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Der Malshöfer See in Masuren

November war bei uns zu Hause eine schöne Zeit. Der Winter begann schon recht früh mit Schneefall und Frost. Trotz Krieg herrschte bei uns in Burdungen Vorfreude auf Weihnachten. Da gab es Schlittenfahrten, Schlittern auf Holzschlorren, Schneemannbauen und manch schönen Winterspaß. Am meisten freuten wir uns aber, wenn der Malshöfer See endlich zugefroren war und wir uns auf dem Eis vergnügen konnten. Der See lag gleich hinter unserer Scheune, unterhalb unserer Wiese.

Mein Bruder Willi und ich warteten schon sehnsüchtig nach der Schule, dass wir hinaus konnten. Oma aus Michelsdorf hatte ein Paket geschickt, da waren unter anderem Schlittschuhe für Willi und meine Schwester Irmgard drin. Oma hatte früher einen Kaufmannsladen auf ihrem Alterssitz, und da der Laden nun geschlossen war, schickte sie die Restbestände an ihre Angehörigen.

Die Schlittschuhe wurden vorn und hinten mit einem Drehschlüssel an die Schuhe geschraubt. Die hinteren Klammern krallten sich direkt in die Hacken. Deshalb nannte man diese Schlittschuhe auch Hackenreißer. Die schönen Schuhe! Es war ja Krieg und wir hatten nur dieses eine Paar Schuhe.

Es war das erste Mal, dass Willi mit Schlittschuhen auf dem Eis stand. Keiner konnte ihm eine Anweisung geben, deshalb war es lustig anzusehen, wie er sich mit dem rechten Fuß abschob und begann, sich langsam auf dem Eis vorwärts zu bewegen. Er plumpste noch oft hin, aber allmählich lernte er es doch. Ich bewunderte ihn für seine Künste. Dort wo das Eis glatt war, schlitterte ich lustig auf meinen Schlorren hin und her. Am schönsten war es für mich aber dort, wo das Eis durchsichtig war. Ich kniete mich dann hin und schaute in die Tiefe des Sees. Was war das für eine Wunderwelt dort unten! Die Pflanzen und Gräser bewegten sich als wenn eine sanfte Brise ging. Ich konnte lange so verweilen und zugucken. Es war für mich so geheimnisvoll, was dort alles lebte und sich bewegte.

Mama warnte uns. Kinder, kommt bloß nicht in eine Quelle, dort ist der See nicht richtig zugefroren und ihr könntet einbrechen! Doch wir sind nie an eine solche Stelle gekommen und sind auch nie eingebrochen.

Wenn der See zugefroren war, ging Janka, unser Mädchen raus und holte einen großen Strauß der braunen Schilfkolben, die am Rande des Sees wuchsen. Im Winter konnte man das Schilf besser abbrechen. Janka stellte den Strauß in die Küche in einen großen Topf, er war dann besonders schön anzusehen und wir hatten alle unsere Freude daran.

Auf dem See wurde auch manchmal ein Loch gehackt und Herr Denda, ein Dorfbewohner fischte dort. Mama oder unsere Leute kauften ihm direkt auf dem See die Fische ab, die im Winter besonders gut schmeckten.

Es gab in Burdungen auch eine schöne Rodelbahn. Beim Haus des Bürgermeister Lischewski auf der anderen Straßenseite war ein kleiner Abhang, wo Lischewskis Leute manchmal Wasser rübergossen, so dass es fror und schön glatt wurde. Dort rodelten wir Kinder mit unseren Schlitten herunter oder setzten uns in die Hocke und schlitterten auf unseren Schlorren hinab. Es gab auch manche Pferdeschlittenfahrt zu den Verwandten durch den verschneiten Märchenwald.

Wenn wir im Dunkeln wieder zu Hause ankamen, gab es auch hier tolle Überraschungen. Mama machte die schönsten Pfannkuchen, innen mit Marmelade gefüllt. Die warteten dann schon in der warmen Ofenröhre auf uns!


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