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Grenzübertritt von der russischen Zone
nach West-Deutschland – Herbst 1948

Ich war jetzt 13 Jahre alt, und mein Martyrium bei Frau Kubbe war beendet. Keine brutalen Schläge mehr, keine hassvollen Flüche, die auf mich niedergingen. Sie hatte sich entschieden, mich als Hausmädchen zu der Lehrerfamilie Schmidt nach Dammwolde zu geben. Dammwolde war einige Kilometer von der Ruine Königshof von Frau Kubbe entfernt. Ein junger Lehrer, Herr Penske wohnte auch bei den Schmidts. Frau Schmidt unterrichtete dort in der Volksschule so wie auch Herr Penske. Herr Schmidt war auch Lehrer, doch er durfte nicht mehr unterrichten da er vor 1945 in der NSDAP, der Hitler-Partei war. Er war aber ein gütiger Mensch, jedoch schlugen ihm hassvolle Gefühle von der ganzen Familie entgegen. Es war nämlich die Zeit des wachsenden Kommunismus in der ganzen Gegend.

Herr Schmidt arbeitete draußen auf dem Hof, in dem großen Garten und auf dem kleinen Feld. Sie hatten eine Kuh und etwas Vieh und auch Bienen für den Eigenbedarf.

Hier in dem schönen Lehrerhaushalt war es soviel besser als bei Frau Kubbe. Es war eine Erlösung von den schrecklichen Schlägen und den entsetzlichen Flüchen, die Frau Kubbe auf mich niederließ. Jedoch musste ich auch hier schwer arbeiten. Ich musste lernen, die Kuh zu melken, das Haus sauber zu halten, das Gemüse und die Kartoffeln vorzubereiten, welches die Mutter von Frau Schmidt kochte, und ich musste auch die große Wäsche waschen usw.

Nachts schlief ich mit der 10-jährigen Tochter Karin in einem Zimmer oben. Karin hatte noch einen Zwillingsbruder Wilfried, der unten schlief. Herr und Frau Schmidt schliefen getrennt.

Morgens klopfte die Mutter von Frau Schmidt mit dem Besenstiel gegen die Decke, dann war es Zeit für mich, aufzustehen und die Kuh zu melken.

Ich tat das gern, da beim Melken in den Eimer sich schöner Schaum bildete, welchen ich mit meinem Finger ableckte. Es war der schmackhafte, fette Schaum. Da waren auch andere Dinge, die mich erfreuten. Im Garten wuchsen Tomaten und Radieschen und auf dem Hof stand ein hoher Baum mit großen, saftigen Birnen.

Frau Schmidt nannte mich manchmal Lotting, das war mein Kosename in dieser Gegend für Lotte. In Masuren, wo ich geboren wurde, wurde ich meistens Lottchen genannt.

Manchmal nahm Herr Schmidt mich mit, wenn er zum Honigschleudern zu den Bienen ging. Er gab mir dann eine Honigwabe, die mir wunderbar schmeckte. Eines Tages nahm Herr Schmidt mich zu einem Dorftanz mit, und er tanzte sogar etwas mit mir. Als ich am 25. August 14 wurde, sagte die Mutter von Frau Schmidt zu mir, nun aber raus aus den Backfischjahren. Das schmerzte sehr, aber in Wirklichkeit war meine Kindheit und Jugend schon in Charkow zu Ende.

Eines Tages schickten die Schmidts mich in den Wald, um Blaubeeren zu pflücken. Ich musste durch ein Städtchen mit Namen Freyenstein, und da auf der Straße sah ich einen Pferdewagen, auf dem ein Mann saß. Am Wagen hing ein Schild mit dem Namen August Rohmann. Ich sagte zu dem Mann, dass mein Vater auch Rohmann hieß, und es ergab sich, dass dies ein Cousin meines Vaters war. Als Kind hatte ich diese Verwandten in Ostpreußen nie gesehen. Onkel August sagte mir, ich solle für einige Tage zu seiner Familie in sein Haus kommen und dass er wüsste, dass mein Onkel Wilhelm, meines Vaters Bruder im Westen mit seiner Familie lebe. Er nahm Kontakt mit Onkel Willi in Lachendorf auf und bat um zehn Westmark, damit ich illegal über die Grenze zu ihm kommen könne.

Ich ging dann noch in den Wald, fand jedoch keine Blaubeeren und kehrte zu den Schmidts zurück. Den nächsten Tag packte ich meine wenigen Sachen und ging zu meinen Verwandten nach Freyenstein.

Meine zweite Tante und die zweiten Cousinen, zwei Mädchen und ein Junge waren herzlich zu mir. Als der Brief mit der Einladung und den zehn Mark bei Onkel August ankam, suchte ich Kontakt zu einer Gruppe junger Leute, die hin und her über die Grenze gingen, um zu handeln, nämlich bei Salzwedel.

Eines Morgens gingen wir zu Fuß zur Grenze. Zu jener Zeit waren nur wenige Posten an der Grenze. Wir kamen zu einem Fluss, zu einer Stelle, wo der Fluss ziemlich flach war und auch wo kein Posten stand. Jetzt mussten wir unseren Slip ausziehen, die Männer ihre Hosen und wir mussten unsere Sachen hoch heben und gingen quer durch den Fluss. Wir kamen glücklich auf der anderen Seite an. Wir waren in Westdeutschland.

Es dauerte nicht lange und ich kam mit dem Zug in Lachendorf an. Meine Tante Meta, Onkel Willis Frau, erwartete mich auf dem Bahnhof. Wir gingen dann zu deren sehr kleinen Wohnung.

Tante Meta sagte mir, ich solle einen Bückling kaufen gehen, und zum ersten Mal in meinem Leben aß ich diesen sehr schmackhaften Fisch mit Brot.


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