSawod = Übersetzt soviel wie: Fabrik, Werk bzw. Betriebsstätte. Mein einziges Zeug war noch von zu Hause und bestand aus einem dunkelblauen Rock und einem graumelierten Pullover. Ich stand am Laufband der Ziegelpresse zusammen mit acht volksdeutschen Frauen und musste die aus der Presse kommenden Rohziegel vom nassen Laufband auf die mit Sägemehl bestreuten Bretter auf der Lore vorsichtig ablegen, damit sie keinen Knick bekamen. Ich war von oben bis unten mit Lehm besudelt. So ging ich wieder ins Lager. Da setzte ich mich vor die Baracke 9, in der ich damals wohnte, und ließ mich trocknen. Danach zog ich mein Zeug aus, um den getrockneten Lehm von meiner Kleidage abzureiben, und das jeden Tag. Da sah ich bald aus wie die Plünnenjule persönlich.

Meine Brigadierin (Frau J.) hat mich dann mit ins Magazin genommen, natürlich in Begleitung des Postens mit dem einen Auge, und ich bekam ein anderes Kleid. Weil es mir zu lang war, habe ich es geteilt und hatte dann Rock und Bluse. Geholfen hat mir eine Frau, die Nähzeug besaß. Als wir Anfang November 1945 im Magazin standen und Wattehose, Wattejacke und Russenmütze (Tschapka)Die Uschanka (russisch ушанка) ist eine auch für extrem kalte Wetterverhältnisse geeignete Kopfbedeckung. In unterschiedlichen Ausführungen wurde sie den verschiedenen Bedürfnissen angepasst. Die Bezeichnung Uschanka (von russ. "uschi" у́ши, Ohren) weist auf die Möglichkeit hin, die am Mützenrand eingenähten, nach oben aufgeschlagenen Klappen bei großer Kälte zum Schutz von Ohren und Nacken und eventuell auch der Stirn herunter zu klappen. Die Uschanka erfreut sich bei Privatpersonen, verschiedenen Berufsgruppen und Organisationen großer Beliebtheit. In der Außenwirkung ist die Uschanka zum Inbegriff der russischen Kopfbedeckung geworden.
Die im englischsprachigen Ausland, aber auch in Deutschland verbreitete Bezeichnung Schapka (russisch шaпкa) bedeutet einfach nur Mütze, das Wort gibt somit den Sinn nicht vollständig wieder.Siehe Wikipedia.org
erhalten sollten, wurde auf meiner Karteikarte bemerkt, dass ich einen falschen Eintrag meines Geburtsjahres hatte, 1922 statt 1929. Mit der Karteikarte in der Hand schickte man mich zum Stab und dann musste ich sofort in die 38. Kinderbrigade. Ihr wart mir alle fremd. Erna Kolmsee war meine erste Bezugsperson. Wo mag sie wohl heute sein?

Alles was wir besaßen deponierten wir unter dem Kopfkissen mit Strohfüllung. Es war ja nicht viel, aber immerhin Besitz, und wenn es nur ein Dosendeckel war, unser erstes Kulturgut, das als Messer diente. Man hatte somit die Illusion, sein Brot in Scheiben zu genießen, belegt höchstens mit etwas Kascha (Brei), wenn es den mal gab, oder nur mit Daumen und Zeigefinger. Unerlässlich war das Messer, wenn jemand von uns Geburtstag hatte. Da haben wir alle etwas Brot oder Brei beigesteuert, um eine Geburtstagstorte zu produzieren. Gern gesehen war auch mal eine Möhre oder Rote Rübe, spendiert von einem VolksdeutschenVolksdeutsche war in der Zeit des Nationalsozialismus eine Bezeichnung für außerhalb des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 und Österreichs lebende Personen deutscher Volkszugehörigkeit und nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, vor allem in Ost- und Südosteuropa. Davor war es üblich, sie als "Auslandsdeutsche" zu bezeichnen.Siehe Wikipedia.org. Das brachte ein bisschen Farbe auf die Torte. Wir feierten auf unsere bescheidene Weise. Aus verbranntem Brot brühten wir Kaffee, ‒ Hauptsache schwarz. Zum Glück sind das nur noch Erinnerungen.

Des Nachts brannte immer Licht in den Baracken. Es sollte wohl die Ratten und Wanzen abhalten. Aber die kamen trotzdem zu Besuch. Die Ratten fraßen sogar Seife, die jemand unterm Kopfkissen versteckte. Ich erinnere mich, als wir aus der Baracke raus mussten, weil sie entwanzt werden sollte. Jeder nahm seinen Strohsack, Kopfkissen, Laken und Decke, das war aber erst zum Winter 1945 unser Privileg, bis dahin lag man auf der kahlen Pritsche, und brachte alles nach draußen. Hinter der Baracke war ein großer Kessel mit kochendem Wasser, in den dann die Pritschenbretter eingetaucht wurden. Alle Wanzen tot? Die Biester sind zäh und verstecken sich in die kleinsten Ritzen. Die Holzgestelle in der Baracke wurden ausgesprüht. Das stank fürchterlich ‒ tagelang. Jeden Morgen hatten wir aber auch weiterhin Beulen und den penetranten Gestank der Wanzen in der Nase.

Für heute soll's genug sein. Vielleicht habe ich noch einmal dieses Gefühl und das Bedürfnis, Erinnerungen aufzuschreiben, auch wenn sie nur zum Teil meine sind. Erinnerungen sind auf jeden Fall die vielen Fotos unserer Begegnungen ‒ wo auch immer.

Elfriede Podehl †
Waltraut Krebs
Hilde Böttcher
Erika Stavinski
Wally Droschinski †
Lotte Schikorra
Elisabeth (Lisa) Kohtz
Erika Schröder
Magdalena Schmidt
Erika Gerdau †
Irmchen Kaplinkski
Herta Witulski
Edith Neumann
Gertrud Blank †
Martha Klägel
Leonore Barzick †

Meine Uralschwestern im Internierungslager 1083, Potanino am 5. August 1947

Potanino

In 2001 wurde in Potanino auf dem Zivilfriedhof ein Gedenkstein zur Erinnerung aufgestellt. Die Anlage ist 14 Quadratmeter groß und wird durch einen Metallzaun umgeben. Zentrales Mahnmal ist ein Natursteinfindling.

Hier ist auch die Gedenkaussage in zwei Sprachen:

ZUM GEDENKEN ALLER VERSTORBENEN DEUTSCHEN FRAUEN UND MÄNNER
DES INTERNIERUNGSLAGERS 1083
POTANINO 1945-1949

WebLink: http://www.volksbund.de/kriegsgraeberstaette/potanino.html


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  • Autorin: Hilde Heimerl, aufgeschrieben 2001
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