Corona-Chronik, Februar 2021
Die Chronik dieser Pandemie hier zum Nachlesen in gesammelten Pressemeldungen.
Die Impfquoten der Länder sind desaströs – mit einer Ausnahme
Bald startet die Immunisierung der zweiten Impfgruppe. Diese Ankündigung war zuletzt von vielen Politikern zu hören. Die Wirtschafts-Woche hat in den Bundesländern nachgefragt, wie es denn aussieht mit der Impfquote – und unbefriedigende Antworten bekommen.
Die Bundesländer hinken bei der Covid-19-Impfung für die besonders schützenswerten Gruppen zum Teil stark hinterher. Das widerspricht der Einschätzung von Mitgliedern der Bundesregierung, die nun von einem Start der Immunisierung der Jüngeren und nach der zweiten Priorisierung eingruppierten Berufe ausgehen.
Zur bisher nur sehr unvollständig geimpften Gruppe 1 gehören die Über-80-Jährigen und medizinisches und Pflegepersonal in Kliniken und Senioreneinrichtungen. Nur einzelne Länder kündigen an, ab Anfang März auch mit der Immunisierung der zweiten Priorisierungsgruppe zu beginnen. Dazu gehören die Über-70-Jährigen, Menschen mit schweren Vorerkrankungen und nun auch Erzieher und Lehrerinnen, niedergelassene Ärzte und Polizistinnen.
Nach Recherchen der WirtschaftsWoche hängt die Impfkampagne in Deutschland immer noch, weil viel zu wenig Vakzin da ist und weil die Berechtigten nicht immer erreicht werden. Allerdings antworteten auf die Umfrage trotz mehrmaliger Nachfrage innerhalb von vier Tagen ohnehin nur zehn der 16 Bundesländer – und das zum Teil sehr lückenhaft. Hier der Überblick:
In Baden-Württemberg sind nach Auskunft des Sozialministeriums von den rund 720.000 Menschen über 80 Jahren erst etwa ein Sechstel oder rund 120.000 Senioren zweifach gegen Covid-19 immunisiert. Doppelt so viele haben bisher eine Impfdosis verabreicht bekommen. Von der rund eine Million Menschen, die in die erste Gruppe der höchsten Priorität gehören, sind insgesamt rund 208.000 Menschen inzwischen doppelt geschützt, rund 407.000 haben die erste Spritze bekommen. Das sind nur gut 20 bzw. gut 40 Prozent. Deshalb bleibt das Stuttgarter Sozialministerium auch noch ungenau, wann die nächste Gruppe der Menschen ab 70, jene mit schweren Vorerkrankungen sowie etwa Lehrerinnen und Erzieher drankommen.
In Hessen ist die Landesregierung schon etwas weiter gekommen und lädt nun die Gruppe mit hoher, also zweiter Priorität ein. Diese Impfungen sollen ab 5. März erfolgen. Dabei ist die Wiesbadener Regierung dazu übergegangen, die rund 1,5 Millionen Menschen aus dieser Gruppe mit einem konkreten Termin einzubestellen. Wer den Termin nicht wahrnehmen kann oder lieber mit seinem Partner zusammen zum Termin möchte, kann dann umbuchen. In Alten- und Pflegeheimen gelten in Hessen rund 80 Prozent als erstmals geimpft. Das Sozialministerium erklärt, größtes Problem sei der nach wie vor knappe Impfstoff und dass nicht geplant werden könne. Zwar bekommen wir mittlerweile mehr Dosen, aber die Lieferzahlen sind nur für wenige Wochen verlässlich.
In Sachsen-Anhalt haben von den rund 320.000 Menschen über 80 den Angaben der Landesregierung zufolge nur 15 Prozent die erste und erst neun Prozent auch eine zweite Dosis Vakzin bekommen. Von den Bewohnern in Pflegeheimen seien gut die Hälfte vollständig immunisiert. Beim Personal in Krankenhäusern und in Pflegeeinrichtungen sei es rund ein Drittel. Wann die Impfungen in der Priorisierungsgruppe 1 abgeschlossen sein werden, lässt sich derzeit nicht sagen
, heißt es lapidar beim Sozialministerium in Magdeburg.
In Thüringen, wo die Landesregierung von etwa 150.000 Berechtigten über 80 ausgeht, sind erst knapp 24.000 Menschen vollständig und 53.000 erst einmal immunisiert. Das sind ein Sechstel und gut ein Drittel der Berechtigten. Die Ärztinnen und Pfleger aus der Priorisierungsgruppe 1 seien dagegen wohl weitgehend versorgt, sofern sie dies wünschten. Thüringen wolle nun übergehen, auch in der zweiten Priorisierungsgruppe mit Verabreichung des Vakzins zu beginnen.
Im kleinen Bremen gibt es von der Gesundheitssenatorin ebenfalls noch keine Erfolgsmeldungen. Bei der Gesundheitsverwaltung heißt es: Eine große Aufgabe ist noch die Impfung der Personen zwischen 80 und 85 Jahren.
Diese Gruppe werde erst ab Ende dieser Woche eingeladen. Alle von ihnen, die wollten, sollten im Laufe des März geimpft werden. Von den noch Hochbetagteren sind in Bremen erst rund 20 Prozent doppelt immunisiert. Ärzte und Pflegepersonal der ersten Priorität haben sich im Stadtstaat bisher nur zu 24 Prozent vollständig impfen lassen.
Im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen ist die Verwaltung ebenfalls noch ausschließlich mit der ersten Impfgruppe beschäftigt. Das Sozialministerium in Düsseldorf will keine Zahlen bereits Geimpfter nennen und erklärt zum Abschluss der ersten Priorisierung lediglich, wann die Gruppe versorgt sei, hänge davon ab, wieviel Impfstoff noch geliefert werde. Die Nennung eines festen Datums zum jetzigen Zeitpunkt wäre nicht seriös.
Pro Woche würden derzeit etwa 70.000 Menschen im Alter ab 80 geimpft.
Bayern gibt in der Antwort der Regierungs-Taskforce Coronapandemie nicht einmal Schätzungen zum bisherigen Stand der Impfungen bei den Über-80-Jährigen und anderen Menschen mit höchster Priorität. Von den 700.000 Über-80-Jährigen im Freistaat, die nicht dauerhaft in einer Einrichtung lebten sei ein Großteil
per Brief über die Impfmöglichkeiten und eine Registrierung informiert worden, hieß es lediglich. Auch eine Schätzung zum weiteren Verlauf sei kaum zu liefern: Eine genaue Prognose ist nicht möglich, da die Impfleistung unmittelbar von der Verfügbarkeit und der Liefermenge des Impfstoffs abhängt
, verweist die Regierung in München auf Zuständigkeit des Bundes.
Schleswig-Holstein hat inzwischen zumindest alle Menschen über 80 angeschrieben und zum Impfen eingeladen, heißt es im Gesundheitsministerium. In Alten- und Pflegeheimen sei die Immunisierung fast abgeschlossen, nur die Inseln Föhr, Amrum und Helgoland seien noch außen vor. Mehr Informationen gibt es nicht aus dem Bundesland.
Rheinland-Pfalz sieht sich selbst in der Spitzengruppe beim Impfen und kritisiert die durch die Lieferengpässe des Bundes erzwungene Pause der Erstimpfungen in den Impfzentren
. Beim Sozialministerium in Mainz heißt es, von den rund 280.000 Über-80-Jährigen im Bundesland seien gut 50.000 zweimal geschützt, 117.000 hätten eine Impfung bekommen. Um auch die Hochbetagten zu erreichen, die nicht ins Impfzentrum kommen könnten, laufe auch ein Pilotprogramm in vier Arztpraxen, die Patienten mit dem Vakzin bereits versorgten. Menschen, die durch ihre Berufe in der zweiten Priorität eingestuft seien, könnten ab Anfang März Termine beantragen.
Niedersachsen äußert sich nur allgemein über den Anteil der bereits Immunisierten aus der obersten Priorität. Nun stehe der Übergang mit auf die zweite Gruppe bevor, heißt es beim Sozialministerium in Hannover. Doch das gelte nicht für Über-70-Jährige. ES beschränke sich zunächst auf Personen unter 65 Jahre, da derzeit nur der Impfstoff von AstraZeneca in entsprechenden Mengen zur Verfügung steht.
Wirtschaftswoche, von Cordula Tutt
Jens Spahn und Journalisten: Das Private ist politisch
Jens Spahn möchte nicht, dass der Kaufpreis seiner Villa in einer Zeitung steht. Der Tagesspiegel
hat ihn veröffentlicht, Spahn geht dagegen vor.
Jens Spahn kann einem leidtun. Muss er aber nicht. Eigentlich machte der Bundesgesundheitsminister auch nach knapp einem Jahr Coronapandemie ja immer noch eine ganz gesunde Figur. Dann ging die Sache mit dem schnellen Versprechen der kostenlosen Coronaschnelltests voll in die Hose. Aber es geht immer noch schlimmer. Der Gesundheitsminister und Nebenhoffnungsträger der CDU steht seit dieser Woche als Journalistenspitzel da. Das ist so ziemlich das Unterste, was einem Politiker im medialen Rechtsstaat passieren kann. Und diesmal ist Spahn komplett selbst schuld.
Denn Spahn möchte nicht, dass der genaue, millionenschwere Kaufpreis einer Villa in der Zeitung steht. Genauer gesagt der Villa, die er 2020 mit seinem Mann im noblen Berliner Stadtteil Dahlem kaufte. Der Tagesspiegel hat's aber mit einer ganz normalen Presseanfrage beim zuständigen Grundbuchamt rausbekommen und veröffentlicht. Deshalb geht Spahn presserechtlich gegen das Blatt vor.
Doch nicht nur das. Wie der Tagesspiegel jetzt schreibt, haben Spahns Anwälte wiederum vom Grundbuchamt Angaben verlangt, wer denn da von den Medien was genau wissen wollte. Macht sich ganz schlecht bei einem Mitglied der Bundesregierung, dessen Immobiliengeschäfte zum Teil Fragen aufwerfen und daher klar von öffentlichem Interesse sind. Denn das riecht nach Einschüchterungsversuch. Und wer hier recherchiert, wäre auch ganz einfach in den entsprechenden Titeln nachzulesen. Das Grundbuchamt jedenfalls rückte die verlangten Informationen heraus.
Es wird aber noch immer absurder. Der vorerst letzte Akt spielte am Mittwoch bei der Bundespressekonferenz. Da wurde der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Hanno Kautz, natürlich zu den Vorwürfen gefragt. Und was sagt Kautz zur Privatsache eines Mannes, mit der das Gesundheitsministerium rein gar nichts zu tun hat?
Vor der Welt verbergen
Kautz sagte nicht: Das müssen Sie schon Herrn Spahn oder seine Anwälte selbst fragen, das hat nichts mit dem Bundesgesundheitsministerium zu tun. Er sagte vielmehr ganz offiziell als des Ministers Sprecher, es handle sich um eine möglicherweise rechtswidrige Behördenhandlung
. Das Grundbuchamt habe möglicherweise sowohl gegen die Grundbuchordnung als auch gegen die Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung verstoßen
. Damit meinte Kautz übrigens nicht, dass die Daten der Journalist*innen herausgegeben wurden, sondern natürlich die reine Privatsache
, also die Villa-Kaufsumme.
Die Moral von der Geschicht: Alles Private ist immer noch politisch. Und was Spahn verbergen wollte, interessiert plötzlich alle Welt. Er sollte sich schleunigst bessere Berater*innen besorgen, sonst geht's am Ende noch auf die Gesundheit. taz, Kolumne von Steffen Grimberg
Spahn verteidigt Dinner vor Corona-Befund
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seine Teilnahme an einem Abendessen mit zahlreichen Teilnehmern kurz vor einem positiven Corona-Befund im Oktober gerechtfertigt.
Jemanden unwissentlich anzustecken, hätte ich zutiefst bedauert. Das ist, wohl auch aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen, nicht passiert
, sagte Spahn der Bild am Sonntag
.
Der Spiegel
hatte berichtet, Spahn habe am 20. Oktober an einem Abendessen mit etwa einem Dutzend Unternehmern in Leipzig teilgenommen. Am Morgen habe Spahn noch im ZDF darauf hingewiesen, dass es die Hauptansteckungspunkte beim Feiern und Geselligsein gebe, privat oder bei Veranstaltungen wie einer Party. Am 21. Oktober hatte das Gesundheitsministerium mitgeteilt, dass Spahn am Nachmittag positiv auf das Virus getestet worden sei.
Laut Kalendereintrag sei Spahn bei dem Essen von 20 Uhr bis rund 21.30 Uhr anwesend gewesen, teilte sein Bundestagsbüro am Samstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Die damals gültigen Regeln der sächsischen Corona-Schutz-Verordnung wurden nach Bestätigung des Gastgebers eingehalten
, betonte Spahns Büro. Alle Teilnehmer des Abendessens seien nach der Positivtestung dem zuständigen Gesundheitsamt als Kontaktpersonen gemeldet und parallel auch durch Spahn beziehungsweise den Gastgeber informiert worden. Alle hätten sich, so weit bekannt, direkt danach in Quarantäne begeben und seien nach Angaben des Gastgebers negativ getestet worden. dpa
Corona-Management: Lasst endlich Profis ran!
Impfstoff fehlt, Impfstoff bleibt liegen: Die missglückte Impfkampagne ist ein weiteres Versagen in einer immer längeren Kette. Sie zeigt: Bundesregierung und Landesregierungen können es nicht.
Das aktuelle Impfdebakel in Zahlen:
- 24.886 Dosen von AstraZeneca hat der deutsche Staat an diesem Montag seinen Bürgern verabreicht.
- 1,2 Millionen Portionen dieses Impfstoffs liegen ungenutzt in Lagern und Kühlschränken der Republik herum.
- 650.000 weitere AstraZeneca-Dosen kommen am Wochenende nach. Wohin mit dem Zeug?
Ein Arzneimittel, das in Schottland mindestens 94 Prozent der Geimpften vor dem Krankenhaus bewahrt, wird von Tausenden verunsicherten Deutschen boykottiert: Sie schwänzen die Impftermine oder buchen sie gar nicht erst. Laut der
Süddeutschen Zeitunghat unsere Bürokratie vielen Berechtigten nicht rechtzeitig ihre Einladung geschickt.
Zugleich ersehnen Millionen Deutsche dieses Mittel, dürfen es aber nicht verabreicht kriegen. Das verhindern die Regularien: eine starre Impfpriorisierung, die bei einem Impfstoffüberschuss keinen Sinn mehr ergibt – und deswegen aufgeweicht oder ausgesetzt werden sollte. Und sei es nur übergangsweise für ein paar Tage.
Flexibilität und Improvisation wären in dieser kritischen Phase der Pandemie besonders gefragt. Aber genau daran mangelt es den Verantwortlichen in der deutschen Politik und der Verwaltung. Sie täten gut daran, für das Corona-Management externe Spezialisten anzuheuern: Praktiker aus der Wirtschaft, Troubleshooter. Solche wie Kate Bingham, die Risikokapitalunternehmerin, die in Großbritannien die Taskforce zur Impfstoffbeschaffung steuert. Menschen, die anpacken und nach vorn denken, die Initiative übernehmen.
Die Bundesregierung, die Landesregierungen und die diversen Ministerien können es nicht. Die AstraZeneca-Posse ist nur ein weiteres Desaster einer immer längeren Kette. Die zögerliche Impfstoffbestellung, der nunmehr fast vier Monate währende, zunächst halb gare Shutdown, die mangelhafte Digitalisierung vieler Gesundheitsämter und Schulen, die Corona-App-Tristesse, die ständig durch
Meldeverzugverfälschten Infektionszahlen des Robert Koch-Instituts. Und, am tödlichsten, der anfangs völlig unzureichende Schutz der verwundbarsten Menschen in Alten- und Pflegeheimen.
Das Staatsversagen setzt sich gerade fort: Trotz der grassierenden Mutationen sind diese Woche Zehntausende Schulen und Kitas in Deutschland geöffnet worden, ohne sie wie etwa in Österreich durch umfassende Schnelltests abzusichern. Immer noch gibt es kein Schnelltestkonzept für die Wirtschaft – anders als etwa in Großbritannien, wo der Staat Unternehmen Gratistests bereitstellt.Und für den Eigengebrauch zu Hause waren Schnelltests in Deutschland bislang offiziell noch nicht einmal zugelassen, weil sie ja eventuell falsche Ergebnisse liefern und die Nutzer in Sicherheit wiegen könnten. (Diese Argumentation gab es auch mal bei Masken.) Die Folge war, dass die Tests unter der Hand gedealt wurden, als ginge es um Heroin. Oder, schlimmer noch, dass sich Menschen gar nicht testeten. Erst an diesem Mittwoch kamen die ersten Sonderzulassungen für drei Produkte.
Immerhin: der Bundesgesundheitsminister wollte Schnelltests vom 1. März an endlich allen Bürgern kostenlos anbieten, in Apotheken, Praxen und Testzentren. Aber nicht mit der Kanzlerin. Die will das zuerst noch mal mit den Landesfürsten beraten, bei der nächsten planmäßigen Ministerpräsidentenkonferenz. Hoffentlich lassen sich die Mutanten so viel Zeit.
In ein paar Wochen, wenn der Biontech-Impfstoff in größeren Mengen kommt, droht der nächste Wirrwarr. Es gibt in Deutschland keine zentrale Softwaresteuerung, welche die Verteilung berechnet. Die größte Impfkampagne der Geschichte wird bislang zum Teil mit Excel-Tabellen, Kugelschreiber und Papier gesteuert.
Die Stimmung im Land dreht sich. Erstmals traut die relative Mehrheit der Deutschen der Großen Koalition laut einer SPIEGEL-Umfrage nicht mehr zu, die Coronakrise zu bewältigen. Dieser Bundesregierung und den Ministerpräsidenten fällt ja nicht mehr viel ein: außer Shutdowns diverser Couleur zu verhängen und die besonders Betroffenen mit massenhaft Steuergeld zu sedieren. Es ist das alte Rezept aus der ersten Welle.
Soll dieser Status quo noch monatelang so weiterlaufen – in der Hoffnung, dass es mit dem Impfen doch noch gut ausgeht, irgendwie, irgendwann? Ist Aussitzen der einzige Plan?
Viele verantwortliche Politiker, allen voran die Kanzlerin, haben offenbar keinen anderen konkreten Plan. Sie zaudern und zögern, wirken passiv, ja: lethargisch. Sie geben den Menschen keine Orientierung. Und das ausgerechnet in einer Phase, in der wir durch die neuen Impfstoffe und die Schnelltests die Chance hätten, endlich Oberhand über die Seuche zu gewinnen. So wie es sich in Israel gerade abzeichnet. Und wie es der Populist Boris Johnson nun seinem Volk verspricht.
Bloß nichts wagen, ja nichts ausprobieren – dahinter steckt keine böse Absicht. Sondern das gut gemeinte Bestreben, um Himmels willen nicht noch mehr falsch zu machen. Keine Bedenkenträger oder Interessengruppen zu vergrätzen, so kurz vor der Bundestagswahl. Aber das Unterlassen kostet Menschenleben und vernichtet Existenzen.
Warum überlässt die Politik das operative Corona-Management nicht den Profis? Eine Taskforce aus unabhängigen Managern und Spezialisten etwa für Logistik oder Organisation, IT oder Produktionsplanung müsste nicht so viel Rücksicht nehmen auf politische Befindlichkeiten und Wahltaktik. Vor allem aber haben diese Menschen gelernt, zu gestalten, zu organisieren, konkrete Probleme pragmatisch zu lösen.
Und: Sie könnten auch mal etwas ganz anders machen als bisher. Neue Ideen und Konzepte entwickeln, etwa für die Impfstoffverteilung, für Schnelltests – oder auch für den Bau von Pharmafabriken. Wer weiß, welche und wie viele Impfstoffe wir gegen diese Mutanten noch brauchen werden.
Es gibt so viele kreative, hochintelligente Köpfe in Deutschland, die gern helfen würden. Binden wir sie ein, nutzen wir ihr Know-how. Gemeinsam kriegen wir dieses Virus klein. Spiegel, ein Kommentar von Claus Hecking
Jens Spahn ließ Journalisten ausforschen
Ein Bundesminister sollte die Pressefreiheit achten
Der CDU-Politiker wollte vom Grundbuchamt wissen, wer Fragen zu seinen privaten Immobilienkäufen stellt – und welche. Medienverbände finden das verstörend.
Journalistenorganisationen kritisieren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für seinen Umgang mit Pressevertretern, die zu seinen privaten Immobiliengeschäften recherchieren. Spahn hatte über seine Anwälte vom Grundbuchamt beim Amtsgericht Schöneberg verlangt, Namen und Anfragen unter anderem von Journalisten von Spiegel
, Bild
, Stern
und Tagesspiegel herauszugeben. Das Grundbuchamt war dem gefolgt.
Beides geht nicht
, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands Frank Überall, eine eilfertige Behörde und ein Minister, der peinlich bemüht ist, private Immobiliengeschäfte im siebenstelligen Bereich unter der Decke zu halten.
Als Mitglied der Bundesregierung, das wie kein anderer Ressortchef wegen der Corona-Pandemie im Fokus der Öffentlichkeit stehe, müsse Spahn sich Recherchen von Medien gefallen lassen. Die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion Tina Groll findet es verstörend
, dass Spahn offenbar Pressevertreter ausforschen ließ. Ein Bundesminister sollte die Pressefreiheit und die Aufgabe der Presse, kritisch zu berichten, respektieren und achten.
Um wen handelt es sich?
Dass Spahn über Medienvertreter Informationen sammeln ließ, geht aus einem Schreiben von seinen Rechtsanwälten an das Amtsgericht Schöneberg vom Dezember 2020 hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Dem Amtsgericht ist das Grundbuchamt zugeordnet, das die Akten zum privaten Immobilienbesitz des Ministers verwaltet, einschließlich der Kaufverträge.
Dem Schreiben zufolge fordern Spahns Anwälte dazu auf, den gesamten Schriftverkehr mit dem Tagesspiegel sowie sämtliche etwaige weitere Presseschreiben
mit den dazugehörigen amtlichen Antwortschreiben herauszugeben. Ausdrücklich wollte Spahn die Namen von Pressevertretern wissen, die nach seinen zwei Schöneberger Wohnungen sowie der im vergangenen Jahr erworbenen Villa in Dahlem gefragt haben (Um wen handelt es sich?
).
Anlass für Spahns Schreiben war ein Tagesspiegel-Bericht
Wie berichtet, ist der Minister bemüht, dass der Preis für sein gemeinsam mit Ehepartner Daniel Funke gekauftes Dahlemer Grundstück in Höhe von mehreren Millionen Euro nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Er besteht darauf, dass es sich hier um eine Privatangelegenheit handelt. Ein entsprechendes Unterlassungsbegehren gegen den Tagesspiegel hat das Hamburger Landgericht kürzlich bestätigt. Der Tagesspiegel hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Anlass für das Schreiben im Dezember war jedoch ein Tagesspiegel-Bericht über den Kauf einer Wohnung vom früheren Pharma-Manager Markus Leyck Dieken, den Spahn später an die Spitze der mehrheitlich bundeseigenen Gematik GmbH holte. Die Gematik soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranbringen. Das Bekanntwerden des Deals brachte dem Minister die Kritik aller vier Oppositionsfraktionen im Bundestag ein. Spahn wollte nun im Detail vom Grundbuchamt wissen, wann welche Auskünfte über das damals knapp eine Million Euro teure Immobiliengeschäft an den Tagesspiegel geflossen sind.
Das Amtsgericht kommt offenbar allen Forderungen nach
Spahns Anwälte hatten sich offenbar aber schon vorher an das Amtsgericht gewandt, nachdem Presseberichte über den Kauf der Dahlemer Villa erschienen waren. Einem Schreiben des Amtsgerichts zufolge übersandte das Gericht Kopien der E-Mailanfragen des Reportes der
an den Minister und seine Anwälte.Bild
-Zeitung (…), das Einsichtsgesuch des Journalisten des Business Insider Deutschland GmbH
(…) des Korrespondenten der Zeitung Der Tagesspiegel
Auch den Anfragen vom Dezember zu den Schöneberger Wohnungen wurde entsprochen: Die beigefügten Kopien enthalten alle bis zum heutigen Tag eingegangenen Anfragen von Pressevertretern nebst Antwortschreiben
, heißt es in einer weiteren Mitteilung des Gerichts vom 22. Januar 2021 an Spahns Anwaltsbüro. Ausdrücklich benannt wird die Korrespondenz mit Stern
, Tagesspiegel und Spiegel
.
Sein Mandant betreibe keine Investigationen
, sagt Spahns Anwalt
Der Minister lässt bestreiten, dass er mit diesen Maßnahmen Recherchen der Presse ausforschen wolle. Sein Mandant betreibe keinerlei Investigationen
, sondern mache nur von seinem Recht Gebrauch, welche Dritte mit welcher Begründung
Einsicht in das Grundbuch genommen hätten, erklärte Spahns Anwalt Christian-Oliver Moser. Diese Recht stehe Spahn als Eigentümer zu, und darin liege auch kein Eingriff in die Pressefreiheit.
Außerdem erhebt der Minister nun seinerseits gegenüber dem Grundbuchamt Vorwürfe: Das Amtsgericht habe erhebliche Rechtsverstöße begangen
, als es der Presse die begehrten Auskünfte erteilte. Dies dürfe überprüft werden
. Mutmaßlich bezieht sich der Vorwurf unter anderem auf die ausdrückliche amtliche Bestätigung des Kaufpreises für das Dahlemer Objekt.
Wie kamen die Recherchen in die Akten?
Offen bleibt allerdings auch, auf welcher Rechtsgrundlage der E-Mail-Schriftwechsel zu laufenden Recherchen von Pressevertretern Eingang in die Grundbuchakten gefunden hat. Eine entsprechende Anfrage ließ das Amtsgericht Schöneberg bisher unbeantwortet.
Das Bundesverfassungsgericht mahnt zur Vorsicht, Grundstückseigentümer leichtfertig über Auskunftsverlangen der Presse in Kenntnis zu setzen: Die Presse sei in ihren Recherchen häufig darauf angewiesen, mosaiksteinartig einzelne Teilinformationen in verschiedenen Feldern zusammenzutragen, heißt es in einem Beschluss zum Grundbuch-Einsichtsrecht aus dem Jahr 2000 (Az.: 1 BvR 1307/91 ). Ginge sie dem Verdacht eines missbilligten Verhaltens nach und müsste das Grundbuchamt den Adressaten des Verdachts von ihren Recherchen informieren, könnte der Rechercheerfolg nachhaltig gefährdet werden
. Der Adressat ihrer Nachforschungen könne sonst Gegenmaßnahmen
ergreifen. Tgs
Millionenvilla des Ministers: Ein Blick in das Portemonnaie
von Jens Spahn ist verboten
Das Landgericht Hamburg untersagt die Nennung des gezahlten Preises für das Dahlemer Millionenobjekt – die Summe sei rechtswidrig nach außen gedrungen, heißt es.
Obwohl das Grundbuchamt den Kaufpreis seiner Villa in Berlin-Dahlem offiziell bestätigt hat, muss Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) es nicht hinnehmen, dass darüber öffentlich berichtet wird. Das geht aus den schriftlichen Gründen eines Urteils des Hamburger Landgerichts hervor, das Spahn und sein Ehepartner Daniel Funke gegen den Tagesspiegel erwirkt haben (Az.: 324 O 349/20).
Demnach geht das Gericht davon aus, dass der Kaufpreis rechtswidrig durch ein
sei und die Information deshalb im Ergebnis nicht hätte verwendet werden dürfen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, eine Berufung zum Oberlandesgericht ist möglich.Durchstechen
nach außen gedrungen
Wie berichtet, geht Spahn mit Unterlassungsklagen gegen Presseberichte vor, in denen unter anderem der Kaufpreis für das Anwesen von mehreren Millionen Euro genannt wird. Dennoch hat das zuständige Grundbuchamt beim Amtsgericht Schöneberg die Summe auf Tagesspiegel-Anfrage exakt beziffert.
Nach Ansicht der Hamburger Richterinnen soll dies jedoch keine erhebliche Rolle spielen, da diese Bestätigung erst im Nachhinein erfolgt sei. Prozessual sei nicht davon auszugehen, dass es eine vorhergehende Anfrage zu dem Kaufvorgang zum Beispiel beim Grundbuchamt oder bei den Antragstellern selbst gegeben hätte
.
Ablichtungen des notariellen Kaufvertrags über den Grundstückskauf seien ohne Einverständnis von Spahn und seinem Lebensgefährten an die Presse gelangt.
Hartz IV bedeutet keine Armut
, findet Spahn
Vor diesem Hintergrund ist die Berichterstattung über den Kaufpreis nach Ansicht des Gerichts nicht zu rechtfertigen. Zwar sei zu berücksichtigen, dass Spahn mit seiner Aussage Hartz IV bedeutet keine Armut
ein besonderes Augenmerk auf seine eigenen Lebensverhältnisse gelenkt habe.
Die Veröffentlichung im Tagesspiegel sei zudem geeignet, gesellschafts- und sozialkritische Überlegungen
über einen Politiker anzuregen, der wegen einer möglichen Kandidatur als Bundeskanzler ein Thema von besonderem öffentlichen Interesse
sei.
Gleichwohl würde mit der Kaufpreis-Nennung ein tiefgreifender Einblick in die Vermögensverhältnisse
und damit ein genauer Blick in das Portemonnaie
ermöglicht. Diesem intensiven Eingriff in die Privatsphäre
stehe kein ausreichend großes und berechtigtes öffentliches Informationsinteresse gegenüber
.
Die Kammer betrachte es als ausdrücklich zulässig, über den gemeinsamen Immobilienkauf des Paares als solchen zu berichten und das Objekt als Millionenvilla
zu bezeichnen. Wie viele Millionen es aber waren, soll nach Ansicht des Gerichts in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden dürfen.
Juristisch klärungsbedürftig ist damit unter anderem, ob der Presse ohne Weiteres eine Berichterstattung über eine behördliche Information gerichtlich untersagt werden kann, die ihr im Wege des Presse-Auskunftsanspruchs gerade zum Zweck öffentlicher Berichterstattung herausgegeben werden muss.
Der Minister sieht enormen Wertzuwachs
auf dem Berliner Immobilienmarkt
Spahn, der ausweislich des Urteils nach eigenen Angaben seit längerem in Immobilien investiert
und für den Berliner Raum einen enormen Wertzuwachs
feststellen konnte, hat auch mit einem anderen Geschäft aus diesem Bereich Aufmerksamkeit auf sich gezogen: So war kürzlich bekannt geworden, dass der Minister eine Wohnung im Berliner Bezirk Schöneberg vom Ex-Pharma-Manager Markus Leyck Dieken gekauft hat.
2019 holte Spahn den mit ihm auch privat befreundeten Leyck Dieken an die Spitze der dem Ministerium unterstellten Gematik GmbH, die die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben soll. Die Postenvergabe habe mit dem Kauf nichts zu tun, beteuerte der Minister, der Preis von 980.000 Euro sei marktüblich
gewesen.
Medienberichten zufolge will sich Spahn von der Wohnung nun offenbar wieder trennen. Ungünstigerweise kurz vor dem CDU-Parteitag im Januar seien Fotos davon auf einer Immobilienvermittlungsseite aufgetaucht, hieß es.
Eine Maklerin habe die repräsentative 5-Raum-Wohnung in stilvollem Altbau
angeboten, aktueller Kaufpreis: 1.585.000 Euro. In den drei Jahren, in denen Spahn Eigentümer ist, hätte die Wohnung demnach um mehr als 600.000 Euro an Wert gewonnen. Eine Stellungnahme zu dem Vorgang lehnten sowohl Spahn wie Leyck Dieken auf Anfrage ab. Es sei alles Privatsache. Tgs., Jost Müller-Neuhof
Merkel warnt vor rascher Öffnung Wir haben es mit einer dritten Welle zu tun
Bundeskanzlerin Merkel ist skeptisch, ob baldige Öffnungen möglich sind. Wir können die Tatsache nicht wegdefinieren, dass wir es jetzt mit einer dritten Welle zu tun haben
, sagt sie in einer Sitzung der Unionsfraktion.
In der Debatte um Lockerungen des Corona-Lockdowns hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen vorsichtigen Kurs angemahnt. Deutschland sei weiterhin in einer schwierigen Situation, sagte sie nach Informationen von ntv bei einer digitalen Sitzung der Unionsfraktion. Wir müssen vorsichtig agieren, aber wir haben inzwischen eben auch Mittel und Wege, die Pandemie zu bekämpfen.
Mit Blick auf die aktuellen Inzidenzwerte sagte die Kanzlerin nach Angaben von Teilnehmern: Wir können die Tatsache nicht wegdefinieren, dass wir es jetzt mit einer dritten Welle zu tun haben.
Bei der südafrikanischen Mutation bestehe die Gefahr, dass unsere Impfungen dann nicht mehr so wirken, wie wir es uns vorstellen
.
Den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, allen Bürgerinnen und Bürgern kostenlose Schnelltests anzubieten, unterstützte sie, fügte aber hinzu, das Konzept müsse zunächst mit den Bundesländern besprochen werden. Außerdem sollten die Schnelltests mit Öffnungsschritten zusammen gedacht und nicht isoliert betrachtet werden
.
Spahn hatte die Einführung kostenloser Schnelltests ursprünglich für den 1. März angekündigt. Am Montag sagte Merkel den Start jedoch ab. Die Bundesregierung wolle die Ausdehnung der Schnelltests erst mit den Ländern besprechen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Der nächste Bund-Länder-Gipfel findet am 3. März statt.
Die Verschiebung hatte breite Kritik ausgelöst. Das Desaster um die Schnelltests reiht sich ein in das bisherige Missmanagement der Bundesregierung
, sagte der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nannte Spahn einen Ankündigungsminister. Der Umgang der Bundesregierung mit der Schnellteststrategie ist armselig
, erklärte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. ntv.de, hvo/AFP/rts
RKI meldet fast 10.000 Neuinfektionen – Inzidenz steigt auf 62,6
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 9997 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 394 weitere Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Freitag hervor. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 9113 Neuinfektionen und 508 neue Todesfälle verzeichnet. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Freitagmorgen RKI meldet fast 10.000 Neuinfektionen – 7-Tage-Inzident bei 62,6.
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 9997 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 394 weitere Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Freitag hervor. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 9113 Neuinfektionen und 508 neue Todesfälle verzeichnet.
Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 03.10 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Freitagmorgen bundesweit bei 62,6 - und damit höher als am Vortag (61,7). Vor vier Wochen, am 29. Januar, hatte die Inzidenz noch bei 94,4 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend bei 1,05 (Vortag 0,98). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 105 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Universität Hamburg adelt krude Corona-Studie
Es gibt Studien, die haben diesen Namen nicht verdient. Ein Wissenschaftler der Universität Hamburg hat ein solches Papier – zum Ursprung des Coronavirus – nun produziert und pressewirksam platziert.
Am Donnerstag hat die Exzellenzuniversität Hamburg eine Pressemitteilung veröffentlicht, die ihrem Ruf nicht zuträglich sein dürfte: Der Nanowissenschaftler Roland Wiesendanger habe den Ursprung des Coronavirus beleuchtet
, hieß es darin. Wer weiterliest, dem geht allerdings keinesfalls ein Lichtlein auf.
Im Text findet sich eine Ansammlung angeblich schwerwiegender Indizien
, die für einen Laborunfall am virologischen Institut der Stadt Wuhan als Ursache der gegenwärtigen Pandemie sprechen sollen. Vorangeschoben ist eine Einschränkung seitens der Pressestelle, die die Frage aufwirft, warum es die Mitteilung überhaupt gibt.
Die Studie
liefere keine hochwissenschaftlichen Beweise
, heißt es da. Das soll wohl suggerieren, dass sie trotzdem noch wissenschaftlich sind, aber eben nicht hochwissenschaftlich. Klickt man allerdings auf den Link zur Originalarbeit, stellt man fest: Es handelt sich nicht nur um keine hochwissenschaftliche Studie, sondern um gar keine.
Veröffentlicht im Wissenschafts-Facebook
Wiesendanger hat schlicht ein PDF, versehen mit dem offiziellen Briefkopf der Universität Hamburg, auf der Plattform ResearchGate hochgeladen. Die Seite ist eine Art Facebook für Wissenschaftler, ein soziales Netzwerk, auf dem sie ihre Forschung präsentieren können. Eine systematische, inhaltliche Prüfung der Arbeiten, wie sie für in anerkannten Fachmagazinen publizierte Studien üblich ist, findet nicht statt.
Nun wurden in der Corona-Pandemie viele Studien vorab ohne Prüfung veröffentlicht. Das allein ist kein K.-o.-Kriterium, allerdings auch nicht das einzige Problem mit der Arbeit. Um es mit den Worten der Pressestelle zu sagen: Die Umstände, unter denen die Arbeit erschienen ist, liefern keine hochwissenschaftlichen Beweise, wohl aber zahlreiche und schwerwiegende Indizien
, dass es sich um wissenschaftlichen Unfug handelt.
Dem Professor scheint das durchaus bewusst zu sein. Bei ZDFheute
erklärte er dann auch, seine Arbeit sei nicht für die Wissenschaftscommunity, sondern für die Öffentlichkeit
bestimmt. Das ergibt durchaus Sinn, denn einer fachlichen Prüfung würde das – untypisch für wissenschaftliche Facharbeiten – auf Deutsch verfasste Papier in keinster Weise standhalten. Man könnte gar behaupten, hier möchte jemand Verschwörungserzählern eine pseudowissenschaftliche Grundlage liefern.
Eine Einzelinterpretation
Die Basis dafür bildet ein buntes Sammelsurium seriöser und unseriöser Quellen. Es sind ernst zu nehmende Studien darunter, Wiesendanger verweist zudem auf Medien wie den Focus
, aber auch auf YouTube-Videos, Twitter und Verschwörungstheoretiker-Seiten, teils vom rechten Rand. Bei ZDFheute
erklärte er unverblümt: Im Prinzip hätte das jeder Journalist so herausfinden können.
Mehrwert liefert seine 105-seitige Ausarbeitung dann auch kaum. Die seriösen Quellen werden bereits seit Monaten in der Fachwelt diskutiert. Unter anderem untersucht eine Expertengruppe der WHO, um die es zugegebenermaßen auch einigen Hickhack gab, den Ursprung der Pandemie. Auch sie kann einen Laborunfall nicht ausschließen, hält ihn nach einer Indizienprüfung im Gegensatz zu Wiesendanger jedoch für unwahrscheinlich.
Nun kann man argumentieren, dass es sich um einen Forscherstreit handelt und jede Sichtweise gehört werden sollte. Allerdings besteht ein grundlegender Unterschied zwischen der WHO-Expertengruppe und Wiesendanger.
Während die WHO-Gruppe aus rund einem Dutzend ausgewiesener Medizin-, Pandemie- und Zoonosenfachleute besteht, handelt es sich bei Wiesendanger um einen Forscher, der keinerlei Expertise auf dem Gebiet aufweist. Man könnte auch sagen: um die Meinung irgendeiner Einzelperson. Die Fachexpertise des Professors liegt in den Nanowissenschaften, genauer gesagt der Rastertunnelmikroskopie.
Ein Argument, zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen
Wie unterschiedlich die echten Experten und der fachfremde Professor dann auch die Faktenlage bewerten, zeigt ein Beispiel besonders eindrücklich.
So argumentiert Wiesendanger, dass im Gegensatz zu früheren Coronavirus-Pandemien wie Sars und Mers noch kein Zwischenwirt gefunden worden sei, also kein Tier, von dem aus der aktuelle Erreger Sars-CoV-2 direkt auf den Menschen übergesprungen sein könnte. Daraus schlussfolgert er, diese Zoonose-Theorie als mögliche Erklärung für die Pandemie besitze keine fundierte wissenschaftliche Grundlage.
Die WHO-Experten argumentieren jedoch genau umgekehrt: Da bereits die beiden anderen pandemischen Coronaviren Sars und Mers mit großer Wahrscheinlichkeit über tierische Zwischenwirte auf den Menschen übergesprungen sind, hält sie dies auch beim neuen Coronavirus Sars-CoV-2 für wahrscheinlich. Die Laborthese will sie nach einigem Hin und Her aber weiter untersuchen.
Beim Sars-Ausbruch 2002/2003 hatten sich weltweit etwa 8000 Menschen infiziert, etwa zehn Prozent starben. Inzwischen gehen Experten davon aus, dass Schleichkatzen oder Marderhunde das damalige Virus, das ähnlich wie Sars-CoV-2 seinen Ursprung wohl in Fledermäusen hat, an den Menschen weitergegeben haben. Der Mers-Erreger, der im Menschen zwischenzeitlich vor allem auf der arabischen Halbinsel auftrat, wurde in Dromedaren als Zwischenwirten nachgewiesen.
Von oberster Stelle geadelt
Die Universität Hamburg scheint das unwissenschaftliche Vorgehen ihres Professors nicht zu stören. Laut Wiesendanger hat er seine Veröffentlichung gar gemeinsam mit dem Präsidenten Dieter Lenzen geplant. Beide hätten damit gerechnet, dass man sie als Reaktion in die Ecke von Verschwörungstheorien stellen werde. Lenzens Amtszeit als Präsident endet in etwa einem Jahr.
Auf Anfrage des SPIEGEL formuliert die Universität etwas zurückhaltender: Die Hochschulleitung und die Pressestelle der Universität Hamburg üben keine Zensur zu Forschungsgegenständen und -ergebnissen ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus
, erklärt eine Sprecherin. Forscherinnen und Forscher seien vielmehr zur Publikation ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse verpflichtet.
Das ist richtig, bedenkt man, dass deren Arbeit aus Steuergeldern finanziert wird. Die Frage bleibt jedoch, ob es sich bei dem aktuellen Papier überhaupt um ein wissenschaftliches Ergebnis handelt. Spiegel Wissenschaft, von Julia Merlot
Die Studie ist veröffentlicht unter: http://doi.org/10.13140/RG.2.2.31754.80323
Der Streit um Schwedens Pandemiekurs eskaliert
Inzidenz über 200, Corona-Maßnahmen vor der Verschärfung: Das politische Klima ist zunehmend vergiftet. Blick in ein verunsichertes Land. Hohe Infektionszahlen, deutlich sinkendes Vertrauen der Bürger, Kritik an öffentlich-rechtlichen Medien, Todesdrohungen gegen Mitarbeiter der staatlichen Gesundheitsbehörde FHM: Während das Land auf die dritte Welle zuzusteuern scheint, hat sich in Schweden die Debatte über die Strategie drastisch verschärft.
Schon seit dem vergangenen Frühjahr habe es Drohungen und Hassbekundungen gegen Mitglieder der FHM-Leitung gegeben, zitiert die Zeitung Dagens Nyheter
(DN) den Generaldirektor der Behörde, Johan Carlson, am Donnerstag. Aber es ist eskaliert und wir haben täglich damit zu tun. Es gibt Mitarbeiter, die Polizeischutz haben. Und es wird nicht besser, sondern es wird schlimmer
, so Carlson. Es geht sogar so weit, dass wir Todesdrohungen bekommen haben, die von der Polizei untersucht werden.
Um wen es sich konkret handelt, wollte der FHM-Chef nicht mitteilen, doch es ist unschwer zu erraten, dass der Staatsepidemiolge Anders Tegnell besonders betroffen sein dürfte. So viel ließ Carlson immerhin wissen: Zwischen Januar 2020 und Januar 2021 habe Tegnell schätzungsweise rund 50.000 externe Mails erhalten. Eine Stichprobe habe gezeigt, dass allein im Dezember 80 Hassmails eingegangen seien.
Welche Schärfe die Debatte über Schwedens Weg in der Pandemie inzwischen erreicht hat, wird deutlich, seitdem im öffentlich-rechtlichen Sender Sveriges Radio über die Gruppe Media Watchdogs of Sweden
berichtet wurde. Darin haben sich rund 200 Wissenschaftler und Aktivisten zusammengeschlossen, die bei Facebook und Twitter kommunizieren, wie unter anderem der Spiegel
berichtete.
Die Gruppe nennt Tegnells Ansatz demnach Gehirnwäsche
, die politisch Verantwortlichen seien Straftäter
und die Medien, die deren Botschaften an die Leute bringen, bestechlich
. Tegnell selbst gehört nach Ansicht der Watchdogs
wegen der vielen schwedischen Corona-Toten vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestellt. In dem Radiobeitrag heißt es: Tonlage und Methoden sind besorgniserregend.
Eine Debatte solle unterdrückt werden, so der Vorwurf
Andere werfen dem Sender wiederum vor, Teil der Regierungsmaschinerie zu sein. Es seien einzelne Zitate einer monatelangen Debatte aufgebauscht worden, um die Kritiker des schwedischen Kurses zu diskreditieren. Ein Mitglied der Watchdogs
beschwert sich in einem Leserbrief in der Zeitung DN, ihr werde von dem Sender Desinformation vorgeworfen, sie sei regelrecht zu einer Gefahr für die Demokratie gestempelt
worden, so Lisa Meyler.
Sie beschreibt sich als ganz normale Schwedin, die sich bei vielen internationalen Quellen wie beispielsweise der WHO und Wissenschaftsforen informiert habe. Meyler schreibt weiter: Die Gesundheitsbehörde äußert sich entsetzt und findet es schockierend und unangenehm, dass wir unser verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Meinungsfreiheit nutzen und unser grundlegendes Recht ausüben, eine Meinung zu bilden und Politik und Behördenentscheidungen zu beeinflussen, die unser tägliches Leben bestimmen.
Empört über den Radiobericht äußerten sich auch weitere namhafte Wissenschaftler des Landes wie Jan Lötvall, Professor und Oberarzt an der Universitätsklinik Göteborg, der schon lange den schwedischen Kurs kritisiert. Der Zeitung Aftonbladet
sagte er, es werde als unangemessen oder gar gefährlich dargestellt, Ansichten über die negativen Seiten der Strategie zu äußern. Ich finde es äußerst bemerkenswert, dass der schwedische öffentlich-rechtliche Rundfunk versucht, eine Debatte über die Corona-Strategie zu unterdrücken.
Forscher werfen Tegnell vor, Studien zu ignorieren
Scharfe Kritik an der FHM hatten Mitte November auch Vertreter des Schwedischen Wissenschaftsforums 19 – ein Zusammenschluss von mehr als 40 Forschern – im Interview mit dem Tagesspiegel geäußert. Es sei nicht zu verstehen, sagte die Professorin für Public Health, Claudia Hanson, warum Tegnell und sein Mentor Behördenchef Johan Carlson nicht auf wissenschaftlicher Basis im Einklang mit der offiziellen Regierungsinstruktion handeln. Und das, obwohl Experten schon seit März ständig aufs Neue in den Medien und im wissenschaftlichen Raum auf die WHO und auch Studien der EU-Agentur für Prävention von Krankheiten verweisen und Forschungsergebnisse darstellen.
Anders Tegnell gab von Beginn der Coronakrise an gemeinsam mit Carlson lange mehr oder weniger allein den Kurs vor, bestimmte die Strategie der rot-grünen Minderheitsregierung von Premier Stefan Löfven. Auch im nördlichen EU-Staat galt als oberste Maxime, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet werden dürfe. Es wurden ein paar vergleichsweise moderate Beschränkungen erlassen. Einen Lockdown sollte es aber anders als im Rest Europas nicht geben.
Vielmehr setzten die Verantwortlichen auf die Eigenverantwortung der Bürger. Mit Appellen und Empfehlungen sollte das Virus in Schach gehalten werden. Kitas, Schulen und Geschäfte blieben geöffnet, auch Kneipen und Restaurants durften und dürfen weiterhin unter Auflagen Gäste bewirten. Tegnell sträubte sich zudem lange, Masken zu empfehlen. Erst seit Anfang Januar wird dazu geraten, Mund und Nase zu bedecken – während der Stoßzeiten im öffentlichen Nahverkehr.
Die erste Welle hatte das Land hart getroffen, besonders viele Pflegebedürftige Menschen starben an Covid-19. Tegnell hat bereits eingestanden, dass der Ansatz, besonders ältere Bürger zu schützen, gescheitert sei. Das schwedische Pflegesystem mit seinen vielen Leiharbeitern geriet in den Fokus. Verantwortung wollte der 64-jährige Tegnell in diesem Punkt nicht übernehmen.
Doch der erste Teilbericht einer von der Regierung eingesetzten Expertenkommission kam einer Ohrfeige für ihn und die Regierung gleich: Der Pflegebereich war unvorbereitet und schlecht ausgerüstet, um eine Pandemie zu bewältigen
, heißt es in dem 300-Seiten-Bericht, der Mitte November veröffentlicht wurde. Für diese Versäumnisse trägt die jetzige Regierung, wie auch die früheren Regierungen, die eindeutige Verantwortung
, lautet das Urteil der Sachverständigen.
Inzidenz in Schweden liegt bei etwa 213
Tagespiegel-Daten zufolge liegt die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, mit 215 deutlich höher als in Deutschland (62). Insgesamt verzeichnet Schweden inzwischen rund 631.170 bestätigte Infektionen und 12.649 Covid-19-Tote. Pro eine Millionen Einwohner sind es in dem skandinavischen Land nun etwa 62.000 Infektionen und 1234 Verstorbene (Deutschland 28.500/805). 398.092 Menschen haben mindestens eine Impfung erhalten, 187.751 Personen bereits die Zweitimpfung.
Seit Mitte Dezember gingen die Fallzahlen zwar zurück, aber auch in Schweden wurde die deutlich ansteckendere britische Virusvariante B.1.1.7 nachgewiesen. Es ist immer noch unsicher, wie die britische Variante die Ausbreitung beeinflussen wird
, sagte Tegnell vor einer Woche.
Nun wurde auch erstmals die in Brasilien entdeckte Variante P.1 des Coronavirus nachgewiesen. Vier Menschen seien positiv auf die als ansteckender geltende Mutation getestet worden, teilte der Regionalrat von Gävleborg am Samstag mit, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Den Betroffenen gehe es gut, sie benötigten keine medizinische Versorgung. Keiner von ihnen hatte sich demnach zuvor in Brasilien aufgehalten. Die Behörden versuchten nun, ihre Kontakte zu ermitteln.
Ihm war von seinen Kritikern auch immer wieder vorgeworfen worden, er habe für das Land so schnell wie mögliche die sogenannte Herdenimmunität
erreichen wollen, um nicht zuletzt auch die Wirtschaft des Landes zu schützen. Tegnell und FHM bestreiten öffentlich zwar nach wie vor, dass dies Teil der Strategie gewesen sei. Publik gewordener Mailverkehr Tegnells lässt allerdings andere Schlüsse zu.
Wie die britische Zeitung The Telegraph
nun berichtete, soll Tegnell zugegeben haben, den Verlauf der Pandemie und vor allem die Zahl der asymptomatischen Fälle falsch eingeschätzt zu haben. Demnach sagte Tegnell vor der Oxford Union, einem Debattierclub der gleichnamigen, renommierten Universität in Großbritannien, Covid-19 sei vielleicht fälschlicherweise mit der Grippe verglichen worden, bei der sich ein großer Teil der Menschen anstecke, keine Symptome zeige, sich erhole und Antikörper entwickle.
Das hat sich als nicht richtig erwiesen, denn die Immunität in der Bevölkerung hat sich viel, viel niedriger entwickelt, als es jemand am Anfang erwartet hatte. Viele der anfänglichen Modelle waren von dieser Annahme ausgegangen, und es hat sich herausgestellt, dass das nicht der Fall war
, sagte Tegnell demnach.
Weiter sagte der schwedische Wissenschaftler, dass eine Herdenimmunität ohne Impfstoff nicht möglich sei. Ohne Impfstoff könne man nie eine so hohe Immunität erreichen, die nötig sei, um die Krankheit zu stoppen. Und er gestand demnach ein, dass die zweite Welle im Dezember unterschätzt worden sei. Tegnell: Nach dem Sommer sah es ziemlich vielversprechend aus, und wir hatten ein niedriges Niveau an Fällen, länger als die meisten Länder. Aber als es Schweden traf, traf es uns sehr hart.
Schweden verlieren Vertrauen in Premier Löfven
Die meisten Schwedinnen und Schweden haben den Kurs des Landes in der Pandemie lange mitgetragen. Doch offenbaren sich in Umfragen deutliche Risse. Eineinhalb Jahre vor der nächsten Reichstagswahl, bei der Premierminister Löfvens Minderheitsregierung gerne eine stabile Mehrheit erringen will, bröckelt ihr Rückhalt zusehends. Nur noch 26 Prozent fanden Ende Januar, Löfven habe die Krise bisher gut im Griff. Auch das Vertrauen in Tegnell ist im Sinkflug: Der Umfrage des Instituts Ipsos zufolge vertrauen ihm nur noch 54 Prozent. Im Oktober waren es noch 72 Prozent.
Die Verantwortlichen in Schweden verteidigten ihre Strategie lange damit, die Regierung habe anders als in den meisten anderen Staaten keine juristischen Möglichkeiten, um beispielsweise einen Lockdown durchzusetzen. Erst Anfang Januar wurden mit einem Pandemie-Gesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Viel zu spät, wie Kritiker urteilen.
Kommt bald doch der Lockdown in Schweden?
Am Mittwoch deutete sich nun an, dass es auch in Schweden dazu kommen könnte. Es gibt weiterhin Bedarf, mehrere Maßnahmen zu ergreifen, und es kann aktuell werden, Teile der schwedischen Gesellschaft zu schließen
, sagte Sozialministerin Lena Hallengren auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Stockholm. Es sei beunruhigend, dass der Rückgang der Neuinfektionszahlen abgenommen habe, sagte Hallengren.
Insgesamt fünf Vorschläge zu verschärften Maßnahmen werden nun zur Prüfung an die Behörden geschickt. Darunter sind die Möglichkeiten, unter anderem Geschäfte, Einkaufspassagen, Restaurants und Fitnessstudios schließen zu können. Zu den Vorschlägen zählt auch, den Zugang zu gewissen Plätzen zu beschränken.
Die Verantwortlichen in der Hauptstadtregion Stockholm stellen sich jedenfalls offenbar bereits auf ein neues Szenario ein. Dort stieg die Zahl der Neuinfektionen von der ersten zur zweiten Februarwoche um fast 25 Prozent, von 3223 auf 4000, wie der dortige Gesundheitsdirektor Björn Eriksson am Mittwoch sagte: In vielen anderen Ländern haben wir gesehen, dass der zweiten Welle ein Rückgang folgte und danach eine dritte Welle
, so Eriksson. Die neue Tendenz betrachte man daher sehr besorgt
. Und auch Tegnell sagt inzwischen: Es gibt ein großes Risiko für eine dritte Welle.
Tgs, Sven Lemkemeyer
Inzidenz in Nürnberg über 100 - wieder Distanzunterricht und nächtliche Ausgangssperre
Nach nur einem Tag müssen in Nürnberg die meisten Schülerinnen und Schüler wieder von zu Hause aus lernen. Wegen der hohen Zahl an Corona-Neuinfektionen in der Stadt mit ihren rund 518.000 Einwohnern gibt es ab heute wieder weitgehend Distanzunterricht, sagte Oberbürgermeister Marcus König (CSU) dem Bayerischen Rundfunk zufolge. Auch die Kitas kehren zur Notbetreuung zurück. Die nächtliche Ausgangssperre gilt wieder. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche liegt nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Nürnberg bei 101,5.
In Präsenz- und Wechselunterricht bleiben aber weiterhin die Abschlussklassen von Gymnasien, Fach- und Berufsoberschulen und von Berufsschulen, die noch vor Ostern ihre Abschlussprüfungen schreiben, so Schulreferentin Cornelia Trinkl. Ab Ende der Woche wolle sich die Stadtspitze wieder zusammensetzen und die Situation für die kommende Woche neu bewerten.
Im Zuge der Maßnahmen appellierte der Oberbürgermeister nochmals an die Bürgerinnen und Bürger, die Kontaktbeschränkungen auch bei steigenden Temperaturen und schönem Wetter einzuhalten. Dies sei offenbar zuletzt nicht mehr der Fall gewesen. Nürnberg habe im Dezember 2020 noch eine Inzidenz von fast 400 gehabt und sich vieles erarbeitet, das dürfe jetzt nicht verspielt werden, so König. Tgs.
Ethikratsvorsitzende kritisiert schnelle Lehrer-Impfungen
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, sieht das Vorziehen von Beschäftigten in Grundschulen und Kindertagesstätten bei Corona-Impfungen kritisch. Sie könne das politische Ziel nachvollziehen, die Schulen und Kindertagesstätten möglichst schnell und sicher wieder zu öffnen, sagte Buyx am Dienstag im Deutschlandfunk. Doch diese politische Entscheidung sei eine Abkehr vom Prinzip, zunächst die besonders gefährdeten Gruppen zu impfen.
Buyx sagte, sie hätte sich gewünscht, man hätte für einen sicheren Schulbetrieb andere Mittel genutzt und nannte den Einsatz von Schnelltests. Ich gönne das den Lehrerinnen und Lehrern von Herzen
, betonte die Münchner Medizinethikerin. Auch diese seien besonderen Infektionsrisiken ausgesetzt, jedoch weniger als Beschäftigte zum Beispiel in Teilen des Gesundheitswesens oder Krebskranke, die eine Chemotherapie erhalten. Sie hoffe nun, dass die Zahl der verfügbaren Impfdosen kurzfristig so stark steigt, dass ein harscher Verteilungskampf
ausbleibt.
Die Kriterien zur Priorisierung bei den Covid-19-Impfungen waren vom Ethikrat mit entwickelt worden. Bund und Länder hatten sich am Montag auf schnellere Corona-Impfungen für Lehrkräfte und Erzieher geeinigt. epd
35er-Inzidenz laut Mobilitätsforscher unrealistisch
Mit der offenbar raschen Ausbreitung einer ansteckenderen Corona-Mutante in Deutschland rückt die Zielmarke von 35 bei der Sieben-Tage-Inzidenz aus Expertensicht in die Ferne. Ohne zusätzliche Maßnahmen erscheine das Erreichen dieses Werts bis auf weiteres unrealistisch
, erklärte der Leiter des Fachgebiets Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik an der TU Berlin, Kai Nagel, der Deutschen Presse-Agentur. Seine Gruppe modelliert das Infektionsgeschehen in Berlin unter anderem mit anonymisierten Mobilfunkdaten. Nagel zufolge sind die Ergebnisse übertragbar auf die Lage bundesweit.
Die vor Weihnachten zunächst in Großbritannien entdeckte Mutante B.1.1.7 breitet sich nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) von vergangener Woche auch hierzulande aus: Binnen zwei Wochen wuchs der Anteil in Stichproben von knapp 6 auf 22 Prozent. Berücksichtige man die deutlich erhöhte Ansteckungswahrscheinlichkeit, sei die Situation laut Modell deutlich kritischer als bisher von uns vorhergesagt
, erläuterte Nagel. Bei reiner Beibehaltung der jetzigen Maßnahmen bekommen wir dann laut Modell eine dritte Welle; jede Art von Öffnungen vergrößert diese Welle.
Nagel betonte: Wir können dagegenhalten, indem Kontakte in Innenräumen ohne Schutzmaßnahmen generell vermieden werden.
Zu solchen zu vermeidenden Kontakten gehörten neben Schulen auch Mehrpersonenbüros und gegenseitige Besuche. Mögliche Schutzmaßnahmen seien Masken, Schnelltests, Impfungen und eine Verlagerung von Veranstaltungen nach draußen.
In die Modelle der TU-Wissenschaftler fließen auch Kennzahlen zum Virus und Aspekte wie die Temperatur und die davon abhängigen Freizeitaktivitäten ein. Zuletzt sei in den Mobilitätsdaten kein verändertes Verhalten der Menschen zu sehen gewesen, schilderte Nagel - mit Ausnahme der Wochenenden, an denen bei besserem Wetter mehr Leute unterwegs seien. Solange diese zusätzlichen Aktivitäten allerdings im Freien stattfänden, entstehen daraus laut unseren Modellen aber keine relevanten zusätzlichen Infektionen
, so Nagel. dpa
Inzidenz steigt leicht – aber 54 weniger Tote als vor einer Woche
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 4369 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 62 weitere Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Montag hervor. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 4426 Neuinfektionen und 116 neue Todesfälle verzeichnet.
Damit setzt sich ein Trend beim Rückgang der Todeszahlen fort: Am 15. Februar hatte das RKI 158 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Genau eine Woche davor waren es noch 175 gewesen.
Am Montag sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 03.10 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Montagmorgen bundesweit bei 61,0 - und damit höher als am Vortag (60,2). Vor vier Wochen, am 25. Januar, hatte die Inzidenz noch bei 111,2 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.
Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.390.928 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 22.02., 03.10 Uhr). Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.198.000 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 67.903.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Sonntagnachmittag bei 1,10 (Vortag 1,07). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 110 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Olaf Scholz macht Impfstoffe unnötig teuer
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hält die Preise für Impfstoffe und Corona-Tests künstlich hoch, wie der SPIEGEL berichtet.
Bislang verzichtet Scholz auf die Möglichkeit, bei den Produkten die Erhebung der Mehrwertsteuer auszusetzen. Das wäre ihm seit Beginn des Jahres erlaubt. Mitte Dezember hatte der Europäische Rat beschlossen, den Mitgliedsländern die Möglichkeit einzuräumen, den regulären Steuersatz auf Vakzinen und Tests auf den ermäßigten Tarif zu senken oder gleich ganz auf die Steuer zu verzichten. Die Verkäufer würden so in die Lage versetzt, die Preise entsprechend zu senken.
Österreich macht von dem Wahlrecht bereits Gebrauch und hat die Produkte von der Mehrwertsteuer befreit. In Deutschland dagegen fallen auf Impfdosen und Tests noch immer 19 Prozent Mehrwertsteuer an. Verzichtete auch Scholz, würden Impfungen und Testungen deutlich billiger.
Die Größenordnung ist beträchtlich. Allein für die Anschaffung von Impfstoffen hat Finanzminister Scholz dieses Jahr 8,8 Milliarden Euro bereitgestellt. Die darin enthaltene Mehrwertsteuer beträgt 1,4 Milliarden Euro. Tsp
Abenteuer Corona-Impfung
Durch die Zeitung war ich informiert, dass es nun bald eine Impfung gegen Covid 19 geben werde. Die Koordinierung sollte unter der Telefonnummer 116117 erfolgen. Die Impfberechtigen über 80 Jahren mögen sich aber gedulden, sie würden ein Schreiben der Behörde erhalten. Das Schreiben kam dann auch einige Tage später. Unsere Sozialsenatorin teilte mir darin nicht den erhofften Impftermin mit, sondern die sensationelle Empfehlung, ich möchte mir doch unter der Nummer 116117 einen Termin holen …?
Beim achten Versuch, an mehreren Tagen, wurde ich dann tatsächlich mit einem Mitarbeiter verbunden! Er teilte mir mit, ich möge es in einer Woche noch einmal probieren, bis dahin gebe es keine neuen Termine. In derselben Nacht, um 00:15 Uhr hat mein Sohn dann einen Impftermin für mich bekommen. Leider nicht für meine Frau / Betreuerin, die uns wegen meiner außergewöhnlichen Gehbehinderung zugeteilt ist. Dies ist über das Internet nicht möglich, sondern nur über 116117, wo es aber keine Termine gab! So wurde es uns mitgeteilt.
Das Anmelden übers Internet war aber auch nicht einfach. Nach der Anmeldung bekommt man einen Code auf sein Handy, mit dem man dann im Netz weitermachen kann.
Wieviele über Achtzigjährige haben einen Computer und kennen sich damit aus? Bei mir wäre es schon an meinem zehn Jahre alten Handy gescheitert!
Mit dem Termin musste ich jetzt nur noch eine Einwilligungserklärung zu Informationspflichten bei einer Erhebung von Daten, ein dreiseitiges Aufklärungsblatt zur Schutzimpfung, eine Einwilligungserklärung und einen Anamnesebogen herunterladen.
Nun wollte ich nur noch wissen, ob ich meinen Rollator mitbringen soll, oder, wie es im Abendblatt stand, es vor Ort ausreichend Rollstühle und Rollatoren gibt. Im Internet gab es hunderte Seiten über die Messehallen, aber keine Telefonnummer, wo man so etwas hätte erfragen können. Bei der Hamburger Behördenauskunft erhielt ich die Antwort: Dafür sind wir nicht zuständig, das ist keine Behörde. Zählt denn die Sozialbehörde von Frau Dr. Leonhard nicht zu den Behörden?
Auch meine Krankenkasse erklärte sich als nicht zuständig. Meine Beförderung mit einem Taxi zu den Ärzten, die mir wegen meiner Schwerbehinderung normalerweise von der Krankenkasse bezahlt wird, gilt für die Corona-Impfung nicht. Ich möchte mich doch gefälligst an meinen Hausarzt wenden und mir eine Bescheinigung ausstellen lassen, dass ich einen Behindertenausweis aG habe und auf einen Transport angewiesen bin. Auch mein Hinweis, dass die Krankenkasse doch alle Unterlagen hat, nützte nichts, ist Vorschrift
, bekam ich als Antwort. Das hatte ich in meinem Leben schon öfter gehört.
Aber nun gibt es Licht am Ende des Tunnels.
Das Deutsche Rote Kreuz hat sich eingeschaltet! Die Telefonnummer habe ich wieder einmal nur aus der Zeitung erhalten! Nun ging alles ganz schnell. Angerufen, Impftermin genannt, wir rufen in zehn Minuten zurück. Nach fünf Minuten riefen sie zurück, wir fahren Sie hin und zurück, machen Sie sich keine Gedanken um die Kosten.
Fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit stand dann auch ein achtsitziger Kleinbus des DRK vor unserer Tür. Es war aber kein Sammeltransport, wie ich befürchtet hatte, sondern ich blieb der einzige Passagier. Die Zufahrt zum Impfzentrum war ab der Rentzelstraße sehr gut ausgeschildert. Horst, der Fahrer, brachte mich direkt vor den Eingang. Er zeigte mir dann noch den eigens für das DRK reservierten Parkplatz, wo er warten würde, bis ich fertig bin.
Als Erstes musste ich am Eingang meine Terminbestätigung vorzeigen. Dann ging es durch einen Gang, in dem ich aufgefordert wurde, meine Mütze abzunehmen. Sollte ich hier jemanden begrüßen? Nein, natürlich nicht. Hier wurde im Vorbeigehen von einer Wärmebildkamera meine Temperatur gemessen.
Nun war ich im Impfzentrum angekommen. Eine riesige Halle mit nur wenigen Besuchern. Zuerst wurde ich gefragt, ob ich einen Rollstuhl haben möchte! Angesichts der vielen durch Absperrbänder gekennzeichneten Wege habe ich dann um einen Rollstuhl gebeten.
Ein junger Mann kam sofort und hat mich zu den verschiedenen Anlaufstellen geschoben. Es waren hier fast nur junge Frauen und Männer im Einsatz. Alle sehr nett, höflich und hilfsbereit.
Das mit dem Herunterladen des Aufklärungsblattes zur Schutzimpfung, der Einwilligungserklärung und dem Anamnesebogen hätte ich mir sparen können, es war hier alles vorbereitet. Weiter ging es zu einer sehr netten, jungen Ärztin mit blondem Pferdeschwanz und braunen Augen, die mit mir den Anamnesebogen und meine Tablettenliste sorgfältig besprach.
Da der junge Mann, der mich bis dahin mit dem Rollstuhl geschoben hatte und mich nun zur Impfkabine weiterschieben sollte, verschwunden war, holte sich die Ärztin meine Spritze und verabreichte sie mir in ihrem Raum. Dann schob sie mich noch in den Ruheraum, in dem alle eine halbe Stunde bleiben müssen, um eventuelle Reaktionen auszuschließen. Von hier aus schob mich jetzt ein junges Mädel zur Abmeldung. Hier wurden noch einmal alle Papiere überprüft. Sie schob mich sogar über den Parkplatz bis zum DRK-Bus, der mich nach Hause brachte.
Alles zusammen hat eineinhalb Stunden gedauert. Ich möchte mich bei allen Mitarbeitern des Impfzentrums für die freundliche Behandlung bedanken.
Auf der Rückfahrt gerieten wir in Eppendorf in eine Demonstration mit über hundert Autos von Impfgegnern, Corona-Leugnern und anderen mit bunten Plakaten beklebten Autos, welche die Straßen verstopften. Mit Mühe versage ich mir einen Kommentar dazu. Bernd Herzog 6. Februar 2021
Dänemark schließt wegen Hotspot Flensburg kleinere Grenzübergänge
Dänemark hat wegen der Corona-Lage in Flensburg mehrere kleinere Grenzübergänge nach Deutschland geschlossen. In der Grenzstadt im Norden von Schleswig-Holstein werden nach Angaben von Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) inzwischen fast nur noch Corona-Infektionen mit der zunächst in England aufgetretenen Variante B.1.1.7 festgestellt, die als besonders ansteckend gilt.
Die dänische Regierung habe sich deshalb dazu entschlossen, den Einsatz an der deutsch-dänischen Grenze zu verschärfen, teilte das Justizministerium am Freitag in Kopenhagen mit. Konkret wollte die dänische Polizei in der Nacht zum Samstag insgesamt 13 Grenzübergänge schließen. Wichtige Übergänge wie Frøslev, Kruså und Padborg sollten dagegen offen bleiben. Dort werde aber wesentlich intensiver
kontrolliert, erklärte das Ministerium. dpa
9164 Neuinfektionen und 490 Todesfälle gemeldet
Innerhalb eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland dem Robert Koch-Institut (RKI) 9164 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Außerdem wurden 490 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden im Zusammenhang mit dem Coronavirus gemeldet, wie aus Zahlen des RKI vom Samstag hervorgeht. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 03.10 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Am Samstag vergangener Woche hatte das RKI binnen eines Tages 8354 neue Fälle und 551 neue Todesfälle registriert. Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden, er enthielt jedoch 3.500 Nachmeldungen.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Samstagmorgen bundesweit bei 57,8 - und damit etwas höher als am Vortag (56,8). Schon in den Tagen zuvor hatte es keinen deutlichen Rückgang der Inzidenz mehr gegeben. Vor vier Wochen, am 21. Januar, hatte die Inzidenz noch bei 119,0 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.
Seit Beginn der Pandemie zählte das RKI 2.378.883 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 67.696.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Freitagabend bei 1,01 (Vortag 0,94). Der Wert bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 101 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Helmholtz-Forscher warnt vor Lockerungen Mutante verbreitet sich in Deutschland schon exponentiell
Der Forscher Meyer-Hermann sagt: Wir haben es mit zwei Pandemien zu tun – einer alten, und einer mit aggressiven Mutanten. Das macht den Ausgang ungewiss.
Der System-Immunologe Michael Meyer-Hermann warnt, dass ansteckendere Varianten des Coronavirus die von der Politik angepeilte Inzidenz von 35 Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche torpedieren.
Sollte sich das Vorkommen der Mutante B117 ungünstiger entwickeln als erwartet, könne es sein, dass die 35 mit dem aktuellen Lockdown gar nicht zu erreichen sei, sagt Meyer-Hermann. Das macht deutlich, dass jede Form von Öffnungen zum jetzigen Zeitpunkt ein hohes Risiko birgt, die gesetzten Ziele nicht erreichen zu können.
Meyer-Hermann, Physiker und Mathematiker, ist Leiter der Abteilung Systemimmunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Wir sind aktuell mit mindestens zwei Pandemien konfrontiert
, erklärt der Forscher auf Tagesspiegel-Anfrage.
Die alte haben wir mit den aktuellen Maßnahmen unter Kontrolle und bringen die Inzidenzen mit einer Reproduktionszahl von 0,85 runter.
Eine Inzidenz von 35 könne so Anfang März erreicht werden - allerdings ohne die geplanten leichten Öffnungen und ohne ungünstiges Dazwischenfunken von Mutanten.
Sieht noch wie sinkende Fallzahlen aus
Gleichzeitig findet aber gerade eine Ausbreitung der neuen Variante statt, deren Reproduktionszahl mit den aktuellen Maßnahmen über eins liegt. Da die neue Variante noch nicht dominant ist, sieht das in der Summe immernoch wie sinkende Fallzahlen aus.
Die Mutante B117 habe in konservativen Schätzungen aber eine um 35 Prozent höhere Übertragungswahrscheinlichkeit. Sie befindet sich in Deutschland bereits wieder in einer Phase des exponentiellen Wachstums und die aktuellen Maßnahmen reichen nicht, um diese Entwicklung auszubremsen
, ergänzte er. Je mehr man jetzt aufgrund der fallenden Inzidenzen lockert, desto früher wird die dritte Welle mit B117 sich entwickeln.
B117 expandiere mit niedrigen absoluten Fallzahlen exponentiell mit einer Reproduktionszahl über 1. Grob geschätzt 1,2
, erklärt der Forscher. Das sieht man nur nicht, weil immer noch die meisten Fälle mit der alten Variante auftreten.
Über kurz oder lang werde B117 dominieren, ist er sich sicher. Die Verlangsamung zeigt an, dass die neue Variante gerade übernimmt und die dritte Welle einleitet.
Tatsächlich zeigen aktuelle Zahlen des RKI, die Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch verkündete, dass die erstmals in Großbritannien nachgewiesene Mutation B117 inzwischen einen Anteil von mehr als 20 Prozent an den Gesamtinfektionen hat. Im Dezember und Januar schätzte das RKI den Anteil auf sechs Prozent.
Über kurz oder lang wird die Mutante dominieren
In Großbritannien dominiert die Variante B117 inzwischen das Infektionsgeschehen: In fast 90 Prozent aller untersuchten Proben wurde zuletzt die Mutation nachgewiesen, in London sind es sogar 97 Prozent. Auch in Dänemark findet sich die Variante B117 bereits in mehr als jeder vierten Probe.
Auch in der Region Hannover macht die britische Corona-Variante inzwischen 40 Prozent aller Corona-Infektionen aus. Das gab der Leiter des Landes-Krisenstabs, Heiger Scholz, laut der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung bei einer Pressekonferenz am Dienstag bekannt.
Die Expansion dieser Variante lasse sich aber durch Beibehaltung der aktuellen Maßnahmen so lange verzögern, dass die Fallzahlen hinreichend sinken würden, prognostiziert Meyer-Hermann. Er plädiert für ein Inzidenz-Ziel um die 10. Mit der dann besseren Nachverfolgung lasse sich die dritte Welle noch abfangen, erklärt der Forscher. Eine Diskussion über Öffnungen sei daher im Moment fatal.
Man muss sich vielmehr überlegen, wie man die dritte Welle aufhalten oder wenigstens Abfangen kann.
Grundsätzlich haben die Gegenden, die an Hochinzidenz-Regionen angrenzen, mehr Schwierigkeiten, die Inzidenzen zu senken
, ergänzt der Forscher. Dies gilt umso mehr, als dort auch eine höhere Gefahr existiert, die neuen Varianten einzuschleppen.
Daher könne es in einigen Regionen länger dauern und in anderen schneller gehen. Wenn man den Ursprung aller Infektionen in einer Region kenne, dann könne man dort auch schon lokal öffnen.CDU-Chef Armin Laschet hatte am Montag vor einem zu einseitigen Fokus auf die Infektionszahlen gewarnt. Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet
, sagte er. Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen.
Man müsse all die anderen Schäden, etwa für Gesellschaft und Wirtschaft, genauso im Blick haben wie die Inzidenzzahlen. Dafür erntete er Kritik. Tsp mit Agenturen, Lea Schulze
Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt.
RKI-Chef Lothar Wieler zur Bedrohung durch Virusmutanten, Anteil von Mutante B117 steigt rasant.
Der Anteil der britischen Coronavirus-Variante B117 an den Infektionen steigt in Deutschland rasant an. Das sagte RKI-Chef Lothar Wieler am Freitag bei einer Pressekonferenz zur Corona-Lage in Deutschland. Wenn sich B117 weiter ausbreitet, wird es schwieriger
, sagte Wieler. Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt
, sagte Wieler. Die bundesweiten Fallzahlen scheinen zu stagnieren
, fügte er hinzu. Viele Bundesländer würden auf ein Plateau zusteuern, das aber zu hoch sei.
Das Virus gibt nicht einfach auf, das sehen wir dieser Tage sehr klar. (Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU))
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) geben vor der Presse einen Überblick über die Corona-Lage in Deutschland. Dabei dürfte es vor allem auch um die Verbreitung der Virus-Mutanten gehen. Tgs
Staatsanwaltschaft ermittelt: Arzt mit Corona-Symptomen trägt keine Maske
Ein Hausarzt soll Patienten teilweise ohne Maske behandelt haben, obwohl er Corona-Symptome hatte. Sein Verhalten soll mit dazu beigetragen haben, dass die Inzidenz im Landkreis Vechta auf mehr als 200 anstieg. Nach Berichten über einen Hausarzt, der gegen Corona-Hygienregeln verstoßen haben soll, hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg Ermittlungen aufgenommen. Es bestehe der Anfangsverdacht der versuchten beziehungsweise vollendeten Körperverletzung, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Der Mediziner soll weiterbehandelt haben, obwohl er selbst Corona-Symptome hatte, und dabei nicht immer eine Maske getragen haben.
Das Verhalten des Arztes aus Goldenstedt soll mit dazu beigetragen haben, dass in der vergangenen Woche der Sieben-Tage-Wert im Landkreis Vechta auf mehr als 200 Neuinfektionen unter 100.000 Einwohnern angestiegen war. Der Landkreis hatte die Praxis bereits Ende Januar wegen Hygienemängeln vorübergehend geschlossen.
Es sei offensichtlich bekannt, dass dieser Arzt auch zu denen gehört, die Corona leugnen und das alles nicht schlimm finden
, hatte in der vergangenen Woche die Vize-Leiterin des Corona-Krisenstabs des Landes, Claudia Schröder, gesagt.
Insgesamt hatte der Mann zu etwa 200 Patienten Kontakt, sagte ein Sprecher des Landkreises Vechta. Ob er Menschen angesteckt hatte, und wenn ja, wie viele, könne nicht gesagt werden: Eine Kausalität ist nur schwer feststellbar.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob ausreichende Verdachtsmomente eines strafbaren Verhaltens nachzuweisen sind, die ausreichend für eine Anklageerhebung wären. Bei einer entsprechenden Verurteilung reiche der Strafrahmen gemäß Paragraf 223 StGB von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren Dauer. Der Ausgang der Ermittlungen ist indes zum jetzigen Zeitpunkt noch offen
, betonte der Staatsanwalt.
Die Praxis ist inzwischen wieder geöffnet, der Arzt sei auch nicht mehr in Quarantäne, hieß es vom Landkreis. Der Fall werde von der Behörde noch geprüft.
Sollte es zu einem Strafverfahren mit einer Verurteilung kommen, könnte unter Umständen auch die Approbation des Arztes gefährdet sein. Nach der aktuellen Rechtsprechung ist die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs anzunehmen, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Vertrauen und Ansehen besitzt
, sagte dazu die Geschäftsführerin des Niedersächsischen Zweckverbandes zur Approbationserteilung (Nizza), Meike Meyer-Wrobel.
Ein schwerwiegendes Fehlverhalten eines Arztes könne zum Beispiel in der Begehung von Straftaten gesehen werden. Allerdings werde in diesen Fällen zunächst der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet. Bei besonders schwerwiegenden Straftaten, bei denen ein Abwarten im Hinblick auf den Patientenschutz nicht vertretbar wäre, könnten auch vorübergehende Maßnahmen wie das Ruhen der Approbation angeordnet werden. Die rechtlichen Hürden seien allerdings in beiden Fällen hoch. dpa
Thüringen: Starker Anstieg an Neuinfektionen und Sieben-Tage-Inzidenz
In Thüringen, dem deutschlandweit am stärksten von der Pandemie betroffenem Bundesland, steigt die Zahl der Neuinfektionen stark an.
Von Mittwoch auf Donnerstag kamen laut Staatskanzlei (Stand 0.00 Uhr) landesweit 513 Neuinfektionen hinzu. Zudem wurden 23 neue Todesfälle gemeldet.
Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz lag am Donnerstag nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) und der Staatskanzlei bei 119,5 (Vortag: 111,6). Thüringen ist damit auch das einzige Bundesland, in dem die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche über der Marke von 100 liegt.
Das ist mehr als doppelt so hoch wie der Bundeswert, der laut RKI am Donnerstag bei 57,1 lag. Die Sieben-Tage-Inzidenzen gehen vor allem auch in Bremen (65,8), Nordrhein-Westfalen (57,1) und Sachsen-Anhalt (83,8) hoch - aber nirgends so stark wie im ländlich geprägten Thüringen. Thüringenweit hat der Kreis Schmalkalden-Meiningen mit 211,3 die höchste Sieben-Tage-Inzidenz - bundesweit ist das der vierthöchste Wert. dpa
Biontech-Impfstoff neutralisiert südafrikanische Virusvariante
Der Biontech-Impfstoff schützt einer aktuellen Untersuchung zufolge wahrscheinlich auch vor der südafrikanischen Virusvariante - allerdings ist die Zahl der dagegen gebildeten Antikörper wohl geringer. Das berichten Wissenschaftler im The New England Journal of Medicine
. Sie hatten im Labor überprüft, inwieweit sich mit dem Blutserum geimpfter Personen Viren mit verschiedenen Mutationen neutralisieren lassen. Bei der südafrikanischen Variante war die Zahl der neutralisierenden Antikörper geringer, die Neutralisierungsrate des Impfstoffs um etwa zwei Drittel reduziert.
Es sei noch unklar, welchen Effekt dies genau für die Wirkung der Impfung gegen die südafrikanische Virusvariante habe, schreiben die Wissenschaftler von der University of Texas Medical Branch. Für die Schutzwirkung eines Impfstoffes ist nicht allein die Menge der gebildeten Antikörper wichtig, das Immunsystem zeigt nach einer Impfung weitere schützende Reaktionen, etwa die Bildung von T-Zellen. dpa
7.556 Corona-Neuinfektionen und 560 neue Todesfälle gemeldet
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 7556 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 560 weitere Todesfälle verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Mittwoch hervorgeht. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 06.45 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 8072 Neuinfektionen und 813 neue Todesfälle verzeichnet. In diesen Zahlen waren etwa 600 Nachmeldungen von Neuinfektionen aus Nordrhein-Westfalen enthalten, die am Vortag gefehlt hatten. Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Mittwochmorgen bundesweit bei 57,0. Vor vier Wochen, am 17. Januar, hatte die Inzidenz noch bei 136 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.350.399 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 17.02., 04.36 Uhr). Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 66.164.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Dienstagabend bei 0,84 (Vortag 0,86). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 84 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Löhne in 2020 aufgrund von Corona gesunken
Die Corona-Krise hat negative Auswirkungen auf die Einkommen der Menschen in Deutschland. Erstmals seit Beginn der Erhebungen 2007 sind im vergangenen Jahr die Nominallöhne zurückgegangen, wie das Statistische Bundesamt berichtet.
Einschließlich von Sonderzahlungen lagen die Bruttolöhne durchschnittlich 0,6 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, hieß es auf der Grundlage vorläufiger Zahlen. Da gleichzeitig die Verbraucherpreise um 0,5 Prozent gestiegen sind, blieben den Beschäftigten real rund 1,0 Prozent weniger Gehalt als noch 2019. dpa
Diese neue Hass-Welle ist bitter und wirkt einschüchternd
Karl Lauterbach ist als Regierungsberater ein Gesicht der Corona-Pandemie. Nun gibt er Einblicke, was Beleidigungen und Drohungen mit ihm machen.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach steht als Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Corona-Pandemie im Fokus. Er polarisiert, weil nicht wenige Deutsche in ihm ein Gesicht der Beschränkungen sehen.
In den sozialen Medien zeigt sich diese Polarisierung besonders. Vor allem der Hass, der Lauterbach entgegenschlägt, nimmt in den vergangenen Wochen immer mehr zu. Via Twitter meldete er sich zu diesem Hass nun zu Wort und gab Einblicke in sein Gefühlsleben. Ich bin Politiker und Wissenschaftler, kann einiges ab
, so Lauterbach. Aber diese neue Hasswelle sei einschüchternd
und schwer zu ertragen
.
Seine Büroschreibtische seien voll von Anzeigen und Ermittlungsgefahren, schreibt Lauterbach. Es ist immer der Versuch, warnende Stimmen einzuschüchtern.
Ähnlich äußerte der Epidemiologe und Arzt sich auch in einem Interview mit dem Spiegel
. Die ganzen Briefwechsel mit Staatsanwälten und Ermittlern, die mit Drohungen gegen ihn zusammenhängen, hätten ihn sehr nachdenklich gemacht, sagt Lauterbach da.
Ich versuche, das weitestgehend auszublenden. Zudem bin ich schon länger im Politikgeschäft und halte so einiges aus. Aber ich muss sagen: Der Hass, der derzeit auf mich einprasselt, stellt alles in den Schatten, was ich bisher erlebt habe
, so Lauterbach. Die derzeitigen Drohungen seien eine neue Dimension der verbalen Brutalität, eine neue Sprache, die mich wirklich verstört
.
Die Erklärung für diese verstärkten Angriffe ist für ihn offensichtlich: die ausgebliebenen Lockerungen. Die Leute sind wütend, weil die Bundesregierung trotz sinkender Fallzahlen keine Lockerungen in Aussicht gestellt hat, sondern vorsichtig bleibt
, so Lauterbach. Das sei in Anbetracht der drohenden dritten Welle allerdings auch nur konsequent und richtig. Jetzt kommen die härtesten Monate der Pandemie
, so Lauterbach.
Und da Lauterbach ein Berater der Bundesregierung in der Corona-Pandemie ist, fällt das Ausbleiben der Lockerungen aus Sicht mancher Menschen auch auf ihn zurück.
Zwischendurch war es deutlich ruhiger geworden, die Beleidigungen hatten abgenommen. Nun ist der Hass wieder da. Er ist deutlich eskaliert – und scheint immer radikaler zu werden
, so Lauterbach. Diese Menschen möchten andere und mich zum Schweigen bringen, mit allen Mitteln.
Er kenne einige Wissenschaftler, die sich nach Drohungen im Netz jetzt deutlich vorsichtiger äußern würden, sagt Lauterbach, ohne Namen zu nennen. Er könne diesen Schritt gut verstehen, denn er habe sein Leben bereits umstellen müssen und lässt sich mittlerweile von Sicherheitsexperten beraten.
Es gab eine Situation, in der er Hilfe rufen musste
Denn auch er sagt, dass er nie ganz ausschließen könne, dass nicht irgendein Gewaltbereiter oder sogar ein psychisch Kranker mir oder meiner Familie dann tatsächlich Gewalt antut
, so Lauterbach.
Dem Spiegel
offenbarte er sogar, dass er bereits einmal tätlich angegriffen worden sei. Es habe eine Situation gegeben, bei der ich auch Hilfe rufen musste
, so der SPD-Politiker, ohne weiter darauf einzugehen.
Sein Leben an die Gegebenheiten anpassen ist das eine, allerdings denke er gar nicht daran, einzuknicken und seine Meinung deshalb anzupassen. Es geht hier um die Gesundheit des Landes
, sagt Lauterbach. Und ich werde weitermachen, wie viele andere meinen Beitrag dazu zu leisten, damit wir mit möglichst wenigen Sterbefällen und dauerhaft Erkrankten durch diese Pandemie kommen.
Spiegel Online, von Christopher Stolz
Wegen Virus-Mutante: Großeinsatz der Polizei in Hamm
Der Nachweis der britischen Mutante des Coronavirus hat in Hamm zu einem Großeinsatz der Polizei geführt. Eine Hundertschaft sei seit Montagabend im Einsatz, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstagmorgen.
Nach Angaben der Stadt war ein Bauarbeiter auf Montage positiv auf die Variante B.1.1.7 getestet worden. Sie gilt als ansteckender. Daraufhin seien vier Wohnhäuser unter Quarantäne gestellt worden. Die Bewohner werden nun getestet. Die Beamten überwachten unter anderem die Einhaltung der Quarantäne. dpa
4426 Corona-Neuinfektionen und 116 neue Todesfälle gemeldet - Inzidenz weiter unter 60
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 4426 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 116 weitere Todesfälle verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Montag hervorgeht. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 05.30 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 4535 Neuinfektionen und 158 neue Todesfälle verzeichnet. Montags sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Montagmorgen bundesweit bei 58,9. Am Vortag hatte sie bei 57,4 gelegen. Vor vier Wochen, am 17. Januar, hatte die Inzidenz noch bei 136 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Sonntagabend bei 0,88 (Vortag 0,90). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 88 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa]
Baden-Württemberg baut Analyse von Virusvarianten aus
In Baden-Württemberg sollen in den kommenden zwei Wochen alle positiven Corona-Proben auf Virusvarianten untersucht werden. Mit dieser flächendeckenden Bestimmung sei Baden-Württemberg im Ländervergleich ihres Wissens nach Vorreiter, teilte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) mit. Ziel sei es, die Verbreitung bestimmter Varianten gezielt einzudämmen.
Bislang werden alle Proben in Baden-Württemberg mit einer PCR-Untersuchung lediglich auf bestimmte Abweichungen als Hinweis auf vorhandene Mutanten geprüft. Um die genaue Variante zu bestimmen, ist ein aufwendigeres Verfahren notwendig, die Vollgenomsequenzierung - also die Entzifferung des gesamten Erbguts.
Nur so ist es möglich, zu erkennen, ob es sich beim jeweiligen Erreger um Varianten wie die zuerst in Großbritannien entdeckte Mutante B.1.1.7 oder die zunächst in Südafrika nachgewiesene Variante B.1.351 handelt. Diese Varianten sind mehreren Analysen zufolge ansteckender und stellen deshalb eine Gefahr für die Eindämmung der Pandemie dar.
Im Südwesten liegt der Anteil der Virusvarianten nach Angaben des Wissenschaftsministeriums derzeit bei rund sechs Prozent. Da die Untersuchungen bislang noch verdachtsbezogen und nicht flächendeckend erfolgten, sei von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen. dpa
FC Bayern, Katar, Rummenigge - Dieser Irrsinn sendet fatale Botschaften
Finale der Klub-WM: Dass der FC Bayern in Katar spielt, ist äußerst fragwürdig. Thomas Müllers Infektion verdeutlicht das, Karl-Heinz Rummenigges Impf-Kommentare sorgen für zusätzliche Gefahr.
Finale der Klub-WM: Dass der FC Bayern in Katar spielt, ist äußerst fragwürdig. Thomas Müllers Infektion verdeutlicht das, Karl-Heinz Rummenigges Impf-Kommentare sorgen für zusätzliche Gefahr. Von der einst versprochenen Demut ist nichts mehr übrig.
Der Fußball kann eine wichtige Signalwirkung haben
, sagte Karl-Heinz Rummenigge. Wir müssen unsere Kritiker überzeugen, dass der Fußball das Thema Coronavirus seriös angeht
, war sich der Bayern-Boss bewusst: Wir wollen und werden unserer Verantwortung gerecht werden. Wir wollen keine Sonderrolle.
Das war Ende April 2020, kurz bevor die Bundesliga nach einer Corona-Pause den Neustart hinlegen sollte. Wir sind stolz, dass wir wieder spielen können, aber es ist auch wichtig, die allgemeine Situation mit Demut anzunehmen
, legte Rummenigge rund einen Monat später in der italienischen Sportzeitung Gazzetta dello Sport
nach.
Verantwortung und Demut scheinen dem Bayern-Boss knapp ein Jahr später - nun, sagen wir einmal - spontan abhandengekommen zu sein. Denn wenn der FC Bayern heute Abend im Finale der Klub-WM in Katar (19 Uhr im Liveticker auf ntv.de) wohl auch den sechsten Titel der Saison einstreicht und damit eine historische Leistung hinlegt, die vorher weltweit nur ein einziges Mal dem FC Barcelona gelang, muss man fragen: zu welchem Preis?
Die Reise des FC Bayern durch die Weltgeschichte zu einem Turnier mit klangvollem Namen, aber von eher nachrangiger sportlicher Reputation (die Münchner Kicker werden ihren Enkelkindern wohl eher vom Champions-League-Titel gegen PSG und Neymar als vom grandiosen Sieg gegen die Tigres aus Mexiko berichten), ist mehr als fragwürdig. Gerade auch, weil die Geldmaschine namens Klub-WM im Unrechtsstaat Katar aufgestellt wurde. Das Emirat versucht die Welt mit dem Event mittels Sportwashing über die Menschenrechtsverletzungen im Land hinwegzutäuschen, und der FC Bayern, ohnehin in einer engen Sponsoren-Beziehung mit dem Wüstenstaat, macht auch in Pandemiezeiten gerne mit. Thomas Müllers positiver Test zeigt erneut mit Wucht, dass die Fußballer-Blase eben nicht unverwundbar ist, und wie irrsinnig es ist, dass Klubs und Nationalmannschaften in Corona-Zeiten in andere Länder und auf Kontinente fliegen.
Katar-Reise ist gefährlich
Rummenigge toppt die Demut aber noch - und zwar gleich doppelt. Zunächst wütet er vor der Katar-Reise, als der Bayern-Flieger aus Berlin nicht am Freitagabend, sondern erst am Samstagmorgen gen Katar abheben durfte. Total verarscht
käme er sich von den Verantwortlichen vor, die gar nicht wüssten, was sie unserer Mannschaft damit angetan haben.
Uli Hoeneß sprach auf ähnliche Weise von einem Skandal
und einer Unverschämtheit
. Die Bayern-Chefs beschweren sich also zu einer Zeit, in der fast alles zum Erliegen kommt und viele Menschen nicht mal ihre Familien besuchen fahren dürfen, über ein Privileg, dem fast alle anderen Bundesbürger derzeit entsagen und das wegen des Nachtflugverbots um ein paar Stunden verschoben wurde.
Jürgen Klopp etwa verpasst in diesen Tagen aufgrund der Einreisebeschränkungen aus Großbritannien die Beisetzung seiner verstorbenen Mutter. Dass ich bei der Beerdigung nicht dabei sein kann, ist den fürchterlichen Zeiten geschuldet
, sagt er und fügt hinzu, sobald es die Umstände zulassen, werden wir eine wundervolle, ihr entsprechende Gedenkfeier abhalten.
Eine Aussage, die in bitterster Stunde Größe beweist. Sobald die Umstände es zulassen.
Für normale Menschen lassen die Zustände keine Reisen durch die Welt zu. Ob der FC Bayern in einer Parallelwelt lebt, ist nicht bekannt. Verantwortung und Demut sieht aber definitiv anders aus. Vor allem Rummenigges Aussagen ohne jegliches Fingerspitzengefühl sind ein Schlag ins Gesicht der wirklich von der Pandemie beeinträchtigten Menschen.
Anschließend schlägt Rummenigge vor, Fußballprofis bevorzugt zu impfen, damit sie als Impf-Vorbilder für den Rest der Gesellschaft fungieren könnten. Während Millionen Seniorinnen und Senioren, Pflege- und Lehrkräfte oder Ärztinnen und Ärzte, die allesamt sehr gute Gründe für eine baldige Impfung haben, weiterhin auf ihre Spritzen warten, ohne auch nur annähernd die derzeitigen Privilegien Rummenigges und der Fußballprofis zu besitzen. Während Bund- und Länderchefs bekräftigen, dass es für Lockerungen noch zu früh ist und die Bürger sich noch mal anstrengen müssen, Angela Merkel noch mal inständig vor den neuen Corona-Mutationen warnt und der Lockdown bis zum 7. März verlängert wird. Während die Pandemie weiter wütet (der Tageszuwachs an Virus-Toten bleibt mit 666 am Mittwoch auf einem hohen Niveau), Geschäfte, Kitas und Schulen geschlossen bleiben und Menschen um Existenzen bangen.
Bittere Signalwirkung
Als Rummenigge seine Aussagen tätigte, saß er gerade in der Sonne in einem Fünf-Sterne-Resort. Dass man mit dieser Art - und überhaupt mit dem Katar-Ausflug - gerade nicht zum Vorbild taugt, scheint er nicht zu realisieren. Nicht mal Andeutungen bezüglich Überlegungen einer möglichen Absage oder Verschiebung der Klub-WM waren zu hören (das gilt auch für die Champions-League-Heimspiele von Borussia Mönchengladbach und RB Leipzig, die nun in Budapest stattfinden). Dabei wird Katar vom Auswärtigen Amt als Risikogebiet eingeschätzt, vor nicht notwendigen
Einreisen gewarnt. Vorbildhaft wäre es gewesen, hätten die Bayern-Bosse eingesehen, dass sie mit ihrer Katar-Reise ein fatales Bild abgeben und Menschenleben aufs Spiel setzen, und dass sie deshalb nicht lediglich nicht notwendig
, sondern gefährlich ist.
Gefahr besteht auch für Deutschland nach dem Rückflug der Münchner. Normalerweise müsste man sich nach der Reise ins Risikogebiet zehn Tage in Quarantäne begeben, frühestens nach fünf Tagen könnte man sie mit einem negativen Test vorzeitig beenden. Besonders jetzt, da mit Müller ein Spieler positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Der Irrsinn geht aber weiter, denn der FC Bayern spielt am Montag in der Bundesliga gegen Bielefeld. Der Termin, der extra für den Rekordmeister eingerichtet wurde, wird wohl nicht verschoben. Alles nimmt weiter seinen Lauf für Rummenigge, die Bayern, die Bundesliga - aber für große Teile der Bevölkerung schon seit Monaten nicht. Diese fühlen sich verständlicherweise mehr und mehr benachteiligt.
Der Fußball hat eine Signalwirkung. Damit hatte Rummenigge recht. Aber, weil er jegliche Demut vermissen lässt und das Katar-Abenteuer des FC Bayern inklusive positivem Corona-Test absolut irrsinnig daherkommt, lautet die bittere Botschaft an den Rest der Gesellschaft: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen - und die Privilegierten trampeln auch noch herum auf den Gefühlen der wirklich Leidtragenden der Corona-Pandemie. ntv.de, Kommentar von David Bedürftig
Was der AstraZeneca-Reinfall in Südafrika bedeutet
Gegen die in Südafrika verbreitete Corona-Variante B.1.351 bietet der AstraZeneca-Impfstoff keinen richtigen Schutz. Wie das Land damit umgeht – und was das für die Impfstoffentwicklung heißt.
Die Nachricht ist keine gute: Laut einer aktuellen Studie schützt der Impfstoff von AstraZeneca möglicherweise nicht vor milden oder moderaten Covid-Verläufen, die von der neuen Virusvariante B.1.351 ausgelöst werden. Diese Variante war zuerst in Südafrika entdeckt worden, wo auch die Studie der Universitäten Oxford und Witwatersrand, Johannesburg, stattfand. Die Uni Oxford hat den Impfstoff ChAdOx1 nCoV-19 gemeinsam mit dem Pharmakonzern AstraZeneca entwickelt.
Die Studie ist noch nicht veröffentlicht und wurde noch nicht von anderen Forschenden begutachtet. Doch einige zentrale Ergebnisse sind nach einer Pressekonferenz bekannt, an der neben Südafrikas Gesundheitsminister Zweli Mkhize mehrere Impfstoffspezialisten teilnahmen.
Der Impfstoff scheine zwar gegen den Originalstamm zu wirken, nicht aber im vollen Umfang gegen die Variante, sagte Mkhize am Sonntag. Zunächst wird deshalb in Südafrika mit dem Mittel nicht geimpft. Die Regierung werde die Empfehlung aus der Wissenschaft abwarten, wie man mit dem Impfstoff verfahren solle. Das Land hat rund eine Million Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs erhalten. Südafrika hat die meisten Coronavirus-Fälle auf dem afrikanischen Kontinent. Mehr als 1,4 Millionen Corona-Fälle und mehr als 46.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 sind dokumentiert.
In der Studie konnte die Wirksamkeit von ChAdOx1 nCoV-19 gegen die neue Virusvariante getestet werden, weil die Untersuchung lief, während sich B.1.351 ab Oktober zunehmend in Südafrika ausbreitete. Laut Shabir Madhi von der Universität Witwatersrand verursacht diese aktuell 90 Prozent der Neuinfektionen im Land. B.1.351 ist ansteckender als das herkömmliche Sars-CoV-2. Auch gab es schon vor dem Bericht zum AstraZeneca-Impfstoff Hinweise, dass eine durchgemachte Coronavirusinfektion nur einen mäßigen Schutz vor einer Ansteckung mit B.1.351 verleiht. Dies ließ befürchten, dass auch die Wirksamkeit der Impfstoffe verringert sein könnte.
Eine entscheidende Wissenslücke
1749 Probandinnen und Probanden erhielten in der Studie entweder den Impfstoff oder ein wirkstofffreies Placebo. Die Teilnehmenden waren zwischen 18 und 65 Jahre alt, Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf waren bei ihnen sehr selten. Menschen, die aufgrund ihres Alters ein hohes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf hatten, waren nicht beteiligt.
Was sich zeigte: Bis Ende Oktober war die Wirksamkeit des Impfstoffs gut. In der Gruppe, die geimpft worden war, gab es drei Covid-19-Fälle mit milden bis moderaten Symptomen, in der Placebo-Gruppe waren es zwölf. Die Wirksamkeit lag damit bei rund 75 Prozent.
Das änderte sich mit dem Auftreten von B.1.351: Von insgesamt 42 Covid-Fällen mit milden bis moderaten Symptomen entfielen 23 auf die Placebogruppe und 19 auf die Impfstoffgruppe. Der Unterschied ist, mathematisch formuliert, statistisch nicht signifikant. Das heißt, es lässt sich daraus nicht ableiten, ob der Impfstoff vor B.1.351 schützt. 39 der Fälle gingen auf B.1.351 zurück.
Allerdings lässt die Studie eine entscheidende Wissenslücke: Weil es unter den relativ jungen Teilnehmenden überhaupt keine schweren Covid-19-Verläufe gab, sagt sie nichts darüber aus, ob der Impfstoff möglicherweise vor einer schweren Erkrankung durch B.1.351 schützt. Es ist also immer noch denkbar, dass der AstraZeneca-Impfstoff in dieser Hinsicht gegen B.1.351 hilft – aber bisher weiß man das nicht.
Etwas Hoffnung in diese Richtung gibt eine Studie mit einem anderen Impfstoff, dem Mittel von Johnson & Johnson. Dies ist ebenfalls ein sogenannter Vektorimpfstoff, der dem von AstraZeneca ähnelt. Auch dieser Impfstoff verliert zwar gegenüber der neuen Virusvariante an Wirksamkeit, aber er verhinderte immer noch zu rund 89 Prozent schwere bis tödliche Covid-19-Verläufe – trotz B.1.351, hieß es in der Pressekonferenz am Sonntag. Südafrika will jetzt die Einführung des Impfstoffs von Johnson & Johnson beschleunigen.
Wie geht es weiter?
Impfstoffexpertin Sarah Gilbert von der Universität Oxford beschreibt, dass bereits daran gearbeitet wird, eine neue Impfstoffgeneration zu entwickeln, die auch vor den neuen Coronavirusvarianten schützt. Diese könnte als Booster gegeben werden, also als spätere Impfung nach der Verabreichung des herkömmlichen Impfstoffs. Vergangenen Freitag hatte AstraZeneca berichtet, dass sein Impfstoff zumindest vor der britischen Variante B.1.1.7 ähnlich gut schützt wie vor dem ursprünglichen Sars-CoV-2.
Auch andere Hersteller bereiten sich darauf vor, ihre Impfstoffe anzupassen, falls dies nötig ist. Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna ist dies vergleichsweise einfach umzusetzen.
Wir könnten die genetische Information für das jetzige Virusantigen einfach durch die neue, mutierte ersetzen. Das alles geht sehr schnell und würde vielleicht sechs Wochen dauern
, sagte Biontech-Gründerin Özlem Türeci im SPIEGEL-Gespräch. Die Frage sei, wie die Zulassungsbehörden damit umgingen, also ob erneut große Studien mit Zehntausenden Probanden nötig seien. Allerdings gibt es auch für den Grippe-Impfstoff, der jedes Jahr aufgrund veränderter Virusstämme angepasst werden muss, vereinfachte Verfahren.
Auch die Infektiologin und Impfstoffforscherin Marylyn Addo von der Hamburger Uniklinik Eppendorf betont im SPIEGEL, dass wir gute Werkzeuge besitzen, potenziell problematischen Veränderungen des Virus etwas entgegenzusetzen
. Sars-CoV-2 verändere sich im Vergleich zu anderen Viren relativ langsam. Wir haben derzeit die Chance, mit dem Virus Schritt zu halten. Dazu ist es aber auch wichtig, das Infektionsgeschehen zu verlangsamen.
Während die Mehrheit der Menschen weltweit noch auf die erste Impfung wartet, stimmt die Aussicht auf nötige Booster-Impfungen wegen Virusmutationen zwar nicht optimistisch. Aber unterm Strich können Impfstoffe weiterhin einen sehr wichtigen Beitrag dabei leisten, diese Pandemie zurückzudrängen. Spiegel, von Nina Weber
Münchner Studie entdeckt verdeckte Infektionen
In München sind die Ergebnisse einer großen Corona-Antikörper-Studie vorgestellt worden. Demnach hatten bis Anfang Juni rund 1,8 Prozent der Bevölkerung Antikörper gegen das Virus entwickelt. Das sei viermal mehr als der Anteil der damals nachgewiesenen Infektionen, teilten die Forscher der Infektions- und Tropenmedizin der Uniklinik München mit. Für die Studie waren 25 Teams waren rund zwei Monate unterwegs gewesen, und hatten etwa 5300 Freiwilligen ab 14 Jahren in rund 3000 Münchner Haushalten abgenommen. Die Haushalte waren zufällig ausgewählt worden.
Die Sterblichkeit der Infizierten lag demnach bei 0,76 Prozent - und damit um ein Vielfaches über der für saisonale Grippeinfektionen, wie die Wissenschaftler um Studienleiter Michael Hölscher erläuterten. Die Münchner Studie habe für Deutschland eine höhere Bedeutung als Untersuchungen lokaler Ausbrüche, sagte Hölscher am Abend bei der Vorstellung der Ergebnisse. Tagesschau.de
Die eine Pandemie flaut ab, die nächste kündigt sich an
Die neuen Virusvarianten breiten sich in Deutschland aus. Daten lassen erahnen, dass die Infektionszahlen deshalb bald wieder steigen könnten. Kommt nun eine neue Welle?
36 Fälle in einem Berliner Krankenhaus, ein Ausbruch in einer Freiburger Kita, 72 infizierte Bewohnerinnen und Mitarbeiter in einem Leverkusener Altenheim: Die Meldungen über Ausbrüche der Virusvariante B.1.1.7, die Ende Dezember in Großbritannien aufgetaucht ist, häufen sich mittlerweile auch in Deutschland. Und auch die Virusvariante B.1.351, die erstmals in Südafrika entdeckt wurde, hat Deutschland erreicht, wenn auch anscheinend in geringerem Maße als B.1.1.7. Doch was können wir von anderen Länder und deren Umgang mit den Varianten lernen? Wie viele Infektionen gehen in Deutschland bereits auf die Varianten zurück – und wie schnell verbreiten sich diese hier? Was bedeutet das für den weiteren Verlauf der Pandemie hierzulande?
All diese Fragen blieben lange Zeit unbeantwortet. Noch bis vor Kurzem fehlten entsprechende Zahlen, um die Lage einschätzen zu können. Während der Bundespressekonferenz am vergangenen Freitag berichtete dann endlich der Chef des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler, dass die Variante B.1.1.7 5,8 Prozent von 31.000 Corona-positiven Proben ausmachte, die in einer kurzfristig organisierten Erhebung zwischen dem 21. und dem 29. Januar 2021 untersucht wurden. Dieser Anteil wurde durch spezielle PCR-Tests ermittelt, eindeutig zuordnen ließen sich die Proben aber nur per Genomsequenzierung.
In Deutschland gestaltete sich das anfangs schwierig, weil zu wenig sequenziert, die vorliegenden Daten nicht strukturiert gesammelt und ausgewertet wurden. Mit der neuen Coronavirus-Surveillanceverordnung wird die Sequenzierung in Deutschland nun ausgebaut, bis zu fünf Prozent aller Infektionsfälle sollen so untersucht werden. Und erste Zahlen lassen auch hier einen knapp sechsprozentigen Anteil der Virusvariante B.1.1.7 vermuten.
Die Sequenzierung läuft bislang zu langsam
Ein Problem: Um Ausbrüche der neuen Virusvarianten schnell zu erkennen, ist dieses System zu langsam. Die Sequenzanalytik kommt uns für die direkten Maßnahmen zu spät
, sagte Florian Klein, Leiter des virologischen Instituts an der Uniklinik Köln, dem Science Media Center. Bis Ergebnisse aus der Sequenzierung einer Probe vorlägen, würde auch mal eine Woche oder mehr vergehen. Zeit, die den Gesundheitsämtern fehlt, um Fälle nachzuverfolgen und Kontaktpersonen in Quarantäne zu schicken. Doch nur weil die Genomsequenzierungen zu langsam für die Nachverfolgung sind, heißt das nicht, dass sie sinnlos wären: Ziel ist nämlich nicht nur, bereits bekannte Virusvarianten zu erkennen, sondern auch, neue Entwicklungen im Erbgut des Virus aufzuspüren und so ein Alarmsystem für künftige Virusvarianten zu etablieren.
Die Mutante übernimmt
Die Verbreitung der neuen Virusvariante kann man sich in etwa so vorstellen, als würden sich gerade zwei verschiedene Epidemien in Deutschland ausbreiten. Die eine mit dem bisherigen Sars-CoV-2 Virus, die gerade abflaut. Die andere mit der neuen Variante B.1.1.7 beginnt gerade erst. Bislang sind davon weniger Menschen betroffen, doch dafür ist die neue Variante deutlich ansteckender.
Den aktuellsten Zahlen der britischen Gesundheitsbehörde PHE zufolge erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, sich bei einer Kontaktperson mit der neuen Variante B.1.1.7 anzustecken, um 25 bis 40 Prozent gegenüber der bislang dominierenden Version, andere Daten und Modellierungen schätzen gar eine höhere Übertragbarkeit von 43 bis 82 Prozent (medRxiv: Davies et al., 2021). Vergleicht man das Wachstum der ursprünglichen Variante mit dem der Mutante, so verbreitet sich die neue Variante also exponentiell schneller als der Ursprungstyp: An einem einzelnen Tag – so rechnete es Trevor Bedford vom Krebsforschungsinstitut Fred Hutchinson kürzlich in einem Twitter-Thread vor – würde die neue Variante sich um sechs bis acht Prozent schneller verbreiten als die erste Version von Sars-CoV-2. Nach einer Woche würde ein Fall der neuen Variante damit im Durchschnitt mehr als anderthalbmal so viele Folgefälle nach sich ziehen wie die Ursprungsvariante, nach zwei Wochen sogar deutlich mehr als doppelt so viele.
25 bis 40 Prozent übertragbarer, das bedeutet: Auch der R-Wert der Variante B.1.1.7 dürfte um den Faktor 1,25 bis 1,4 höher liegen als der R-Wert der Ursprungsvariante. Wie sich die Infektionszahlen insgesamt entwickeln, hängt von beidem ab. Um den R-Wert für die neue Variante genau zu berechnen, fehlen noch immer Daten. Doch schon jetzt wird deutlich, dass die Zahl der Infektionen mit der Variante B.1.1.7 zumindest nicht stark fällt.
Eine Überschlagsrechnung von ZEIT ONLINE auf Basis der aktuell verfügbaren Zahlen kommt schon jetzt auf eine Reproduktionszahl der neuen Virusvariante B.1.1.7 von über eins. Und das, obwohl Schulen und Kitas geschlossen sind, Geschäfte größtenteils zu haben und Menschen ihre Kontakte massiv einschränken. Fest steht: der Mutanten-R-Wert lässt keinen großen Spielraum zu, wenn man nicht wieder ins exponentielle Wachstum geraten will. Noch ist unklar, ob die aktuellen Maßnahmen ausreichen, auch die Zahl der Ansteckungen mit B.1.1.7 so weit zu drücken, dass die Zahlen insgesamt fallen.
Das Robert Koch-Institut (RKI) geht aktuell von einem knapp sechsprozentigen Anteil von B.1.1.7 in Deutschland aus – also einem so geringen Anteil, dass die Entwicklung der Fallzahlen vor allem noch durch das alte Virus geprägt ist. Unabhängig davon, ob die Zahlen steigen oder fallen, ist allerdings davon auszugehen, dass der Anteil von B.1.1.7 in den nächsten Wochen weiter wachsen wird. Schon allein, weil die Auswertung des RKI sich auf die Vorwoche bezieht, dürfte der Anteil aktuell etwa doppelt so hoch liegen. Und je größer dieser Anteil der neuen, ansteckenderen Variante wird, desto mehr wird er auch die Entwicklung der Fallzahlen prägen.
Köln legt umfassende Daten vor
Eine Stadt, die den Vorteil der speziellen PCR-Tests früh erkannte und diese großflächig einsetzt, ist Köln: Sie untersucht seit dem 22. Januar fast alle positiven Testproben auf mögliche Mutationen. Ein ambitionierter Plan, der auch deswegen möglich ist, weil die Untersuchung mit den speziellen PCR-Tests billiger ist, als alle Proben zu sequenzieren
, erklärt der Leiter des Kölner Gesundheitsamts Johannes Nießen gegenüber ZEIT ONLINE. Ein solcher Marker-PCR-Test kostet knappe 60 Euro – bei etwa 800 bis 1.000 positiven Testergebnissen pro Woche rechnet Nießen trotzdem noch mit einer halben Million Euro, die die Stadt bis Ende Februar dafür ausgeben wird.
Die ersten Ergebnisse lassen vermuten, dass dieses Geld richtig investiert ist: Wir stellen einen eindeutigen Anstieg der Virusmutanten seit Mitte, Ende Januar fest
, sagt Nießen. Laut Zahlen des örtlichen Gesundheitsamts wurde die Virusmutante B.1.1.7 bis zum 7. Februar bereits 199-mal auf Kölner Stadtgebiet festgestellt, die Variante B.1.351 87-mal. 42 Übertragungen davon fanden in einer Gemeinschaftsunterkunft statt, eingetragen durch einen dort arbeitenden Sicherheitsmitarbeiter.
Die Stadt Köln liefert damit wohl mit die besten Zahlen dafür, wie verbreitet die Mutationen in Deutschland sein könnten. Doch auch diese Daten sind potenziell verzerrt. Erstens, so erklärt es der Physiker und Datensammler Cornelius Römer, sei davon auszugehen, dass immer dann genauer im Kontaktumfeld nach weiteren Infektionen gesucht wird, wenn eine Infektion mit einer Virusmutante vorliegt. Die Stichprobe der untersuchten Proben ist möglicherweise also in Richtung der Mutanten verzerrt
, sagt er. Denn so finden die Kontaktnachverfolger potenziell mehr Infektionen mit der neuen Virusvariante als mit der alten. Zweitens unterliegt die Statistik der Virusvarianten demselben Problem wie die allgemeinen Fallzahlen auch: Sie bilden die Situation vor etwa ein bis zwei Wochen ab, nicht die gegenwärtige Lage. Bei einem Virus, dass sich schneller verbreitet als der ursprüngliche Typ, machen zwei Wochen schon einen gewaltigen Unterschied
, sagt Römer.
Dass die neuen Virusvarianten ansteckender sind, so wie es derzeit viele Forschende vermuten, kann Gesundheitsamtsleiter Nießen auch aus den Erzählungen seiner Kontaktnachverfolgerinnen bestätigen. Das merken wir einfach daran, dass nur kurze Kontakte reichen, um sich anzustecken
, sagt er. Aufgrund der erhöhten Übertragbarkeit der Virusvariante B.1.1.7 dürfte sich die neue Virusmutante bereits bald in der Kölner Infektionsstatistik bemerkbar machen, schätzt der Physiker Römer beim Blick auf die Daten: Ich gehe davon aus, dass die Infektionszahlen bald nicht mehr weiter fallen, sondern stagnieren werden.
Wie sehr die neuen Virusvarianten den Verlauf der Pandemie beeinflussen könnten, lässt sich am Beispiel anderer Länder beobachten. Mittlerweile wurde B.1.1.7 nahezu überall in Europa nachgewiesen. In einigen Regionen Portugals, wo die Zahlen zuletzt rasant angestiegen waren, tragen mehr als die Hälfte der Infizierten die neue Virusvariante in sich. In den Niederlanden, schätzt das dortige Ministerium für öffentliche Gesundheit und Umwelt, könnten sogar bis zu zwei Drittel der Neuinfektionen auf die Variante B.1.1.7 zurückgehen. Besonders gut ist die Datenlage jedoch für Großbritannien und Dänemark.
Schon in Proben vom Ende des vergangenen Jahres wurde in Dänemark die neuen Virusvariante erkannt. Danach stieg ihr Anteil an allen Infektionen an, von zwei Prozent zu Ende des Jahres auf vier, auf sieben, auf 13 Prozent. Mittlerweile liegt er bei über 19 Prozent. Besonders besorgniserregend ist dabei, dass in Dänemark über Wochen nicht nur der prozentuale Anteil der Infektionen mit der neuen Virusvariante stieg, sondern auch die Gesamtzahl derer, die sich mit B.1.1.7 ansteckten. Und das, obwohl die Fallzahlen insgesamt sanken. Würde sich dieser Trend so fortsetzen, dann hieße das, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um den R-Wert auch für B.1.1.7 unter eins zu drücken. Im Schatten der insgesamt sinkenden Fallzahlen könnte sich also schon jetzt eine nächste Welle abzeichnen, die durch B.1.1.7 verursacht wird.
Großbritanniens strikter Lockdown scheint wirksam gegen B.1.1.7
In Großbritannien stiegen die Fallzahlen im Dezember stark an, vor allem im Südosten, Osten und in London war das zum großen Teil auf die neue Virusvariante zurückzuführen. Im Dezember kündigte die Regierung strengere Maßnahmen an und verschärfte sie Anfang Januar nochmals. Schulen sind seitdem geschlossen, die Menschen werden angehalten, soweit wie möglich innerhalb ihrer direkten Umgebung zu bleiben und Treffen mit Personen außerhalb des eigenen Haushalts sind ‒ mit Ausnahme sogenannter Support Bubbles und zum Sport machen ‒ verboten. Mit dem strikten Maßnahmenkatalog scheint es Großbritannien geschafft zu haben, trotz der dominierenden B.1.1.7-Variante die Zahlen zu drücken. Seit dem 10. Januar fallen die Infektionszahlen wieder stark, die Sieben-Tage-Inzidenz sank von zwischenzeitlich über 600 auf etwas mehr als 200 in den letzten Tagen. Und das, obwohl laut Zahlen der britischen Gesundheitsbehörde PHE der Anteil derjenigen Tests, die einen S-Genausfall detektierten und so auf das Vorliegen der B.1.1.7-Variante hinweisen, in der Woche vom 18. Januar bei 89 Prozent lagen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Zahlen entwickeln, sobald die Regierung eine oder mehrere der Stellschrauben lockert.
Deutschland steht nun ebenfalls erneut vor der Frage, wie es weitergehen soll. Soll die Politik den Lockdown über den 14. Februar hinaus verlängern, aus Angst vor den Mutanten, obwohl die Fallzahlen aktuell sinken? Oder wieder öffnen und riskieren, dass sich die Virusvarianten ausbreiten und Deutschland, ähnlich wie Großbritannien im Dezember, in eine neue Welle mit noch unbekannter Ausbreitungsdynamik kommt? Die Politik befindet sich in der unbequemen Lage, zwischen dem abzuwägen, was aus rein virologischer und infektiologischer Perspektive sinnvoll wäre, und dem, was gesellschaftlich vertretbar wäre
, sagt der Virologe Marco Binder vom Deutschen Krebsforschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft. Denn natürlich stellt sich aus gesellschaftlicher Sicht die Frage, welche Schäden man damit verursacht, beispielsweise die Schulen noch weiter geschlossen zu halten.
Doch aus rein virologischer Sicht wäre es das Einfachste und Sinnvollste
, so Binder, noch ein paar Wochen durchzuhalten, um die Fallzahlen ganz runterzubekommen, wie auch die Vertreter und Vertreterinnen der No-Covid-Kampagne argumentieren. Dafür wäre es jedoch wichtig, die jetzigen Maßnahmen noch konsequenter umzusetzen, sagt Binder: Großbritannien hat es mit seinen Maßnahmen auch geschafft, die Zahlen zu drücken, und zwischen deren und unseren Maßnahmen gibt es qualitativ betrachtet keinen großen Unterschied.
Hier in Deutschland hingegen, wo die Ausbreitung der B.1.1.7-Variante aktuell voranschreitet, könne man davon ausgehen, dass die Variante ab März oder April den Großteil der Corona-positiven Fälle ausmacht und sich damit auch in steigenden Gesamtfallzahlen bemerkbar machen würde.
Hohe Fallzahlen bedeuten auch: mehr Mutationen
Klar ist: Die Fallzahlen müssen runter, denn nur so lässt sich das Ausbruchsgeschehen kontrollieren. Dazu kommt: Hohe Fallzahlen sorgen auch dafür, dass das Virus immer öfter, immer schneller mutieren kann. Jüngst veröffentlichte Zahlen aus Großbritannien zeigen, dass die Variante B.1.1.7 in mehreren Fällen die E484K-Mutation entwickelt hat. Sie findet sich auch in der sogenannten südafrikanischen Variante und der P.1-Variante aus Manaus wieder und steht unter Verdacht, dem Virus dabei zu helfen, der Immunantwort des Körpers zu entwischen. Wie sehr die neuen Virusvarianten die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinflussen, ist bislang noch unklar. Erste Laborstudien deuten darauf hin, dass B.1.1.7 den Neutralisierungserfolg des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs nur geringfügig einschränkt, die zusätzliche E484K-Mutation aber dazu führte, dass mehr Antikörper nötig sind, um das Virus zu neutralisieren (medRxiv: Collier et al., 2021 und Nature Medicine: Xie et al., 2021). Auch erste Erkenntnisse zum Moderna-Impfstoff weisen darauf hin, dass die B.1.1.7-Variante geringen, Varianten mit der E484K-Mutation aber größeren Einfluss darauf haben, wie gut der Impfstoff mit dem jeweiligen Virus fertig wird (bioRxiv: Wu et al., 2021). Die Datenlage ist aber noch sehr dünn und dynamisch, erst weitere Studien werden Sicherheit bringen. Zeit Online, eine Analyse von Alisa Schröter und Elena Erdmann
Hälfte der Pflegeheimbewohner zweimal geimpft
Fast die Hälfte der bundesweit rund 800 000 Pflegeheimbewohner hat bis Donnerstag die zweite Impfung gegen das neue Coronavirus erhalten. Nach den Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Bundesgesundheitsministeriums waren rund sechs Wochen nach dem Impfstart mehr als 380.000 Senioren in Heimen immunisiert.
Damit ging mehr als ein Viertel aller Impfdosen bisher an Pflegeheimbewohner (28,8 Prozent). Fast die Hälfte der verfügbaren Impfstoffe (47 Prozent) bekamen Berufsgruppen wie zum Beispiel Ärzte und Pflegekräfte.
Die Gefahr für Pflegeheime ist damit noch nicht gebannt. Es gebe weiterhin neue Fälle bei bereits bekannten Ausbrüchen und auch neue Ausbrüche in Altenheimen, heißt es beim RKI. Doch die Zahl der aktiven und neuen Ausbrüche gehe zurück. Es seien auch weniger ältere Menschen betroffen als vorher. Der Rückgang ist auf den allgemeinen Rückgang der Fallzahlen und sehr wahrscheinlich auch auf die Impfungen zurückzuführen
, hieß es weiter. Was welchen Anteil hat, kann nicht quantifiziert werden.
Ältere Menschen werden in Deutschland wegen ihres hohen Risikos für schwere Krankheitsverläufe bevorzugt immunisiert, solange es nicht genug Impfstoff für alle gibt. Bisher sind mehr als 63 600 Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben, viele von ihnen nach Ausbrüchen in Pflegeheimen. dpa
Brasilien: Brasilianische Variante dreimal ansteckender
Die im Amazonas-Gebiet nachgewiesene Coronavirus-Variante ist laut brasilianischen Regierungsangaben dreimal ansteckender als das ursprüngliche Virus. Dies sagte Gesundheitsminister Eduardo Pazuello am Donnerstag (Ortszeit) im Senat in Brasília. Die Impfstoffe würden bei dieser Variante aber auch wirksam sein. Aber sie ist ansteckender, dreimal ansteckender.
Pazuello erläuterte weder, wer für die entsprechende Studie verantwortlich ist, noch, um welche Impfstoffe es sich handelt. Gegen den Gesundheitsminister wird ermittelt, ob es ein Versäumnis seines Ministeriums bei den Aktionen gab, die den Zusammenbruch des Gesundheitssystems in der Amazonas-Hauptstadt Manaus wegen des Fehlens von Sauerstoff im Januar verhindern sollten.
Die Forschungseinrichtung Instituto Butantan
hatte am Montag bekannt gegeben, dass der Impfstoff CoronaVac gegen die Amazonas-Variante des Coronavirus getestet werden würde, aber noch keine Ergebnisse vorgelegt. Das chinesische Unternehmen SinoVac hat den Impfstoff zusammen mit der renommierten Einrichtung in São Paulo entwickelt.
Die neue Coronavirus-Variante war im Januar bei vier aus Brasilien nach Japan eingereisten Menschen nachgewiesen worden. Sie kamen aus dem Amazonas-Gebiet. Jüngste Analysen der Forschungseinrichtung Fundação Oswaldo Cruz in Rio de Janeiro deuten darauf hin, dass die Variante schon für 90 Prozent der Corona-Fälle im Bundesstaat Amazonas verantwortlich ist. Sie wurde auch in anderen Teilen Brasiliens und anderen Ländern weltweit nachgewiesen - darunter auch Deutschland. dpa
14 Altenheim-Bewohner trotz Impfung positiv auf Coronavirus-Mutation B117 getestet
In einem Alten- und Pflegeheim in Belm im Landkreis Osnabrück hat es trotz Impfung einen Ausbruch der britischen Corona-Variante gegeben.
Bei 14 Senioren sei das Virus B.1.1.7. nachgewiesen worden – obwohl alle Bewohner am 25. Januar zum zweiten Mal geimpft worden seien, teilte der Landkreis mit. Das Heim, alle Mitarbeiter und deren Familien wurden unter Quarantäne gestellt. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Brysch, forderte das Gesundheitsministerium zu engmaschiger Überwachung in Pflegeheimen nach der zweiten Impfung auf. Andernfalls gäbe es keine verlässlichen Daten dazu, welche Gefahr die Mutation für die Hochrisikogruppe bedeute.
Bisher gebe es nur asymptomatische oder leichte Verläufe der Erkrankung bei den Bewohnern, was eine positive Wirkung der Impfung sein könne, sagte der Pressesprecher des Landkreises Osnabrück. Geimpft worden sei mit dem Produkt von Biontech/Pfizer. Deutschlandfunk
Lockdowns erhöhten globale Durchschnittstemperatur
Die strengen Regeln zur Eindämmung des Coronavirus im Frühjahr 2020 machten sich auch beim Klima bemerkbar. Vor allem in Gebieten mit starker Luftverschmutzung.
Wenn Klimatologen in einigen Jahren auf die Zeit zwischen 2020 und 2022 zurückblicken, werden sie sicher nur eine kleine Delle beim Anstieg wichtiger Treibhausgase feststellen. Die Coronakrise und die damit verbundenen Einschränkungen bremsten die Erderwärmung allenfalls minimal, weil in dieser Zeit weniger Kohlendioxid freigesetzt wurde. Ganz konkret erhöhte sich die globale Durchschnittstemperatur während der ersten globalen Lockdown-Welle im Frühjahr 2020 sogar noch, wie ein Team um Andrew Gettelman vom National Center for Atmospheric Research in den Geophysical Research Letters
schreibt. Insgesamt lag die weltweite Mitteltemperatur um 0,1 bis 0,3 Grad Celsius höher, als man bei den damals vorherrschenden Bedingungen hätte erwarten dürfen.
Stark ausgeprägt war der Effekt in Regionen, in denen im Frühling besonders viele Aerosole in der Luft zu erwarten sind wie in Teilen Chinas, der USA oder Russlands. Hier betrug der Anstieg sogar 0,37 Grad Celsius, schreiben die Forscher und deuten damit auch schon auf die Ursache hin. Luftverschmutzung kühlt den Planeten. Es ist also nachvollziehbar, dass sauberere Luft die Erde erwärmt
, sagt Gettelman.
Für ihre Studie nutzte die Gruppe zwei weltweit führende Klimamodelle, die sie mit Daten zum Wetter und zu den Luftverschmutzungen aus der Lockdown-Phase fütterten. Dadurch konnten sie den Einfluss der Aerosole wie Ruß, Schwefeltröpfchen und Stäube sowie anderer Partikel auf die Temperaturen berechnen, der bei normalen Wettermessungen wegen der üblichen Schwankungsbreite der Werte nicht herausstechen würde.
Der Effekt war prinzipiell in den mittleren und höheren Breiten der Nordhalbkugel stärker als in den Tropen und generell auf der Südhalbkugel: Die Bevölkerungs- und Industriezentren der Erde konzentrieren sich auf diese Regionen der Nordhemisphäre. Zudem hat das Klima hier eine größere Schwankungsbreite als in den Tropen.
Die Studie zeigt zudem, was passiert, wenn die Menschheit zwar die Luftverschmutzung etwa durch Filter oder Katalysatoren verringert, aber gleichzeitig nicht den Ausstoß an Treibhausgasen reduziert. Dann müssen wir wohl einen zusätzlichen Temperatursprung erwarten. Sprectrum der Wissenschaft, von Daniel Lingenhöhl
RKI meldet 10.237 Neuinfektionen und 666 Tote
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 10.237 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 666 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Donnerstag hervorgeht. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 05.30 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich.
Am Donnerstag vergangener Woche hatte das RKI 14.211 Neuinfektionen und 786 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet. Der Höchststand von 1244 neuen gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Donnerstagmorgen bundesweit bei 64,2. Vor vier Wochen, am 13. Januar, hatte die Inzidenz noch bei 155 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen. dpa
Gericht untersagt enge Zusammenarbeit von Google und Gesundheitsministerium
Wer bei Google nach Informationen über Krankheiten sucht, bekommt eine Infobox mit Inhalten des Gesundheitsministeriums angezeigt. Die Betreiber von NetDoktor.de sehen sich dadurch benachteiligt.
Das Landgericht München I hat eine Kooperation des Bundesgesundheitsministeriums mit dem Internetkonzern Google bei Informationsangeboten vorläufig untersagt. Das Gericht bewertete es in einer Entscheidung von diesem Mittwoch als Kartellverstoß, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen anzuzeigen, die aus Inhalten des Gesundheitsportals des Ministeriums gespeist und mit diesem Portal verlinkt sind. Gegen die Kooperation hatte der Betreiber des Onlineportals NetDoktor.de wegen Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht geklagt.
Die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer hat dem Ministerium und Google vorläufig die aktuelle Zusammenarbeit untersagt. Wie die Vorsitzende Richterin Gesa Lutz bei der Urteilsbegründung ausführte, sei der Betrieb des Gesundheitsportals keine rein hoheitliche Tätigkeit, sondern eine wirtschaftliche, die anhand des Kartellrechts zu prüfen ist
. Die im November geschlossene Vereinbarung des Bundesgesundheitsministeriums mit Google habe eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale bewirkt, weil die Position, auf der auf Suchergebnisseiten zu Krankheitsthemen die Inhalte von gesund.bund.de gezeigt werden, privaten Anbietern von Gesundheitsportalen von vornherein nicht zur Verfügung stehe. Die Infoboxen würden die Aufmerksamkeit der Nutzer von den allgemeinen Suchergebnissen ablenken und auf sich ziehen
.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Es handelt sich um einstweilige Verfügungsverfahren. Hauptsacheverfahren sind derzeit nicht beim Landgericht München I anhängig. FAZ
Alle Mitarbeiter des Schlachthofs in Husum in Quarantäne
Nach einem Corona-Ausbruch in einem Schlachthof in Husum (Schleswig-Holstein) hat das Gesundheitsamt für alle Mitarbeiter Quarantäne angeordnet. Betroffen seien neben der Stammbelegschaft mit rund 270 Beschäftigten auch drei externe Unternehmen mit insgesamt 40 Angestellten sowie 19 Mitarbeiter des Kreis-Veterinäramtes, wie der Kreis Nordfriesland am Dienstagabend mitteilte. Alle müssten sich einem Test unterziehen.
Begründet wird die Entscheidung mit den vielfältigen Arbeitsbeziehungen zwischen den verschiedenen Bereichen des Unternehmens und eine nicht strikt durchgehaltene Kohortentrennung
. Es bestehe eine erhebliche Gefahr, dass die bislang 14 Corona-positiven Mitarbeiter weitere Kollegen angesteckt hätten. dpa
RKI meldet 8072 Neuinfektionen und 813 Tote
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 8072 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 813 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Mittwoch hervorgeht. In diesen aktuellen Zahlen sollten auch 600 Nachmeldungen von Neuinfektionen aus Nordrhein-Westfalen enthalten sein, die laut RKI am Vortag gefehlt hatten. Vor genau einer Woche hatte das RKI 9705 Neuinfektionen und 975 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet.
Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 05.30 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich.
Der Höchststand von 1244 neuen gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Mittwochmorgen bei 68. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen. dpa
Sieben-Tage-Inzidenz sinkt erstmals seit drei Monaten unter 75
Erstmals seit mehr als drei Monaten liegt die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz laut Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) unter der Schwelle von 75. Das RKI gab den wichtigen Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen am frühen Morgen zunächst mit 72,8 an, schränkte dann aber später ein, dass rund 600 Fälle aus Nordrhein-Westfalen fehlten. Der Wert sei daher um 0,8 zu niedrig, liege aber immer noch unter 75. Die fehlenden Daten aus NRW würden am morgigen Mittwoch berücksichtigt.
Die Zahl sinkt seit mehreren Wochen. Ihren Höchstwert hatte die Sieben-Tage-Inzidenz am 22. Dezember mit 197,6 Fällen pro 100.000 Einwohner. Unter die Schwelle von 100 war sie vor zwölf Tagen gerutscht. Das politische Ziel ist eine Sieben-Tage-Inzidenz von langfristig unter 50. Binnen eines Tages meldeten die deutschen Gesundheitsämter dem RKI 3379 Corona-Neuinfektionen. Außerdem wurden 481 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Vor genau einer Woche hatte das RKI 6114 Neuinfektionen und 861 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet.
Der Höchststand von 1244 neuen gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2,291.924 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 09.02., 00.00 Uhr). Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte noch deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg um 481 auf 62.156. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2,057.300 an.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Sonntagabend bei 0,94 (Vortag 0,95). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 94 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Lauterbach warnt vor dritter Welle mit Turbo-Virus
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht baldige Lockerungen der staatlichen Beschränkungen sehr skeptisch. Grund sind die um sich greifenden, wahrscheinlich deutlich ansteckenderen Virusmutanten, wie der Mediziner auf Twitter schrieb. In eigenen Berechnungen komme er zu dem Ergebnis, dass bei derzeitiger Ausbreitung der Mutanten die Fallzahlen nur noch bis Ende Februar sinken dürften, dann komme eine dritte Welle der Pandemie.
Die britische und südafrikanische Variante des Coronavirus gelten als ansteckender, auch in Deutschland sind sie aufgetaucht. Lauterbach schrieb, nach seiner Einschätzung hätten sie Stand heute einen Anteil von rund 20 Prozent. Auch andere Experten hatten sich skeptisch geäußert, ob Lockerungen der Corona-Einschränkungen sinnvoll sind, auch wenn die Infektionszahlen hierzulande sinken.
Somit sei die Entscheidung bei den Bund-Länder-Beratungen an diesem Mittwoch extrem schwer
, schrieb Lauterbach: Die Bevölkerung erwarte Lockerungen, weil die Fallzahlen sinken. Epidemiologisch gesehen müssten wir sogar verschärfen
, weil eine dritte Welle mit Turbo-Virus
drohe, warnte er. Zusätzlich gefährdeten Lockerungen den Impferfolg, weil bei einigen Mutanten Impfungen weniger gut wirkten.
Weiter schrieb Lauterbach: Die politisch schlechteste Lösung wäre: Warten, bis die 3. Welle beginnt, weil dann die Bevölkerung reif für die schlechte Nachricht wäre. Das wäre falsch. Weil die verlorene Zeit nicht einholbar ist. Es bliebe nur Lockdown bis Ostern. Jetzt sind Mut und Transparenz gefragt.
dpa
Mehrheit der Deutschen vertraut nicht in Merkels Impfversprechen
Eine große Mehrheit der Deutschen glaubt nicht daran, dass die Bundesregierung wie versprochen jedem Impfwilligen bis zum 21. September eine Corona-Impfung anbieten kann. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur erwartet nur etwa jeder Vierte (26 Prozent), dass das Ziel eingehalten wird. 57 Prozent rechnen dagegen nicht damit. 17 Prozent machten keine Angaben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mehrfach angekündigt, bis zum 21. September allen Erwachsenen in Deutschland, die geimpft werden wollen, ein Angebot machen zu wollen. Die Skepsis überwiegt selbst in ihren eigenen Reihen. 47 Prozent der Wähler von CDU und CSU glauben nicht an ein Impfangebot für alle bis zum Ende des Sommers. Dagegen rechnen nur 38 Prozent damit, dass das Ziel erreicht wird.
Bei allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien ist das Vertrauen in das Impfversprechen noch geringer. Von den Grünen-Wählern glauben immerhin noch 37 Prozent daran, dahinter folgen die Anhänger der SPD (32 Prozent), FDP (27 Prozent), der Linken (22 Prozent) und der AfD (12 Prozent).
Für die Verzögerungen bei der Versorgung mit Impfstoff zu Beginn der Impfkampagne geben die Befragten am ehesten der Bundesregierung die Schuld. 19 Prozent sehen die Hauptverantwortung bei ihr, 17 Prozent bei der Europäischen Union und nur 11 Prozent bei den Herstellern der Impfstoffe. 33 Prozent sagen, alle drei seien gleichermaßen schuld. 7 Prozent sehen die Hauptverantwortung bei keinem der Genannten. 12 Prozent machten keine Angaben. dpa
Britische Forscher entdecken Kombi-Mutante
In Großbritannien sind erste Fälle der britischen Corona-Variante aufgetreten, die zusätzlich eine Genveränderung der Viruslinie aus Südafrika tragen. Experten sorgen sich um die Wirksamkeit bestehender Impfstoffe.
Das Coronavirus mutiert, seit es seinen Weg in den Menschen gefunden hat. Doch in den vergangenen Monaten fanden Veränderungen statt, die Fachleute aufhorchen lassen.
In Großbritannien entdeckten Forscherinnen und Forscher mit der Variante B1.1.7 eine Variante, die deutlich ansteckender ist als alle vorherigen und die Eindämmung des Virus, wenn sie sich ausbreitet, noch mal drastisch erschweren könnte. In Südafrika und Brasilien sind Viruslinien aufgetreten, die offenbar die Wirksamkeit von Impfstoffen mindern können. Wie stark genau, ist noch unklar.
Verantwortlich für die Fähigkeit der südafrikanischen und brasilianischen Variante, dem Immunsystem zumindest in Teilen auszuweichen, machen Expertinnen und Experten die Mutation E484K. Diese sorgt offenbar dafür, dass durch Impfstoffe gebildete neutralisierende Antikörper nicht mehr so stabil an das Virus binden. Die schlechte Nachricht: Die Mutation wurde nun auch in der Virusvariante B1.1.7 aus Großbritannien gefunden.
Wenige Fälle, unglückliche Kombination
Elf Fälle der Kombi-Mutante wurden bislang unter mehr als 200.000 analysierten Virussequenzen identifiziert, berichtet die britische New and Emerging Respiratory Virus Threats Advisory Group (Nervtag). Das klingt nach wenig, doch der darauffolgende Satz macht hellhörig: Vorläufige Informationen deuteten darauf hin, dass die Sequenz des Virus in mehr als einem Fall zufällig mutiert ist.
Die Fachleute gingen davon aus, dass die Viren die E484K-Mutation unabhängig voneinander erworben haben, erklärte der Epidemiologe Eric Feigl-Ding auf Twitter. Das sei ein Hinweis, dass parallele Evolution stattfinde. Nicht gut
, kommentierte der Forscher.
Jonathan Stoye vom Francis Crick Institute erklärte nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa, die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die britische Variante nun selbstständig die E484K-Änderung entwickelt.
Anders gesagt: Die elf Fälle könnten erst der Anfang sein.
Ob sich die neuen Mutanten in den nächsten Wochen allerdings tatsächlich gegen bisherige Viruslinien durchsetzen und irgendwann einen nennenswerten Teil der Sars-CoV-2-Fälle ausmachen werden, ist noch unklar. Es bleibt abzuwarten, ob diese Mutation dem neuen Virus einen Wachstumsvorteil verschaffen wird
, erklärte Stoye.
Der Virologe Julian Tang von der Universität von Leicester sprach von einer besorgniserregenden Entwicklung
, die allerdings nicht völlig unerwartet
komme. Tang sagte, es sei umso wichtiger, sich an die Corona-Regeln zu halten und die Ausbreitung des Virus zu stoppen, damit es kein Schmelztiegel
für neue Varianten werde.
Hinweise auf etwas geringere Wirksamkeit
Im unglücklichsten Fall vereinen die neuen Varianten zwei für den Menschen ungünstige Eigenschaften. Dann wären sie deutlich ansteckender als bisherige Viruslinien und würden zugleich nicht zwingend Halt vor Menschen machen, die bereits mit Sars-CoV-2 infiziert waren oder gegen Covid-19 geimpft sind.
Unter anderem in Brasilien gab es bereits vereinzelt Fälle von Mehrfachinfektionen mit E484K-Mutanten. Ob diese im Zusammenhang mit der dortigen Viruslinie häufiger sind als mit früheren, ist allerdings noch unklar.
Laboruntersuchungen zeigen zudem, dass die Antikörper von Geimpften die E484K-Mutanten nicht ganz so verlässlich neutralisieren wie andere Viruslinien. Erste Ergebnisse einer kleinen Covid-19-Impfstudie des Unternehmens Novavax mit 4400 Probanden in Südafrika legen nahe, dass die Wirksamkeit dieses Impfstoffs von rund 90 auf 60 Prozent sinkt, wenn die E484K-Mutante breit kursiert.
In der Prüfung des Unternehmens hatte etwa die Hälfte der Studienteilnehmer den Impfstoff erhalten, die andere Hälfte ein wirkungsloses Placebo. Insgesamt erkrankten 44 Probanden an Covid-19 – 29 davon in der Placebogruppe, 15 unter den geimpften Personen.
Ein Impfstoff, der die Zahl der Covid-19-Fälle, die durch E484K-Mutanten ausgelöst werden, um mehr als die Hälfte reduziert, wäre immer noch ein Gewinn in der aktuellen Situation. Impfstoffe, die von Grund auf eine geringere Wirksamkeit haben, könnten für den Fall, dass sich die neuen Virusvarianten stark ausbreiten und sich die Tendenz erster Analysen bestätigt, jedoch erheblich Nutzen einbüßen.
Die Hersteller Biontech/Pfizer gehen bislang noch davon aus, dass ihr Impfstoff auch gegen die Mutante aus Südafrika hochwirksam ist und Covid-19 auch hier verlässlich verhindert. Impfstoffhersteller in der ganzen Welt arbeiten derzeit daran, ihre Impfstoffe an neue Virusvarianten anzupassen. Spiegel Wissenschaft, mit Material von dpa
Pathologe: Großteil der Corona-Toten an statt mit Covid gestorben
Der Großteil der von Kieler Pathologen obduzierten Menschen, die sich vor ihrem Tod mit Corona infiziert hatten, ist tatsächlich an Covid-19 gestorben. Bei 85 Prozent der Fälle konnten wir wirklich bestätigen, dass sie an Covid-19 verstorben sind
, sagte der Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Christoph Röcken. In Kiel wurden bislang mehr als 50 Menschen im Alter von 53 bis über 90 Jahre obduziert, die sich vor ihrem Tod mit Sars-CoV-2 angesteckt hatten. Nur ein kleiner Teil sei mit statt an Covid-19 gestorben, sagte Röcken.
Röcken und sein Team obduzieren aktuell zusätzlich zu ihren anderen Aufgaben täglich zwei Menschen, die an oder mit Covid-19 gestorben sind. Ihr Ziel: Wissen sammeln über einen Erreger und eine Krankheit, die derzeit überall auf der Welt wüten. Die Ergebnisse werden im Rahmen einer bundesweiten Initiative von 34 Unikliniken systematisch zusammengetragen. In einem Obduktionsregister werden die Daten aus ganz Deutschland gesammelt und ausgewertet sowie Gewebeproben von an Covid-19 Verstorbenen aufbewahrt.
Bislang liegen bundesweite Daten aus dem Obduktionsregister noch nicht vor. Aber er höre von anderen Pathologen bundesweit, dass diese zu ähnlichen Ergebnissen kämen, sagte Röcken.
Das Robert Koch-Institut verzeichnete bislang mehr als 60.000 Corona-Todesfälle. In die Statistik gehen dabei sowohl Menschen ein, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind, also auch solche mit Vorerkrankungen, bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war. dpa
Die unsichtbare Welle
Die Infektionszahlen in Deutschland gehen zurück. Doch erste Daten zur Verbreitung der Variante B.1.1.7 deuten darauf hin, dass es damit bald vorbei sein könnte. RKI-Chef Wieler rechnet mit einer weiteren Ausbreitung.
Die in England zuerst aufgetretene Corona-Variante greift auch in Deutschland um sich. Das ist Daten zur Verbreitung der Variante namens B.1.1.7 zu entnehmen, die das Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitag erstmals veröffentlicht hat. Das mutierte Virus macht demnach 5,8 Prozent aller Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland aus. Insgesamt gibt es 1.800 Nachweise von B.1.1.7. Die Auswertung des RKI geht von Neujahr bis 29. Januar, inzwischen könnte die Variante bereits weiter verbreitet sein. Es ist mit einer weiteren Erhöhung des Anteils der Virusvariante B.1.1.7 zu rechnen
, schreibt das RKI.
Die Daten stammen sowohl aus erweiterten PCR-Tests, mit denen die Varianten mittlerweile entdeckt werden können, als auch auf Sequenzierungen des gesamten Viruserbguts. Zur Verbreitung der Varianten B.1.351 aus Südafrika und P.1 aus Brasilien enthält der Bericht keine belastbaren Daten. Die südafrikanische Variante wurde demnach 27-mal nachgewiesen.
In Großbritannien dominiert die Variante B.1.1.7 mittlerweile das Infektionsgeschehen: In fast 90 Prozent aller untersuchten Proben wurde dort zuletzt die Mutation nachgewiesen, in London sind es bereits 97 Prozent. Diese Zahlen stammen aus dem aktuellen Bericht der nationalen Gesundheitsbehörde Public Health England. Auch in Dänemark breitet sich die Variante aus und macht dort inzwischen jede fünfte Infektion aus.
Die Verdrängung der anderen Varianten durch B.1.1.7 deckt sich mit den Erwartungen basierend auf der Ausbreitung in England und anderswo
, sagt Sebastian Funk, Epidemiologe an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Gegenüber dem herkömmlichen Sars-Cov-2-Virus ist die Variante um etwa 30 bis 50 Prozent ansteckender, hat also eine höhere Reproduktionszahl. In vielen europäischen Ländern liegt die Reproduktionszahl aufgrund der Lockdown-Maßnahmen derzeit knapp unter 1,0, die Fallzahlen gehen also insgesamt zurück. Doch B.1.1.7 vermehrt sich währenddessen mit der erhöhten Reproduktionszahl, gewinnt also an Anteil.
Wenn RKI-Präsident Lothar Wieler also sagt, die Mutante dominiere das Geschehen in Deutschland noch nicht, so liegt die Betonung auf noch. Während die Kurve der Fallzahlen weiterhin sinkt, breitet sich die Variante zunächst im Verborgenen aus. Sobald sie Oberhand erlangt, nimmt auch die Gesamtzahl der Fälle wieder zu. Die Parameter von B.1.1.7 lassen sich den Studien aus Großbritannien nicht präzise entnehmen, daher ist offen, wann und wie rasant die Kurve zu steigen beginnt.
Die Gefahr einer solchen Pandemie in der Pandemie ist, dass die noch dominierenden alten Virusvarianten erst einmal den Verlauf der Neuinfektionen bestimmen. Die Fallzahlen sinken noch eine Weile, erst schnell, dann immer langsamer. Dass sich Mutanten wie B.1.1.7 längst exponentiell verbreiten, ist nur mit spezifischen Tests zu erkennen. Wenn B.1.1.7 um 40 Prozent ansteckender ist, würde sich die Entwicklung im März allmählich wandeln, B.1.1.7 würde die Oberhand gewinnen, die Fallzahlen würden wieder steigen - obwohl sich die Maßnahmen nicht verändert haben. So war es bereits Ende vergangenen Jahres in Großbritannien zu beobachten.
Die Daten zur Gefährlichkeit von B.1.1.7 sind jedoch mit einer Unsicherheit behaftet, weshalb dieses Szenario nur eine Möglichkeit darstellt. Die Berechnungen hängen stark davon ab, wieviel ansteckender B.1.1.7 und andere Mutanten wirklich sind. Nimmt man eine nur um 30 Prozent erhöhte Ansteckungswahrscheinlichkeit an, so würden die Fallzahlen bei gleichbleibenden Maßnahmen erst im April wieder merklich ansteigen. Zuvor würde die Inzidenz die Zielmarke von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner pro Woche unterschreiten. Dadurch könnte etwa die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter wieder effektiver und eine nächste Welle womöglich verhindert werden.
Andererseits könnte B.1.1.7 auch um 50 Prozent ansteckender sein als die bisherigen Varianten. So hat es RKI-Präsident Wieler am Freitag in einer Pressekonferenz angenommen. In einem solchen Szenario würde die Inzidenz in die Höhe schnellen, ohne einen verschärften Lockdown oder einen bald einsetzenden Effekt von genügend Impfungen wäre so sogar eine Inzidenz von mehr als 1000 gegen Ende April möglich.
Christian Drosten hält einen aktuellen Anteil von 5,8 Prozent der Mutante an allen Infektionen in Deutschland für realistisch, wie er der SZ mitteilte. Gemeinsam mit seinem Team hat der Corona-Experte und Leiter der Virologie an der Berliner Charité an der Erfassung von B.1.1.7 mitgewirkt. Eine selektive Analyse schließt er aus: In den großen niedergelassenen Laboren seien die Positivproben auf die Variante nachgetestet worden, so wie sie reinkamen
, erklärte Drosten. Es sei also nicht nur bei Ausbrüchen näher hingesehen worden, wodurch der Anteil von nachgewiesenen Mutanten wegen ihrer höheren Infektiosität künstlich erhöht sein könnte. Auch bei den Beiträgen der Unikliniken sei keine Verzerrung zu erwarten, weil auch dort unvoreingenommen positive Proben getestet wurden
, so Drosten.
Auch Michael Meyer-Hermann hält die Angaben des RKI zur Verbreitung der Variante für plausibel. Was die erhöhte Ansteckungsrate angeht, würden die Befunde aus England auch für Deutschland gelten: Es gibt keinen Grund, warum die Variante in Deutschland eine andere Übertragbarkeit haben sollte als in England
, sagt der Epidemiologe vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Der R-Wert von B.1.1.7 liege also um 30 bis 50 Prozent über dem des herkömmlichen Sars-Cov-2.
In Großbritannien hatte sich B.1.1.7 zuerst stark in Schulen ausgebreitet. Deshalb hielten Wissenschaftler es zunächst für möglich, dass sich die Variante unter jungen Menschen besonders leicht verbreitet. Inzwischen gilt diese These jedoch als verworfen, der Anteil der Variante unter allen Infektionen unterscheidet sich zwischen den Altersklassen nur geringfügig.
Als wahrscheinlich gilt dagegen inzwischen, dass die Variante nicht nur ansteckender ist, sondern auch bei einem erhöhten Anteil der Infizierten zu einem schweren Verlauf führt. Auch die Sterblichkeit ist erhöht, und zwar den vorläufigen Daten zufolge ebenfalls um 30 bis 50 Prozent. Hier ist die Unsicherheit allerdings noch groß. Sowohl die erhöhte Ansteckungsrate als auch die höhere Sterblichkeit haben Auswirkungen auf die erwartete Belastung für das Gesundheitssystem
, sagt Sebastian Funk, wie auch auf die Härte und Länge der notwendigen Maßnahmen zur Einschreckung.
Das Virus hat im Vergleich zum ursprünglichen Sars-CoV-2 zahlreiche Mutationen erworben, die seine Eigenschaften verändert haben. Ähnliches gilt auch für die Varianten aus Südafrika und Brasilien, deren Auswirkungen ähnlich schwer zu kalkulieren sind.
In Großbritannien hat die Variante im Dezember zu einem rasanten Anstieg der Fallzahlen beigetragen, die 7-Tage-Inzidenz stieg landesweit zeitweise auf mehr als 600. Mit einem relativ harten Lockdown seit 4. Januar gelingt es der Regierung seither, die Fallzahlen deutlich zu senken. Das zeigt, dass sich auch die Variante B.1.1.7 eindämmen lässt. Wir sind erfreut und zu einem gewissen Grad positiv überrascht
, sagt Funk. Beigetragen hätten dazu eine konsequente Schließung der Schulen sowie ein erhöhtes Bewusstsein der Bevölkerung: Das sehen wir an den Mobilitätsdaten
, sagt Funk. Durch die rasante Verbreitung des Virus im Dezember sei inzwischen aber auch ein nennenswerter Teil der englischen Bevölkerung immun.
Wie sehr sich die Mutanten auf den Impfschutz auswirken, ist noch unklar. Manche Studien legen nahe, dass Antikörper, die der Mensch als Reaktion auf die Impfung bildet, gegen die mutierten Viren nicht mehr so effektiv sein könnten. Das gilt aber nicht für alle Impfstoffe und auch nicht für alle Mutanten gleichermaßen. So fiel die Wirkung des Moderna-Impfstoffs gegen die Südafrika-Variante in einer Untersuchung der Firma tatsächlich auf etwa ein Sechstel ab, während sie gegen B.1.1.7 erhalten blieb. Auch der in Deutschland noch nicht zugelassene Novavax-Impfstoff bringt gegen B.1.1.7 noch einen 85-prozentigen Schutz, der gegen B.1.351 unter 50 Prozent fällt. Von Biontech kamen dagegen zuletzt beruhigende Nachrichten: Selbst gegen eine Kombination der englischen Variante B.1.1.7 mit der südafrikanischen Variante B.1.351 wirkten Seren von Menschen, die mit dem Biontech-Vakzin geimpft worden waren, noch fast genauso gut wie gegen das Ursprungsvirus.
Hinzu kommt, dass die Impf-Reaktion gegen das Virus nicht nur aus Antikörpern besteht, sondern aus einer Vielzahl von Immunreaktionen. Deshalb gehen manche Virologen wie Ulrike Protzer von der TU München davon aus, dass einzelne Mutationen der Impf-Wirkung erst einmal wenig anhaben.
Möglich ist die Pandemiebekämpfung auch mit den ansteckenderen Varianten. Doch: Die aktuellen Maßnahmen reichen nicht aus, um B.1.1.7 zu kontrollieren
, sagt Michael Meyer-Hermann, die Chance, die wir haben ist, die Fallzahlen so früh in den Bereich von Inzidenz 10 zu bekommen, dass wir mit Hilfe der Nachverfolgung und mit konsequenten Quarantäne-Maßnahmen in der Lage sind, alle Fälle zu kontrollieren. Deshalb ist es extrem dringend erstens nicht zu lockern, zweitens die Umsetzung der jetzigen Maßnahmen effizienter zu machen und drittens die Gesundheitsämter vorzubereiten.
Man müsse schnell handeln, um der Expansion von B.1.1.7 zuvorzukommen. Süddeutsche Zeitung, von Christina Berndt, Christian Endt und Sören Müller-Hansen
10.485 Neuinfektionen und 689 neue Todesfälle gemeldet
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 10.485 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 689 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Samstag hervorgeht. Vor einer Woche hatte das RKI 12.321 Neuinfektionen und 794 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet.
Der Höchststand von 1244 neuen gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3.500 Nachmeldungen enthalten.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Samstagmorgen bei 77,3. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen.
Das RKI zählt seit Beginn der Pandemie 2.275.394 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 06.02., 00.00 Uhr). Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte noch deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2
gestorben sind, stieg auf 61.286. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.020.900 an.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Freitagabend bei 0,93 (Vortag 0,89). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 93 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Leyen: Impfstoff-Engpass wegen fehlender wichtiger Inhaltsstoffe
Die wegen der schleppenden Beschaffung von Impfstoffen in der Kritik stehende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Vorwurf eines zu späten Vertragsabschlusses mit den Pharmafirmen zurückgewiesen. Der Engpass sei damit zu erklären, dass wichtige Inhaltsstoffe weltweit knapp sind
, schrieb von der Leyen laut Vorabbericht in einem Gastbeitrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
. Der Vorwurf, ein früherer Vertragsabschluss hätte zu einer schnelleren Lieferung von Impfstoff geführt, führe in die Irre
. Wenn schon damals allen klar gewesen sei, welche Risiken mit dem Start einer derartigen Massenproduktion verbunden sind, dann hätten wir früher auf allen Ebenen überhöhte Erwartungen an eine schnelle Impfung gedämpft.
Reuters
BKA-Präsident: Zahl der Bedrohungen gegen Politiker, Wissenschaftler und Journalisten steigt
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat eine steigende Anzahl von Bedrohungen und Anfeindungen von Politikern, Wissenschaftlern und Journalisten durch Corona-Leugner festgestellt. Wir sehen mit Sorge, dass die Zahl der Bedrohungen und Anfeindungen stetig zunimmt. Das betrifft Politiker, aber auch andere Personen wie etwa Virologen, die während der Pandemie in den Medien besonders präsent sind
, sagte BKA-Präsident Holger Münch in einem Spiegel
-Interview. Immer häufiger registrieren wir Angriffe auf Journalisten. Die Emotionalisierung ist groß.
Deshalb habe das BKA seine Schutzkonzepte in enger Abstimmung mit den Ländern angepasst.
Unter den
, sagte Münch. Querdenkern
sind Verschwörungstheoretiker, Esoteriker, aber auch Reichsbürger
und RechtsextremistenEs gibt also eine Nähe zu Radikalen, aber bislang keine Unterwanderung der kompletten Protestbewegung.
Wichtig werde weiterhin sein, dass die Politik ihre Maßnahmen gut erklärt. Auch die Unterstützung für Menschen, die wegen Corona wirtschaftlich in Not geraten sind, stabilisiert die Gesellschaft.
Es zeichne sich ab, dass die Zahl der politisch motivierten Straftaten im vergangenen Jahr deutlich gestiegen sei, so Münch. Darunter auch die der fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Delikte. Das alarmiert uns sehr.
dpa
Spahn: Wir ändern die Impfverordnung
Die Zahl der aktiven Fälle liege erstmal seit dem 4. November unter 200.000, die Sieben-Tage-Inzidenz sei unter 80 gesunken. Das sei erfreulich, aber die Zahlen müssten noch weiter runter, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Der zuletzt mühsam erreichte Fortschritt bei den Infektionszahlen dürfe nicht leichtfertig verspielt werden und weist erneut auf die Gefahr durch Virusmutationen hin. Wenn wir diesen Mutationen die Möglichkeit zur Ausbreitung geben würden, riskierten wir einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen
, sagt Spahn. Sobald geöffnet werden könne, solle dies zuerst bei Kitas und Schulen geschehen.
Der Gesundheitsminister betonte: Wir haben jetzt die Mittel, das Virus zu besiegen - nicht sofort, aber im Laufe des Jahres.
Spahn kündigt zudem an, die Impfstrategie leicht abzuändern: Wir ändern die Impfverordnung.
Die Priorisierung bleibe weitgehend gleich, so der Minister, aber man werde nun dahingehend ändern, dass jüngere Menschen vermehrt den Astrazeneca-Impfstoff bekommen, während ältere Menschen die Impfstoffe von Biontech und Moderna erhalten sollen. Die neue bundesweite Impfverordnung tritt am Montag in Kraft, kündigt Spahn an. dpa, Tsp
EU-Außenbeauftragter: Russischer Impfstoff gute Nachricht für die Menschheit
Bei seinem Besuch in Moskau hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V als gute Nachricht für die Menschheit
bezeichnet. Er hoffe, dass die Europäische Arzneimittelbehörde Ema die Zulassung des Vakzins auch in der EU empfehlen werde, sagte Borrell bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Freitag. Lawrow betonte, sein Land wünsche sich eine enge Zusammenarbeit mit der EU und den USA bei der Impfstoff-Produktion.
Moskau sei bereits in Kontakt
mit Washington über eine mögliche Zusammenarbeit im Impfstoff-Bereich, sagte Lawrow. Zudem hätten bereits mehrere EU-Mitgliedstaaten Interesse daran bekundet, das russische Corona-Vakzin auf ihrem Staatsgebiet herzustellen
. AFP
Briten müssen wegen Lockdowns fast 50 Millionen Liter Bier vernichten
In Großbritannien müssen wegen der Corona-Lockdowns insgesamt fast 50 Millionen Liter Bier vernichtet werden. Das geht aus einer Berechnung der British Beer and Pub Association hervor, über die der Sender BBC am Freitag berichtete. Insgesamt geht der Verband von 49,5 Millionen Litern Fassbier aus, die wegen der lange geschlossenen Pubs weggeschüttet werden müssen - das entspricht dem Bericht zufolge etwa 495.000 Badewannen voll Bier.
Alle Fassbiere, die nicht vor Ablauf ihres Mindesthaltbarkeitsdatums getrunken wurden, müssen zurück an die Brauereien gehen und entsorgt werden. Bei vielen Bieren ist dies drei bis vier Monate nach der Lieferung an die Pubs der Fall, bei Ales und einigen anderen Bieren sogar schon nach sechs bis neun Wochen. dpa
Impfstoff-Krach in der GroKo geht weiter
In der großen Koalition gibt es weiter erhebliche Meinungsunterschiede zum Bestellprozess der EU-Kommission für Corona-Impfstoffe.
Während Kanzlerin Angela Merkel in der ARD sagte, im Großen Ganzen ist nichts schiefgelaufen
, sind nun ziemlich deutliche Worte von Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz aus einer Kabinettssitzung vom Montag publik geworden: Dass sei scheiße gelaufen
, sagte Scholz dem Vernehmen nach, die EU hätte mehr Impfstoff bestellen sollen und man müsse jetzt aufpassen, dass beim Impfen nicht die nächste Scheiße passiert
.
Zunächst hatte die Bild
darüber berichtet. Scholz steht auch unter Druck in den eigenen Reihen, als Kanzlerkandidat aus der Regierung heraus mehr klare Kante zu zeigen. Zudem gibt es vielen Bundesländern erheblichen Unmut über falsche Erwartungen und fehlende Klarheit für Impftermine.
Zumindest konnte bei dem jüngsten digitalen Impfgespräch im Kanzleramt den Herstellern die Zusicherung abgerungen werden, jeweils für rund drei Wochen Liefermengen zuzusichern, um auf dieser Basis Hochrechnungen anstellen zu können und entsprechend verbindliche Impfeinladungen auszusprechen.
Vor allem Merkel versucht EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) in Schutz zu nehmen, aber auch Gesundheitsminister Jens Spahn soll wiederholt auf Verzögerungen und Probleme bei den Verhandlungen unter Federführung von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hingewiesen haben.
Der zentrale Vorwurf von vielen Seiten lautet, es sei zu spät und zu wenig Impfstoff bestellt worden, dadurch könnten einige andere Staaten jetzt schneller mit den Impfungen ihrer Bevölkerungen vorankommen. tsg, Georg Ismar
Patientenschützer fordert fünf Jahre Haft für Impf-Vordrängler
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert Strafen für die Verletzung der Reihenfolge bei den Corona-Impfungen. Die Begründung ist immer gleich: Der überschüssige Impfstoff hätte ansonsten weggeworfen werden müssen
, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Damit in der Praxis die Impfverordnung konsequent angewandt wird, müssen Verstöße sanktioniert werden.
Angesichts des knappen Impfstoffs gilt eine strenge Reihenfolge, wer zuerst geimpft wird. Die über 80-Jährigen und die Menschen in Pflegeheimen erhalten den Schutz vorrangig, weil das Todesrisiko bei Covid-19 bei den Hochbetagten am größten ist. Für Schlagzeilen hatten aber Fälle gesorgt, in denen führende Mitarbeiter im Klinik- oder Feuerwehrbereich sowie Bürgermeister den Impfstoff bereits erhalten hätten. Brysch forderte, bezahlte und unberechtigte Verimpfung mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe zu belegen.
Um überschüssigen Impfstoff gut nutzen zu können, hätten die Impfzentren und die mobilen Impfteams Wartelisten für alternative Impfberechtigte der gleichen Prioritätsgruppe vorzuhalten, sagte Bryswch. Notfalls müssten auch Taxis und Liegendtransporte dafür verfügbar sein. So wird möglichst ausgeschlossen, dass übrig gebliebener Impfstoff erst am Ende eines Einsatzes auffällt.
Zugleich nehme die Diskussion an Fahrt auf, ob bei Geimpften Einschränkungen zurückgenommen werden sollen, stellte Brysch fest. An diesem Donnerstag will der Deutsche Ethikrat in Berlin zu dieser Frage Stellung nehmen. dpa
Wanderung mit Einkehr verursacht mindestens 25 Corona-Infektionen
Der Ausflug einer Wandergruppe ins schön verschneite Donautal hat in Baden-Württemberg zu einem massiven Corona-Ausbruch geführt. Politiker fordern Strafen, die weh tun
.
Ein Wanderausflug einer 14-köpfigen Gruppe mit Beisammensein in einer Hütte hat in Baden-Württemberg einen Corona-Ausbruch verursacht – und für Entsetzen bei Politikern gesorgt. Der Bürgermeister der Stadt Mühlheim an der Donau, Jörg Kaltenbach (CDU), sagte laut der Zeitung Bild
: Die Wanderer stammen aus zehn Haushalten. Niemand aus der Gruppe hat sich an die Corona-Regeln gehalten, wie wir jetzt erfahren haben.
Dabei hätten sich Beteiligte gegenseitig angesteckt und später andere infiziert. Das muss hart bestraft werden
, so Kaltenbach gegenüber Bild
. Mehrere Medien berichteten über den Vorfall.
Rücksichtslos und selbstherrlich
Die Gruppe war am 16. Januar durch das verschneite Donautal gewandert. Stefan Bär, Landrat des Landkreises Tuttlingen, sagte in einer am Freitag veröffentlichten Video-Botschaft auf Facebook: Aus dieser Wanderung sind – Stand heute – bereits 25 positive Fälle hervorgegangen.
Es sei einer der massivsten Verstöße gegen die Corona-Verordnuneng bisher. Das Verhalten sei rücksichtslos gewesen und grenzt an Selbstherrlichkeit
.
Bürgermeister Kaltenbach sagte dem SWR mit Blick auf die Konsequenzen für die Corona-Regel-Brecher, es gebe eine klare Erwartungshaltung, dass man sich hier im allerobersten Rahmen bewegt, dass es weh tun muss und eine abschreckende Wirkung hat
.
Voraussichtlich keine strafrechtlichen Konsequenzen
In Mühlheim lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Ende vergangener Woche bei fast 1000. Unterdessen sank der Wert auf rund 500. Am Mittwoch lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis Tuttlingen – dort befindet sich Mühlheim an der Donau – bei 100,9.
Trotz der Forderungen nach einer Strafe aus der Politik wird es für die 14 Teilnehmer jedoch voraussichtlich keine strafrechtlichen Konsequenzen haben. Man gehe davon aus, dass die Wanderer keine Straftaten begangen hätten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil, Frank Grundke, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Vermutlich handele es sich um Ordnungswidrigkeiten. Die Staatsanwaltschaft sei in dem Fall bislang gar nicht eingeschaltet – entgegen anderslautenden Berichten.
Stand jetzt gibt es keine Hinweise auf eine Straftat
, sagte ein Sprecher der Polizei Konstanz. Man gehe bislang lediglich von Verstößen gegen die Corona-Verordnung und das Infektionsschutzgesetz aus. Jetzt gelte es zu klären, ob die Person oder die Personen, die bei der Wanderung bereits mit dem Coronavirus infiziert gewesen seien, von ihrer Infektion gewusst hätten. Das wäre Voraussetzung für ein Körperverletzungsdelikt. Allerdings gehe die Polizei derzeit nicht davon aus. Die Ermittlungen zu dem Fall könnten sich hinziehen, sagte der Sprecher. Es müssten 14 Personen und weitere Zeugen befragt werden. Frankfurter Allgemeine Zeitung
Curevac und GSK arbeiten an Impfstoff gegen Mutanten
Der deutsche Impfstoffhersteller Curevac will gemeinsam mit dem britischen Pharmakonzern Glaxosmithkline weitere mRNA-Impfstoffe entwickeln, die vor mutierten Varianten des Coronavirus schützen. Diese neue Kooperation baut auf unseren bestehenden Verbindungen mit Curevac auf
, sagte Glaxosmithkline (GSK)-Chefin Emma Walmsley laut einer Mitteilung von Mittwoch. Sie steht dafür, dass wir unsere wissenschaftliche Expertise in mRNA und der Impfstoffentwicklung vereinen, um die Entwicklung von neuen Covid-19-Impfstoffen zu beschleunigen.
Der neue Impfstoff soll im kommenden Jahr verfügbar sein. Außerdem will der britische Konzern noch in diesem Jahr 100 Millionen Dosen des ersten Curevac-Impfstoffs CVnCoV herstellen, der sich aktuell in klinischen Tests der Phase-2b/3 befindet und in den nächsten Monaten zugelassen werden könnte.
Um einen breiteren Schutz gegen mehrere Corona-Varianten zu bieten und gegebenenfalls auch für künftige vorzusorgen, wollen Curevac und GSK auf Basis des ersten Vakzins weitere Impfstoffkandidaten entwickeln. Der britische Pharmakonzern leistete im Rahmen der Kooperation eine Vorauszahlung von 75 Millionen Euro - und weitere 75 Millionen Euro, die von bestimmten Meilensteinen abhängen. dpa
Impfangeboteigentlich gemeint ist
IW-Institut: Impfgipfel als Beleg für Missmanagement
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hält den Impfgipfel von Bund und Ländern für einen Fehlschlag. Der Impfgipfel konnte wenig bewegen und diente eigentlich nur dazu, parteipolitische Schäden des Versagens auf europäischer Ebene sowie des schlechten Managements auf Ebene der Bundesländer zu minimieren
, sagt Hüther der Düsseldorfer Rheinischen Post
. Die EU hat zu spät und zu sehr auf den Preis achtend verhandelt.
Das habe den Mangel an früh verfügbarem Impfstoff verursacht, diese Verzögerungen seien nicht leicht zu kompensieren. Der Ausbau bestehender Impfstoffproduktionen werde von vielen Firmen vorangetrieben. Aber dies dauere sechs bis neun Monate und führt in der Startphase zu Kinderkrankheiten
.
Es hätte wohl mehr bestellt werden müssen
, sagt Scholz
Kritik, nach der sich Deutschland mehr Impfstoffdosen hätte sichern sollen, will Bundesfinanzminister Olaf Scholz nicht gelten lassen. Europa müsse zusammenstehen. Deutschland könne sich die Pandemie zudem lange genug leisten.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist gegen einen Sonderweg Deutschlands bei der Impfstoffbeschaffung. Trotz Fehlern der EU-Kommission beim Einkauf sei es richtig, sich die Impfstoffe nicht gegenseitig in Europa wegzuschnappen.
Europa wird diese Krise nur gemeinsam bewältigen
, sagte der SPD-Kanzlerkandidat bei einer virtuellen Veranstaltung mehrerer Zeitungen. Man müsse sich aber kritisch eingestehen: Es hätte wohl mehr bestellt werden müssen.
Wichtig sei nun aber, aus Fehlern zu lernen und vor allem die bestehenden Kapazitäten rasch auszuweiten.
Auf die Frage, wann der Punkt gekommen ist, an dem sich Deutschland die Corona-Hilfen nicht mehr leisten kann, antwortete Scholz: Diesen Punkt werden wir in diesem Jahr nicht erreichen.
Danach werde Deutschland die Krise hinter sich lassen, insofern werde der Punkt gar nicht kommen. Wir können uns das leisten, was notwendig ist
, sagt der SPD-Kanzlerkandidat. Deutschland sei mit einem sehr soliden Haushalt in die Krise gegangen und habe deswegen nun Möglichkeiten zum Handeln. Die Überbrückungshilfen für Selbstständige und Unternehmen von November bis Juni könnten durchaus 50 Milliarden Euro kosten. [Qielle: Reuters
Was mit Impfangebot
eigentlich gemeint ist
Bei der Corona-Impfung spricht die Bundesregierung immer wieder davon, dass spätestens im Sommer jedem ein Impfangebot
gemacht werden soll. Das wirft Fragen auf. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte dazu in den ARD-Tagesthemen
, er habe den Begriff gewählt, weil es ihm darum gehe, dass die Impfung freiwillig sei. Jeder der will, mit dem, was wir heute wissen, soll im Sommer seine erste Impfung gesetzt bekommen haben.
Ob es mit der zweiten Spritze noch im Sommer klappt, kommt dann darauf an, wie viele Wochen dazwischen liegen müssen. Mit im Sommer
meint die Bundesregierung übrigens die Zeit bis zum kalendarischen Sommerende am 21. September, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kürzlich klar. Erstmals breiter aufgetaucht ist das Wort Impfangebot
voriges Jahr Anfang Juni in Berichten über eine Umfrage zur Impfbereitschaft in der Bevölkerung.
Wie das theoretische Angebot
praktisch unterbreitet wird, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland und auch je nach Kommune: Es werden Einladungs- und Informationsschreiben versandt, Bürger können online oder telefonisch einen Impftermin buchen, mancherorts gibt es Fahrdienste oder Buslinien für ältere Menschen zu den Impfzentren oder auch mobile Impfteams für Hausbesuche. dpa
RKI meldet 6.114 Neuinfektionen und 861 Tote
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 6114 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 861 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Dienstag hervorgeht. Vor genau einer Woche hatte das RKI 6412 Neuinfektionen und 903 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet.
Der Höchststand von 1244 neuen gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100-000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Dienstagmorgen bei 90. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. dpa
Warum auch Geimpfte das Virus verbreiten könnten
Auch wenn die Impfstoffe vor Covid-19 schützen, könnten sie dem Virus Schlupflöcher bieten. Die Ursache: Die Impfung geschieht am falschen Ort. Ein Nasenspray könnte Abhilfe schaffen - das aber ist noch in weiter Ferne.
Klar ist: Wer gegen das Coronavirus geimpft wurde, wird sehr wahrscheinlich nicht an Covid-19 erkranken, zumindest nicht schwer. Klinische Studien haben inzwischen sehr deutlich gemacht, dass die Impfstoffe die Krankheit verhindern. Doch eine andere Frage ist derzeit noch unbeantwortet: Verhindern sie auch die Infektion selbst? Wenn nicht, könnten Geimpfte, die sich Sars-CoV-2 eingefangen haben, das Virus weiterverbreiten – dank der reduzierten Symptome womöglich sogar, ohne es zu merken.
Der Unterschied zwischen einer Abwehr, die nur die Krankheit unterbindet, und einer sterilen Immunität, die das Virus vollständig eliminiert, sei die Stärke der Immunreaktion, sagt Peggy Riese vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Für eine sterile Immunität braucht man entweder eine große Menge neutralisierender Antikörper oder effektive zytotoxische T-Zellen im Blut.
Wichtig sei, das Virus nach dem Eintritt in den Köper so schnell zu eliminieren, dass dieses sich nicht vermehren und im Körper keine Infektion etablieren kann. Gelingt das, gibt der Infizierte das Virus auch nicht weiter.
Die zentrale Frage ist also, ob die Immunreaktion durch die Impfstoffe stark genug ist, um das Virus gleich nach dem Erstkontakt wieder loszuwerden. Die Antwort darauf ist entscheidend dafür, wie es mit der Pandemie weitergeht. Wenn die Impfung das Virus nahezu komplett stoppt, sind Geimpfte nicht nur selbst geschützt, sondern schützen auch ihre Kontakte. Jede Impfung würde dann weitere Erkrankungen verhindern und damit die Pandemie ausbremsen.
Wann ein Impfstoff sterile Immunität erzeugt
Im umgekehrten Fall würde der Impfstoff zwar die Symptome dramatisch reduzieren, das Virus könnte sich aber immer noch im Körper vermehren. Geimpfte würden dann weiterhin andere Menschen anstecken, statt einen Schutzschild zu bilden. Das hieße nicht, dass der Impfstoff gescheitert ist. Symptomatische und schwere Verläufe zu vermeiden, ist seine wichtigste Aufgabe.
Doch dass die aktuellen Coronavirus-Impfstoffe diese Aufgabe gut erfüllen, ist keine Garantie, dass eine sterile Immunität ebenfalls häufig ist. Die Krankheit zu verhindern, ist meistens einfacher als die Infektion
, sagt Riese. Ob bei einer bestimmten Impfung beides gelinge, hänge von drei Punkten ab: Der Art des Erregers, um was für einen Impfstoff es sich handelt und wie der Erreger übertragen wird.
Vergleichsweise einfach hat man es zum Beispiel beim Gelbfieber, das von Mücken übertragen wird und nicht von Mensch zu Mensch. Daher braucht es einen Impfstoff, der das Virus möglichst schnell bekämpft und somit die Entwicklung der Krankheit verhindert
, erklärt Riese. Das gilt auch für andere Krankheiten, die durch Tiere übertragen werden, zum Beispiel Denguefieber und Borreliose.
Am anderen Ende des Spektrums liegt die Grippe. Gegen die muss man sich jedes Jahr neu impfen lassen, und die Vakzine enthält bis zu vier unterschiedliche Viren – dennoch schützt sie im Mittel nur etwa die Hälfte der Geimpften. Das liegt vor allem am Virus selbst. Grippeviren sind extrem ansteckend, so dass sie sich trotz Impfung im Körper vermehren und zwischen Menschen verbreiten können. Außerdem verändern sie sich dauernd, so dass der Impfstoffcocktail nicht alle kursierenden Viren optimal abdeckt.
Wie schützt man die Schleimhäute?
Auch Sars-CoV-2 ist ein hochansteckendes Atemwegsvirus, und bisherige Erfahrungen mit Impfstoffen gegen andere Coronaviren hatten ebenfalls darauf hingedeutet, dass eine sterilisierende Immunität schwer zu erreichen sein würde. Die sehr guten Zahlen der mRNA-Impfstoffe waren eine willkommene Überraschung. Was sie über den Schutz vor einer Infektion aussagen, ist allerdings unklar. Ein weiteres potenzielles Problem: Der Impfstoff kommt streng genommen am falschen Ort zum Einsatz und erzeugt möglicherweise deswegen keine sterile Immunität.
Durch die intramuskuläre Impfung wird eine systemische Immunantwort stimuliert, die vor allem im Blutkreislauf stattfindet
, erklärt Riese. Doch das Virus vermehrt sich nicht im Körperinneren, sondern vor allem in den Schleimhäuten. Die Körperabwehr an den Grenzen zur Außenwelt, die mukosale Immunreaktion, ist eine andere als im Blut und in den Organen. Es sind besondere Bedingungen durch Infektion oder Impfung erforderlich, damit das Immunsystem spezifisch diese Barriere verstärkt. Eine wichtige Rolle spielt der Ort, an dem der erste Kontakt stattfindet.
So wie die Impfungen jetzt sind, also intramuskulär in den Arm, ist es relativ schwer, eine wirklich gute mukosale Immunantwort zu erzielen
, erklärt Riese. Auch die bisherigen Erfahrungen mit Tierimpfungen gegen Coronaviren legen diesen Schluss nahe. Ein Grund dafür ist, dass in den Schleimhäuten ein anderer Antikörpertyp dominiert, das Immunglobulin A (IgA). Wer eine Corona-Infektion hinter sich hat, trägt in den Schleimhäuten viele für das Coronavirus spezifische IgA-Antikörper.
Zwar zeigen Studien, dass auch die Impfungen eine sehr gute Antikörperantwort erzeugen – doch das ist bisher nur für das im Blut zirkulierende Immunglobulin G nachgewiesen. Dass eine sterile Immunität zu Stande kommt, sei deswegen keineswegs klar, erklärt Riese. Wenn wir eine richtig gute mukosale Immunität haben wollen, müssen wir auch über die Schleimhäute immunisieren.
Warum Nasenspray-Impfstoffe schwierig sind
Ein Ansatz, direkt an der Eintrittspforte der Atemwegserreger zu impfen, sind Nasensprays. Bei Influenza zum Beispiel gibt es einige Erfahrungen mit solchen Vakzinen. Allerdings bringen Nasensprays ihre eigenen Probleme mit sich. All jene Verteidigungsmechanismen, die die Schleimhäute vor Viren, Bakterien und Schadstoffen schützen, stehen auch dem Impfstoff dabei im Weg, eine wirkungsvolle Immunisierung zu erzeugen. Enzyme im Schleim zum Beispiel bauen Bestandteile der Impfstoffe ab und machen es so schwer, eine einheitliche Dosierung zu erreichen.
Außerdem stellt eine Impfung über die Nase besondere Sicherheitsanforderungen – die Nasenschleimhaut ist über die Riechkolben direkt mit dem Gehirn verbunden. Deswegen müssen solche Nasensprays noch einmal deutlich gründlicher geprüft werden. Die mukosale Impfung sei sehr interessant, wenn es darum geht, nicht nur die Krankheit, sondern auch die Infektion zu verhindern, sagt Riese. Aber es wird noch dauern, bis solche Impfstoffe zur Verfügung stehen.
Bis dahin hoffen Fachleute, dass die Immunisierung durch die vorhandenen, in den Muskel gespritzten Impfstoffe ausreicht, um das Virus auch in den Schleimhäuten zu eliminieren – oder wenigstens zu bremsen. Immerhin zeigen Daten, dass die mRNA-Impfstoffe das Immunsystem reichlich für das Coronavirus spezifische Antikörper bilden lassen. Das bezieht sich aber bisher nur auf das im Blut dominierende IgG.
Ob auch die mukosale Immunantwort ausreichend ist, damit Geimpfte nach einer Infektion gar nicht mehr oder zumindest weniger ansteckend sind, untersuchen Fachleute derzeit in Studien. Das allerdings sei sehr aufwändig, sagt Riese, weil man ja selbst ohne Symptome infiziert sein könne. Das hieße, ein Geimpfter müsste vielleicht jeden dritten Tag getestet werden, um festzustellen, ob er sich möglicherweise infiziert hat.
Untersuchungen der Krankenkassen in Israel deuten laut Riese immerhin darauf hin, dass die erste Impfdosis auch die Übertragung des Virus um 30 bis 50 Prozent reduziere. Das seien aber nur allererste, noch nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Beobachtungen, sagt die Forscherin. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis man genauer weiß, wie gut der Impfstoff vor der Infektion schützt.
Spectrum der Wissenschaft, von Lars Fischer