Corona-Chronik, März 2021
Die Chronik dieser Pandemie hier zum Nachlesen in gesammelten Pressemeldungen.
Baden-Württemberg hält an bisheriger Impfpriorisierung fest
Baden-Württemberg wird noch keinen Gebrauch von der Neuregelung machen, dass alle über 60-Jährigen jetzt mit Astrazeneca geimpft werden können. In Baden-Württemberg sind damit weiterhin ausschließlich die Menschen aus der ersten und der zweiten Priorität impfberechtigt
, teilt das Gesundheitsministerium mit. Neben den über 70- und über 80-Jährigen seien aber bereits jetzt zahlreiche Menschen über 60 impfberechtigt: Aufgrund ihrer Berufsgruppe, aufgrund von Vorerkrankungen oder als Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen. Wir bringen jetzt die Impfung der besonders vulnerablen, hochpriorisierten Menschen dieser Altersgruppe mit AstraZeneca schneller voran
, heißt es weiter. Reuters
EMA berät in der kommenden Woche erneut über Astrazeneca-Impfstoff
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) wird in der kommenden Woche erneut über die Sicherheit des Astrazeneca-Impfstoffes beraten. Eine Expertengruppe sei am Montag bereits zusammenkommen. Ihr Bericht und weitere Analysen sollten beim Treffen des Sicherheitsausschusses der EMA vom 6. bis 9. April beraten werden. Dann werde auch eine Aktualisierung der EMA-Empfehlung erwartet, wie die EMA auf dpa-Anfrage mitteilte.
Der Sicherheitsausschuss der EMA hatte zuletzt bekräftigt, dass der Impfstoff sicher und wirksam
sei, und dass es keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Blutgerinnsel gebe. Die EMA hatte auch betont, dass Experten weiterhin Fälle von Thrombosen prüfen würden. dpa
Astrazeneca betont Nutzen des Impfstoffs
Der britisch-schwedische Impfstoffhersteller Astrazeneca hat nach der erneuten Einschränkung des Einsatzes seines Coronavirus-Impfstoffes in Deutschland den Nutzen des Präparats betont. Die Zulassungsbehörden in Großbritannien und der Europäischen Union sowie die Weltgesundheitsorganisation seien zu dem Schluss gekommen, dass der Nutzen des Mittels die Risiken in allen Altersgruppen deutlich überwiege, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit.
Man respektiere die Stiko-Entscheidung, hieß es in der Mitteilung von Astrazeneca. Die Patientensicherheit hat für das Unternehmen höchste Priorität. Wir werden weiterhin mit den deutschen Behörden zusammenarbeiten, um mögliche offene Fragen zu klären.
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) habe zwar keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und Gerinnungsereignissen feststellen können, doch sei sie zu dem Schluss gekommen, dass für sehr seltene Fälle von schweren zerebralen thromboembolischen Ereignissen mit Thrombozytopenie ein kausaler Zusammenhang mit dem Impfstoff nicht bewiesen, aber möglich ist und weiter untersucht werden sollte
, so die Mitteilung weiter. dpa
Mediziner: Neue Impfstoffe in einem Jahr notwendig
Aufgrund der sich verbreitenden Virusvarianten gehen führende Mediziner davon aus, dass die Welt in einem Jahr oder weniger neue Impfstoffe zum Schutz vor Corona brauchen wird. Das geht aus einer Umfrage unter 77 Epidemiologen, Virologen und Spezialisten für Infektionskrankheiten aus 28 Ländern hervor. Urheber der Umfrage ist die "People's Vaccine Alliance", ein Zusammenschluss aus Amnesty International, Oxfam und UNAIDS. Zuerst hatte der Guardian
darüber berichtet.
Die derzeit eingesetzte erste Generation der Corona-Impfstoffe werde gegen neue Varianten unbrauchbar und benötige Modifizierungen, so die Mediziner. Zwei Drittel der 77 Forscher gehen davon aus, dass es weniger als ein Jahr bis dahin dauere, die Hälfte von ihnen glaubt sogar, dass es noch Ende des Jahres soweit sein wird. Ein Grund dafür sei die schleppende Durchimpfung der Weltbevölkerung. Die geringe Durchimpfung mache es den Forschern zufolge den Virusvarianten einfacher, überhaupt aufzutreten und sich anschließend weit auszubreiten.
Es gibt jeden Tag neue Mutationen. Manchmal finden diese eine Nische, das sie beständiger macht als ihre Vorgänger. Sie können sich dann leichter verbreiten
, sagt Gregg Gonsalves, Epidemiologe der Yale-Universität. Bevor wir nicht die ganze Welt geimpft haben, lasse wir das Feld offen für immer mehr Mutationen, die Varianten produzieren, die unsere bisherigen Impfstoffe umgehen können.
Tgs
Corona-Pandemie in Brasilien: Bolsonaro tauscht unter Druck sechs Minister aus
In Brasilien ist die Corona-Pandemie außer Kontrolle geraten, die Regierung steht heftig in der Kritik. Präsident Bolsonaro baut sein Kabinett radikal um.
Angesichts zunehmender Kritik wegen des fehlenden Krisenmanagements in der Corona-Pandemie hat der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die Spitzen von sechs Ministerien neu besetzt. Die Namen der neuen Minister sollten im Amtsblatt veröffentlicht werden, hieß es in einer Mitteilung des Kommunikationsministeriums in Brasília am Montagabend (Ortszeit).
Demnach gehören zu den Abgängen Außenminister Ernesto Araújo und Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva, mit denen das Ministerkarussell am Montag begonnen hatte. Auf sie folgten der Karrierediplomat Carlos Alberto Franco França und der General Walter Souza Braga Netto, bisher Chefe da Casa Civil
, vergleichbar mit dem Kanzleramtschef.
Bolsonaro war vor rund einer Woche unter Druck geraten, als Brasilien erstmals über 3000 Corona-Tote in 24 Stunden registrierte und der Präsident der Abgeordnetenkammer, Arthur Lira, den Ton - auch mit Blick auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten - verschärfte.
Damit dürfte Bolsonaros Diskurs aus dem Wahlkampf, dass er nicht vor der alten Politik
des Dort zu nehmen, hier zu geben
kapitulieren würde, vollends hinfällig sein. Vielmehr befindet sich Bolsonaro nun in den Händen des Centrão
, wie die Zeitung O Globo
schrieb. Und den er bereits mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2022 zufriedenzustellen versuchen wird.
Aus seiner ursprünglichen Regierung, mit der im Januar 2019 antrat, sind fast keine, vor allem wichtige Minister, mehr da. Dass Araújo vom ideologischen Flügel der Regierung des Rechtspopulisten Bolsonaro seinen Rücktritt einreichen musste, wird als herber Schlag für den Bolsonarismus gesehen.
Araújo war vorgeworfen worden, durch sein Verhalten Brasilien auf der internationalen Bühne isoliert und das Land in eine schlechte Position gebracht zu haben, um Impfstoffe zu erwerben. So zettelte Araújo Überwerfungen mit wichtigen Handelspartnern wie China an - das Land, von dem Brasilien Arzneistoff für die Produktion von Corona-Impfstoff importiert.
Zudem schmiedete er eine Allianz mit der Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, die nach Ansicht von Kritikern nicht immer mit den gewünschten Zugeständnissen an Brasilien einherging, während Brasilien in internationalen Institutionen, etwa der UNO, mit historischen Positionen brach.
Araújo hatte auch bereits vor der außer Kontrolle geraten Corona-Pandemie in Brasilien Polemiken erzeugt. Das Coronavirus nannte er in Anlehnung an den Kommunismus Comunavirus
, den Nationalsozialismus stufte er als linke Bewegung ein und den Klimawandel tat er als marxistische Lüge ab.Vor allem Araújos Position zum Klimawandel war ein Hindernis für die Gespräche Brasiliens mit den USA über den Kampf gegen die Abholzung des Amazonasgebiets. Der neue US-Präsident Joe Biden hatte dem Thema - ebenso wie die Europäische Union im Rahmen der Pläne für eine Freihandelszone mit dem Mercosur - Vorrang gegeben. dpa
Als Säule der Pandemiebekämpfung gedacht: Corona-Schnelltests liefern unzuverlässige Ergebnisse
Sie sollen unbedenkliche Kontakte ermöglichen. Doch viele Schnelltests weisen Infektionen mit dem Coronavirus nicht ausreichend sicher nach. Covid-19-Schnelltests sollen eine Säule des Infektionsschutzes in Deutschland sein. Doch nach einer aktuellen Analyse des Forschungsnetzwerks Cochrane International
erkennen nur wenige der erhältlichen Schnelltests verlässlich Infektionen.
Nach den Beschlüssen von Bundes- und Landesregierungen sollen tagesaktuelle Tests Pflicht werden, wo Abstandhalten oder Maskentragen schwierig sind. Vor Flugreisen nach Deutschland soll die Testpflicht im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben werden und für Schüler, Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte sollen zwei Testungen pro Woche möglich werden. Positive Testergebnisse zeigen an, wer seine Kontakte zu Mitmenschen umgehend einschränken sollte, um sie nicht anzustecken.
Wenn sich ein Mitarbeiter eines Altenheims testet, bevor er zur Arbeit geht, verhindert er im Falle einer unerkannten Infektion viele sekundäre Infektionen
, sagte Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig dem Tagesspiegel. Der Sinn der hier geplanten Tests ist, Infektionsketten zu unterbrechen
, so der System-Immunologe.
Positive Testergebnisse sollen auch helfen, Menschen medizinisch zu behandeln und ihre Kontakte schnell nachverfolgen zu können. Doch die Tests können zwar symptomatische Krankheiten recht sicher erkennen, viele liefern aber vor Einsetzen der ersten Anzeichen der Krankheit keine zuverlässigen Ergebnisse, teilte Cochrane International mit.
Wer nicht infiziert ist, erhält ein genaues Ergebnis
Schnelltests liefern innerhalb von 30 Minuten bis zwei Stunden ein Ergebnis. Als Probematerial dienen Abstriche aus dem Nasen- oder Rachenraum. Antigentests schlagen an, wenn darin Virusproteine enthalten sind, zum Beispiel Bruchstücke der Hülle. Molekulare Schnelltests weisen das Erbgut des Erregers nach.
Das Forschungsnetzwerk gelangt zu einem negativen Urteil über die Genauigkeit der Verfahren. Zwar gebe es große Unterschiede, aber nur sehr wenige
Schnelltests erfüllten die Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, heißt es in der Mitteilung.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben 64 Studien ausgewertet, in denen die Ergebnisse von Schnelltests mit denen von PCR-Tests verglichen wurden. PCR-Tests weisen ebenfalls das Erbgut des Virus nach.
Das Laborverfahren gilt als Goldstandard, Ergebnisse sind jedoch meist erst nach einem oder mehreren Tagen verfügbar. Nur drei der meist in Europa oder USA durchgeführten Studien bewerteten Testergebnisse bei Menschen ohne Symptome von Covid-19.
Von Infizierten mit Symptomen erkannten die Antigentests im Schnitt 72 Prozent. Wenn die Tests in der ersten Woche mit Symptomen durchgeführt wurden, lag die Erkennungsquote bei 78 Prozent. Die Ergebnisse für Tests unterschiedlicher Hersteller reichten von 34 Prozent bis 88 Prozent.
Das Ergebnis hängt aber auch davon ab, wie gut die Anleitung für das Verfahren befolgt wurde. Bei Infizierten ohne Symptome lieferten die Antigentests im Durchschnitt nur in 58 Prozent der Fälle das richtige, positive Ergebnis. Nach den von der WHO vorgegebenen Qualitätskriterien müssen Tests dagegen mindestens 80 Prozent der Infizierten erkennen.
Negative Testergebnisse trafen dagegen mit großer Genauigkeit zu: bei 99,5 Prozent der Getesteten mit Covid-19-ähnlichen Symptomen und bei 98,9 der Getesteten ohne Symptome. Hier wird das WHO-Kriterium von mindestens 97 Prozent korrekt negativen Ergebnissen meist erreicht.
Datenbasis für Teststrategie fehlt
Für den Infektionsschutz wäre es aber wichtiger, Infizierte sicher zu erkennen. Im Idealfall würden sich zwei Menschen, die sich treffen wollen, standardmäßig und unkompliziert vorher testen und dann entspannt zusammensitzen, ganz ohne schlechtes Gewissen oder Sorge, sich anzustecken oder den anderen anzustecken
, sagt Meyer-Hermann.
Doch die Gewissheit eines korrekt negativen Ergebnisses ist nicht gegeben, vor allem, solange keine Symptome auftreten.
Bei sämtlichen Antigentests werden einige Infizierte durchrutschen
, sagt Jac Dinnes, einer der Cochrane-Autoren von der University of Birmingham. Daher sei es wichtig, dass mit einem negativen Testergebnis auch kommuniziert würde, dass Infektionen nicht ausgeschlossen sind.
Die Auswertung stellt auch infrage, inwieweit Standardtests etwa in Schulen und Pflegeheimen zum Infektionsschutz beitragen können.
Wir haben keinerlei Daten oder Studien darüber gefunden, die die Genauigkeit von wiederholten Tests an Menschen bewerten, bei denen unbekannt ist, inwieweit sie dem Virus ausgesetzt waren
, sagt Mitautor Jon Deeks von der University of Birmingham. Diese Teststrategie wird ohne die Basis von echten Anwendungsdaten eingeführt.
Die Studie ergab jedoch, dass die Genauigkeit der Ergebnisse auch davon beeinflusst wird, wer den Test durchführt. In weiteren Untersuchungen soll der Zusammenhang von Erfahrung mit den Tests und ihrer Empfindlichkeit genauer untersucht werden. Tgs. Patrick Eickemeier
Die Politik versucht es ohne die Wissenschaft
Die Infektionslage ist wieder so schlimm wie im November, doch setzt die Politik vor allem auf das Prinzip Hoffnung. Das Problem dabei: Bislang lagen Forscher mit ihren Warnungen immer richtig.
Am Ende einer turbulenten Woche übertreffen sich Wissenschaftler mit düsteren Prognosen zur Lage der Infektion. Der Berliner TU-Professor und Modellierer Kai Nagel hat für Mai eine 7-Tages-Inzidenz bis zu 2000 errechnet. Das wären 230 000 Neuinfektionen pro Tag, etwa 17-mal mehr als zur Zeit. Geringer fällt mit täglich 100 000 Neuinfektionen die Prognose des Chefvirologen der Charité, Christian Drosten, aus. Doch jeder dieser Werte wäre höher als alles, was Deutschland bislang gesehen hat in dieser an Infektionshöhepunkten nicht gerade armen Pandemie.
Und die Politiker? Tun erstaunlich wenig. Nach ihrem Sitzungsmarathon haben Bund und Länder am vergangenen Dienstag an die notwendige Einhaltung der längst beschlossenen Notbremse erinnert, wonach bei einer Inzidenz von mehr als 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen die jüngst beschlossenen Öffnungen zurückgenommen werden müssen. Hinzu kommen als neue mögliche Maßnahmen bei dieser Inzidenz die Tragepflicht von Masken durch Mitfahrer im Pkw, die Verpflichtung zu Schnelltests sowie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen.
Doch manche Länderchefs haben bereits angekündigt, sich daran nicht zu halten. Ich glaube, dass es kein gangbarer Weg ist, jetzt wieder alles zurückzudrehen, was wir uns in den letzten Tagen und Wochen an Möglichkeiten und Freiheiten erkämpft haben
, erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). An diesem Samstag soll der Senat entscheiden. Auch Nordrhein-Westfalen wehrt sich und plant derzeit nur Mini-Notbremsen für besonders coronageschüttelte Regionen.
Die Diskrepanz zwischen dem, was notwendig wäre, und dem, was getan wird, brachte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag deutlicher auf den Punkt, als es vermutlich seine Absicht war. Er kündigte an, dass die neue Testpflicht für Urlauber vor dem Rückflug nach Deutschland vom 30. März null Uhr an gelten werde. Und dann sagte er: Ich mache mir keine Illusionen. Diese Einreiseverordnung alleine ist jetzt nicht der Gamechanger für die Osterzeit. Dafür ist die Lage zu ernst und das Infektionsgeschehen zu stark.
Wenn das ungebremst weitergehe, könne das Gesundheitssystem im April an seine Belastungsgrenze kommen.
Ob es eine neue Strategie ist? Einfach nicht hinzuschauen und zugleich zu hoffen, dass dann alles nicht so schlimm kommt? Dass die Kurven nicht weiterwachsen, wenn man sie nicht ständig anstarrt? Auf Kurven starren - das ist ja zu einem negativ gemeinten Synonym für eine wissenschaftsgesteuerte Politik geworden. Nun versucht es die Politik offenbar gerade ohne die Wissenschaft.
Das Problem ist nur: Es ist bisher immer so gekommen, wie es seriöse Wissenschaftler vorausgesagt haben. Oder noch schlimmer. Es ist nur etwas schneller und etwas früher passiert als gedacht
, sagte Michael Meyer-Hermann, Abteilungsleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in dieser Woche in den Tagesthemen
.
Inzwischen befindet sich Deutschland auf der verhassten Inzidenzkurve auf derselben Höhe wie am 2. November - bei ähnlicher Steigung. Und wie damals wächst die Zahl der belegten Intensivbetten wieder - nur dass sie jetzt auf einem deutlich höheren Niveau begonnen hat, bei 3000 statt 2000 belegten Betten. Intensivmediziner befürchten bereits, bald nicht mehr genügend Betten bereitstellen zu können. Ich hoffe, dass wir jetzt bald in ein vernünftiges Fahrwasser kommen, um das zu verhindern
, sagt Clemens Wendtner, Covid-Spezialist an der München Klinik Schwabing.
Doch statt Taten scheint jetzt vor allem Hoffnung die Corona-Politik zu bestimmen. Vielleicht reicht es ja doch noch mit den Impfungen, vielleicht haben sich die Wissenschaftler mit der größeren Gefahr durch die Mutanten ja verrechnet. Spahn betonte am Freitag, dass allein im April mit mehr Impfdosen gerechnet werde, als im gesamten ersten Quartal verimpft wurden. Doch auch solche Aussichten sind derzeit, wo nichts so richtig läuft, mit einem Aber versehen: Alle internationalen Beispiele zeigten, so Spahn, je höher die Inzidenz, desto weniger hilft das Impfen, um die Zahlen zu drücken.
Aus Sicht des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, bleibt daher eine harte Maßnahme der Kontaktreduktion
die einzige Möglichkeit, die dritte Welle zu brechen. Wenn nicht gegengesteuert wird, werden die Folgen gravierend sein
, so Wieler.
Neben den Appellen an die Bürger - Treffen zu Ostern nur im Freien oder drinnen mit Maske, nicht reisen, wenig Kontakte - hatte Spahn auch drei Forderungen an die Länder dabei. Erstens sollten sie alle Menschen, die zur zweiten Prioritätsgruppe gehörten, in die Impfkampagne einbeziehen. Die Gruppe sei groß genug, und die Impfverordnung lasse es zu, etwa am Wochenende mit übrig gebliebenen Dosen alle über 70-Jährigen zu impfen. Zweitens müsse die Lagerhaltung für die zweite Impfung verringert werden. Und drittens, das klang wie eine Beschwörung, müsse die Notbremse konsequent
umgesetzt werden, das habe man schließlich gemeinsam und einstimmig
beschlossen. © SZ/jael
Impfkampagne: Warum Hausärzte kein AstraZeneca spritzen
In Hausarztpraxen geht es nach Ostern los mit den Impfungen gegen Covid-19. Doch vorerst nur mit der Vakzine von Biontech/Pfizer – und nicht mit AstraZeneca oder Moderna. Ein weiterer Skandal?
ach Ostern soll das Impfen endlich schneller laufen, niedrigschwelliger, großflächiger: Ab 7. April dürfen auch Hausärzte gegen Sars-CoV-2 impfen. Allerdings erhalten sie nur so wenig Impfstoff, dass ihr Beitrag zur Impfkampagne vorerst sehr gering sein wird. Knapp eine Million Dosen sollen in der Woche nach Ostern ausgeliefert werden, das sind zwischen 18 und 50 Dosen pro Praxis.
Ein Grund für die geringen Mengen ist, dass in den ersten zwei Aprilwochen lediglich der Impfstoff von Biontech/Pfizer an die Hausarztpraxen geliefert wird. So steht es in einer Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Das verwundert, denn gerade das Präparat von AstraZeneca wäre für den Einsatz in den Praxen besonders geeignet. Denn es muss nicht so aufwendig transportiert und gelagert werden, wie die mRNA-Impfstoffe von Biontech oder Moderna – auch wenn am Freitag die Europäische Arzneimittelagentur EMA eine zweiwöchige Lagerung bei minus 25 bis minus 15 Grad erlaubte. Vorher waren dafür mindestens minus 70 Grad notwendig. Für AstraZeneca reichen Standardkühlungen aus.
Während einige darin bereits einen weiteren Impfstoffskandal wittern, lässt sich der Umstand recht einfach erklären: In den ersten beiden Aprilwochen liefert Biontech mit Abstand die größten Mengen an Impfstoffdosen
, hieß es vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf eine Anfrage des SPIEGEL. Um unter anderem Zweitimpfungen in den Impfzentren sicherzustellen, werden die geringen Lieferungen von AstraZeneca daher in diesen beiden Aprilwochen ausschließlich in die Impfzentren ausgeliefert.
Danach solle auch der AstraZeneca-Impfstoff in Hausarztpraxen verimpft werden. Das bestätigt auch die KBV. Ende April werden diese Mengen stark ausgeweitet – und dann wird es auch weitere Impfstoffe geben
, so ein Vertreter gegenüber dem SPIEGEL. Die Liefermengen von Biontech sind größer und die Lieferzusagen verlässlicher als bei AstraZeneca
, sagte auch Martin Scherer, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin dem SPIEGEL.
Bofrost-Fahrzeuge zur Impfstoffverteilung
Und Moderna? Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
(FAZ) zufolge wird der Impfstoff ebenfalls zunächst nicht an die Hausarztpraxen ausgeliefert. Moderna könne die Wirksamkeit seines Mittels nicht garantieren, wenn es auf dem vom Ministerium vorgesehenen Weg transportiert wird, heißt es in einem Bericht der Zeitung. Demnach hat das BMG vorgesehen, dass der Impfstoff beim Großhändler aufgetaut und dann zu den Apotheken und Ärzten gebracht wird.
Doch dabei könnte die Vakzine Schaden nehmen, denn sie muss stark gekühlt werden und darf keinen großen Erschütterungen ausgesetzt sein, hieß es von Moderna. Ihr Alternativvorschlag, das Präparat tiefgekühlt durch Bofrost-Fahrzeuge an die Praxen ausliefern zu lassen, wurde offenbar vom Ministerium abgelehnt.
Also erst mal nur Biontech. Die KBV zeigt sich motiviert, dass der Beitrag der Hausärzte bald wichtiger werden wird: Wenn die Impfstoffe in ausreichenden, regelmäßigen Mengen rechtzeitig in den Praxen ankommen, schätzen wir, dass schon vor dem Sommer viele Millionen Impfungen wöchentlich erfolgen können
, sagte KBV-Vorstand Andreas Gassen laut Mitteilung. Jetzt haben wir endlich die Möglichkeit, mit dem Impfen loszulegen.
Die Termine für ihre 20 Impfdosen vergeben die Kassenärzte dann gemäß der Priorisierungsliste, also zunächst hauptsächlich an über 80-Jährige. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) ist zuversichtlich, dass sich der Biontech-Impfstoff für den Einsatz in den Hausarztpraxen bewährt: Auch Biontech funktioniert ja offenbar im Praxishandling, wie die Modellprojekte gezeigt haben
, hieß es auf eine Anfrage.
Biontech zufolge ist das Mittel bei einer Lagerung zwischen zwei und acht Grad Celsius für fünf Tage haltbar – also bei Kühlschranktemperaturen. Laut aktuellen Planungen wird der Impfstoff im Großhandel aufgetaut und dann an die Arztpraxen verschickt, wo er innerhalb der fünf Tage verimpft werden muss.
Laut KBV-Praxisinfo müssen die Hausarztpraxen die Impfstoffe ab kommender Woche immer eine Woche im Voraus über ihre beliefernde Apotheke bestellen. Sie erhalten die bestellten Dosen dann jeweils am Montagabend. Die Ärzte werden dazu angehalten, die Impfstofftemperatur in ihren Kühlschränken kontinuierlich zu überwachen. Spiegel online
RKI meldet 20.472 Neuinfektionen – Inzidenz steigt auf fast 125
Die Infektionslage in Deutschland verschärft sich weiter. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut Robert Koch-Institut (RKI) zuletzt bei 124,9, wie aus Zahlen vom Samstagmorgen hervorgeht. Damit ist der Wert so hoch wie seit dem 19. Januar (131,5) nicht mehr. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 05.00 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich.
Am Freitag hatte das RKI die Inzidenz noch mit 119,1 angegeben, vor zwei Wochen lag sie bei 76,1. Die Sieben-Tage-Inzidenz gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche an und ist eine wichtige Kennzahl zum Pandemieverlauf. Nachdem im Lockdown die Zahl der Neuinfektionen bis etwa Mitte Februar deutlich gefallen war, stieg die Zahl der Ansteckungen zuletzt wieder kräftig - was Experten auch auf die weite Verbreitung ansteckenderer Varianten zurückführen.
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI im Laufe des Freitags 20.472 neue Corona-Infektionen, wie es am Samstagmorgen hieß. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 157 neue Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 16.033 Neuinfektionen und 207 neue Todesfälle verzeichnet.
Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.755.225 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 2.477.500 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 75.780.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Freitagabend bei 1,14 (Vortag 1,08). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 114 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Studie schätzt Kosten für Schüler-Nachhilfe auf 1,5 Milliarden Euro
Das Aufholen coronabedingter Lernrückstände von Schülern erfordert nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zusätzliche öffentliche Mittel von rund 1,5 Milliarden Euro, wie die Rheinische Post
berichtet. Die Studie des arbeitgebernahen Instituts geht dem Bericht zufolge von rund 1,5 Millionen Schülern aus, bei denen durch die Krise ein stark erhöhter Förderbedarf entstanden ist. Die Autoren rechnen mit einem durchschnittlichen Förderbedarf von rund 100 Stunden pro betroffenem Schüler und kommen so auf die Milliardensumme. Das sei gut angelegtes Geld, um die Verschärfung der Ungleichheit der Bildungschancen und deutlich größere Folgekosten zu vermeiden
.
Über ein entsprechendes Förderprogramm beraten Bund und Länder bereits seit einigen Wochen: Im Gespräch ist eine Nachhilfe-Milliarde
. Dies sei der Bedarf für die Kernfächer, erklärte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die SPD-geführten Länder schlagen vor, rund jedem fünften der 11 Millionen Schüler zusätzlichen Unterricht anzubieten - entweder über ein ganzes Schuljahr zwei Stunden pro Woche oder über ein halbes Schuljahr vier Stunden. Nach Angaben des Deutschen Lehrerverbands sind seit Beginn der Pandemie mehr als 500 Unterrichtsstunden weggefallen.
Karliczek sagte: 20 bis 25 Prozent der Schüler haben vermutlich große Lernrückstände - vielleicht sogar dramatische.
Möglichst schon zu den Sommerferien, spätestens zum neuen Schuljahr würden entsprechende Förderangebote bereitgestellt, für Deutsch, Mathematik und möglicherweise die erste Fremdsprache. Zielgruppe seien vor allem Schülerinnen und Schüler, bei denen ein Wechsel bevorstehe - entweder auf eine weiterführende Schule oder in eine Ausbildung. Der jeweilige Bedarf müsse vorher in einer Lernstandserhebung ermittelt werden
. dpa
Mit Impfen kaum erreichbar Studie: B.1.1.7 torpediert Herdenimmunität
Die dritte Corona-Welle rollt über Europa hinweg. Durch Impfungen sollen die Menschen schnell immunisiert und so die Pandemie endlich aufgehalten werden. Doch eine neue Studie zeigt: Die neuen Virusvarianten könnten den Traum von einer baldigen Herdenimmunität zunichtemachen.
Impfen, Impfen, Impfen
- das ist nicht nur die Devise von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern auch der Schlachtruf aller europäischen Länder im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie. Experten und Politiker sind sich inzwischen einig, dass die dritte Welle, die zurzeit über den Kontinent hereinbricht, nur durch harte Maßnahmen - und die Immunisierung der Bevölkerung aufzuhalten ist. Eine Herdenimmunität durchs Impfen könnte in der Europäischen Union sogar schon in wenigen Monaten erreicht werden, prognostizierte jüngst EU-Kommissar Thierry Breton: Die Impfstoffe kommen, sie werden da sein.
Doch Forscher aus Großbritannien dämpfen nun den Optimismus mit einer neuen Studie. Ihren Berechnungen zufolge ist eine ausreichende Immunisierung der britischen Bevölkerung mithilfe der Corona-Impfstoffe kaum noch möglich. Das Land müsse weiterhin mit zahlreichen Neuinfektionen rechnen, sagen die Wissenschaftlerinnen der britischen Universität Warwick. Der Grund: Die Schwelle einer Herdenimmunität durch Impfungen liege höher als durch Erkrankungen. Denn die aktuelle Welle der B.1.1.7-Mutation durchseuche vor allem die bislang ungeimpften jüngeren Bevölkerungsgruppen rasant.
100.000 Tote bei Impfquote von 60 Prozent
In ihrem Modell gingen die Forscher von unterschiedlichen Infektionsdynamiken aus und berücksichtigten sowohl die Verbreitung der Impfungen in der Bevölkerung als auch die unterschiedliche Wirksamkeit der Vakzine von Biontech/Pfizer und Astrazeneca. Doch in jedem Szenario - selbst bei einer Immunisierung von 85 Prozent der Bürger - ist laut den Forschern der Anstieg der Infektionen allein durch Impfungen derzeit nicht aufzuhalten.
Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO gingen bislang davon aus, dass für eine Herdenimmunität 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden müssten. Vereinfacht gesagt findet ein Erreger dann nicht mehr genug neue Wirte, die Pandemie kommt zum Erliegen. Eine Rückkehr zur Normalität ist möglich. Doch diese Zahlen sind laut den britischen Forscherinnen und Forschern nun hinfällig. Denn selbst bei einer Durchimpfung der Bevölkerung von 85 Prozent rechnen sie mit weiteren 21.400 Toten, wenn alle Corona-Maßnahmen fallen gelassen werden. Bei einem Infektionsschutz von 60 Prozent sind es laut Studie sogar fast 100.000 Tote.
Zudem warnen die Wissenschaftler: Sollten die Vakzine nicht schnell genug verteilt oder von der Bevölkerung angenommen werden, drohen weitere Viruswellen mit deutlich höheren Todeszahlen. Selbst wenn alle Personen über 50 Jahren geimpft sind, sind immer noch starke Maßnahmen erforderlich, um Infektionsschübe zu vermeiden
, schreiben die Studienautoren.
Wenn wir AHAL-Regeln fallen lassen, sterben viele
Ähnlich sieht das auch Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: Würden wir nach Impfung aller Impfwilligen alle AHAL-Regeln fallen lassen, sterben viele
, schreibt der SPD-Politiker als Reaktion auf die Studie auf Twitter. Da ohne Corona-Maßnahmen die Virusvariante B.1.1.7 voll durchliefe
in der Gruppe der Ungeimpften. Selbst wenn das meist Jüngere/Menschen im mittleren Alter wären, wäre das Ergebnis verheerend
, so Lauterbach. Das bedeute auch, dass je höher der Anteil der nicht geimpften Bürger sei, sich alle anderen umso stärker einschränken müssten, um weitere große Wellen zu verhindern. Die meisten Geimpften werden zwar nicht schwer krank, aber viele doch.
Hinzu kommt eine weitere Gefahr: Wenn man während des Impfens hohe Fallzahlen zulässt, riskiert man Fluchtmutationen mit hoher Resistenz gegen Impfstoffe
, schreibt Lauterbach. Das treibt die Schwelle zur Herdenimmunität hoch, vielleicht in unerreichbare Höhe.
Unklar sei zudem, ob eine Herdenimmunität für Mutationsvarianten wie die britische Variante oder auch die brasilianische P.1 überhaupt erreichbar sei. Diese gelten als deutlich ansteckender und zum Teil sogar tödlicher.
In Großbritannien läuft die Impfkampagne derzeit auf Hochtouren: Mittlerweile haben dort mehr als 27 Millionen Menschen ihre Erstimpfung erhalten. Allerdings sind bislang nur rund 2 Millionen Bürger vollständig geimpft - das ist gerade einmal ein Bevölkerungsanteil von 3,2 Prozent. In Deutschland sind bislang nur etwa 7 Millionen Menschen erstmals immunisiert. Dafür haben mehr als 3,2 Millionen Deutsche bereits eine zweite Spritze erhalten - das sind fast vier Prozent der Gesamtbevölkerung. Dennoch: Beide Länder sind noch weit davon entfernt, einen Großteil ihrer Bürger durchgeimpft zu haben. Mit der neuen Studie dürfte das Ziel nun in noch weitere Ferne rücken. ntv.de non Hedviga Nyarsik
Brasilien hat mehr als 100.000 Neuinfektionen am Tag
Die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen in Brasilien hat einen neuen Höchststand von mehr als 100.000 Fällen erreicht. Binnen 24 Stunden seien 100.158 Ansteckungen nachgewiesen worden, teilte das brasilianische Gesundheitsministerium am Donnerstag (Ortszeit) mit. Damit stieg die Gesamtzahl der Corona-Infektionen in dem südamerikanischen Land auf 12,3 Millionen.
Mit 2777 weiteren Opfern innerhalb eines Tages hat Brasilien mittlerweile 303.462 Corona-Tote zu beklagen. Nur in den USA wurden noch mehr Infektionen und Todesfälle registriert.
In Brasilien hat sich die Lage seit Februar verschärft. Zum einen halten viele Menschen die Vorsichtsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht ein, zum anderen ist die mittlerweile in Brasilien grassierende Virusvariante P.1 offenbar deutlich ansteckender als der ursprüngliche Covid-19-Erreger.
Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro erneuerte derweil am Donnerstag in Online-Netzwerken seine Kritik an Lockdown-Maßnahmen. Der wegen seines Krisenmanagements unter Druck stehende rechtsextreme Präsident sprach sich kürzlich jedoch für eine Beschleunigung der Corona-Impfkampagne in Brasilien aus, nachdem er die Wirksamkeit der Impfungen zuvor immer wieder in Frage gestellt hatte. AFP
Eine Million Euro für die Vermittlung von Masken?
Als der Thüringer CDU-Politiker Mark Hauptmann vor zwei Wochen sein Bundestagsmandat niederlegte, bestritt er jegliche Verbindung zur Masken-Affäre. Doch nun wird im Zusammenhang mit Maskengeschäften gegen ihn ermittelt.
Es ist kaum 14 Tage her, dass Mark Hauptmann jegliche Verbindungen zur Affäre um die für einzelne Abgeordnete hochprofitable Vermittlung von Mund-Nasen-Schutzmasken ablehnte. Auch die vom Vorstand der Bundestagsfraktion von CDU und CSU geforderte schriftliche Erklärung unterzeichnete Hauptmann noch am 10. März: In den Jahren 2020/2021 habe ich keine finanziellen Leistungen – weder direkt noch über Gesellschaften – aus dem Kauf oder Verkauf von Medizinprodukten … im Zusammenhang mit der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erhalten.
Doch seit Donnerstag steht Hauptmann im Verdacht, knapp eine Million Euro Provision für die Vermittlung von Schutzmasken erhalten zu haben.
Seit 20. März ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Jena wegen des Verdachts der Bestechlichkeit gegen den 36 Jahre alten Mann aus Südthüringen. Am Donnerstag dann durchsuchte das Thüringer Landeskriminalamt Hauptmanns Wahlkreisbüros sowie die damit verbundenen Kreisgeschäftsstellen der CDU in Suhl, Hildburghausen, Sonneberg und Schmalkalden-Meiningen sowie Wohnungen und Büros in Thüringen, Brandenburg und Berlin und die Räume einer Firma aus Frankfurt am Main, die mit Medizinprodukten handelt.
997.000 Euro in Rechnung gestellt
Die Ermittler wurden fündig. Inzwischen gebe es greifbare tatsächliche Anhaltspunkte
dafür, dass Hauptmann seine Funktion als Bundestagsabgeordneter genutzt habe, um sich für die Lieferung von Mund-Nasen-Schutzmasken von besagter Firma Provisionszahlungen für die Vermittlungstätigkeit versprechen zu lassen
, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft Jena am Donnerstag.
Demnach soll Hauptmann über eine von ihm gegründete Gesellschaft für geleistete Vermittlungstätigkeit 997.000 Euro in Rechnung gestellt haben, welche die Firma auch tatsächlich bezahlt habe. Hauptmann hatte erst im vergangenen Jahr eine mutmaßliche Briefkastenfirma namens Hauptmann Global Consult
in Zossen (Brandenburg) gegründet, deren Gegenstand unter anderem die Vermittlung von Aufträgen
ist. Der Vorteil für ihn war offenbar, dass Firmeneinnahmen nicht zu den veröffentlichungspflichtigen Angaben von Abgeordneten zählen.
Das Thüringer Oberlandesgericht ließ das Konto, auf dem die mutmaßliche Provisionszahlung liegt, die genau der Rechnungssumme entsprechen soll, einfrieren. Auch gegen das Unternehmen werde ermittelt, und zwar wegen des Verdachts der Bestechung von Mandatsträgern.
Schon vor zehn Tagen war herausgekommen, dass der CDU-Kreisverband Suhl, dem Hauptmann bis vor kurzem vorstand, von ebenjener Frankfurter Firma 7000 Euro gespendet bekommen hatte. Hauptmann bestritt jeglichen Zusammenhang mit der Lieferung von Schutzmasken; die Thüringer CDU überprüfte in Folge alle Spenden ihrer Kreisverbände der vergangenen zwei Jahre und leitete die 7000 Euro an die Bundestagsverwaltung weiter.
Anzeigen in seiner Wahlkampfzeitung
Hauptmann hatte am 11. März mitten in der Maskenaffäre um seine Fraktionskollegen Löbel und Nüßlein sein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung niederlegt; offiziell, um seine Familie zu schützen. Ihm wurde eine auffällige Nähe zu zweifelhaften Regimen wie Aserbaidschan vorgeworfen, für die er sich über das gebotene Maß hinaus eingesetzt haben soll.
Tatsächlich hatten die autokratischen Herrscher der einstigen Sowjetrepublik mehrfach teure Anzeigen in Hauptmanns Wahlkampfzeitung Südthüringen-Kurier
geschaltet, ebenso wie die Regierungen von Vietnam und Taiwan. Die Thüringer CDU sicherte den Ermittlern am Donnerstag uneingeschränkte Unterstützung
zu.
Thüringens CDU-Chef Christian Hirte forderte Hauptmann zum Parteiaustritt auf. Ich habe ihn gebeten, seinen Parteiaustritt zu erklären, um weiteren Schaden von der CDU abzuwenden
, sagte Hirte der Deutschen Presse-Agentur. Er habe sich in dieser Sache per Whatsapp und E-Mail an Hauptmann gewandt, weil dieser telefonisch nicht zu erreichen gewesen sei. Ich kenne Mark Hauptmann seit Ewigkeiten und bin daher enttäuscht, dass er mich und uns alle offenbar belogen hat
, sagte Hirte, betonte aber zugleich, dass er mit Blick auf die laufenden Ermittlungen die Vorgänge nicht abschließend beurteilen wolle. Fankfurter Allgemeine zeitung, von Stefan Locke, Dresden
Maskenaffäre:
Thüringer CDU-Chef fordert Hauptmann zum Parteiaustritt auf
Wegen Bestechungsermittlungen und Durchsuchungen hat Thüringens CDU-Chef Christian Hirte den früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann zum Parteiaustritt aufgefordert. Ich habe ihn gebeten, seinen Parteiaustritt zu erklären, um weiteren Schaden von der CDU abzuwenden
, sagte Hirte am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Er habe sich diesbezüglich per Whatsapp-Nachricht und E-Mail an Hauptmann gewandt, weil dieser telefonisch nicht zu erreichen gewesen sei.
Gegen Hauptmann wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern ermittelt. Beamte des Landeskriminalamtes durchsuchten am Donnerstag die ehemaligen Wahlkreisbüros des Politikers und mehrere CDU-Kreisgeschäftsstellen in Thüringen, wie die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. Auch Hauptmanns Büro im Bundestag und seine Wohnräume in Thüringen und Brandenburg wurden durchsucht, außerdem eine Firma im Raum Frankfurt am Main.
Sie soll dem Politiker Geld für die Vermittlung von Geschäften mit Corona-Schutzmasken gezahlt haben. Dabei gehe es um einen hohen sechsstelligen Euro-Betrag
, so die Ermittlungsbehörde. dpa
Polizei durchsucht Büro des Ex-CDU-Abgeordneten Hauptmann
Das LKA Thüringen ermittelt wegen Maskengeschäften gegen den Ex-Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann. Neben seinem früheren Wahlkreisbüro wurden mehrere CDU-Parteigeschäftsstellen gefilzt.
Der wegen Lobbytätigkeiten für Aserbaidschan und weitere ausländische Staaten zurückgetretene Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann ist ins Visier der thüringischen Polizei geraten. Es geht um fragwürdige Coronamaskengeschäfte des Politikers.
Wie der CDU-Landesverband Thüringen mitteilte, wurden neben dem ehemaligen Wahlkreisbüro Hauptmanns mehrere CDU-Kreisgeschäftsstellen in Südthüringen vom Landeskriminalamt (LKA) durchsucht. Die Partei sei zuvor vom LKA über die Maßnahmen informiert worden, hieß es. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, wurden auch Wohnräume Hauptmanns und sein Bundestagsbüro inspiziert.
Die Generalstaatsanwaltschaft sieht laut AFP greifbare tatsächliche Anhaltspunkte
, dass Hauptmann im Zusammenhang mit der Vermittlung von Maskengeschäften von einer Firma Provisionszahlungen eingefordert habe. Es werde wegen des Verdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern ermittelt.
Hoher sechsstelliger Eurobetrag für Vermittlungstätigkeit?
Über eine von ihm gegründete Gesellschaft soll er demnach für seine Vermittlungstätigkeit einen hohen sechsstelligen Eurobetrag in Rechnung gestellt haben, der von der Firma auch geflossen sein soll. Gegen Verantwortliche des Unternehmens, das im Im- und Export sowie im Handel mit Pflege- und medizinischen Produkten tätig ist, wird wegen des Verdachts der Bestechung von Mandatsträgern ermittelt. Das Thüringer Oberlandesgericht ordnete für Hauptmann zudem einen Vermögensarrest in Höhe von 997.000 Euro an, um unrechtmäßig erworbenes Geld zu sichern.
Durchsucht wurden laut CDU zudem die Kreisgeschäftsstellen in Suhl, Hildburghausen, Sonneberg und Schmalkalden-Meiningen. Die Thüringer CDU hatte zuletzt bereits angekündigt, eine umstrittene Spende einer Firma an den Kreisverband Suhl, die offenbar nach Vermittlung Hauptmanns Coronaschutzmasken an Landkreise geliefert hatte, abzugeben.
Wir sichern den Ermittlern unsere uneingeschränkte Unterstützung zu
, erklärte Thüringens CDU-Generalsekretär Christian Herrgott. Transparenz und Aufklärung war in diesem Fall von Beginn an unser Ziel.
Herrgott verwies darauf, dass die Landespartei nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Hauptmann sofort gehandelt und unter anderem in allen Thüringer Kreisverbänden CDU-Parteispenden der vergangenen Jahre geprüft habe.
Hauptmann war nach einem SPIEGEL-Bericht über fragwürdige Lobbytätigkeiten für das autoritär regierte Aserbaidschan und weitere ausländische Staaten in die Kritik geraten und hatte daraufhin am 11. März sein Bundestagsmandat niedergelegt. Auch als Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Suhl war Hauptmann später zurückgetreten. Laut der Pressemeldung der Staatsanwaltschaft sind auch Anzeigenschaltungen aus Aserbaidschan im von Hauptmann herausgegebenen Südthüringer Kurier
Grund für die Ermittlungen.
Hauptmann bestreitet unrechtmäßige Maskengeschäfte
Nach Hauptmanns Rücktritt wurde bekannt, dass er Coronaschutzmasken einer Frankfurter Firma an Landkreise vermittelt haben soll. Hauptmann hatte zudem bestritten, unrechtmäßige Maskendeals geschlossen zu haben. Ich habe geholfen, aber keine Provision erhalten.
Dass er dennoch sein Bundestagsmandat abgegeben hatte, begründete Hauptmann mit Anfeindungen gegen ihn: Ich möchte meine Familie schützen
.
Hauptmann hatte sich zudem von den Unionspolitikern Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) distanziert, die für Vermittlungstätigkeiten bei Schutzmaskengeschäften jeweils sechsstellige Provisionen eingestrichen hatten. Mit dem möglicherweise unrechtmäßigen Handeln von Kollegen
habe er nichts zu tun, sagte Hauptmann. fek/dpa
Einreise-Testpflicht für Flugreisende erst ab Sonntag
Reiserückkehrer müssen sich erst ab Sonntag verpflichtenden Corona-Tests unterziehen. Die Testpflicht für alle Einreisenden, die per Flugzeug ab 28. März, 0 Uhr in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen, hatte die Bundesregierung bestimmt. Grund für den späteren Start sei, dass Reisende und Fluggesellschaften sich darauf einstellen können, heißt es vom Gesundheitsministerium. dpa
Essener Impfarzt impft heimlich Familienmitglied
Im Essener Impfzentrum soll ein Arzt Restimpfstoff an ein Familienmitglied verimpft haben. Die Kriminalpolizei wirft dem 65-Jährigen vor, am Dienstag drei Impfdosen der Firma Biontech an sich genommen und außerhalb der Öffnungszeiten verimpft zu haben, wie die Ermittler mitteilten. Dafür habe er dem Familienmitglied Zutritt zum Impfzentrum verschafft.
Auch zwei weitere, bislang unbekannte Menschen, soll der Arzt geimpft haben. Laut Polizei bemerkten Angestellte des Impfzentrums den Verstoß und informierten den zuständigen Leiter. Gemeinsam hätten sie die weiteren Impfungen gestoppt. Bei dem verabreichten Impfstoff handle es sich um Reste, sodass bereits bestätigte Impftermine nicht gefährdet seien.
Die Kriminalpolizei prüfe nun, ob sich der Arzt wegen Diebstahl beziehungsweise Unterschlagung strafbar gemacht hat. Zudem sei der 65-Jährige der kassenärztlichen Vereinigung gemeldet und für alle Impfzentren gesperrt worden. Tgs
Astrazeneca lagert offenbar 29 Millionen Impfstoff-Dosen in Italien
Astrazeneca lagert in Italien 29 Millionen Dosen Corona-Impfstoff für den Export nach Großbritannien. Ein entsprechender Bericht der italienischen Zeitung La Stampa
wurde der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch in Brüssel bestätigt.
Die Entdeckung ist brisant, weil Astrazeneca bei den Lieferungen an die Europäische Union sehr stark im Rückstand ist. Statt bis zu 220 Millionen Dosen will das Unternehmen den EU-Staaten bis zur Jahresmitte nur 100 Millionen liefern.
La Stampa
berichtete, das Lager mit den 29 Millionen Impfdosen sei in der italienischen Abfüllfirma Catalent in Anagni entdeckt worden. Der Impfstoff wurde nach dpa-Informationen in der niederländischen Fabrik Halix in Leiden hergestellt und dann in Italien abgefüllt. dpa
Polizei: Mann verübt Brandanschlag auf Rathaus aus Ärger über Corona-Regeln
Aus Ärger über die Corona-Regeln soll ein 30-jähriger Mann einen Brandanschlag auf das Rathaus von Delmenhorst in Niedersachsen verübt haben. Das habe die erste Vernehmung des mutmaßlichen Täters ergeben, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Neben den Brandexperten der Polizei ermittele auch der für politische Kriminalität zuständige Staatsschutz. Auch andere Motive würden geprüft.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg werde im Lauf des Tages über eine Untersuchungshaft des Tatverdächtigen entscheiden. Den Angaben nach hatte der Mann am Dienstagabend gegen 22.30 Uhr mehrere als Molotow-Cocktails präparierte Flaschen durch ein eingeschlagenes Fenster ins Rathaus geworfen. Zwei Zeugen hielten den Mann auf, bis die Polizei ihn festnahm.
Die Flammen konnten rasch gelöscht werden, nur ein Raum wurde beschädigt. Der 30-Jährige sei ersten Ermittlungen zufolge strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten, teilte die Polizei mit. Die Stadt Delmenhorst führe jedoch mehrere Bußgeldverfahren gegen ihn, da er gegen die Corona-Verordnung verstoßen haben soll. dpa
Merkel zieht wohl Einschränkung von Mallorca-Reisen in Betracht
Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht nun doch eine Einschränkung von Mallorca-Reisen in Betracht. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz kündigt die CDU-Politikerin nach Auskunft aus Teilnehmerkreisen an, dass das Innenministerium und das Justizministerium dies prüfen sollten. An anderer Stelle hieß es, viele hätten den Wunsch, Mallorca-Reisen wegen der damit verbundenen Infektionsgefahr bei Reiserückkehrern einzuschränken. Rechtlich sei das aber offenbar kaum möglich. Reuters
Schutzmasken-Coupon:
Sechs Masken für Risikogruppen Solche Aufschläge sind unmoralisch
Hunderttausende Euro konnten Apotheken an der FFP2-Maskenverteilaktion von Jens Spahn verdienen. Der Apotheker Markus Kerckhoff hat jedoch auf den Profit verzichtet und viele Masken verschenkt. Warum?
Jens Spahn muss sich mal wieder rechtfertigen. Diesmal geht es um die hohen Kosten für die FFP2-Masken-Verteilaktion, die der Bundesgesundheitsminister gegen Widerstände seiner eigenen Beamten durchboxte. Bis zu sechs Euro pro Maske erstattete der Staat Apotheken, die FFP2-Schutzmasken an Risikogruppen verteilten – bei einem damaligen Großhandelspreis von etwa 1,22 Euro. Rund zwei Milliarden Euro dürfte die Aktion die Steuerzahler gekostet haben.
Doch nicht allen Apothekern war wohl bei der Sache. Markus Kerckhoff aus Bergisch Gladbach etwa erklärt im SPIEGEL-Interview, warum seine Apotheke ihren Kunden Zehntausende Masken geschenkt hat. Und er prangert die Apothekenlobby an.
Markus Kerckhoff, 60, ist seit 1989 Apotheker. Zusammen mit seiner Ehefrau Dagmar betreibt er in Bergisch-Gladbach zwei Präsenzapotheken und eine Versandapotheke.
SPIEGEL: Herr Kerckhoff, Sie haben massenhaft FFP2-Schutzmasken verschenkt: im Dezember 60.000 Stück auf einen Schlag. Und wenn Angehörige von Corona-Risikogruppen mit dem Coupon über sechs Masken zu Ihnen kamen, haben Sie den Menschen bis zu 30 Stück gegeben. Warum?
Markus Kerckhoff: Meine Frau und ich wollen nicht aus der Pandemie Profit schlagen. Wir hätten mit der Maskenverteilaktion des Bundesgesundheitsministeriums viel Geld verdienen können. Aber für uns steht die Versorgung der Menschen mit Schutzgütern im Vordergrund und nicht das Handelsgeschäft. Deswegen geben wir seit Pandemiebeginn selbst gemachtes Desinfektionsmittel zum Selbstkostenpreis ab. Und deswegen haben wir unseren Kunden auch mehr FFP2-Masken gegeben, als ihnen zustehen: damit sich die Menschen bestmöglich schützen können.
SPIEGEL: Jens Spahn steht wegen der hohen Erstattungspreise für die Apotheken in der Kritik: Rund zwei Milliarden Euro dürfte diese Aktion die Steuerzahler gekostet haben. Ein Berliner Apotheker sagte: Wir haben uns dumm und dämlich verdient.
Wie viel Geld hätten Sie selbst mit der Verteilaktion verdienen können?
Kerckhoff: Wir sollten vom Staat pro Maske zunächst bis zu sechs Euro erstattet bekommen, später waren es 3,90 Euro. Unser Einkaufspreis pro Stück war nur etwa ein Fünftel so hoch, rund 1,20 Euro inklusive Umsatzsteuer. Deswegen haben wir für das Steuergeld bis zu fünfmal so viele Masken ausgeben können. Insgesamt sind in unseren Apotheken mehr als 10.000 Sechser-Coupons eingelöst worden. Manche Anbieter haben den Leuten obendrauf Gutscheine für Amazon oder Saturn geboten. So groß waren die Gewinnspannen.
SPIEGEL: Überschlägig gerechnet hätten Sie damit mehr als 200.000 Euro Marge machen können. Viel Geld für Sie: Eine durchschnittliche deutsche Apotheke macht in normalen Zeiten keine 150.000 Euro Gewinn pro Jahr.
Kerckhoff: Stimmt. Aber wir haben den Gegenwert den Kunden gegeben – in Form zusätzlicher Masken. Wissen Sie: der Rohertrag …
SPIEGEL: …also die Spanne zwischen Ein- und Verkaufspreis …
Kerckhoff: …liegt üblicherweise etwa bei 25 Prozent. Aber bei den Masken waren es mehrere Hundert Prozent. Jedem Apotheker musste sofort auffallen, dass das nicht zum normalen Handelsgeschäft passt. Als ich das mit den sechs Euro hörte, habe ich sofort gedacht: Das ist falsch, solche Aufschläge sind in einer pandemischen Situation unmoralisch.
SPIEGEL: Wieso unmoralisch?
Kerckhoff: Das Café gegenüber von uns ist zu und kann keinen Kaffee ausschenken. Das Modegeschäft ist seit Monaten dicht und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Da passt es nicht, wenn eine Berufsgruppe so eine Zuwendung vom Staat kriegt. Das war mir total unangenehm.
SPIEGEL: Die Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) argumentiert, die Einkaufspreise hätten stark geschwankt – und die Kostenstrukturen der einzelnen Apotheken seien höchst unterschiedlich.
Kerckhoff: Selbst wenn Sie die Masken für 1,50 Euro eingekauft haben, betrug die Marge 300 Prozent. So ein Coupon für sechs Masken war am Anfang wie ein Barscheck über 36 Euro. Das haben manche Anbieter gezielt ausgenutzt. Um möglichst viele Coupons zu kriegen, haben sie den Leuten obendrauf Gutscheine für Amazon oder Saturn geboten oder ihnen die Ware per Maskentaxi ins Haus geliefert. So groß waren die Gewinnspannen. Es gab aber auch einige Apotheken, die Masken verschenkt oder das zu viel eingenommene Geld gespendet haben.
SPIEGEL: Ist Spahn schuld an diesen Exzessen?
Kerckhoff: Nein. Die Entscheidung, die Masken über Apotheken zu verteilen, war grundsätzlich richtig. Schließlich bestand im Dezember die Gefahr, dass Weihnachten zum Superspreader-Event wird. Aber die Honorierung war zu hoch. Herr Spahn wurde schlecht beraten, er kannte die Preise nicht. Als es auffiel, hat er die Erstattung etwas gesenkt.
SPIEGEL: Dagegen hat Ihre Apothekervereinigung gleich heftig protestiert.
Kerckhoff: Die ABDA muss sich fragen lassen, warum sie diese überhöhten Preise mitgemacht hat und warum sie nicht eingeschritten ist. Damit hat sie viele redliche Apotheker in eine unangenehme Situation gebracht. Am Anfang der Verteilaktion haben Apotheken sogar pauschal Geld vom Staat bekommen, unabhängig davon, wie viele Masken sie tatsächlich ausgegeben haben. Im Schnitt waren das mehr als 20.000 Euro pro Apotheke – ohne Nachweis, dass man auch nur eine einzige Maske verteilt hat. Wir haben von der Wettbewerbszentrale eine Abmahnung bekommen, weil wir Masken gratis abgegeben haben.
SPIEGEL: Was haben Sie mit dem Geld gemacht?
Kerckhoff: Wir haben dann die 60.000 Masken gekauft und an Risikogruppen verteilt: mit dem Hinweis, dass diese Masken aus Steuermitteln finanziert wurden.
SPIEGEL: Die ABDA rügt solche Aktionen, wie sie auch andere Apotheker gemacht haben. Sie wirft Menschen wie Ihnen vor, die Maskenverteilung für eigene Marketingzwecke zu nutzen und den falschen Eindruck
zu erwecken, die Mehrheit der Betriebe hätte unangemessene Gewinne erzielt.
Kerckhoff: Da mache sich jeder sein eigenes Bild, in Anbetracht der Fakten. Wir haben zwischenzeitlich von der Wettbewerbszentrale sogar eine Abmahnung bekommen, weil wir formale Fehler gemacht haben.
SPIEGEL: Wie ist das denn passiert?
Kerckhoff: Offenbar hatte sich eine andere Apotheke über uns beschwert. Ich will niemandem sagen, was richtig oder falsch ist, und manchen Apotheken geht es finanziell nicht gut. Aber wir leben unsere Haltung seit Beginn der Pandemie. Gestern sprach mich beim Bäcker eine Frau an und sagte: Das haben Sie gut gemacht.
Für mich ist das der schönste Lohn. Spiegel, ein Interview von Claus Hecking
US-Arzneibehörde zweifelt an Daten von Astrazeneca
US-Gesundheitsexperten haben Zweifel an den Daten, die der Hersteller Astrazeneca zur Wirksamkeit seines Impfstoffes vorgelegt hat. Daten für eine Studie in den USA könnten veraltet
gewesen sein und so ein unvollständiges Bild
der Wirksamkeit des Impfstoffes geliefert haben, teilte das Nationale Institut für Gesundheit in der Nacht zu Dienstag mit.
Astrazeneca wurde eindringlich aufgefordert, zur Aufklärung mit den entsprechenden US-Behörden zusammenzuarbeiten.
Die außergewöhnliche Stellungnahme kam nur wenige Stunden, nachdem Astrazeneca Studienergebnisse vorgelegt hatte, die dem Impfstoff eine Wirksamkeit von 79 Prozent bescheinigten. Tsp
Spahns Deal für Schweizer Maskenfirma:
Bundesgesundheitsministerium bestellte für 967 Millionen Euro Masken bei Emix
Das Gesundheitsministerium hat nach SPIEGEL-Informationen nun mitgeteilt, wie viel Schutzausrüstung es 2020 bei der umstrittenen Emix Trading bestellt hat. Eingestielt hatte die Deals eine CSU-Connection.
Nach Monaten des Schweigens hat das Bundesgesundheitsministerium endlich verraten, wie viel Schutzmaterial es im vergangenen Jahr bei der umstrittenen Schweizer Firma Emix Trading gekauft hat. Wie aus einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags hervorgeht, der dem SPIEGEL und dem Schweizer Tagesanzeiger
vorliegt, bestellte das Ministerium von Jens Spahn in nur sechs Wochen Ausrüstung für 967 Millionen Euro bei Emix.
Tatsächlich gekauft wurde Material für 712,5 Millionen Euro. Die Firma, die mit Maskenpreisen von bis zu 9,90 Euro in die Kritik geraten war, hat dem Bund demnach unter anderem 150 Millionen FFP2- und chinesische KN95-Masken für im Schnitt 5,58 Euro netto und 210 Millionen OP-Masken für je 60 Cent netto verkauft. Das Ministerium spricht hier von marktüblichen Preisen
. Allerdings stammte der letzte Kaufvertrag vom 24. April 2020 und damit aus der Zeit nach Ende eines Ausschreibungsverfahrens, in dem das Ministerium mit FFP2-Masken für nur 4,50 Euro geradezu überschüttet worden war. Auch zu diesem Zeitpunkt kaufte es laut Bericht bei Emix noch Masken für 5,40 Euro netto das Stück.
Emix lieferte rund 14 Prozent Ausschuss
Die erste Tranche Masken lieferte Emix am 27. März 2020. Schon wenige Wochen später kam es zu Unstimmigkeiten. In der weiteren Vertragsabwicklung
habe man feststellen müssen, dass die von Emix gelieferten Masken nicht mehr durchgängig der vertraglich vereinbarten Qualität entsprachen
, steht im Bericht. Wie das Ministerium weiter ausführt, stellte der Bund fest, dass 14,7 Prozent der FFP2-KN95-Masken und 13,2 Prozent der OP-Masken von Emix untauglich waren. Zwar habe Emix mangelhafte Ware immer verzugslos und komplikationslos
ausgetauscht. Dennoch kam es danach zu einem Teilausstieg des Spahn-Ministeriums aus den Emix-Geschäften. Die Bundesrepublik habe ihre rechtlichen Handlungsmöglichkeiten geprüft
und am 18. Mai mit einem Vergleich 33 Millionen Atemschutzmasken und 126,5 Millionen Hygienemasken storniert, so der Bericht. Damit sei das Bestellvolumen um 254,5 Millionen Euro niedriger ausgefallen als zunächst geplant.
Streit um 44 Millionen Euro
Weil Emix Restmengen aber nicht rechtzeitig bis Ende Juli lieferte, streiten sich Bund und Firma bis heute um 44 Millionen Euro netto. Emix äußert sich auf Anfrage nicht zu Geschäfts- und Vertragsdetails mit Kunden
. Generell lässt die Firma über eine PR-Beraterin ausrichten, dass für sie der Handel mit Masken abgeschlossen sei und nur noch gewisse Abwicklungsverhandlungen
liefen. Das seien aber keine Rechtsstreitigkeiten.
Angebahnt hatte die Emix-Geschäfte mit dem Bund Andrea Tandler, Tochter des Ex-CSU-Politikers Gerold Tandler. Für sie hatte die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, Tochter des früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, den Kontakt zu Spahn hergestellt. Tandler konnte danach am Telefon direkt mit Minister Spahn über die Emix-Angebote sprechen, während andere Anbieter von Offerten an das Ministerium nie mehr etwas hörten. Spiegel Politik, von Jürgen Dahlkamp
Impfung allein stoppt das Virus nicht
Das Coronavirus lässt sich bekämpfen, die Pandemie beenden. Doch dafür braucht es neben einer wirksamen Impfung unbedingt weitere Schutzmaßnahmen. Die Covid-Pandemie wird sich durch eine erfolgreich abgeschlossene Impfkampagne allein nicht beenden lassen. Das haben Forscherinnen und Forscher berechnet. Zwar seien Lockerungen der Maßnahmen zum Infektionsschutz vertretbar, sobald ein großer Teil der Bevölkerung mit einigem Erfolg geimpft ist. Komplett verzichten kann man auf Masketragen, Abstandhalten und begrenzte Lockdowns aber zunächst nicht, wenn das Infektionsgeschehen nicht wieder aufflammen soll, rechnen Matt Keeling von der University of Warwick am Beispiel Großbritanniens im Fachmagazin Lancet Infectious Diseases
vor.
Die Wissenschaftler haben versucht zu modellieren, wie die Pandemie in Großbritannien bis in das Jahr 2024 hinein verläuft, wenn die gesamte Bevölkerung allmählich geimpft und schließlich im Durchschnitt zu 85 Prozent gegen eine Infektion mit dem Coronavirus geschützt sein sollte. Auch in diesem Fall verschwindet das Infektionsrisiko keineswegs, wenn nicht weitere Maßnahmen zum Schutz aufrechterhalten werden, rechnen die Wissenschaftler aus: Bei einer umfassenden Lockerung pendelt sich das Infektionsgeschehen so ein, dass immer wieder Wellen steigender Neuinfektionen zu beobachten sein werden.
Dies liege daran, dass keine Impfung bei allen Geimpften einen vollständigen Schutz erreicht, erklären die Autoren. Sie hatten verschiedene Szenarien durchgerechnet, bei denen ein mehr oder weniger großer Prozentsatz unterschiedlicher Altersteilmengen der Bevölkerung nach und nach geimpft wird. Für den optimistischsten Fall rechnen sie etwa damit, dass 95 Prozent der über 80-Jährigen und 85 Prozent der unter 50-Jährigen einen Impfschutz von 88 Prozent erreichen. Selbst in diesem Szenario werde aber der R-Wert (der die Zahl der neu angesteckten Personen durch einen Infizierten ausdrückt) bei 1,58 liegen, falls keine weiteren Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus getroffen werden. Die Zahl könnte auch höher liegen, weil das Modell weder die höhere Infektionsgefahr neuer Virusvarianten wie B.1.1.7 gegenüber dem alten Erreger berücksichtigt noch eine womöglich nachlassende Immunität von Geimpften einige Zeit nach der Impfung. Der theoretische R-Wert ohne jeden Impfschutz dürfte nach Ansicht der Experten bei 3,15 liegen und damit – wegen der ansteckenderen Varianten – höher sein als noch am Anfang der ersten Welle.
Wie stark zusätzliche Maßnahmen neben der Impfung wirken könnten, legen die Prognosen zu verschiedenen Lockerungsszenarien nahe. Das Modell kommt etwa zu dem Schluss, dass in diesem Jahr trotz Impfschutz im Vereinigten Königreich bis 2024 deutlich mehr Menschen in der Pandemie sterben würden, wenn die Infektionsschutzmaßnahmen schon im April 2021 auf das Niveau des Sommers 2020 heruntergeschraubt werden. Eine hypothetische sofortige völlige Öffnung wäre nach der Modellierung fatal und könnte auch in der teilgeimpften Bevölkerung zu neuen Infektionswellen führen, bei denen über 1600 Menschen pro Tag in Großbritannien sterben. Eine Lockerung erst in fünf oder zehn Monaten bei gleich bleibendem Impftempo senkt diese rechnerische Zahl auf unter 450 beziehungsweise unter 50 Verstorbene.
Wichtig sei nicht nur, die Impfkampagne weiterzuführen und gleichzeitig andere Maßnahmen nicht zu früh zu lockern, sagen die Autoren der Studie. Das gelte auch dann noch, wenn weite Teile der Bevölkerung schon geimpft sind. Mit der Impfung und Maßnahmen wie Masketragen, Abstandhalten, regelmäßigen Tests und notfalls begrenzten lokalen Einschränkungen können weitere Infektionswellen aber verhindert oder niedrig gehalten werden. Spectrum.de von Jan Osterkamp
Virologe: Corona-Mutationen könnten Frühjahrs-Effekte auffressen
Die Ausbreitung der ansteckenderen Coronavirus-Mutationen könnte nach Ansicht des Virologen Ulf Dittmer die im Frühjahr zu erwartenden, mildernden saisonalen Effekte für die Pandemie abschwächen. Grundsätzlich würden Umweltfaktoren wie etwa UV-Strahlen und höhere Temperaturen sowie das vermehrten Aufhalten im Freien in der wärmeren Jahreszeit helfen, das Infektionsgeschehen zu bremsen. Dieser Vorteil könnte jetzt - und das ist ein wenig die Gefahr - von den Mutanten aufgefressen werden
, sagte der Direktor des Instituts für Virologie des Uniklinikums Essen.
Wir wissen von Coronaviren, dass der R-Wert, also die Reproduktionsrate des Virus, aufgrund dieser Faktoren im Frühjahr und Sommer deutlich sinkt. Also mindestens um den Faktor 0,5, vielleicht sogar noch mehr. Und das ist schon relativ viel
, sagte Dittmer. Die saisonalen Effekte könnten jedoch wegen der sich leichter ausbreitenden Corona-Variante B.1.1.7 nicht dafür ausreichen, dass der R-Wert langfristig unter die Schwelle von 1 sinke, ab der die Pandemie abflaut. dpa
Bundestagsabgeordnete stirbt auf Rückflug von Kuba
Gegen Karin Strenz wurde ermittelt wegen Bestechlichkeit. Nun ist sie tot. Die Staatsanwaltschaft versucht die die genauen Umstände zu klären.
Die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern ist tot. Nach Tagesspiegel-Informationen starb die CDU-Politikerin im Alter von 53 Jahren auf einem Rückflug von Kuba in Richtung Deutschland. Die Bild
-Zeitung hatte zuerst darüber berichtet.
Demnach hat sie im Flieger zunächst das Bewusstsein verloren. Daher entschloss sich die Crew für eine außerplanmäßige Notfall-Landung in Dublin. Derzeit sind die Hintergründe noch unklar – beispielsweise, was Anlass und Ursache für ihre Reise nach Kuba waren. Laut dem Sprecher der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern, Eckhardt Rehberg, war sie mit ihrem Mann unterwegs.
Die Schweriner Staatsanwaltschaft will die genauen Umstände des Todes über ein Rechtshilfeersuchen an Irland klären. Wie ein Sprecher der Schweriner Behörde am Montag sagte, wurde ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet. Nach den bisher vorliegenden Informationen sei die genaue Todesursache bei der 53-Jährigen noch unklar. Wir gehen davon aus, dass es dann eine Obduktion der Toten in Irland gibt
, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Mit dem in solchen Fällen üblichen Todesermittlungsverfahren und dem Ersuchen wolle man an die nötigen Informationen aus Irland kommen.
Gegen Strenz laufen – ebenso wie gegen den Bundestagsabgeordneten Axel Fischer – Ermittlungen wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Aserbaidschan-Affäre im Europarat. Sie sollen im Europarat bei mindestens einer Gelegenheit gemäß den Vorgaben von Vertretern Aserbaidschans abgestimmt und sich auch darüber hinaus für die Interessen des autoritär regierten Landes eingesetzt haben. Strenz erhielt nachweislich Geld aus Aserbaidschan, Fischer steht im Verdacht, ebenfalls Zuwendungen erhalten zu haben. Anfang März wurden Fischers Büros und Wohnungen durchsucht.
Strenz war seit 2009 Mitglied des Bundestags. Bei den Wahlen 2009, 2013 und 2017 gewann sie jeweils eines der sechs Direktmandate in Mecklenburg-Vorpommern. Von 2002 bis 2006 sowie von 2007 bis 2009 war sie Landtagsabgeordnete im Nordosten. Im Bundestag saß sie zuletzt unter anderem im Verteidigungsausschuss.
Auch Anfang 2020 hatte es bereits im Zusammenhang mit Geldflüssen aus dem autoritär regierten Aserbaidschan Durchsuchungen bei der CDU-Politikerin und einem früheren CSU-Parlamentarier gegeben. Damals sprach die Staatsanwaltschaft Frankfurt von rund vier Millionen Euro, die zwischen 2008 und 2016 über britische Briefkastenfirmen und baltische Konten geflossen seien.
Ermittelt wurde wegen Mandatsträgerbestechung und Geldwäsche. Bei der Durchsuchung im Januar 2020 wurden 16 Wohnungen und Geschäftsräume in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Belgien inspiziert, darunter aus ein Abgeordnetenbüro des Bundestags. Tsp, dpa
Wie ein CSU-Politiker einem durch Skandale belasteten Ex-Premier half
Der CSU-Politiker Tobias Zech unterstützte in Nordmazedonien einen Politiker, dem eine Abhöraffäre, Korruption und Wahlbetrug vorgeworfen wurden.
Der junge CSU-Politiker Tobias Zech ist seit drei Jahren im Bundestag, als er eine Beratungsfirma gründet. Die Scaliger Strategy Consulting GmbH hat ihren Sitz in der bayerischen Kleinstadt Garching, aber die beiden Gründer haben ab April 2016 offenbar Größeres im Blick als die mittelständische Wirtschaft im Münchner Umland. Die Beratungsfirma präsentiert sich auf ihrer Webseite auf Deutsch, Englisch – und auf Russisch.
Fünf Jahre später ist nun bekannt geworden, für wen der CSU-Bundestagsabgeordnete neben seinem Mandat arbeitete: Er beriet mit seiner eigens gegründeten Firma eine Partei in Nordmazedonien, wie der Spiegel
berichtete. Dafür soll er rund 50.000 Euro erhalten haben. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe legte Zech noch am Donnerstagabend sein Bundestagsmandat nieder.
Zech ist nicht der einzige, den derzeit geschäftliche Kontakte zu ausländischen Regierungen in Erklärungsnot bringen – neben der Maskenaffäre belasten diese Fälle die Union derzeit zusätzlich. Zuvor hatte bereits der CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann sein Mandat zurückgegeben, nachdem öffentlich geworden war, dass er sich von Aserbaidschan und weiteren Staaten ein von ihm herausgegebenes Werbeblättchen in seinem Wahlkreis finanzieren ließ. Gegen die CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz und Axel Fischer laufen Ermittlungen wegen Bestechlichkeit, sie werden verdächtigt, im Europarat gemäß den Wünschen Aserbaidschans gehandelt und dafür Zuwendungen bekommen zu haben.
Auch Zech gehörte in der vergangenen Legislaturperiode der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an. Der Europarat, der nichts mit der Europäischen Union und ihren Gremien zu tun hat, soll über die Einhaltung der Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten wachen. Russland und die Türkei sind ebenso dabei wie die Balkanstaaten, darunter auch Nordmazedonien.
Regierungschef ließ Tausende abhören
In Straßburg, wo die Parlamentarische Versammlung tagt, nimmt Zechs besonderes Interesse an diesem kleinen Land offenbar seinen Anfang. Im Jahr 2015 wurde Nordmazedonien in eine tiefe politische Krise gestürzt. Die Opposition machte öffentlich, dass der Ministerpräsident Nikola Gruevski über Jahre tausende Menschen in seinem Land abhören ließ, darunter Regierungsvertreter, Oppositionelle, Journalisten. Außerdem gab es Berichte über Wahlfälschungen und Korruption. Die Empörung in Skopje war groß, zahlreiche Menschen gingen auf die Straße und forderten den Rücktritt Gruevskis und seiner Regierung.
Doch in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates hatte der auch von Moskau unterstützte Ultranationalist noch Fürsprecher. Im Mai 2015 verurteilte eine Gruppe von Abgeordneten aus mehreren Ländern in einer gemeinsamen Erklärung nicht den Regierungschef, sondern den sozialdemokratischen Oppositionsführer Zoran Zaev, der den Abhörskandal publik gemacht hatte – sie warfen ihm Drohungen
gegen Gruevski vor. Für die Abhöraffäre machten sie ausländische Geheimdienste
verantwortlich und übernahmen damit die Argumentation des Regierungschefs.
Diese Erklärung hatte der Spanier Pedro Agramunt initiiert, der zu den Schlüsselfiguren in der Aserbaidschan-Affäre zählt. Der CSU-Abgeordnete Tobias Zech unterzeichnete die später als einseitig kritisierte Erklärung ebenso wie Axel Fischer und Karin Strenz.
Wahlkampfauftritt und Cannabis-Anbau
Im Januar 2016 tritt Gruevski zurück, doch mit seiner Partei VMRO-DPMNE hofft er offenbar auf ein Comeback. In dieser Situation wird Zech für die Partei tätig. Bei einem Wahlkampfauftritt in Skopje wirbt der Bundestagsabgeordnete sogar direkt für den Politiker, dem in westlichen Medien längst mafiöse Regierungsmethoden nachgesagt werden.
Wann die Zusammenarbeit endet, ist unklar. Gruevski wird 2018 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, er entgeht der Haft nur durch eine Flucht nach Ungarn.
Zu diesem Zeitpunkt ist Zech schon nicht mehr im Bundestag, er verpasste 2017 den Wiedereinzug ins Parlament. Die Scaliger Strategy Consulting löst er auf, gründet aber eine neue Beratungsfirma. Im Mai 2020 rückt er in den Bundestag nach.
Zech hat bis heute gute Kontakte nach Nordmazedonien. Wie der Spiegel
berichtete, baut sein Geschäftspartner, der ehemalige Vize-Chef des Geheimdienstes, in Skopje Cannabis an. Geplant ist der Vertrieb in Deutschland, zu medizinischen Zwecken. Tgs. Claudia von Salzen
Arbeitgeber von Spahns Ehemann verkaufte Masken an Gesundheitsministerium
Die Burda GmbH hat 570.000 FFP2-Masken an Spahns Ministerium geliefert. Sein Ehemann Daniel Funke arbeitet bei der Firma als Berliner Büroleiter.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat zu Beginn der Corona-Pandemie 570.000 Schutzmasken bei der Burda GmbH bestellt – also dem Unternehmen, in dem der Ehemann von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Daniel Funke, die Hauptstadtrepräsentanz leitet. Das geht aus einem Bericht des Ministeriums hervor, der gerade dem Haushalts- und dem Gesundheitsausschuss des Bundestags zugesandt wurde und der dem Tagesspiegel Background vorliegt. Der Spiegel
hatte darüber zuerst berichtet.
Die Bestellung bei Burda macht zwar nur einen kleinen Teil der in den Unterlagen aufgeführten Gesamtmenge aus. Allerdings ist Burda auch ein Medienunternehmen, kein Hersteller oder Lieferant Persönlicher Schutzausrüstungen (PSA).
Laut einem Burda-Sprecher trat eine Burda-Beteiligungsfirma als Zwischenhändler auf, die Schutzmasken seien zum Selbstkostenpreis weitergegeben worden. Ein Sprecher sagte Tagesspiegel Background: Der Vorstand der Hubert Burda Media hat dem Gesundheitsministerium im April 2020 angeboten bei der Maskenbeschaffung zu helfen, als die Bundesregierung auf dringender Suche nach Schutzmarken war.
Daniel Funke sei zu keinem Zeitpunkt über die Transaktion informiert oder involviert
gewesen sein. Es sei auch keinerlei Provision gezahlt worden.
Das BMG erklärte, der Vertrag mit der Burda GmbH sei nach Angebotseingang per standardisiertem Verfahren zu marktüblichen Preisen geschlossen und abgewickelt worden.
Im Bericht des Ministeriums rekonstruiert das Ministerium die angespannte Lage bei der PSA-Beschaffung vor einem Jahr. Mitte Februar hätten sich Vertreter des Ministerium mit Kollegen aus den Ländern, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Ärzteschaft und einschlägigen Herstellern
getroffen, um die konkrete Versorgungssituation in den Gesundheitseinrichtungen zu erörtern
.
Seinerzeit habe es einen drastischen Preisanstieg bei den PSAs gegeben. Beispielhaft angeführt wird vom Ministerium die Verteuerung von Mund-Nasen-Schutz-Masken von im Schnitt 22 Cent auf 1,17 Euro im April. FFP-2- und KN95-Masken hätten sich von durchschnittlich 1,25 Euro pro Stück auf im Schnitt bis zu 16,71 Euro bis Mitte März verteuert, in Extremfällen bis auf 35 Euro/Stück im April 2020
.
Selbst Anfang Juni hätten die Preise zeitweise immer noch bei durchschnittlich 21,40 Euro/Stück
gelegen, so das BMG weiter. Eine Erläuterung der Berechnungsgrundlagen für die ermittelten Durchschnittspreise fehlt allerdings in dem Bericht.
Vier Beschaffungswege werden vom BMG benannt, darunter das später aus dem Ruder gelaufene Open-House-Verfahren und die direkten Verträge mit Lieferanten. Am 3. Juni habe man die Verfahren beendet. Verträge werden seitdem nur noch abgewickelt
, heißt es im Bericht. Diesem beigefügt ist auch eine Liste mit Vertragspartnern der Direktbeschaffungsverfahren – allerdings nur mit Einschränkungen.
Burda: Keinen Cent
an dem Vertrag mit dem BMG verdient
So sind zum einen nicht die Verträge enthalten, die die Beschaffungsämter des Bundes geschlossen haben
. Zum anderen wird nicht aufgeführt, welche Preise gezahlt wurden. Diese nämlich sind Verschlusssache: Die Kosten seien in der Geheimschutzstelle des Bundestages zur Kenntnisnahme hinterlegt
.
Die Preise für die aufgeführten Vertragspartner, heißt es in dem Bericht, hätten stark variiert
. Grund dafür seien gewesen, neben der tagesaktuellen Bedarfslage, Einflussfaktoren wie Liefermengen, Lieferfristen, Qualitäten, inkludierte Logistikleistungen und weitere Faktoren wie die Notwendigkeit zu Vorfinanzierungen durch den Bund bei nachgewiesener Kreditwürdigkeit des Vertragspartners, Referenzen Dritter oder eigene Erfahrungen mit Vertragspartnern
.
Aufgeführt werden in der Liste 31 Firmen. Die Liefermengen variieren dabei stark. So lieferte die im April 2019 gegründete Areal Invest XXXI. Grundstücksgesellschaft aus Berlin, 19.999.999 FFP-2-Schutzmasken, die Lipsticks GmbH aus Dachau nur 245.000.
Bei Burda erklärte Sprecher Phillip Wolff, dass sein Unternehmen keinen Cent
an dem Vertrag mit dem BMG verdient habe. Es sei ausschließlich darum gegangen, die Bundesrepublik bei der PSA-Beschaffung zu unterstützen, im April habe der Burda-Vorstand dem BMG angeboten, bei der PSA-Beschaffung zu helfen.
Abgewickelt worden sei die Lieferung über die Mode- und Bestellplattform Zilingo, die ihren Sitz in Singapur hat und an der Burda beteiligt ist. Für die FFP-2-Masken seien pro Stück 1,70 US-Dollar gezahlt worden. Burda hat die Kosten für die Masken 1:1 weitergereicht
, so Wolff.
Streit mit Emix dauert an
Im Bericht geht es auch um die umstrittene Vertragsbeziehung zwischen dem BMG und der Schweizer Firma EMIX, bei der die Lobbyistin Andrea Tandler persönlich mit Jens Spahn den Kontakt hergestellt hat. Vier Verträge seien im März und April 2020 mit EMIX geschlossen wurden, heißt es in dem Bericht. Zu den Vertragsabschlüssen kam es, da EMIX nach Prüfung durch den für Qualitätsfragen im BMG zuständigen Unterabteilungsleiter einer der wenigen Lieferanten war, welcher zu Beginn der Pandemie große PSA-Mengen verlässlich, kurzfristig, termingerecht und in solider Qualität liefern konnte. Zudem war EMIX als einer der wenigen Lieferanten bereit,
rollierend
vorzufinanzieren (letzte Zahlung finanziert die nächste Lieferung).
Wegen dieser Vorteile habe sich der Bund seinerzeit entschlossen, 210 Millionen OP-Masken für jeweils 60 Cent bei EMIX zu kaufen, 150 Millionen FFP-2-Masken für im Schnitt 5,58 Euro und 44 Millionen Einmalhandschuhe für je 9 Cent.
Diese Preise hätten sich damals im marktüblichen Rahmen
bewegt. Nach ersten guten Erfahrungen mit dem Unternehmen habe der Bund nach der ersten Lieferung im März feststellen müssen, dass die von EMIX gelieferten Masken nicht mehr durchgängig der vertraglich vereinbarten Qualität entsprachen
. Am 18. Mai habe man sich dann in einer Klarstellungsvereinbarung auf eine Reduzierung der vertraglichen Liefermenge geeinigt.
Allerdings seien die geschuldeten Lieferungen nicht vollständig bis zum 30. Juli angekommen, so das BMG. Zwischen den Parteien ist streitig, ob trotz Nichteinhaltung der Frist noch ein Anspruch auf Lieferungen der ausstehenden Mengen besteht.
Es gehe dabei um 7,5 Millionen FFP-2/KN95-Masken und 6,3 Millionen OP-Masken mit einem Gesamtwert von ca. 52 Millionen Euro brutto. Die Parteien stehen derzeit in Verhandlungen.
Tgs. Thomas Trappe
Beispielloser Schritt der Bundesregierung
- Tausende Rechnungen der Corona-Rückholaktion noch offen
Vor einem Jahr hat die Regierung Tausende wegen Corona gestrandete Reisende zurückgeholt. Sie sollen sich an den Kosten beteiligen – doch bisher sind noch nicht mal alle Rechnungen verschickt.
Es war eine beispiellose Aktion: Nach Beginn der Coronapandemie hat die Bundesregierung die größte Rückholaktion ihrer Geschichte gestartet und Tausenden gestrandeten Reisenden die Rückkehr ermöglicht. Die Betroffenen sollen sich an den Kosten beteiligen. Doch gut ein Jahr nach Beginn der Aktion sind noch Tausende Rechnungen offen.
Bisher hat die Bundesregierung 17,9 Millionen Euro von den Passagieren abkassiert – ein Fünftel der Gesamtkosten. Ziel ist es, sich etwa das Doppelte von den 67.000 wegen der Coronakrise gestrandeten Deutschen und EU-Bürgern zurückzuholen, die von der Regierung zurückgebracht wurden.
Etwa 21.000 Rechnungen wurden aber noch gar nicht verschickt, wie die Nachrichtenagentur dpa aus dem Auswärtigen Amt erfuhr. Begründet wird das mit dem großen bürokratischen Aufwand und den erschwerten Arbeitsbedingungen wegen der Coronapandemie.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte die Aktion am 17. März 2020 – an diesem Mittwoch vor genau einem Jahr – zusammen mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften gestartet, nachdem viele Länder kurzfristig Grenzen geschlossen und Flugverbindungen gekappt hatten. Insgesamt wurden etwa 240.000 Reisende zurückgebracht. Die Reiseveranstalter flogen die Touristen, die bei ihnen gebucht hatten, selbst kostenlos aus.
Etwa 67.000 Menschen aus rund 65 Ländern zurückgebracht
Für Individualreisende und andere Rückkehrwillige charterte das Auswärtige Amt Maschinen, die 260 Flüge absolvierten und bis Ende April rund 67.000 Menschen aus rund 65 Ländern zurückbrachten. Ab Juni werden die Rückkehrer zur Kasse gebeten. Die Gesamtkosten wurden damals auf 93,8 Millionen Euro geschätzt, knapp 40 Prozent davon sollen von den Flugpassagieren selbst übernommen werden. Die veranschlagten Ticketpreise liegen etwa im Bereich günstiger Economy-Tickets für die jeweiligen Regionen.
Bis zum vergangenen Freitag sind dem Auswärtigen Amt zufolge rund 34.953 Zahlungsbescheide an Passagiere aus Deutschland verschickt worden, weitere 21.000 sollen noch folgen. Die restlichen Passagiere aus anderen EU- und Drittstaaten erhalten keinen individuellen Bescheid. Die Bundesregierung will in diesen Fällen an den jeweiligen Heimatstaat herantreten und die entsprechenden Rückforderungen geltend machen.
Nach den bisherigen Erfahrungen des Auswärtigen Amts werden 80 Prozent der Rechnungen fristgerecht beglichen. Allerdings gibt es Passagiere, die sich vor Gericht gegen die Zahlung ihrer Rückholtickets wehren. 113 entsprechende Verfahren laufen derzeit.
Dass bei Weitem noch nicht alle Rechnungen verschickt wurden, erklärt man im Auswärtigen Amt mit dem großen Aufwand der Bearbeitung. Die Abrechnung der Rückholaktion stellt unsere Strukturen vor große Herausforderungen
, heißt es. In normalen Jahren habe man es nur mit durchschnittlich 800 sogenannten Konsularfällen
zu tun, also Deutschen, die im Ausland in Schwierigkeiten geraten sind. Nun seien es 67.000. Außerdem würden die strengen Sicherheits- und Hygienekonzepte wegen der Coronakrise die Bearbeitung verlangsamen – also Homeoffice, Schichtbetrieb und die Einzelbelegung von Büros. asc/dpa
Polen und weitere Länder ab Sonntag Risikogebiet
Wegen stark steigender Corona-Infektionszahlen stuft die Bundesregierung Polen als Hochinzidenzgebiet ein. Ab Sonntag ist die Einreise aus dem an Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen grenzenden Nachbarland nur noch mit einem negativen Corona-Test erlaubt, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitag im Internet bekanntgab.
Auch Bulgarien, Zypern, Kuwait, Paraguay und Uruguay stehen ab Sonntag auf der Liste der Hochinzidenzgebiete. Für die bisherigen Virusvariantengebiete Großbritannien und Irland werden dagegen die Reisebeschränkungen deutlich gelockert.
Ganz aufgehoben wird die Quarantäne und die Testpflicht für ein weiteres beliebtes Urlaubsgebiet der Deutschen: Die portugiesische Algarve wird wie zuvor schon Mallorca und die anderen Balearen-Inseln von der Liste der Risikogebiete gestrichen. Allerdings dürfen die Hotels an der Algarve derzeit noch keine Touristen aufnehmen. Das bedeutet: Urlaub an den Stränden der portugiesischen Südküste ist anders als auf Mallorca weiterhin nicht möglich. dpa
Neue Corona-Welle erfasst den Erdball
Nach einem deutlichen Rückgang der globalen Corona-Fälle zu Jahresbeginn steigt deren Zahl seit drei Wochen wieder an. Die Gründe sind nur zum Teil bekannt. Was aber auffällt: Die Zahl der Todesfälle geht dennoch weiter zurück. Womöglich Zeichen eines ersten Erfolgs gegen den Erreger.
Das Coronavirus ist alles andere als abgeschrieben: Nicht nur in Deutschland, mittlerweile steigen die Fallzahlen auf der ganzen Welt wieder an - und das bereits die dritte Woche in Folge, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem aktuellen Lagebericht feststellt. Allerdings ist an dieser Welle etwas anders als bei den vorangegangenen: Während die Fallzahlen anziehen, geht die Zahl der Todesfälle immer noch zurück.
In der zehnten Kalenderwoche 2021 stieg die Zahl gemeldeter neuer Covid-19-Fälle im Vergleich zur Vorwoche um rund zehn Prozent auf mehr als drei Millionen an. Allerdings ist dies immer noch deutlich unter dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie im frühen Januar, wo fast fünf Millionen neue Fälle in einer Woche erfasst wurden. Danach hatte die Infektionswelle einen spürbaren Abschwung genommen, die wöchentlichen Fälle waren Mitte Februar auf unter zweieinhalb Millionen gesunken.
Wie kommt es nun zu dem erneuten Anstieg? WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte nach den ersten Anzeichen Anfang März die Vermutung geäußert, dass der Anstieg zum Teil auf Lockerungen von öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen, der fortgesetzten Verbreitung von Varianten und die Unachtsamkeit der Menschen zurückzuführen sei. Dennoch bedürfe es noch weiterer Untersuchungen, um den Anstieg der Übertragungen zu verstehen, so Tedros.
Die meisten Fälle in Europa und Amerika
Der überwiegende Teil der neuen Corona-Fälle wurde mit mehr als 80 Prozent aus Nord- und Südamerika sowie Europa gemeldet. Allerdings stieg die Fallzahl auch in allen übrigen Weltgegenden an - mit Ausnahme von Afrika, wo sie stabil blieb. Mit Blick auf einzelne Länder wurden die meisten neuen Fälle mit fast einer halben Million aus Brasilien gemeldet, gefolgt von den USA mit rund 460.000 Neuinfektionen, Frankreich mit rund 160.000 und Italien mit 155.000. Deutschland verzeichnete im selben Zeitraum rund 69.000 neue Fälle.
Die Dynamik ist von Land zu Land zum Teil jedoch sehr unterschiedlich: Unter einem massiven Anstieg neuer Fälle leidet zuletzt etwa Indien, wo die Neuinfektionen um rund 30 Prozent im Vergleich zur Vorwoche anstiegen. Im nicht allzu fernen Indonesien sank die insgesamt hohe Zahl an Fällen jedoch um fast 10 Prozent. Im Iran stieg die Zahl der neuen Fälle um 30 Prozent an, in Israel - wo bisher schon die Hälfte der Bevölkerung zweimal geimpft wurde - ging sie um fast 70 Prozent zurück. Auch in den USA gab es einen Anstieg um rund 8 Prozent - allerdings war der Wochenwert verzerrt durch eine Nachmeldung zahlreicher Fälle aus dem US-Bundesstaat Missouri. Insgesamt bleibt der Trend in den USA rückläufig.
Was bei dieser neuen globalen Welle jedoch anders ist: Die Zahl der gemeldeten Todesfälle nimmt weltweit ungebrochen ab, auch wenn sich der Rückgang zuletzt etwas verlangsamte. Bei den vorangegangenen Wellen hatte sich die Zahl der Todesfälle - zeitversetzt um etwa zwei Wochen - parallel zu den Fallzahlen entwickelt. In der vergangenen Woche waren weltweit jedoch erneut weniger Todesfälle gemeldet worden - etwas unter 60.000. Ein deutlicher Rückgang auch zum Höchststand Ende Januar, als weltweit mehr als 95.000 Corona-Tote gezählt wurden. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Im Nahen Osten und im Westpazifik stieg die Zahl neuer Todesfälle an.
Impfkampagne rettet Menschenleben
In einigen Ländern wie den USA geht die Zahl der Todesfälle sogar rasant zurück. Vergangene Woche waren dort laut WHO-Daten 9400 Todesfälle erfasst worden und damit ein Viertel weniger als in der Vorwoche. Vor allem in der Gruppe der Älteren und der Pflegeheimbewohner, die in den USA zuerst geimpft wurden, gibt es einen deutlichen Rückgang bei den Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Bis zum Wochenende hatte bereits jeder fünfte US-Bürger mindestens eine Impfdosis erhalten. Impfweltmeister Israel verzeichnet sogar mehr als die Hälfte weniger neue Todesfälle pro Woche. Und im Vergleich zu Ende Januar ist diese Zahl um fast 85 Prozent zurückgegangen.
Ein positiver Effekt von Impfungen ist auch in Großbritannien zu beobachten, das mit seiner Impfkampagne ebenfalls weit fortgeschritten ist. Dort sank die Zahl der neu gemeldeten Todesfälle um fast 40 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Auch in Deutschland ging die Zahl der Todesfälle auf Wochensicht um rund 20 Prozent zurück. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler hatte dies ebenfalls auf die anlaufende Impfkampagne zurückgeführt: Am kontinuierlichen Rückgang der Zahl der Todesfälle sieht man, dass es richtig und wichtig gewesen sei, die Ältesten zuerst zu impfen.
Offen ist jedoch, wie sich die Corona-Pandemie weltweit in den kommenden Wochen entwickelt. Was die Fallzahlen angeht, rechnet das RKI für Deutschland jedenfalls mit einem deutlich steileren Anstieg
- zu Ostern könnte die Inzidenz deutschlandweit dann sogar weit über jener von Weihnachten liegen. ntv.despan>
AstraZeneca: Immunreaktion löst Thrombosen im Hirn aus
Hinter den Sinusvenenthrombosen nach den Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff steckt wohl eine Immunreaktion - und gegen die gibt es sogar ein Medikament. Allerdings sind viele Fragen noch offen.
Hinter den Auswirkungen der ausgesetzten Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff steckte vermutlich eine besondere Immunreaktion, die Blutplättchen aktiviert und so Thrombosen auslöst. Zu diesem vorläufigen Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe um Andreas Greinacher von der Uniklinik Greifswald. Der Effekt entspricht in vielen Details einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) vom Typ 2, bei der sich im Zusammenhang mit Heparin Antikörper gegen einen Proteinkomplex bilden, die wiederum einen Rezeptor auf den Blutplättchen ansprechen. Der Mechanismus legt nahe, dass Menschen mit bekannter Thromboseneigung kein höheres Risiko durch den Impfstoff haben. Vor allem gebe es gegen HIT eine Behandlungsmöglichkeit, die nach Ansicht des Teams auch bei der mutmaßlichen Impfnebenwirkung funktionieren sollte.
Die Ähnlichkeit der Thrombosen mit HIT wies das Team im Blut von vier Patientinnen mit Sinusvenenthrombose nach. Dabei bilden sich anscheinend Antikörper gegen einen Komplex aus Heparin und dem Signalmolekül PF4, die ihrerseits mit dem Rezeptor CD32 der Blutplättchen wechselwirken und diese so aktivieren. Das löst die Gerinnungskaskade aus, die zu den Thrombosen führt. Die bei den geimpften Personen gebildeten Antikörper ähnelten stark jenen, die bei HIT auftreten, sagte Greinacher auf einer Pressekonferenz. Bisher sei allerdings noch unklar, woher diese Antikörper kommen, ob sie sich also gegen das Impfvirus oder das Spike-Antigen bilden oder vielleicht gegen einen lediglich an der Immunreaktion beteiligten Faktor.
Tests nur bei Thrombosen und anderen Symptomen
Rätselhaft ist nach Angaben des Forschers außerdem, warum trotz dieses Mechanismus Thrombosen allgemein bei Geimpften seltener zu sein scheinen als in der Allgemeinbevölkerung. Weshalb einige wenige Menschen dennoch schwere Thrombosen kriegen und ausgerechnet die Hirngefäße verstopfen, ist bisher ebenfalls unbekannt. Bei HIT selbst gibt es Indizien dafür, dass bestimmte Varianten des Gens für CD32 das Risiko erhöhen. Nach wie vor ist zudem nicht ausgeschlossen, dass auch andere Faktoren, besonders Risikofaktoren für Thrombosen, eine Rolle spielen.
Auf Basis dieser Erkenntnisse empfiehlt die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) in einer Stellungnahme, bei verdächtigen Symptomen auf einen HIT-ähnlichen Ablauf zu prüfen. Geimpfte Personen, die ab dem fünften Tag nach der Impfung Thrombosen oder neurologische Symptome wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Sehstörungen haben, sollten demnach auf eine HIT Typ 2 getestet werden. Die GTH weist ausdrücklich darauf hin, dass Unwohlsein in den ersten drei Tagen nach der Impfung normal ist. Eine Überprüfung auf Thrombosen oder einen Mangel an Blutplättchen ist erst bei ab dem fünften Tag neu aufgetretenen Symptomen überhaupt sinnvoll; früher setzt HIT Typ 2 nicht ein.
Sollte dieser Test – der die Antikörper gegen den Heparinkomplex nachweist – positiv sein, empfiehlt die Gesellschaft, intravenöses Immunglobulin G (IVIG) gegen die Aktivierung des CD32 zu verabreichen. Dadurch lasse sich vermutlich der Mechanismus unterbrechen, der zu den Thrombosen führt. Damit sei die Sinusvenenthrombose – wenn die denn überhaupt mit der Impfung zusammenhängt, was nach wie vor unklar ist – nicht nur äußerst selten, sondern nun auch direkt behandelbar, sagt Greinacher. Auch die GTH weist noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass aus ihrer Sicht die positiven Effekte des AstraZeneca-Impfstoffs die Risiken überwiegen, und begrüßt, dass die Impfungen nun weitergehen. Spectrum.de von Lars Fischer
Minister macht Rückzieher
- 4,125 Millionen Euro - Kaufpreis für Spahns Villa darf jetzt genannt werden
Ausdauernd ging der Minister gegen Berichte über seinen millionenteuren Immobilienkauf vor. Doch der Druck, Transparenz zu schaffen, wurde immer größer.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will künftig offenbar nicht mehr gegen Medien vorgehen, die über den Kaufpreis seiner Villa in Berlin-Dahlem berichten.
Spahn hatte gerichtliche Verfügungen erwirkt, unter anderem gegen den Tagesspiegel, denen zufolge die Kaufsumme von 4,125 Millionen Euro öffentlich nicht genannt werden dürfe.
In einem Schreiben erklären Spahns Anwälte nunmehr den Rechteverzicht
(Erledigung) aus einem entsprechenden Beschluss des Landgerichts Hamburg.
Ganz freiwillig geschah dies wohl nicht. Zum einen ist der politische Druck auf Spahn gestiegen, in den ihn betreffenden Angelegenheiten Transparenz zu schaffen. Zum anderen ist fraglich, ob das Hanseatische Oberlandesgericht Spahns Klagen stattgegeben hätte.
Wie der Tagesspiegel berichtete, hat das Grundbuchamt beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin den Kaufpreis auf Anfrage offiziell bestätigt.
Die Annahme des Hamburger Landgerichts in erster Instanz, wonach die Summe rechtswidrig durch ein
sei und die Information deshalb im Ergebnis nicht hätte verwendet werden dürfen, war spätestens damit obsolet geworden.Durchstechen
nach außen gedrungen
Gericht kritisierte Blick in das Portemonnaie
Der Erwerb des weitläufigen Grundstücks gemeinsam mit Ehepartner Daniel Funke im vergangenen Jahr hatte nicht nur angesichts des durch die Coronakrise ausgelösten wirtschaftlichen Tiefs Aufsehen erregt und Kritik ausgelöst.
Spahn selbst war im Hinblick auf individuelle Vermögenslagen mit der Äußerung Hartz IV bedeutet keine Armut
aufgefallen.
Dass die öffentliche Nennung der Summe daher geeignet gewesen sei, gesellschafts- und sozialkritische Überlegungen
über einen Politiker anzuregen, der als Bundeskanzler kandidieren könne, bestätigte auch das Landgericht.
Dennoch werde dadurch ein Blick in das Portemonnaie
ermöglicht. Dem intensiven Eingriff in die Privatsphäre
stehe kein ausreichend großes und berechtigtes öffentliches Informationsinteresse gegenüber
, hieß es damals im Urteil (Az.: 324 O 349/20).
Immobilien wurden zur amtlichen Angelegenheit
Das Immobiliengeschäft insgesamt zur geschützten Privatsache zu erklären, wie Spahn es ursprünglich beabsichtigt hatte, wäre wohl ebenfalls gescheitert. Wie mittlerweile bekannt wurde, besitzt Spahn noch zwei weitere Wohnungen.
Eine davon hat der Minister für rund eine Million Euro von einem Ex-Pharma-Manager gekauft, den er später an die Spitze einer mehrheitlich bundeseigenen Firma berief. Die Käufe wurden damit zu einer amtlichen Angelegenheit, zu denen das Gesundheitsministerium auch in der Regierungspressekonferenz Stellung bezog.
Spahn bleibt gleichwohl überzeugt, dass ihm Unrecht widerfahren ist. Wie berichtet, hat er gegen die Nennung des Kaufpreises durch das Grundbuchamt eine Beschwerde bei der Berliner Datenschutzbeauftragten eingereicht. Tgs. Jost Müller-Neuhof
Ausgebremste Antikörper - machen neue Mutanten Impfungen wirkungslos?
Virus-Mutanten breiten sich in Deutschland aus und die Sorge wächst, die bisher eingesetzten Impfstoffe könnten gegen eine von ihnen wirkungslos sein. Speziell die südafrikanische Variante
B.1.351 scheint Antikörper ins Leere laufen zu lassen. Wie groß ist das Problem?
Während in Deutschland erst etwas mehr als 7 Prozent der Bevölkerung ihre erste Dosis erhalten haben und nur rund 3 Prozent vollständig geimpft sind, wächst zunehmend die Sorge, dass die Vakzine gegen kommende Virus-Mutanten teilweise wirkungslos sein könnten.
Besonders die im vergangenen Dezember in Südafrika entdeckte Variante B.1.351 ist offenbar in der Lage, Antikörpern zu entkommen. Darauf weisen inzwischen mehrere Vorab-Studien hin. Doch Antikörper sind nur ein Teil der Immunantwort und auch bei den Impfstoffen tut sich etwas.
Mutationen keine Überraschung
Dass Sars-CoV-2 mutiert, ist keine Überraschung. Es gehört zu den RNA-Viren, die sich sehr schnell verändern. Denn sie nutzen zur Replikation ein eigenes Enzym (Polymerase), das viele Fehler bei der Kopie des Erbguts produziert. Das Coronavirus mutiert allerdings langsamer als andere RNA-Viren, da es ein zweites Enzym zur Korrektur einsetzt.
Die entscheidenden Mutationen des Coronavirus finden an seinem Stachel-Protein (Spike-Protein) statt, mit dem es am ACE2-Rezeptor von Zellen andockt. Grundsätzlich sind zwei verschiedene Arten von Mutationen relevant. Eine ermöglicht eine einfachere Anbindung, was das Virus ansteckender macht. Die andere verhindert, dass Antikörper beim Andocken in die Quere kommen.
B.1.351 weist zum einen die Mutation N501Y auf, die die Infektiosität der Variante im Vergleich zum Virus-Wildtyp dramatisch erhöht. Man weiß das, da B.1.1.7, die auch in Deutschland innerhalb von Wochen zur dominanten Variante wurde, die gleiche Mutation aufweist. Einer Analyse der London School of Hygiene and Tropical Medicine zufolge hat sich die Variante in England um 77 Prozent ansteckender erwiesen.
Reduzierte Antikörper-Wirkung
Die für die Wirkung von Impfstoffen problematische Mutation hat die Bezeichnung E484K. Sie heißt so, weil sie sich in der betreffenden Stelle des Virus-Genoms befindet, der Rezeptorbindungsdomäne (RBD). Dort hätten Mutationen den größten Effekt auf die Antikörper-Bindung und Neutralisation, schreibt Allison Greaney, die ein Forschungsprojekt der University of Seattle leitet. In ihren Versuchen mit Blutseren genesener Covid-19-Patienten verringerte die E484K-Mutation die Wirkung der Antikörper um das Zehnfache. Ein Preprint der Columbia University in New York kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
Neben N501Y und E484K weist die Mutante B.1.351 in der RBD eine weitere Mutation auf, die einer Vorab-Studie der Universität von El Paso zufolge ebenfalls die Wirkung von Antikörpern einschränken kann: K417N/T. Möglicherweise ist auch die Kombination von Mutationen entscheidend.
Aktuell verursacht eine kürzlich publizierte Vorab-Studie der Bostoner Harvard Medical School Wirbel, da sie SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mit dem Kommentar teilte, er fürchte, es könnten Mutationen entstehen, gegen die man nicht impfen könne.
Die Bostoner Wissenschaftler testeten die Wirkung der Impfstoffe von Biontech und Moderna anhand von Blutproben von 99 Personen, die jeweils eine oder zwei Dosen des Vakzins erhalten hatten. Zum Einsatz kamen keine echten Coronaviren, sondern im Labor erzeugte Pseudoviren.
Noch keine Fluchtmutation
Im Prinzip bestätigt die Bostoner Vorab-Studie weitgehend die vorangegangenen Forschungen. Sie zeigt, dass beide mRNA-Vakzine gegen den Virus-Wildtyp und B.1.1.7 so gut wirken, dass bereits eine Dosis einen hohen Schutzgrad erzielt. Andere Mutanten neutralisieren die Impfstoffe weniger effektiv, aber immer noch gut. Bei der Variante B.1.351 ist eine Dosis nicht mehr wirksam und auch mit der zweiten entsteht nur ein recht schwacher Schutz. Um Fluchtmutationen, mit denen das Virus durch eine Immunantwort überhaupt nicht mehr beeinträchtigt wird, handelt es sich allerdings noch nicht.
Auch was die eingeschränkte Wirksamkeit betrifft, sollte man aus Laborversuchen keine voreiligen Schlüsse ziehen. Das Ergebnis ihrer Arbeit bedeute nicht, dass Impfstoffe oder eine natürliche Immunantwort wie im Versuch auf das Virus nun zehn Mal weniger wirksam sind, schreibt Allison Greany. Denn die meisten Menschen produzierten Antikörper nicht nur gegen eine Stelle des viralen Proteins, sondern gegen mehrere verschiedene. So habe es Proben gegeben, die von der E484-Mutation kaum beeinträchtigt gewesen seien.
Viel hilft viel
Biontech und Pfizer haben wie die Forscher der Bostoner Harvard Medical School ihren Impfstoff anhand von Pseudoviren auf seine Wirksamkeit gegen Mutanten getestet. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Neutralisierung des Virus mit der Mutation E484K zwar etwas geringer
sei, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung der beiden Unternehmen. Dies führe aber vermutlich nicht zu einer signifikant verringerten Wirksamkeit des Impfstoffs
. Biontech-Chef Ugur Sahin weist außerdem darauf hin, eine Erhöhung der Antikörper-Konzentration (Titer) könne die Wirkung des Vakzins erhöhen.
Ein Preprint der Icahn School of Medicine at Mount Sinai kam zu ähnlichem Resultaten bei Versuchen mit Blutproben geimpfter Personen. Die Forscher vermuten, dass ein ausreichend starker Schutz erst nach der zweiten Dosis erreicht wird und raten daher von Überlegungen ab, die Impfungen aus Mangel auf eine Dosis zu reduzieren.
Auch beim Impfstoff von Moderna führt die E-484K-Mutation dazu, dass er gegen die Variante B.1.351 nicht so stark wirkt wie gegen das ursprüngliche Virus - laut einer Vorab-Studie des Herstellers sechs Mal schwächer. In einer Stellungnahme schreibt Moderna, man erwarte, dass der Antikörper-Wert (Titer) trotzdem hoch genug sei, um auch Schutz vor der neuen Variante zu bieten. Es könne allerdings sein, dass eine Immunität früher nachlasse.
T-Zellen sind auch noch da
Eine Infektion kann so wahrscheinlich nicht vermieden werden, aber ein schwerer Verlauf der Krankheit. Das liegt nicht unbedingt an den Antikörpern. Denn zur Immunantwort gehören auch T-Zellen (Killerzellen), die befallene Zellen anhand von Virus-Bruchstücken erkennen, die sich auf ihrer Außenseite zeigen.
Auf die Abwehr durch T-Zellen dürfte die Mutation überhaupt keine Auswirkung haben. Folgeuntersuchungen von Probanden nach einer Studie des Universitätsklinikums Tübingen hatten ergeben, dass auch sechs Monate nach einer Infektion diese weißen Blutkörperchen noch stark auf Sars-CoV-2 antworteten.
Michael Nussenzweig von der New Yorker Rockefeller-Universität berichtete dem Deutschlandfunk von einem Anfang März stattgefundenem Symposium, an dem auch Biontech-Chef Sahin teilnahm. Dieser habe von Studien mit dem Impfstoff berichtet, bei denen schon 14 Tage nach der ersten Dosis ein relevanter Schutz erzielt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich noch kein großer Antikörperspiegel aufgebaut haben können, so Nussenzweig. Dies waren die Killerzellen, die demnach sehr effektiv sind. Und deshalb gingen eigentlich alle Forscher auf dem Symposium davon aus, dass die neuen Virus-Varianten geimpfte Personen zwar vielleicht infizieren können, dass es aber unwahrscheinlich ist, dass das bei vielen zu einem schweren Krankheitsverlauf führt.
Astrazeneca auch nicht nutzlos
Hinter dem Vektor-Impfstoff von Oxford-Astrazeneca gibt es bezüglich der Wirkung gegen B.1.351 noch ein größeres Fragezeichen. Weil eine Vorab-Studie der Johannesburger Wits Vaccines and Infectious Diseases Analytics (VIDA) zu dem vorläufigen Ergebnis kam, dass die Schutzwirkung gegen die Sars-CoV-2-Variante B.1.351 minimal
ist, setzte die südafrikanische Regierung den Einsatz des Impfstoffs aus. Eine weitere Studie soll Aufklärung bringen.
Abschreiben sollte man Astrazeneca noch nicht. Die nach der Impfung gebildeten Antikörper erkannten immer noch Teile der Virus-Variante und blockierten sie, sagte Sarah Pitt vom britischen Institute of Biomedical Science der Deutschen Welle. Pei-Yong Shi von der University of Texas Medical Branch sagte, vielleicht werde man einen sehr geringen Krankheitsverlauf haben, aber es sei viel besser als nicht geimpft zu sein.
Laut Ärztezeitung
weist Sabri Mahdi von der Universität Witwatersrand in Südafrika auf Studien des Herstellers Johnson & Johnson hin, bei dessen Wirkstoff es sich ebenfalls um ein vektorbasiertes Vakzin handle. Auch dieser Wirkstoff sei bei moderaten Verläufen weniger wirksam gewesen, habe aber vor Hospitalisierungen und tödlichen Verläufen geschützt. Es sei daher möglich, dass beide Impfstoffe eine ähnliche Immunantwort induzierten.
Auch Kombi-Mutante beherrschbar
Karl Lauterbach hat recht, wenn er vor der Möglichkeit warnt, es könnten auch noch Mutanten kommen, gegen die die aktuell zugelassenen Impfstoffe nicht mehr wirken. Doch noch ist es nicht so weit. Die sogenannte brasilianische Variante P1 wütet zwar aktuell fürchterlich in Brasilien und steckt auch von einer ersten Infektion Genesene erneut an. Doch dies liegt vermutlich an den gleichen Mutationen, wie sie B.1.351 aufweist. Umso erfreulicher ist es, dass Mauricio Zuma, Produktionschef des biomedizinischen Instituts Fiocruz, mit Bezug auf eine neue Studie mitteilte, das Astrazeneca-Vakzim sei gegen P1 wirksam.
Auch die kürzlich in Deutschland erstmals aufgetauchte Kombi-Mutante
B.1.525 ist eher noch kein resistentes Virus, auch wenn es die Mutationen von B.1.1.7, P1 und B.1.351 vereint. Epidemiologe Timo Ulrichs sagte ntv, auch bei dieser Variante sei die Wirkung der Impfstoffe vermutlich abgeschwächt. Aber sie sei immer noch hoch genug, um eine Herdenimmunität erzielen zu können.
Hersteller können schnell nachlegen
Falls doch neue Impfstoffe nötig werden, können sie die Hersteller voraussichtlich schnell bereitstellen. Sie alle arbeiten bereits daran, ihre Vakzine anzupassen. Für mRNA-Impfstoffe geht man von sechs Wochen aus, dass ein neuer Impfstoff generiert werden kann
, sagte UKE-Infektiologin Marylyn Addo in einer Videokonferenz. Ich bin selber kein Impfstoff-Hersteller, aber ich würde sagen, zwei bis drei Monate mit regulatorischer Anpassung ist wahrscheinlich eine realistische Timeline.
Dafür werden in Deutschland oder Europa auch keine Neuzulassungen nötig sein, sondern die bestehenden Mittel könnten um die Komponenten erweitert werden, mit denen die Wirkstoffe zur Anpassung ergänzt werden, sagte Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. Ebenso seien keine neuen, umfassenden Studien nötig. Es gäbe derzeit bereits Gespräche und Vorschläge der Europäischen Kommission zu einer Angleichung der gesetzlichen Regelungen. ntv.de
Neue Corona-Welle erfasst den Erdball
Nach einem deutlichen Rückgang der globalen Corona-Fälle zu Jahresbeginn steigt deren Zahl seit drei Wochen wieder an. Die Gründe sind nur zum Teil bekannt. Was aber auffällt: Die Zahl der Todesfälle geht dennoch weiter zurück. Womöglich Zeichen eines ersten Erfolgs gegen den Erreger.
Das Coronavirus ist alles andere als abgeschrieben: Nicht nur in Deutschland, mittlerweile steigen die Fallzahlen auf der ganzen Welt wieder an - und das bereits die dritte Woche in Folge, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem aktuellen Lagebericht feststellt. Allerdings ist an dieser Welle etwas anders als bei den vorangegangenen: Während die Fallzahlen anziehen, geht die Zahl der Todesfälle immer noch zurück.
In der zehnten Kalenderwoche 2021 stieg die Zahl gemeldeter neuer Covid-19-Fälle im Vergleich zur Vorwoche um rund zehn Prozent auf mehr als drei Millionen an. Allerdings ist dies immer noch deutlich unter dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie im frühen Januar, wo fast fünf Millionen neue Fälle in einer Woche erfasst wurden. Danach hatte die Infektionswelle einen spürbaren Abschwung genommen, die wöchentlichen Fälle waren Mitte Februar auf unter zweieinhalb Millionen gesunken.
Wie kommt es nun zu dem erneuten Anstieg? WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte nach den ersten Anzeichen Anfang März die Vermutung geäußert, dass der Anstieg zum Teil auf Lockerungen von öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen, der fortgesetzten Verbreitung von Varianten und die Unachtsamkeit der Menschen zurückzuführen sei. Dennoch bedürfe es noch weiterer Untersuchungen, um den Anstieg der Übertragungen zu verstehen, so Tedros.
Die meisten Fälle in Europa und Amerika
Der überwiegende Teil der neuen Corona-Fälle wurde mit mehr als 80 Prozent aus Nord- und Südamerika sowie Europa gemeldet. Allerdings stieg die Fallzahl auch in allen übrigen Weltgegenden an - mit Ausnahme von Afrika, wo sie stabil blieb. Mit Blick auf einzelne Länder wurden die meisten neuen Fälle mit fast einer halben Million aus Brasilien gemeldet, gefolgt von den USA mit rund 460.000 Neuinfektionen, Frankreich mit rund 160.000 und Italien mit 155.000. Deutschland verzeichnete im selben Zeitraum rund 69.000 neue Fälle.
Die Dynamik ist von Land zu Land zum Teil jedoch sehr unterschiedlich: Unter einem massiven Anstieg neuer Fälle leidet zuletzt etwa Indien, wo die Neuinfektionen um rund 30 Prozent im Vergleich zur Vorwoche anstiegen. Im nicht allzu fernen Indonesien sank die insgesamt hohe Zahl an Fällen jedoch um fast 10 Prozent. Im Iran stieg die Zahl der neuen Fälle um 30 Prozent an, in Israel - wo bisher schon die Hälfte der Bevölkerung zweimal geimpft wurde - ging sie um fast 70 Prozent zurück. Auch in den USA gab es einen Anstieg um rund 8 Prozent - allerdings war der Wochenwert verzerrt durch eine Nachmeldung zahlreicher Fälle aus dem US-Bundesstaat Missouri. Insgesamt bleibt der Trend in den USA rückläufig.
Was bei dieser neuen globalen Welle jedoch anders ist: Die Zahl der gemeldeten Todesfälle nimmt weltweit ungebrochen ab, auch wenn sich der Rückgang zuletzt etwas verlangsamte. Bei den vorangegangenen Wellen hatte sich die Zahl der Todesfälle - zeitversetzt um etwa zwei Wochen - parallel zu den Fallzahlen entwickelt. In der vergangenen Woche waren weltweit jedoch erneut weniger Todesfälle gemeldet worden - etwas unter 60.000. Ein deutlicher Rückgang auch zum Höchststand Ende Januar, als weltweit mehr als 95.000 Corona-Tote gezählt wurden. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Im Nahen Osten und im Westpazifik stieg die Zahl neuer Todesfälle an.
Impfkampagne rettet Menschenleben
In einigen Ländern wie den USA geht die Zahl der Todesfälle sogar rasant zurück. Vergangene Woche waren dort laut WHO-Daten 9.400 Todesfälle erfasst worden und damit ein Viertel weniger als in der Vorwoche. Vor allem in der Gruppe der Älteren und der Pflegeheimbewohner, die in den USA zuerst geimpft wurden, gibt es einen deutlichen Rückgang bei den Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Bis zum Wochenenden hatte bereits jeder Fünfte US-Bürger mindestens eine Impfdosis erhalten. Impfweltmeister Israel verzeichnet sogar mehr als die Hälfte weniger neue Todesfälle pro Woche. Und im Vergleich zu Ende Januar ist diese Zahl um fast 85 Prozent zurückgegangen.
Ein positiver Effekt von Impfungen ist auch in Großbritannien zu beobachten, das mit seiner Impfkampagne ebenfalls weit fortgeschritten ist. Dort sank die Zahl der neu gemeldeten Todesfälle um fast 40 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Auch in Deutschland ging die Zahl der Todesfälle auf Wochensicht um rund 20 Prozent zurück. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler hatte dies ebenfalls auf die anlaufende Impfkampagne zurückgeführt: Am kontinuierlichen Rückgang der Zahl der Todesfälle sieht man, dass es richtig und wichtig gewesen sei, die Ältesten zuerst zu impfen.
Offen ist jedoch, wie sich die Corona-Pandemie weltweit in den kommenden Wochen entwickelt. Was die Fallzahlen angeht, rechnet das RKI für Deutschland jedenfalls mit einem deutlich steileren Anstieg
- zu Ostern könnte die Inzidenz deutschlandweit dann sogar weit über jener von Weihnachten liegen. ntv.de von Kai Stoppel
Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 95,6
Erneut ist die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner stark angestiegen: Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut Robert Koch-Institut (RKI) am Freitagmorgen bundesweit bei 95,6. Am Donnerstag hatte sie noch bei 90, am Mittwoch bei 86,2 gelegen. Außerdem meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland binnen eines Tages 17.482 Corona-Neuinfektionen - das sind etwa 5000 mehr als vor genau einer Woche. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 5.20 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 226 weitere Todesfälle registriert. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 12.834 Neuinfektionen und 252 neue Todesfälle verzeichnet.
Vor vier Wochen, am 19. Februar, hatte die Inzidenz noch bei 56,8 gelegen. Die Zahl der neuen Ansteckungen in Deutschland war im Januar und Februar über Wochen deutlich zurückgegangen. Zuletzt stieg sie wieder an, was auch an der Verbreitung ansteckenderer Varianten liegen könnte. dpa
Tausende Demonstranten in Argentinien fordern Lebensmittelhilfen
In Argentinien sind tausende Menschen für Lebensmittelhilfen in der Corona-Krise auf die Straße gegangen. Sie versammelten sich vor dem Regierungssitz in Buenos Aires und hielten Plakate mit der Aufschrift Schluss mit dem Hunger
hoch. Die Demonstration, zu der soziale Organisationen aufgerufen hatten, stand unter dem Motto el polentazo
. Polenta aus Maisgrieß gehört in Argentinien zu den Grundnahrungsmittel, die sich immer mehr Menschen kaum noch leisten können.
In Argentinien haben sich nachweislich rund zwei Millionen Menschen mit dem Coronavirus angesteckt, rund 54.000 Infizierte starben. Gesundheitsexperten warnen derzeit vor einer zweiten Infektionswelle.
Argentinien steckte schon vor der Pandemie in einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei über zehn Prozent, mehr als 40 Prozent der 44 Millionen Einwohner sind von Armut betroffen. Die Inflation lag im Januar und Februar bei fast acht Prozent.
Viele Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, sogar diejenigen, die eine richtige Arbeit haben
, sagte Monica Sulio von der Sozialistischen Arbeiterbewegung. Es wird immer schlimmer
, ergänzte Noemi Avalos von der Protestbewegung FOL. Der Andrang in den Suppenküchen sei kaum noch zu bewältigen. Unter der Hilfesuchenden seien auch alte Menschen und Kinder. AFP
US-Studie: Pandemie begann womöglich Monate vor dem Ausbruch in Wuhan
Wissenschaftler in den USA haben eine brisante neue Theorie zum Ursprung der Pandemie aufgestellt. Einer neuen Analyse zufolge könnte das Virus schon ein bis zwei Monate vor dem ersten bekannten Ausbruch auf einem Fischmarkt im chinesischen Wuhan aufgetreten sein. Nach Ansicht des Evolutionsbiologen Michael Worobey deuten die Ergebnisse der Studie stark darauf hin, dass der Markt in der Provinz Hubei im Dezember 2019 nicht die Quelle des ersten Ausbruchs gewesen sei, wohl aber Schauplatz eines der ersten Superspreading-Events.
In der Studie verfolgten Wissenschaftlerinnen Mutanten des Coronavirus bis zu einem gemeinsamen Virusvorfahren zurück und modellierten dann Ausbreitungsszenarien. Die Ergebnisse der Analyse sind jetzt in der Fachzeitschrift Science erschienen.
William Hanage, ein Experte für öffentliche Gesundheit, der selbst nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnete die Rückschlüsse der Wissenschaftler als sehr, sehr plausibel
. Zeit Online
Corona-Tote in Europa nähern sich der Million
Die Zahl der Corona-Toten in der Region Europa nähert sich laut der Weltgesundheitsorganisation der Million. Mehr Menschen stürben jetzt im Zusammenhang mit Covid-19 als vor einem Jahr, teilte der Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, am Donnerstag in Kopenhagen mit.
Jeden Tag verlieren nach Kluges Angaben 20.000 Menschen ihr Leben in der WHO-Region, zu der 53 Länder gehören. In der vergangenen Woche sei die Marke von 900.000 Corona-Toten überschritten worden. In den vergangenen drei Wochen sei die Zahl der Corona-Neuinfektionen in der Region kontinuierlich angestiegen. Seit Beginn des Ausbruchs im vergangenen Jahr seien in Europa nahezu 42 Millionen Covid-19-Fälle erfasst worden. Derzeit seien Mitteleuropa, der Balkan und das Baltikum am stärksten von der Pandemie betroffen.
Der Regionaldirektor empfahl, den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca weiter zu verabreichen. Dadurch würden Leben gerettet. Nach bisherigen Erkenntnissen sei der Nutzen des Vakzins größer als die Risiken. Die WHO untersuche das Astrazeneca-Präparat und dessen mögliche ernste Nebenwirkungen wie Thrombosen gründlich. dpa
Steinmeier verleiht Bundesverdienstkreuz an Engagierte
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnet sechs Bürgerinnen und Bürger für ihr Engagement in der Corona-Pandemie mit dem Bundesverdienstkreuz aus. Die Geehrten hätten sich in herausragender Weise engagiert, etwa in der Krankenpflege, bei der Hilfe für Schulkinder und ältere Menschen oder bei der bundesweiten und grenzüberschreitenden Bekämpfung des Virus
, teilte das Präsidialamt am Donnerstag mit. Die Verleihung der Auszeichnungen ist für Freitag kommender Woche vorgesehen.
Geehrt werden den Angaben zufolge fünf Frauen und ein Mann. Eine von ihnen unterstützt beispielsweise ältere Menschen - während des Lockdowns etwa mit Telefonbesuchen
. Eine andere drehte als Grundschullehrerin aufwändige Lernvideos und nähte Handpuppen, um ihren Schülerinnen und Schülern im Distanzunterricht zu helfen. Auch eine Pflegeexpertin und ein Arzt gehören zu den Geehrten. AFP
Inzidenzwert über 1000 in Landkreis Schwäbisch-Hall
Nach einem Corona-Ausbruch in einem Kindergarten in Schrozberg (Landkreis Schwäbisch Hall) ist die kleine Gemeinde zu einem der bundesweit am stärksten belasteten Hotspots geworden. Die Sieben-Tage-Inzidenz schoss innerhalb weniger Tage auf einen vergleichbar astronomischen Wert von 1065,5 Fälle (Stand Mittwoch) pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 62 Neuinfektionen in der 5800 Einwohner-Kommune registriert, wie der Landkreis mitteilte.
In dem mittlerweile geschlossenen Kindergarten mit rund 60 Kindern waren Anfang der vergangenen Woche reihenweise Erzieherinnen erkrankt. Weitere Großausbrüche sind nach Angaben der Schrozberger Verwaltung nicht bekannt.
Auch Crailsheim (Landkreis Schwäbisch Hall) bleibt weiter stark belastet: Dort wurde die Inzidenz am Mittwochabend mit 521,2 angegeben, allerdings ist Crailsheim auch deutlich größer als Schrozberg. In der Stadt hatten Ausbrüche in Kindergärten und einer Unterkunft für Flüchtlinge sowie in mehreren Betrieben für den deutlichen Anstieg gesorgt. Der Landkreis Schwäbisch Hall gehört mit einer Inzidenz von 270,9 zu den Hotspot-Regionen in Deutschland. dpa
Corona-Selbsttests bei Aldi: Negativ-Zertifikate faktisch wertlos
Mit den Corona-Selbsttests von Aldi kann sich jeder ein negatives CoVid-Zertifikat ausstellen, ohne je einen Test zu kaufen. c't fand außerdem ein Datenleck.
Auf Corona-Selbsttests für zu Hause wie dem bei Aldi verkauften Aesku Rapid ruhen große Hoffnungen im Kampf gegen die Pandemie. Schnelltests sollen nicht nur ansonsten unbemerkte CoVid-19-Infektionen aufdecken, der Nachweis eines negativen Schnelltests könnte künftig auch bei der Öffnungsstrategie eine große Rolle spielen. Der Hersteller hat die bei Aldi verkauften Selbsttests bereits darauf ausgelegt – bei einem negativen Test stellt Aesku online ein Zertifikat aus, mit dem man das Ergebnis in Geschäften, Restaurants und bei Veranstaltungen fälschungssicher nachweisen können soll. Genau dieses Szenario beschreibt Aesku auch auf seiner Homepage. Doch c't deckt auf, dass sich viel zu leicht gültige negative CoVid-Zertifikate erschleichen lassen, ohne jemals einen Aesku-Selbsttest gekauft oder benutzt zu haben.
Zu den Corona-Selbsttests von Aesku gehört auch das Online-Angebot ichtestemichselbst.de. Die Idee des Anbieters: Wer sich selbst negativ getestet hat, scannt einen QR-Code von der Unterseite der Verpackung, gibt seine Personalausweis- oder Führerscheinnummer an und erhält dann eine PDF-Datei mit dem Negativ-Testzertifikat des Herstellers. Anhand des im Zertifikat enthaltenen QR-Codes kann das Personal im Friseur-Salon oder am Eingang eines Museums überprüfen, ob das Zertifikat unverfälscht und nicht älter als 24 Stunden ist.
Doch Recherchen von c't belegen, dass sich die Zertifikatvergabe spielend leicht aushebeln lässt: Vorhersagbare URLs gestatteten den Download von Zertifikaten fremder Personen samt ihrer Personalausweis- oder Führerscheinnummer, außerdem enthalten die Zertifikate alle nötigen Informationen, um sich weitere gültige Zertifikate auch ohne Selbsttest ausstellen zu lassen. Zum Schaden der Käufer, deren noch unbenutzte Tests dadurch entwertet werden, sodass sich dafür keine Zertifikate mehr abrufen lassen.
QR-Code als Angriffsvektor
Kurz nach dem Verkaufsstart bei Aldi berichtete die Deutsche Apotheker Zeitung, dass man lediglich den von außen sichtbaren QR-Code der Verpackung scannen müsse, um auf der Website des Herstellers ein Zertifikat zu generieren. Ein Foto oder Video des Codes genügt, etwa aus dem Regal im Handel, aus den sozialen Medien oder aus Unboxing-Videos von YouTube. Der QR-Code der Verpackung enthält eine 128 Bit lange ID, die sich anfangs für beliebig viele Zertifikate nutzen ließ. Nach dem Bericht beschränkte Aesku die Menge auf fünf Zertifikate pro 5er-Packung. Nutzt eine fremde Person den ausgespähten QR-Code einer Packung, um sich ein Zertifikat zu erschleichen, geht man als rechtmäßiger Besitzer leer aus.
Doch niemand muss sich im Laden oder bei YouTube auf die Jagd nach QR-Codes der Packungen begeben: Auch im QR-Code der Aesku-Zertifikate findet man neben der Personalausweis- oder Führerscheinnummer genau diese ID, die man sonst nur auf der Packung finden sollte. Die Kenntnis eines einzigen Zertifikats genügt, um mit der darin enthaltenen ID die noch nicht genutzten Online-Bescheinigungen der gleichen Packung zu verbrauchen.
Vorhersagbare Download-URLs
Schlimmer noch: Die Download-URL der Zertifikat-Dateien enthielten als einzigen variablen Teil den Unix-Timestamp des Zeitpunkts, an dem das Zertifikat erstellt wurde – also die Anzahl der Sekunden, die seit Neujahr 1970 vergangen sind. So war es ein Leichtes, die Website von Aesku systematisch nach Zertifikaten zu durchsuchen – der Abruf war nicht einmal durch ein Captcha vor einem massenhaften Download per Skript geschützt.
Den Timestamp als einziges Unterscheidungsmerkmal zu verwenden zeigt auch, wie kurzsichtig das Zertifikatvergabesystem programmiert wurde: Da die Zertifikate nur 24 Stunden gültig sind, sollte man sich idealerweise täglich testen – bei rund 80 Millionen Einwohnern in Deutschland würde dies durchschnittlich knapp 1000 Zertifikate pro Sekunde bedeuten. Das System verkraftete jedoch nur ein einziges Zertifikat pro Sekunde, es war also auf nicht einmal 100.000 Tests täglich ausgelegt.
Wertlose Zertifikate
Es ist also nicht einmal erforderlich, eine Packung mit Corona-Selbsttests zu kaufen, um an gültige Zertifikate zu kommen, geschweige denn, den Selbsttest durchzuführen. Durch simples Ausprobieren von Timestamps gelang es uns in nur wenigen Stunden, genügend PDFs zu finden, um über drei Monate lang jeden Tag ein neues erschlichenes Zertifikat vorweisen zu können. Das von Aesku stark beworbene Vorhaben, die Zertifikate künftig als legitimen Negativ-Nachweis für den Besuch von Restaurants, Bars und anderen Veranstaltungen anzuerkennen, ist daher vorerst an der stümperhaft umgesetzten Webanwendung gescheitert – auf dieses System zu vertrauen, wäre im Moment absurd.
Durch den massenhaften Abruf der PDFs gelangte man zu allem Überfluss auch noch mühelos an große Mengen personenbezogener Daten. Namen, Geburtsdaten oder Mailadressen sollten zwar eigentlich nicht erfasst werden, sondern nur die Ausweis- oder Führerscheinnummer. Doch es handelt sich um ein Freitext-Eingabefeld, das ungeprüft in die PDF-Datei übernommen wird und in dem mitunter auch Namen und andere persönliche Daten eingegeben werden.
Ganz nebenbei verstößt Aesku gegen die eigenen Datenschutzregeln. So heißt es auf der Website explizit: Die eingegebene Personalausweisnummer oder die Führerscheinnummer werden sofort verschlüsselt und sind nicht mehr reproduzierbar.
Tatsächlich sind diese Angaben im Klartext in den PDFs auf dem Webserver von Aesku gespeichert – und das auch dann noch, wenn die Zertifikate längst abgelaufen sind, also keine Notwendigkeit mehr für die Speicherung besteht. Durch die mühelos vorhersagbaren Download-URLs, die ungeprüfte Übernahme der Benutzereingaben und die falschen Angaben über den Umfang der Datenspeicherung hat sich Aesku einen veritablen Datenschutzverstoß eingehandelt.
Aesku reagiert
Mit diesen Beobachtungen konfrontierten wir den Anbieter, die Aesku Diagnostics GmbH und den externen Datenschutzbeauftragten aus dem Impressum. Wir wollten unter anderem wissen, welche Gegenmaßnahmen das Unternehmen ergriffen habe. Außerdem fragten wir, ob man das Abgreifen der Personalausweisnummern als meldepflichtigen Verstoß gegen die DSGVO einstufe und den Landesdatenschutzbeauftragten informiert habe.
Der Datenschutzbeauftragte meldete sich am nächsten Morgen und bestätigte den Eingang. Im Laufe des Tages konnten wir die erste Änderung beobachten: Die leicht zu erratende URL mit dem Timestamp wurde durch zwei 128 Bit lange IDs ersetzt, augenscheinlich Hashes, und ist nun nicht mehr vorhersagbar. Der Datenschutzbeauftragte des Unternehmens berichtete außerdem, dass der zuständige Landesdatenschutzbeauftragte über den Fall informiert worden sei und man das Datenleck als meldepflichtig eingestuft bewerte. Auch andere kleine Probleme, auf die wir hingewiesen hatten, wurden beseitigt – so leitete der Server alle Anfragen automatisch von HTTP auf HTTPS um.
Bei den in den Zertifikaten enthaltenen QR-Codes hat Aesku bislang jedoch nichts verändert: Die dort kodierte URL zur Verifizierung des Zertifikats enthält weiterhin die ID der Packung und ermöglicht es somit auch zukünftig, noch unbenutzte Tests zu verbrauchen.
Kaum zu retten
Die vielschichtigen Probleme des Zertifikatssystems vollständig zu beseitigen dürfte Aesku nicht leicht fallen. Bei den Packungs-IDs handelt es sich augenscheinlich um 128 Bit lange Hashes, die bei Redaktionsschluss nicht vorhersagbar und scheinbar ausreichend sicher waren. Doch so lange sie in Form des QR-Code außen auf der Schachtel aufgedruckt sind, kann sie jeder im Laden fotografieren und sich so Zertifikate erschleichen. Um den QR-Code auf der Innenseite unterzubringen, müsste Aesku die Produktion umstellen.
Bei der Web-Anwendung wurde immerhin das schwerwiegendste Problem beseitigt und so das Datenleck geschlossen. Doch solange der QR-Code im Zertifikat die Packungs-ID enthält, ist Missbrauch weiterhin Tür und Tor geöffnet – nicht zuletzt durch das Personal, das etwa die Zertifikate am Eingang eines Restaurants kontrolliert und sich anschließend selbst weitere Zertifikate generieren kann.
Abgesehen von den technischen Unzulänglichkeiten des Online-Angebots ist auch die zugrundeliegende Idee fragwürdig: Die Zertifikate sind nur so lange etwas wert, wie die Kunden verantwortungsbewusst stets wahrheitsgetreu angeben, ob ihr Test positiv oder negativ war und sie sich überhaupt getestet haben. Die gute Nachricht ist, dass die Hauptfunktion der Selbsttest nicht betroffen ist – die Teststreifen funktionieren auch ohne Web-Anwendung. Für mehr als die Selbstkontrolle ist das Verfahren aus unserer Sicht aber nicht geeignet. Heise Online, (jam)
Coronavirus-Variante: B.1.1.7 ist wohl doch tödlicher
Eine Analyse an über einer Million Infizierten in Großbritannien zeigt, dass die Sterblichkeit um etwa die Hälfte steigt. Die zuerst in Großbritannien nachgewiesene Coronavirus-Variante B.1.1.7 erhöht das Risiko, an der Infektion zu sterben, anscheinend um etwas mehr als die Hälfte. Das geht aus einer Analyse britischer Test- und Sterbedaten hervor. Wie eine Arbeitsgruppe um Nicholas Davies von der London School of Hygiene and Tropical Medicine jetzt in Nature
berichtet, basiert das Ergebnis auf Daten von mehr als 1,1 Millionen Infizierten, bei denen die PCR anhand eines spezifischen Merkmals zwischen der neuen Variante und älteren Viren unterscheiden kann.
Demnach zeigte sich bei Trägern von B.1.1.7 eine um 61 Prozent höhere Sterblichkeit. Damit erhöhe sich das Sterberisiko zum Beispiel in den Altersgruppen von 70 bis 84 Jahren bei Frauen auf 4,4 Prozent, bei Männern auf 7,2 Prozent. Die Arbeitsgruppe weist allerdings darauf hin, dass die Sterblichkeit bei Personen unter 70 Jahren auch bei der neuen Coronavirus-Variante unter einem Prozent liegt. Zusätzlich ist das reale Risiko bezogen auf die Ansteckung geringer als hier berechnet, weil die Zahlen nur positiv getestete Infizierte erfassen und viele Infizierte mit milden Symptomen gar nicht getestet werden. In Deutschland ist die Variante laut RKI derzeit bereits für mehr als die Hälfte aller Neuinfektionen verantwortlich und breitet sich weiter aus.
Man identifiziert die Variante B.1.1.7 in PCR-Tests dadurch, dass bei dieser Linie des Virus eine der Zielsequenzen nicht mehr gefunden wird. Die entsprechende Erbgutsequenz ist so verändert, dass die Gensonde sie nicht mehr erkennt; man bezeichnet das als spike gene target failure
, kurz SGTF. Die anderen verwendeten Marker dagegen sind noch positiv. Das Team um Davies griff auf einen Datensatz mit 2,2 Millionen positiven Tests und knapp 17 500 Todesfällen zurück. Bei knapp der Hälfte von ihnen hatten Labors Tests durchgeführt, die SGTF erkennen können, und unter diesen tauchte SGTF in 59 Prozent der Fälle auf. Allerdings zeigen auch einige andere Varianten als B.1.1.7 das SGTF-Merkmal, so dass die Arbeitsgruppe den kleinen Anteil solcher Viren aus der Analyse mit einem Modell herausrechnete.
Eine erste Studie hatte im Dezember 2020 noch keine Hinweise darauf ergeben, dass die neue Variante schwerere Verläufe verursacht. Jedoch umfasste diese lediglich knapp 1800 Infizierte mit der neuen Variante; zusätzlich waren zu jenem Zeitpunkt mutmaßlich noch nicht alle Todesfälle gemeldet. Auch die neue Studie beantwortet nicht alle Fragen. Die Arbeitsgruppe verweist auf mögliche verzerrende Faktoren sowie den Umstand, dass die Analyse nicht erfasst, welchen Einfluss eine Impfung hat. Darüber, weshalb B.1.1.7 gefährlicher ist, gibt die Studie ebenso wenig Auskunft. Indizien deuten darauf hin, dass sich das Virus im Körper deutlich schneller vermehrt und höhere Viruskonzentrationen erzeugt. Diese Eigenschaft könnte sowohl die effektivere Verbreitung erklären als auch, warum die Infektion häufiger schwer verläuft. Spectrum.de, von Lars Fischer
Besonders brenzlig
für Menschen ab 50 Jahre
Drosten erwartet nach Ostern eine Corona-Lage wie um Weihnachten
Aufgrund steigender Corona-Zahlen und fehlender Astrazeneca-Impfungen: Virologe Drosten warnt, dass sich die Situation in Deutschland drastisch erschwert
. Angesichts der beginnenden dritten Welle der Corona-Pandemie in Deutschland bedauert der Virologe Christian Drosten die Entwicklungen um Astrazeneca mit ausgesetzten Impfungen und knapperen Liefermengen.
Im Moment solle man vor allem daran denken, dass wir diese Impfung brauchen
, betonte der Charité-Wissenschaftler am Dienstag im Podcast Coronavirus-Update
(bei NDR-Info). Die epidemiologische Lage sei momentan nicht gut in Deutschland. Die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 nehme immer mehr Überhand, ihr Anteil betrage inzwischen drei Viertel.
Wir werden kurz nach Ostern eine Situation haben wie um Weihnachten herum
, sagte der Virologe, auch mit Blick auf düstere Prognosen des Robert Koch-Instituts (RKI) von vor einigen Tagen zu einem befürchteten starken Anstieg der Neuinfektionszahlen.
Die Situation werde sich dann im weiteren Verlauf drastisch erschweren
wegen der Mutante, erwartet Drosten. Besonders brenzlig
werde es für die weitestgehend noch ungeimpften Jahrgänge ab 50 Jahre. Diese Warnung hatte Drosten auch zuvor schon geäußert.
In Deutschland hatte das für die Impfstoff-Sicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eine Aussetzung der Impfungen mit Astrazeneca empfohlen.
Nach Angaben aus dem Gesundheitsministerium wurden in Deutschland bis Dienstagabend insgesamt acht Fälle mit Thrombosen (Blutgerinnseln) in den Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet. Die Zahl der Fälle ist demnach statistisch signifikant höher als in der Bevölkerung ohne Impfung.
Vor einigen Tagen hatte Astrazeneca eine drastische Kürzung seiner Lieferungen in die Europäische Union angekündigt. Man beabsichtige, im ersten Halbjahr 100 Millionen Dosen in die EU-Staaten zu liefern, hieß es. Zuletzt war der Konzern noch von 220 Millionen Dosen bis zur Jahresmitte ausgegangen.
Über die Häufung der seltenen Thrombosen innerhalb kurzer Zeit sagte Drosten, das müsse man natürlich ernst nehmen und anschauen
. Dazu gehöre unter anderem auch die Suche nach möglichen anderen Ursachen. Er wolle die Entscheidung nicht bewerten und habe auch keine Hintergrundinformationen, sagte Drosten. {Quelle: dpa
Corona-Impfung in Deutschland mit Astrazeneca vorsorglich ausgesetzt
Die Bundesregierung folge damit einer aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), teilte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Montag mit. Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland und Europa halte das Institut weitere Untersuchungen für notwendig. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA werde entscheiden, >ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken
. Gesundheitsminister Jens Spahn spricht von einer reinen Vorsichtsmaßnahme
. AFP
Spahns Maskendeals: Bund zahlte 189 Mio. Euro für Nebenkosten
Von der Beschaffung von Schutzmasken profitierten nicht nur die Lieferanten – und einzelne Abgeordnete. Geld floss auch an Logistikfirmen, Kanzleien und den TÜV. Mit Abstand größter Auftragnehmer: der Logistiker Fiege aus der Heimat des Ministers.
Bei der massenweisen Beschaffung von Schutzmasken und anderer Corona-relevanter Versorgungsgüter hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im vergangenen Jahr rund 189 Mio. Euro für Nebenkosten ausgegeben. Das ergibt sich aus der Antwort von Spahns Ministerium auf eine Anfrage von Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi, die Capital vorliegt. Dabei entfiel der größte Teil dieser sogenannten Annexkosten auf den Transport und die Lagerung von Schutzausrüstung. Mit Abstand größter Empfänger ist das Logistikunternehmen Fiege aus dem Münsterland, der Heimat von Spahn, an das bislang mehr als 100 Mio. Euro flossen. Der Auftrag ohne Ausschreibung, über den Capital zuerst im September berichtete, könnte in der aktuellen Diskussion über die Umstände der Maskendeals des Bundes im Frühjahr 2020 noch zum Thema werden.
Aufgrund eines Mangels an Masken und anderer Schutzausrüstung hatte die Bundesregierung zu Beginn der Corona-Krise eine massive Beschaffungsoffensive gestartet. Für den Einkauf wurden einerseits die Kontakte deutscher Unternehmen nach China genutzt. In einem anderen offenen Bestellverfahren wurden Lieferanten 4,50 Euro netto pro FFP2-Maske garantiert. Wie inzwischen bekannt ist, waren auch Bundestagsabgeordnete als Vermittler für Masken aktiv – im Fall des CSU-Politikers Georg Nüßlein gegen eine satte Provision, die nun die Staatsanwaltschaft beschäftigt.
Für die Masken selbst hat der Bund eine mittlere Milliardensumme ausgegeben. Hinzu kommen jedoch noch die Nebenkosten, deren Gesamthöhe bislang unbekannt war. Zu den zehn größten Auftragnehmern für Hilfsleistungen beim Einkauf von Schutzausrüstung gehören laut Gesundheitsministerium vier Logistikfirmen: Fiege, DHL, DB Schenker und Transa Spedition. Großauftragnehmer war auch die Prüf- und Beratungsfirma EY, die Spahns Ministerium als Betriebsführer für die anfangs chaotische Abwicklung der Aufträge inklusive Rechtsberatung beauftragte. Dafür hat es seit April 2020 mit EY nach eigenen Angaben Verträge in einem Gesamtvolumen von rund 37. Mio. Euro abgeschlossen.
Weitere größere Aufträge gingen an die Dienstleister TÜV Nord und TÜV Süd, die etwa dafür zuständig waren, die gelieferten Masken auf ihre Qualität zu testen. Zudem fielen Kosten für mehrere Anwaltskanzleien für die Begleitung der Ausschreibungen an. Insgesamt gehe es um zehn maßgebliche Auftragnehmer
, schreibt das Ministerium.
Vage Angaben für Zahlungen an Fiege
Wie das Gesundheitsressort auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Jörg Cezanne mitteilte, erhielt die Spedition Fiege als zentraler Logistikdienstleister des Bundes bei der Maskenbeschaffung im Jahr 2020 einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag
. Schon im September hatte sich das Ministerium gegenüber Capital gleichlautend geäußert. Die grobe Formulierung fällt auch deshalb auf, weil Bundesministerien in anderen Fällen konkrete Beträge für Aufträge nennen – teilweise auf den Cent genau.
Bei Großauftragnehmer Fiege handelt es sich um ein Familienunternehmen mit zuletzt 1,7 Mrd. Euro Umsatz, dessen Sitz Greven im Nachbarwahlkreis von Spahn im Münsterland liegt. Nach Angaben seines Ministeriums sind dem CDU-Politiker die Geschäftsführer bekannt, darunter auch die Gesellschafter Jens und Felix Fiege. Der langjährige frühere Firmenchef Hugo Fiege ist bis heute Präsidiumsmitglied im CDU-Wirtschaftsrat.
Das Gesundheitsministerium hatte Fiege Ende März ohne Ausschreibung eingeschaltet. Als zentraler Logistikpartner des Bundes organisierte die Firma beispielsweise den Lufttransport von Masken aus dem Produktionsland China nach Deutschland und stellte ein Zentrallager. Das Ministerium begründete die freihändige Vergabe bislang stets damit, dass Fiege ein spezielles Konzept für den Transport medizinischer Güter vorgelegt habe. Allerdings stellen Schutzmasken eher keine sonderlich sensible Ware dar: Üblicherweise werden sie in Pappkartons verpackt und auf Euro-Paletten transportiert. Darüber hinaus verkaufte Fiege dem Bund auch selbst FFP2- und einfachere OP-Masken für mehr als 800 Mio. Euro.
Allerdings kam es bei Fiege bei der Auslieferung von Masken im Mai 2020 zu Problemen, wie Capital bereits berichtete. Die Firma lieferte in einigen Fällen versehentlich auch Schutzmasken aus, die bei Qualitätstests durchgefallen und daher gesperrt waren. Daher wurde die Auslieferung zeitweise gestoppt, nach einer Überarbeitung der Prozesse aber bald wieder aufgenommen. Zudem schloss der Bund Verträge mit weiteren Logistikfirmen wie DHL und DB Schenker.
Mit Blick auf die Beauftragungen ohne Ausschreibung – sowohl im Falle von Fiege als auch bei den Beratern und Anwälten von EY – sagte De Masi: Herr Spahn vergibt freihändig Aufträge und behandelt dabei dreistellige Millionenbeträge wie Trinkgeld.
Zudem äußerte der Linke-Fraktionsvize, der seit dem Sommer auf Transparenz bei den Ausgaben der Bundesregierung für externe Dienstleister in der Corona-Krise dringt, massive Kritik an der Informationspolitik gegenüber Parlament und Öffentlichkeit: Seit Monaten vertuscht der Minister Auskünfte zu Maskendeals und Beraterverträgen. Das Ministerium scheint ein Selbstbedienungsladen auf Kosten der Steuerzahler zu sein.
Altmaier vergibt 90-Millionen-Auftrag
Wegen der fragwürdigen Begleitumstände bei Aufträgen für Schutzmasken war Spahn zuletzt schwer in die Kritik geraten. Unter anderem hatte sich die Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerald Tandler bei Spahn persönlich für den Schweizer Lieferanten Emix eingesetzt. Emix verkaufte dem Bund später Masken für ein Volumen von mehr als 300 Mio. Euro – möglicherweise zu überhöhten Preisen. Darüber hinaus wurde bekannt, dass sich CSU-Fraktionsvize Nüßlein im Gesundheitsministerium für Lieferanten eingesetzt und dafür eine Provision in sechsstelliger Höhe erhalten hat. Inzwischen hat die Spitze der Unionsfraktion die Abgeordneten von CDU und CSU aufgefordert, offen zu legen, ob sie persönlich an der Vermittlung von Maskengeschäften verdient haben.
Unterdessen hat auch ein anderes Bundesministerium weitgehend unbemerkt einen Auftrag in der Größenordnung des Fiege-Deals vergeben, mit dem es sich Unterstützung in der Corona-Krise einkauft. Dabei geht es um das digitale Auftragsmanagementsystem für die verschiedenen Corona-Hilfsprogramme des Bundes für Firmen. Mit der Konzeption und Programmierung sowie dem Betrieb des Antragsportals beauftragte das Bundeswirtschaftsministerium die Softwarefirma Init aus Berlin – zuerst nach einer öffentlichen Ausschreibung, im Zuge der Erweiterung der Hilfsprogramme des Bundes wegen des zweiten Lockdowns im Herbst dann per Folgevergabe.
Dabei läppern sich die Aufträge: Auf Anfrage von De Masi bezifferte das Ressort von Peter Altmaier (CDU) das Volumen für Init auf bis zu 92 Mio. Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Allerdings kam es auch hier zu Problemen: Weil die Software nicht rechtzeitig fertig war, konnten die Hilfen im November und Dezember zunächst nicht richtig ausbezahlt werden. Zuletzt wurde bekannt, dass das Ministerium die Auszahlung von Corona-Hilfen an Firmen gestoppt hat, weil auch Betrüger Zahlungen in Millionenhöhe erhalten hatten. Capital, von Thomas Steinmann
Auftrag Aserbaidschans:
CDU-Politiker Bareiß kontaktierte Hersteller von Beatmungsgeräten
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Thomas Bareiß (CDU), hat im Auftrag Aserbaidschans bei einem deutschen Hersteller von Medizintechnik den Stand einer Lieferung von rund 150 Beatmungsgeräten abgefragt. Dabei ging es um die Frage, ob Aserbaidschan schneller beliefert werden könnte. Bareiß Verbindungen in die Kaukasusrepublik sind seit Jahren eng.
Berlin. Beatmungsgeräte waren im Frühjahr 2020 die begehrtesten Maschinen der Welt. Das damals noch neuartige
Coronavirus wütete scheinbar unkontrollierbar, für viele Patienten mit schweren Krankheitsverläufen war künstliche Beatmung die einzige Rettung. Regierungen in aller Welt bemühten sich händeringend, zusätzliche Beatmungsgeräte in die Kliniken zu schaffen. Es wurde sogar darüber diskutiert, ob Autobauer wie Volkswagen nicht in die Produktion einsteigen könnten.
In den Monaten März, April und Mai konnte sich der Hersteller Löwenstein Medical aus dem Rheinland-Pfälzischen Bad Ems vor Aufträgen kaum retten. Allein der Bund orderte 6500 Beatmungsgeräte bei dem Mittelständler, dessen Jahresproduktion bis dahin bei 1500 Geräten gelegen hatte. Im Sommer, als die Pandemie unter Kontrolle schien, wurde der Auftrag reduziert. Das aber konnte im Frühjahr noch keiner ahnen – im Gegenteil.
Ausländische Regierungen orderten ebenfalls große Stückzahlen – darunter auch Aserbaidschan. Rund 150 Geräte bestellte die Regierung beim zweitgrößten deutschen Hersteller. Laut Angaben aus dem Unternehmen wurde eine Lieferung in Tranchen vereinbart, weil auf dem Höhepunkt der Pandemie nicht mehr alle Kundenwünsche gleichzeitig erfüllt werden konnten.
Die Regierung in Baku wollte die Geräte schneller
Nach Abschluss des Vertrages mit Aserbaidschan, so berichten es Firmenvertreter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) übereinstimmend, habe die dortige Regierung plötzlich versucht, die Bedingung zu ändern. Ob nicht alle Geräte auf einmal geliefert werden könnten, etwa gegen Vorkasse?
Darauf habe man sich nicht eingelassen, schon allein deshalb, weil Beatmungsgeräte zu diesem Zeitpunkt in anderen Ländern der Welt weit dringender gebraucht worden seien. Es gab keinen Grund dafür, Geräte nach Aserbaidschan zu liefern, die dort in den Keller gewandert wären, während anderswo auf der Welt Menschen starben
, sagt ein Unternehmensvertreter.
In jenen Tagen im April und Mai 2020 beriet das Unternehmen nahezu täglich in einem internen Krisenstab, in welchen Ländern die Beatmungsgeräte gerade am nötigsten gebraucht werden. Die Experten stützten unter anderem auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation. Sie veranlassten Notfalllieferungen nach Italien oder in die Niederlande, für die sich der niederländische König Willem-Alexander später persönlich bedankte.
Daran erinnern sich die Löwenstein-Leute gerne. Weniger angenehm sind ihre Erinnerungen an einen Anruf, der aus dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin kam. Am Telefon meldete sich Thomas Bareiß (CDU), parlamentarischer Staatssekretär und Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, um sich nach dem Bearbeitungsstand des Auftrags aus Aserbaidschan zu erkundigen.
Unternehmensvertreter berichteten dem RND, der Staatssekretär habe in dem Telefonat darauf gedrungen, Beatmungsgeräte zuvorderst nach Baku zu liefern und das mit den guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der Kaukasus-Republik begründet. Diese Aufforderung habe man zurückgewiesen mit dem Hinweis, dass selbst deutsche Krankenhäuser – auch in Bareiß baden-württembergischem Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen – noch auf Geräte warteten.
Das Wirtschaftsministerium bestätigt das Telefonat – nicht den Inhalt
Dass der CDU-Mann zum Hörer gegriffen hat, räumt das Wirtschaftsministerium ein. Tatsächlich ist ein Amtskollege aus Aserbaidschan an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) herangetreten, der sich in Anbetracht der im Frühjahr allseits bestehenden Unsicherheit Sorgen um die medizinische Versorgung der Bevölkerung ausgesetzt sah. Er bat um Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf Liefertermine im Rahmen eines konkreten Vertrages mit einem deutschen Hersteller medizinischer Geräte. Dieser Bitte folgend hat Staatssekretär Bareiß telefonisch Kontakt zu dem Unternehmen aufgenommen und die Antwort anschließend der aserbaidschanischen Seite übermittelt
, teilt eine BMWi-Sprecherin auf RND-Anfrage mit.
Dass der CDU-Mann auf eine Vorzugsbehandlung Aserbaidschans gedrängt haben soll, weist das Wirtschaftsministerium aber mit Nachdruck zurück. Zu keinem Zeitpunkt
habe Bareiß das Unternehmen zur prioritären Lieferung von Beatmungsgeräten nach Aserbaidschan aufgefordert und keinen wie auch immer gearteten Druck ausgeübt
, heißt es in der Stellungnahme des BMWi. Im Rahmen des Telefonats hat Staatssekretär Bareiß keinen Zweifel daran gelassen, dass die Lieferungen für deutsche Unternehmen wie Krankenhäuser oder medizinische Einrichtungen natürlich an erster Stelle stünden
, so das Ministerium. Ein weiterer Kontakt in der Sache fand nicht statt.
Unabhängig vom tatsächlichen Verlauf des Gespräches ist die Hilfsbereitschaft bemerkenswert. Aserbaidschan ist weder eine Demokratie noch ein enger Verbündeter Deutschlands, der autoritäre Staatschef Ilham Alijew regiert das Land mit strenger Hand. Die Menschenrechtslage gilt als prekär.
CDU-Mann Bareiß pflegt trotzdem enge Kontakte zu der ehemaligen Sowjet-Republik. Im Januar 2019 war er mit einer Wirtschaftsdelegation nach Baku gereist und dort unter anderem von Alijew persönlich empfangen worden. 2018 war er Keynotespeaker auf dem ersten Deutsch-Aserbaidschanischen Wirtschaftsdialog, den der am Donnerstag zurückgetretene CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann gemeinsam mit dem aserbaidschanischen Botschafter veranstaltet hatte. Auch war er Kuratoriumsmitglied des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums.
Aserbaidschan ist der weitaus wichtigste Partner der deutschen Wirtschaft im Kaukasus. Uns verbinden verlässliche Beziehungen
, teilte Bareiß nach seiner Reise 2019 mit. Die wirtschaftlichen Beziehungen hätten aber noch viel Potenzial. Wir wollen ihnen deshalb neuen Schub geben
, so der CDU-Politiker.
Dass er dieser Ankündigung keine Taten folgen lassen würde, kann man ihm nicht vorwerfen.
Hinweis: Das Wirtschaftsministerium hat in der heutigen Bundespressekonferenz die RND-Berichterstattung zu Thomas Bareiß und Löwenstein Medical dementiert, insbesondere, dass Herr Bareiß Druck
auf den Medizintechnik-Hersteller ausgeübt haben soll. Auch die Firma distanzierte sich von der Aussage dass Herr Bareiß Druck auf unser Unternehmen ausgeübt haben soll, um die Lieferung von Beatmungsgeräten nach Aserbaidschan zu beschleunigen.
Beide Aussagen finden sich in der Berichterstattung nicht. In dem Text heißt es wörtlich: Unternehmensvertreter berichteten dem RND, der Staatssekretär habe in dem Telefonat darauf gedrungen, Beatmungsgeräte zuvorderst nach Baku zu liefern und das mit den guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der Kaukasus-Republik begründet.
An dieser Darstellung hält das RND fest. Sie basiert unter anderem auf Schilderungen, die Reinhard Löwenstein am 9. März bei einem Unternehmensbesuch von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz getätigt hat. Unser Redakteur war selbst anwesend, und es gibt mehrere Zeugen, die diese Äußerungen bestätigen. Redaktionsnetzwerk RND, Andreas Niesmann
Umstrittene Immobiliendeals:
Spahn will Presse-Auskünfte aus Berliner Grundbüchern einschränken lassen
Minister wendet sich an Datenschutzbeauftragte und verlangt aufsichtsbehördliche Maßnahmen
, weil der Kaufpreis seiner Villa bekannt gegeben wurde. Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollen Grundbuchämter in Berlin recherchierenden Journalistinnen und Journalisten künftig nicht mehr ohne weiteres Auskünfte zu seinen privaten Immobiliengeschäften erteilen dürfen. Das geht aus einer Beschwerde von Anwälten des Ministers an die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.Demnach fordert Spahn von Smoltczyk aufsichtsbehördliche Maßnahmen
gegenüber dem Grundbuchamt beim Amtsgericht Schöneberg. Das Grundbuchamt hatte im vergangenen Herbst auf Tagesspiegel-Anfrage den Kaufpreis für Spahns Dahlemer Villa genannt. Smoltczyks Behörde stünden wirksame Instrumentarien zur Verfügung, um die Durchsetzung des Datenschutzes zu erreichen
, heißt es in der Beschwerde. Sowohl der Minister wie Smoltczyk lehnten eine Stellungnahme zu dem Vorgang ab.
In grobem Maße rechtswidrig
In dem neunseitigen Schreiben von Ende Dezember wirft Spahn dem Grundbuchamt vor, es habe bei der Auskunft eine aus seiner Sicht gebotene Prüfung unterlassen. In der Presse-Anfrage zum Dahlemer Grundstück sei schlichtweg nichts
dargelegt worden, was ein Interesse an einer Einsichtnahme begründen könnte, heißt es. Dies wäre aus Sicht des Politikers aber zwingend erforderlich gewesen. Die Behörde habe daher in grobem Maße rechtswidrig
gehandelt und Grundsätze des Datenschutzes missachtet
, als sie die erbetenen Informationen herausgegeben habe.
Nach Recherchen verschiedener Medien war bekannt geworden, dass Spahn mit seinem Ehemann Daniel Funke nicht nur eine Villa für mehrere Millionen Euro erworben hat, sondern ihm auch zwei Wohnungen gehören, von dem eine in seinem Alleineigentum steht. Eine der Wohnungen hat der Minister für rund eine Million Euro von einem Ex-Pharma-Manager gekauft, den er später an die Spitze der mehrheitlich bundeseigenen Firma Gematik holte. Gematik soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranbringen.
Dennoch hält Spahn dies alles für eine Privatangelegenheit und geht weiter gerichtlich gegen Medien vor, die den Villen-Kaufpreis veröffentlichen, unter anderem gegen den Tagesspiegel. Offenbar um sich dazu nähere Informationen zu verschaffen, hatte er, wie berichtet, vom Grundbuchamt die Herausgabe von Namen und Anfragen von Journalisten verlangt, die sich für seine Immobilien interessieren. Zudem ließ er sich eine Kopie der Grundbuchakte übermitteln.
Ursprünglich hatte Spahn seine Vorwürfe auch direkt an das Grundbuchamt adressiert. Ein Ministeriumssprecher erklärte Ende Februar, Spahn stehe in dieser Angelegenheit nicht mit Journalisten, sondern mit der Behörde im Streit
. Eine Einsichtnahme ins Grundbuch sei für Dritte nicht beliebig möglich, so der Sprecher, sondern erfordere prinzipiell ein berechtigtes Interesse
. Es solle eine möglicherweise rechtswidrige Behördenhandlung
überprüft werden.
Ein Auskunftsanspruch der Presse im Rahmen der Recherche besteht
Seitens des Schöneberger Amtsgerichts ist diese Prüfung offenbar beendet. Ein Rechtsmittel Spahns, eine so genannte Erinnerung, wies das Gericht Mitte Januar als unzulässig zurück. Das Grundbuchamt sei zur Erteilung von Auskünften berechtigt
, heißt es in dem Beschluss, der dem Tagesspiegel vorliegt. Zudem bestehe gegen eine bereits gewährte Grundbucheinsicht kein Beschwerderecht, weshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben
sei.
Bereits Wochen vorher hatte das Amtsgericht Spahn schon ausdrücklich wissen lassen, dass ein Einsichtnahmeanspruch der Presse in ein Grundbuch im Rahmen journalistischer Recherche bzw. ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht
. Die Rechtsgrundlage dafür, Paragraf 12 der Grundbuchordnung, sei vor der Nennung des Kaufpreises selbstverständlich
geprüft worden.
Den Streit direkt mit dem Grundbuchamt will Spahn nun offenbar nicht mehr fortsetzen. Eine Anfang Februar gegen den Gerichtsbeschluss eingelegte Beschwerde nahm der Minister mit Schreiben seiner Anwälte vom 5. März zurück. Wie die Datenschutzbehörde jetzt mit Spahns Beschwerde weiter verfährt, will sie nicht mitteilen – aus Datenschutzgründen. Tgs. Jost Müller-Neuhof
Intensivmediziner fordern sofortige Rückkehr zu Lockdown
Angesichts steigender Corona-Zahlen fordern Deutschlands Intensivärzte eine sofortige Rückkehr in den Lockdown. Von den Daten, die wir jetzt haben und sehen und mit dem Durchsetzen der britischen Mutante würden wir sehr stark dafür plädieren, jetzt sofort wieder in einen Lockdown zu gehen, um einfach eine starke dritte Welle zu verhindern
, sagte der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, am Montag im rbb-Sender Radioeins. DIVI ist die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.
Karagiannidis sagte, er hoffe sehr, dass die Länder die beschlossene Notbremse eines Inzidenzwerts von 100 durchsetzen. Bund und Länder hatten eine Rückkehr in den Lockdown vereinbart, wenn in einer Region die Zahl der Neuinfektionen wieder die Marke von 100 pro 100 000 Einwohnern in 7 Tagen erreicht. Ansonsten würden wir jetzt noch einmal 5.000, 6.000 Patienten auf der Intensivstation sehen
, sagte Karagiannidis. Man sieht sehr deutlich, dass wir sehr schnell jetzt wieder in steigende Intensivzahlen geraten werden, sofern wir dem Virus jetzt die Möglichkeit dazu geben.
Derzeit sind rund 2800 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung.
Wir gewinnen auch nicht viel, wenn wir jetzt die nächsten ein, zwei Wochen offen lassen, weil wir ganz schnell auf einem hohen Niveau ankommen und es auf dem hohen Niveau doppelt so schwierig sein wird, von den Zahlen wieder herunter zu kommen
, sagte Karagiannidis. Wichtig sei es, nun die über 50- und über 60-Jährigen schnell zu impfen. Dann würden auch weniger Menschen mit Covid-19 schwer krank.
Die Belastung für das Personal auf den Intensivstationen sei bis heute ohne Unterbrechung sehr hoch und steige nun wieder weiter. Es gelte, sich in den Sommer zu retten, sagte Karagiannidis, der selbst Arzt an einer Kölner Lungenklinik ist. dpa
Impftermin: Oh Mann, wie schwer kann es sein?
Mal werden keine Termine angezeigt, mal ist die Website nicht erreichbar: Selbst wenn man impfberechtigt ist, kommt man nur schwer an einen Impftermin. Wo hakt es?
Einen Impftermin auszumachen, ist in Deutschland gar nicht so leicht – selbst wenn man aufgrund seines Alters, bestimmter Vorerkrankungen oder der beruflichen Tätigkeit zu den Gruppen gehört, die schon geimpft werden. Termine sind rar, Plattformen und Hotlines teils überlastet, teils hastig zusammengebastelt und spontane Terminvergabe bisher nur selten mitgedacht. Und dann hat natürlich jedes Bundesland alles etwas anders geregelt. Was Sie über die Terminvergabe und die Plattformen dahinter wissen sollten.
Ich verstehe nicht, wie die Terminvergabe für die Corona-Impfung funktioniert.
Liegt das an mir?
Nein. Wann man wie einen Impftermin ausmachen kann, ist wahnsinnig unübersichtlich. Denn jedes Bundesland hat auf Basis der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) seine eigenen Regeln und Impfplattformen gebastelt. Die Organisation der Corona-Impfung in Impfzentren ist in Deutschland nämlich Ländersache. Deswegen konnten die auch entscheiden, wie sie die Impfterminvergabe organisieren wollen. Teils haben sich sogar einzelne Städte für Sonderlösungen entschieden.
Warum haben sich Bund, Länder und Städte nicht auf ein Terminvergabesystem für alle geeinigt?
Tja, wenn man das mal wüsste. Die Bundesregierung hatte zwar die Kassenärztliche Vereinigung und die wiederum ihre Tochter kv.digital mit dem Aufbau eines Impfterminvergabeportals beauftragt. Doch mit dieser Plattform arbeiten nun nur fünf der 16 Länder: Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Und Hessen ein bisschen. Die anderen lassen Termine für die Corona-Impfung teils über privatwirtschaftliche Plattformen vergeben, teils haben sie eigene Lösungen aufgesetzt.
Dass es keine einheitliche Lösung gibt, wird von vielen kritisiert. Warum können die Länder nicht einmal an einem Strang ziehen? Das ist ja das, was wir uns schon die ganze Pandemie wünschen
, sagt etwa die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg im Gespräch mit ZEIT ONLINE. In einer Pandemie kann nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen.
Läuft alles rund?
Natürlich nicht. Es gibt zum Beispiel Berichte von Menschen, die einen Brief zur Impfberechtigung für Verstorbene bekommen haben, oder Menschen, die ihre Vorerkrankungen erst mühsam bestätigen lassen müssen, bevor sie an einen Termin kommen können. In Sachsen gab es Probleme mit der Software, die die Patientendaten verwaltet. In Thüringen wurde die Impfplattform nach Angaben des Gesundheitsministeriums direkt nach dem Start gehackt. Generell waren Impfterminportale mal nicht erreichbar, mal verschwanden gerade noch als frei angezeigte Termine plötzlich.
Aufregung gab es auch mancherorts wegen des Verdachts auf Vordrängeleien: Um Impfstoff nicht zu verschwenden, wurden in einigen Fällen und Impfzentren übrig gebliebene Dosen kurzerhand an Lokalpolitiker, Geistliche und Polizisten verabreicht, die nicht der ersten Prioritätsgruppe angehörten und damit noch nicht an der Reihe waren.
Was wird dann erst passieren, wenn es bald sehr viel mehr Impfungen geben wird?
Gute Frage. In den nächsten Priogruppen werden noch mehr Menschen sein, und die sind wahrscheinlich digitalaffiner als die über 80-Jährigen aus der ersten Priogruppe. Ob die Systeme den Andrang aushalten, das wird man abwarten müssen.
Die Betreiber sagen, dass sie ihre Systeme so gebaut haben, dass sie einen größeren Besucherandrang auch in Spitzenzeiten aushalten. Der Berliner Anbieter Doctolib etwa beruft sich auf seine jahrelange Erfahrung mit der Vergabe von Arztterminen und sagt, man sei "für eine extrem hohe Anzahl an Terminanfragen ausgelegt" und könne binnen kürzester Zeit weitere Serverkapazitäten freigeben. Auch der Onlinetickethändler Eventim, der die Terminvergabe in Schleswig-Holstein managt, sagt, sein System sei auf enorm hohe Nachfragespitzen ausgelegt
, in wenigen Minuten könnten mehrere 10.000 Termine vergeben werden.
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, die zum Start ihrer Plattform mit größeren Ausfällen zu kämpfen hatte, sagte auf Anfrage, zur Vorbereitung auf die Terminvergabe für weitere Priorisierungsgruppen seien dringend Änderungen am Verfahren nötig
. Über die könne man aber nicht selbst nicht entscheiden, das müssten die Bundesländer machen.
Ich würde mich gerne impfen lassen, bin aber laut Impfreihenfolge noch nicht dran. Kann ich mich auf eine Warteliste setzen lassen?
Nur in manchen Bundesländern. In Bayern zum Beispiel können sich alle Menschen registrieren lassen, die an einer Impfung interessiert sind. In Baden-Württemberg und Niedersachsen können sich alle Personen, die jetzt schon impfberechtigt sind, auf Wartelisten setzen lassen, wenn die Termine gerade vergriffen sind.
Viele Schlagzeilen machten in den vergangenen Tagen einige regionale Wartelistenlösungen in Nordrhein-Westfalen: In Duisburg werden Impfdosen, die am Ende des Tages in Impfzentren übrig blieben, mithilfe einer Software und SMS verteilt. Es ist ein Pilotprojekt, das auch andere Kommunen bald umsetzen könnten. Der Kreis Borken betreibt eine Restimpfdosenbörse
, in beiden Fällen werden Termine an Spontannachrücker anhand der offiziellen Priorisierungsreihenfolge vergeben.
Woher weiß mein Bundesland, wann ich dran bin?
Die Impfreihenfolge orientiert sich an Alter, Vorerkrankungen und der Art der Beschäftigung. Beim Alter ist das recht leicht: Die Daten darüber, wer im impfberechtigten Alter ist, beziehen die Länder in der Regel von den Einwohnermeldeämtern. Im Saarland können sich Menschen über ihr Geburtsdatum auf der Plattform für einen Impftermin registrieren, einen Nachweis muss man dann im Impfzentrum erbringen. Wer einer Berufsgruppe angehört, die jetzt geimpft werden soll, bekommt meistens eine Bescheinigung vom Arbeitgeber. Vorerkrankte werden teilweise über die Krankenkassen identifiziert, müssen die Erkrankungen dann aber in den meisten Bundesländern über ein ärztliches Attest im Impfzentrum belegen.
In Berlin wird gesetzlich versicherten Menschen mit Vorerkrankungen automatisch ein Code von der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung zugesandt. Nur wer in Besitz eines solchen Codes ist, kann auf der Onlineplattform Impftermine für sich buchen. Privatversicherte müssen sich selbst kümmern. Chronisch kranke Menschen, die nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung benachrichtigt werden, etwa weil ihre Erkrankungen nicht unter die in der Impfverordnung festgelegte Prioritätsstufe fallen, müssen womöglich weiter auf ihren Impftermin warten: Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin schreibt auf ihrer Website, sie würde keine Einzelfallentscheidungen treffen, keine Patientendaten und keine Atteste entgegennehmen und weiterreichen.
Wie werden die Angaben geprüft?
Wer geimpft werden will, muss diesen Anspruch im Impfzentrum nachweisen, so bestimmt es die Impfverordnung. Danach müssen sich Impflinge im Impfzentrum ausweisen, eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorlegen, aus dem sich eine Zugehörigkeit zu einer der priorisierten Gruppen ergibt, oder eben ein ärztliches Zeugnis, das Arztpraxen ausstellen können. Werden aber, wie zum Beispiel in Berlin, auf Basis der Behandlungshistorie Codes ausgegeben, findet diese Überprüfung vorgelagert statt: Die zu impfende Person erklärt nicht selbst, dass sie einer zu impfenden Gruppe angehört, sondern der entsprechende Nachweis muss bereits erbracht sein, bevor sie überhaupt einen Termin ausmachen kann.
Die Impfberechtigung über das Alter zu prüfen, ist natürlich unproblematisch. Nur: Bei Menschen mit Vorerkrankungen oder beruflichen Gründen zu prüfen, ob sie impfberechtigt sind, ist im Einzelfall womöglich komplizierter. Einige Impfzentren haben bereits angemerkt, dass sie sich von der damit verbundenen Organisationsarbeit stark belastet fühlen: Sie könnten sich nicht auf das Impfen konzentrieren.
Warum liegt teilweise Impfstoff rum und wird nicht verimpft?
Teilweise scheint der Impfstoff von AstraZeneca herumgelegen zu haben, weil schlicht schon viele Menschen aus der ersten Priogruppe geimpft worden waren, für die der Impfstoff infrage gekommen wäre. Das hat die Süddeutsche Zeitung recherchiert. Der Impfstoff sollte in Deutschland zunächst nicht Menschen über 65 gespritzt werden, mittlerweile wurde die Regelung angepasst. Teilweise hielten die Länder Impfstoff auch sicherheitshalber zurück, um das vorgeschriebene Zeitfenster für die Zweitimpfung einhalten zu können.
Auch diese Praxis soll allerdings, so ein Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, gelockert werden, um schneller mehr Menschen zu impfen. Wie das die digitale Terminvergabe verändert, ist noch unklar. In allen Ländern werden bisher Erst- und Zweittermin zusammen vergeben.
BioNTech entwickelt ein System für die Impflogistik. Wird jetzt alles gut?
Möglicherweise. Aber mit den Terminen für die einzelnen Impflinge wird BioNTech gar nichts zu tun haben. Der Mainzer Impfstoffhersteller entwickelt derzeit eine Software, die die Impfstoffverteilung besser steuern soll – und zwar sowohl für den hauseigenen Impfstoff als auch für andere Präparate. Sie soll in Bayern zum Piloteinsatz kommen, könnte aber auch bundesweit angewendet werden. Das Programm soll einem Spiegel-Bericht zufolge steuern und erfassen können, wie viele Dosen in welches Impfzentrum geliefert werden und wie trotz knapper Dosen möglichst viele Menschen geimpft werden können. Auch die Zahl der benötigten Mitarbeiterinnen soll sich berechnen lassen können. Wenn mehr Planungssicherheit herrscht, wann wie viel Impfstoff zur Verfügung steht, könnte das auch dazu führen, dass kein Impfstoff mehr für eine mögliche Zweitimpfung zurückgehalten werden muss. Auch das könnte für mehr und schnellere Impfungen in Deutschland sorgen.
Wie gut sind die Systeme vor Hackerangriffen geschützt?
Schwer zu beantworten. Wie oben erwähnt berichtete Thüringens Gesundheitsministerium Anfang Januar von einer Cyberattacke
auf das Impfportal, aufgrund derer Hunderte Menschen ihre Terminbuchung nicht erfolgreich bestätigen konnten. Berlins Dienstleister Doctolib wurde im Sommer Opfer eines Hackerangriffs, den man jedoch nach eigenen Angaben innerhalb weniger Stunden selbst erkannte, stoppte und der lediglich Zugriff auf 45 administrative Informationen von Terminen gewährte. Das hatte gar nichts mit Berlin und gar nichts mit der Impfung zu tun
, sagt Geschäftsführer Ilias Tsimpoulis und betont die ständigen Datensicherheitstests seines Unternehmens.
Generell hat sich gezeigt, dass die Zahl der Cyberangriffe auf die Gesundheitsbranche im Corona-Jahr hoch bleibt. Da sehr viele unterschiedliche Terminvergabeplattformen für die Corona-Impfung im Einsatz sind, ist es auch hier sehr schwer, eine pauschale Aussage über deren Angreifbarkeit zu treffen. Auf Anfrage hört man von den Plattformbetreibern natürlich unisono, dass man sehr gut abgesichert und vorbereitet sei.
Was passiert mit meinen Daten?
Das kommt auf die Daten an. Personenbezogene Daten wie Name, Adresse oder E-Mail unterliegen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das heißt, sie dürfen nur für bestimmte Zwecke verarbeitet werden. Trotzdem ist teils unklar, was damit geschieht: Bei Doctolib etwa müssen Menschen ein Profil anlegen, wenn sie einen Impftermin buchen wollen. Das Unternehmen sagt, dass diese personenbezogenen Gesundheitsdaten nur für die von Doctolib betriebenen Dienste genutzt würden. Man verwende diese Daten nicht für andere Zwecke, verkaufe sie nicht und gebe sie unter keinen Umständen an kommerzielle Anbieter weiter.
Allerdings werden sie auch nicht automatisch gelöscht – die Nutzerinnen und Nutzer müssen sich darum selbst kümmern. Ob das von einer Nutzerin für die Impfung erstellte Profil weiter genutzt wird, wenn sie demnächst einen Arzttermin in einer Praxis ausmacht, die Doctolib verwendet, und ihr Konto nicht gelöscht hat? Auf Nachfrage gibt Doctolib lediglich an: Wenn ein Nutzer sein Konto nicht löscht, kann dieses selbstverständlich weiter von ihm für die Buchung anderer Onlinetermine genutzt werden, muss aber nicht.
Inaktive Konten würden nach drei Jahren entfernt.
Auch fallen auf den Plattformen teilweise gesundheitsbezogene Daten an. In Bayern etwa werden diese Daten abgefragt, um die Eingruppierung vorzunehmen, auch im Saarland und in Sachsen-Anhalt werden solche Daten von den Plattformen verarbeitet. In anderen Bundesländern werden ärztliche Atteste und Indikationen im Impfzentrum geprüft. In Berlin und Niedersachsen werden über die Plattformen auch Daten erhoben, die für die Impfstatistik ans RKI zurückgemeldet werden. Dazu zählen zum Beispiel Alter, Geschlecht, Impfdatum, Impfstoff und Chargennummer sowie die jeweilige Indikationsgruppe. Das ist nicht per se problematisch, kann vielleicht den Prozess an manchen Stellen sogar beschleunigen. Doch natürlich kommt es immer darauf an, wie die Daten geschützt sind, wer Einblick hat und wie sie verarbeitet werden.
Gesundheitsbezogene Daten unterliegen einem noch höheren Schutz als personenbezogene. Die Anforderungen bei der Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten seien hoch, die Ansprüche daran, von Betroffenen nötige Einwilligungen einzuholen, ebenfalls, sagt der Rechtswissenschaftler Dennis-Kenji Kipker. So unterliege zum Beispiel die Information über eine Medikamentenunverträglichkeit strengeren Regeln in Bezug auf die Speicherung als eine Telefonnummer. Bedeutet: Entsprechende Server müssten zum Beispiel mehr Schutzvorkehrungen aufweisen, damit die Daten nicht in falsche Hände geraten können.
Und außerdem könnten Daten nicht unbegrenzt lange auf Vorrat gespeichert bleiben, sondern müssten gelöscht werden – auch wenn diese Verantwortung letztlich den Plattformen obliegt und von außen schwer überprüfbar ist.
Ab wann kann ich den Impftermin einfach über meinen Hausarzt buchen?
Diese Situation ist sehr dynamisch. Der Druck, auch abseits von Impfzentren zu impfen, ist groß, besonders weil der Impffortschritt in Deutschland so stockt. In Niedersachsen impfen einige wenige Praxen testweise seit Anfang März, im dünner besiedelten Mecklenburg-Vorpommern wird seit Beginn auch dezentral in lokalen Impfstationen in Arztpraxen geimpft. Bayern will Medienberichten zufolge Anfang April mit Impfungen in den Praxen beginnen. Andere dürften folgen: Nach der Empfehlung von Bund und Ländern sollen Impfungen in Praxen "frühestmöglich", spätestens aber ab dem 19. April starten. Auch Betriebsärzte sollen mitimpfen. Zeit-Online, von Meike Laaff und Lisa Hegemann
Andi, der Weltenretter
Ausgerechnet der angezählte Verkehrsminister leitet zusammen mit Jens Spahn eine wichtige Taskforce. Wie es dazu kommen konnte. Der eine legt gerade einen beispiellos rasanten Absturz vom Kanzlerkandidaten der Unionsherzen zum Watschenmann der Nation hin. Der andere hat sich als Minister einen Namen gemacht, welcher ganz gut zum Maß an Respekt passt, das ihm entgegengebracht wird.
Ein leicht angenervter Gesundheitsminister wird bald schon in diesem kurzen Text auf leicht angenervte Ministerpräsidenten treffen, die jene Menschen durch eine Krise steuern müssen, die sich seit Mittwoch vergangener Woche nicht nur leicht angenervt, sondern auch schwer verwundert eine Frage stellen: Wieso ausgerechnet er?
Die Ministerpräsidenten-plus-Kanzlerin-plus-Vizekanzler-plus-diverse-Minister-Runde einigte sich bei ihrem jüngsten Treffen darauf, dass nun alles besser werden soll, und gründete für den Bereich, bei dem das Allesbesserwerden besonders dringlich ist, den Schnell- und Selbsttests, eine Taskforce. Deren Aufgabe, Achtung, kompliziert: die größtmögliche Verfügbarkeit und zügige Lieferung von Schnelltests einschließlich Selbsttests für die Bedarfe der öffentlichen Hand sicherstellen
. So heißt es im Beschluss des digitalen Corona-Gipfels. An die Spitze dieser Taskforce wurden der Gesundheits- und der Verkehrsminister berufen, also Jens Spahn und Andreas Scheuer.
Ausgerechnet jener Jens Spahn, der gerade einen beispiellos rasanten Absturz vom Kanzlerkandidaten der Unionsherzen zum Watschenmann der Nation hinlegt. Und noch ausgerechneter jener Andreas Scheuer, der sich als Minister einen Namen gemacht hat, welcher ganz gut zum Maß an Respekt passt, das ihm entgegengebracht wird. Sie nennen ihn Andi
.
Die aktuell wichtigste Aufgabe in den Händen derjenigen Minister, die schon seit einer Weile am wenigsten geeignet scheinen. Wie kam das?
Fragt man dies jene, die sich regelmäßig zu digitalen Corona-Gipfeln zusammenschalten, hört man zunächst ein kurzes Lachen und dann ein Ja, das frage ich mich auch
oder ein Ich habe mich da auch gewundert
.
Es ging jedenfalls schon gegen Mitternacht, als Spahn – leicht angenervt und null schuldbewusst
, wie es ein Teilnehmer beschreibt – zu den Schnelltests vortrug. Leicht angenervt waren aber auch mehrere Ministerpräsidenten, und zwar von Spahn. Der hatte Mitte Februar für Anfang März Schnelltests für jedermann versprochen und dann auf Nachfragen aus den Ländern, wer die bestellen dürfe, wer das bezahlen solle und wie er sich das denn logistisch überhaupt so vorstelle, nicht mehr reagiert.
Als Spahn an jenem Abend auf die Rolle der Discounter zu sprechen kam, meldete sich Scheuer zu Wort. Er berate sich gerade mit den Chefs der großen Supermarkt- und Drogerieketten, wie die Tests schnellstmöglich zu Kitas, Schulen und Behörden kommen könnten. Fast beiläufig, so heißt es, habe die Kanzlerin da die Idee einer Taskforce ins Spiel gebracht, unaufgeregt und ohne weitere Diskussion sei sie abgenickt worden. Man habe, räumt ein Teilnehmer ein, zuerst gesehen, dass die Kombination aus Gesundheit und Logistik in dieser Lage Sinn macht
. Und dabei wohl übersehen, dass das Duo Spahn/Scheuer in Anbetracht der aktuellen Debatten etwas skurril wirken könnte
. Jene, die sich gewundert haben wollen, versteckten ihre Verwunderung in der Runde ziemlich gut. Aufgemuckt hat jedenfalls niemand. Bei internen Gesprächen hat sich Spahn bald darauf fürchterlich darüber aufgeregt, dass er sich nun um die Schnelltests kümmern müsse, wo das doch eindeutig die Sache der Länder sei. Ein vorbeugender Nervenverlust, der einen Blick freilegt auf das, worin manche eine Methode Spahn erkennen: zuerst große Versprechungen machen – und dann deren Erfüllung anderen unterjubeln. Schadensvermeidung durch Schuldverschiebung.
Scheuer, der krisengeschüttelte Krisenmanager, ist zwar nicht sonderlich erfolgreich, aber keineswegs blöd. Er wird also wissen, warum er der zweite Auserwählte ist. Geht was schief beim Schnelltestbeschaffen – die Attribute rasch
und in großer Zahl
dürften ihn schwitzen lassen –, ist der perfekte Sündenbock schon gefunden: Andi. ZEIT Nr. 11/2021, von Peter Dausend
Maskengate der Union: Eine toxische Mischung
Die Unionspolitiker Nüßlein und Löbel bereichern sich offenbar an der Coronakrise. Die Union trägt Mitschuld.
Mit dem Vertrauen in die Coronapolitik der Bundesregierung ist es derzeit nicht zum Besten bestellt. Apps, Impfungen, Schnelltests – zu viel geht schief. Verantwortlich sind vor allem die Ressortchefs der CDU, allen voran Gesundheitsminister Jens Spahn. Dass dieser jetzt ausgerechnet mit CSU-Pannenminister Andreas Scheuer eine Schnelltest-Taskforce
bilden soll, wird vielerorts nur noch mit Spott registriert.
Zum politischen Versagen kommt nun moralisches. Zwei Bundestagsabgeordnete der Union sollen sich durch Geschäfte mit Coronaschutzmasken persönlich bereichert haben. Danach haben sie versucht, sich mit scheibchenweisem Rückzug aus der Affäre zu ziehen.
Auch wenn die Unschuldsvermutung gilt – CSU-Mann Nüßlein bestreitet weiterhin alle Vorwürfe –, beide Abgeordnete verspielen damit Vertrauen der Bevölkerung in die Politik. Dabei ist dies in der Coronakrise das Wichtigste. Dass selbst Unionsfraktionschef Brinkhaus weitere Fälle für möglich hält, spricht Bände.
Auch Spahn ist Teil des Problems. Der Minister warnte die Bevölkerung morgens im Fernsehen vor sozialen Kontakten und reiste abends zu einem Dinner mit Unternehmer:innen, wo um Spenden für seinen CDU-Kreisverband gebeten wurde – einen Euro unter der gesetzlichen Veröffentlichungsgrenze. Das mag formal korrekt sein. Aber auch nur das. Moralisch akzeptabel ist es nicht.
Auch jenseits von Löbel, Nüßlein und Spahn gibt es weitere Namen und zwielichtige Fälle. Zwei Unionsabgeordnete stehen in Verdacht, dass sie sich von dem autoritären Regime in Aserbaidschan haben schmieren lassen. Karl-Theodor zu Guttenberg hat energisch Lobbyarbeit für Wirecard gemacht. Und Philipp Amthor hat vor nicht einmal einem Jahr Deals mit dem US-IT-Unternehmen Augustus Intelligence gemacht: Lobbyarbeit gegen Aktienoptionen. Doch die Karriere des 28-Jährigen geht munter weiter. Er wurde von der CDU Mecklenburg-Vorpommern an die Spitze der Landesliste für die Bundestagswahl gewählt.
Dass dies ausgerechnet an dem Wochenende geschah, an dem die Maskenaffäre der Union endgültig um die Ohren flog, ist mehr als schlechtes Timing. CDU und CSU mangelt es schlicht an dem Bewusstsein, dass wirtschaftliche Interessen und Politik strikt voneinander zu trennen sind. Dazu passt, dass die Union seit Jahren wirkliche Fortschritte bei Lobby- und Transparenzregeln verhindert.
Es ist eine gefährliche Mischung, wenn sich politisches Versagen mit moralischem paart. Das gilt für die Politik insgesamt, die in der Demokratie auf grundsätzliches Vertrauen der Bevölkerung angewiesen ist.
Für die Union kann diese Mischung toxisch sein. Sie könnte der CDU und ihrem neuen Chef Armin Laschet, die bei den Landtagswahlen am kommenden Wochenende ohnehin auf Niederlagen zusteuern, diese vollständig verhageln. Das wird Auswirkungen auf das Superwahljahr haben. In der CDU macht sich gerade Panik breit. Sie ist berechtigt. taz, Kommentar von Sabine am Orde
Gerinnungsstörungen nach AstraZeneca-Impfungen Mehr Zufall als Ursache
In mehreren Ländern wird derzeit nicht der Stoff von AstraZeneca verimpft, weil einzelne Geimpfte schwere gesundheitliche Probleme hatten. Aber welche Schlüsse lassen die Daten zu – und ist der Nutzen größer als der Schaden?
Es ist die Charge mit der Nummer ABV5300, die in Europa derzeit für Aufregung sorgt. Sie umfasst eine Million Dosen des AstraZeneca-Impfstoffes und wurde an 17 EU-Länder ausgeliefert; Deutschland ist nicht darunter. Österreich hatte zu Beginn der Woche einen Impfstopp verordnet, nachdem eine 49-Jährige an schweren Gerinnungsstörungen gestorben war und eine 35-Jährige eine Lungenembolie erlitten hatte.
Es ist allerdings völlig unklar, ob der Impfstoff die Ursache war für die Blutgerinnsel oder diese zufällig gleichzeitig auftraten. Der europäischen Arzneimittelbehörde (Ema) wurden bislang nur 30 Fälle von Gerinnungsstörungen nach einer AstraZeneca-Impfung gemeldet – und das bei bislang knapp fünf Millionen Geimpften. Das entspräche einer Rate von 0,006 pro 1000 Personen.
Unangemessene Nutzen-Risiko-Abwägung
Die Zahl der thrombembolischen Vorfälle bei geimpften Menschen ist nicht höher als die Zahl in der Gesamtbevölkerung
, schreibt die Ema in einem Statement. Nach erster Prüfung gebe es keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang. Der Nutzen des Impfstoffes überwiegt die Risiken, und der Impfstoff kann weiterhin verabreicht werden, während die Überprüfung der Gerinnungsstörungen weiterläuft
, so das für die Bewertung und Sicherheit von Humanarzneimitteln zuständige Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (Prac) der Ema.
Dennoch haben sich zahlreiche Nationen – möglicherweise vorschnell – entschieden, dem Beispiel Österreichs zu folgen. Nachdem es auch in Dänemark einen Todesfall durch eine Gerinnungsstörung im zeitlichen Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung gab, stoppte es ebenfalls die Impfungen. Auch die baltischen Staaten, Norwegen, Island, Luxemburg, Thailand und Rumänien setzten die Impfungen aus.
Diese Entscheidungen könnten allerdings mehr schaden als nutzen, meint Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene an der Universität Jena. Der Grund: Durch das Aussetzen der Impfungen in Dänemark für zunächst zwei Wochen sei es nicht nur sehr wahrscheinlich, dass mehr Menschen an Covid-19 erkranken als ohne diese Entscheidung – und etwa fünf Prozent davon sicher auch schwer. Auch das Risiko für Blutgerinnsel erhöht sich stark durch eine Covid-19-Erkrankung. Einer US-amerikanischen Untersuchung zufolge bildeten sich bei 16 Prozent der Covid-Patienten Blutgerinnsel. Pletz spricht daher von einer unangemessenen Nutzen-Risiko-Abwägung.
Das in Deutschland für die Bewertung und Zulassung von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) schließt sich der Bewertung der Ema an. In Deutschland sind bis zum 11.03.2021 insgesamt elf Meldungen über unterschiedliche thromboembolische Ereignisse bei etwa 1,2 Millionen Impfungen berichtet worden
, schreibt das Pei. Vier Personen verstarben.
In der Zusammenschau der derzeit verfügbaren Informationen gebe es derzeit keinen Hinweis, dass die Impfung diese Erkrankungen verursacht habe, der Nutzen überwiege demnach die Risiken.
Die ergriffenen Maßnahmen sind selbstverständlich als Vorsichtsmaßnahmen zu verstehen
, sagt der Impfstoffforscher Leif-Erik Sander von der Charité in Berlin. Es ist wichtig und richtig, dass allen Ereignissen sehr sorgfältig nachgegangen wird. Das geschieht ja auch durch die zuständigen Behörden. Ich sehe aber aktuell keinen Grund zur Sorge.
Gesundheitsminister Jens Spahn kritisierte am Freitag in Berlin das Aussetzen der Impfungen: Ich bedaure es, dass auf dieser Grundlage – Wissensstand jetzt Freitagvormittag – einige Länder in der Europäischen Union das Impfen mit AstraZeneca ausgesetzt haben.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte: Es ist richtig, das weiter zu untersuchen. Aber Impfstopp war falsch. Ausgesetzte Impfung ist für viele tödlich, die jetzt verzichten.
Auch Clemens Wendtker, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der München Klinik Schwabing hält die Einschätzung von Ema und PEI derzeit für richtig: Insgesamt kann man mit derzeitigem Kenntnisstand davon ausgehen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und den wenigen thromboembolischen Ereignissen gibt – statt von einer Kausalität ist eher von einer Koinzidenz auszugehen, also mehr Zufall als Ursache.
Das Risiko, an einer Covid-19 assoziierten Thrombose zu erkranken, hält er ebenfalls für ein Vielfaches höher
.
Der Impfstoff von AstraZeneca wird bisher in Deutschland seltener eingesetzt als der von Biontech/Pfizer. Der jüngste Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts zählte bis 26. Februar 363.645 Impfungen mit dem Produkt von AstraZeneca. Dem stehen 5,4 Millionen Impfungen mit dem Präparat von Biontech/Pfizer gegenüber. Noch seltener sind Impfungen mit dem Präparat von Moderna (168.189 Impfungen). Tgs. von Heike Le Ker, mit Material von dpa und AFP
Sieben-Tage-Inzidenz steigt deutlich auf 76,1
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 12.674 Corona-Neuinfektionen gemeldet - und damit 3117 mehr als vor genau einer Woche. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Samstagmorgen mit 76,1 deutlich höher als am Vortag (72,4). Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 239 weitere Todesfälle verzeichnet. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 05.20 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 9 557 Neuinfektionen und 300 neue Todesfälle verzeichnet. Bereits am Freitag hatte es einen deutlichen Anstieg der Corona-Neuinfektionen im Vergleich zur Vorwoche und der Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zum Vortag gegeben.
Vor einer Woche, am 6. März, hatte die Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 65,6 gelegen. Die Zahl der neuen Ansteckungen in Deutschland war im Januar und Februar über Wochen deutlich zurückgegangen. Zuletzt stagnierte sie allerdings und stieg dann wieder an, was auch an der Verbreitung ansteckenderer Varianten liegen könnte.
Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.558.455 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.352.600 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 73.301.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Freitagabend bei 1,11 (Vortag 1,04). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 111 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Lage angespannt: Paris bereitet sich auf Verlegung von Corona-Patienten vor
Ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie hat Frankreich am Freitag die Marke von 90.000 Todesopfern überschritten. Insgesamt starben nach Angaben der Gesundheitsbehörden 90.146 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Derweil rüstet sich Frankreich für die dritte Welle der Pandemie: Mehr als 4000 Corona-Patienten liegen landesweit auf Intensivstationen - so viele wie seit Ende November nicht mehr.
Die französische Regierung bereitet sich darauf vor, in den kommenden Tagen Dutzende oder sogar hunderte Patienten aus dem Großraum Paris in andere Regionen zu verlegen. Die Lage in den Krankenhäusern in der Region Paris sei extrem angespannt
und man müsse jederzeit bereit sein, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen
, sagte Regierungschef Jean Castex am Freitag. AFP
Astrazeneca kürzt Lieferung an die EU erneut
Der Impfstoff-Hersteller Astrazeneca hat erneut drastische Lieferkürzungen angekündigt. Statt der zuletzt anvisierten 220 Millionen Dosen sollen nur noch 100 Millionen bis zur Jahresmitte an die EU-Staaten gehen. Der deutsche Anteil daran liegt rechnerisch bei etwa 19 Millionen. Der Konzern begründete dies unter anderem mit Exportbeschränkungen, ohne Details zu nennen.
Aus EU-Kreisen in Brüssel hieß es, der US-Hersteller habe nach eigenen Angaben die Lieferkette umgestellt. Die Abfüllung - das sogenannte Fill and Finish - solle nicht mehr wie geplant in den USA stattfinden, sondern an einem anderen Ort, und die Änderung brauche etwas Zeit. Denn es bestehe neue Unsicherheit, ob die USA den Export der dort abgefüllten Fläschchen zulassen würden, bestätigten mehrere Quellen in Brüssel.
Die Lieferkürzung bei Astrazeneca stieß in Brüssel auf scharfe Kritik: Es ist an der Zeit, dass der Vorstand von Astrazeneca seine treuhänderische Verantwortung wahrnimmt und jetzt alles Notwendige tut, um die Verpflichtungen von AZ zu erfüllen
, schrieb Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Industrie, auf Twitter. dpa/Reuters
Meldung vom 26. Mai. 2020: EU kungelt mit Pharmaindustrie
Die EU hat Milliarden an Forschungsgeldern an Pharmakonzerne für neue Impfstoffe vergeben. Die Gelder sind aber offenbar komplett verpufft.
Die EU-Kommission arbeitet zu eng und vertrauensvoll mit der Pharmaindustrie zusammen, was zu Verzögerungen bei der Entwicklung dringend benötigter Impfstoffe etwa gegen das neuartige Coronavirus führt. Zu diesem Schluss kommen die unabhängigen Lobby-Watcher von Corporate Europe Observatory (CEO).
Trauerspiel; Die Ahnungslosigkeit der Politik
Wer infiziert sich mit Corona? Die Ahnungslosigkeit der Politik
14 von 16 Bundesländern haben nach Recherchen von NDR, WDR und SZ keine Erkenntnisse darüber, welche Menschen sich besonders häufig mit Corona infizieren - und können daher nicht gezielt reagieren. Mediziner kritisieren diese Ahnungslosigkeit.
Wer im Berliner Bezirk Neukölln wohnt, hat offenbar ein fast doppelt so hohes Risiko, mit Corona infiziert zu werden als im benachbarten Treptow-Köpenick. Woran das liegt? Das weiß man nicht. Auffällig ist: In Neukölln leben auf einem Quadratkilometer 7000 Menschen, in Treptow 1600. In Neukölln liegt die Arbeitslosenquote bei 16 Prozent, in Treptow bei acht Prozent. Ähnlich sind die Unterschiede beim Haushaltseinkommen: In Neukölln beträgt es 1825 Euro im Monat, in Treptow-Köpenick 2200 Euro. In Neukölln haben 47 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner einen Migrationshintergrund, in Treptow nur 17 Prozent.
Wir wissen aus internationalen Studien, dass Menschen, die sozial benachteiligt sind, sich häufiger infizieren
, sagt Prof. Peter Sawicki, einer der Begründer der evidenzbasierten Medizin in Deutschland, der heute als Arzt in Duisburg arbeitet. Aber in Deutschland ist die Studienlage dazu sehr dünn.
Weil man nicht wisse, wer sich infiziere, wisse man auch nicht, welche Gruppen man besser schützen müsse.
NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung
haben alle Gesundheitsministerien in Deutschland gefragt, welche Erkenntnisse sie zum sozialen Status der Corona-Infizierten haben, wie groß die Haushalte sind, wie hoch das Einkommen ist, wie häufig sie einen Migrationshintergrund haben. 14 von 16 Bundesländern konnten keine dieser Fragen beantworten.
Brandenburg teilte zum Beispiel mit: Diese Daten liegen der Landesregierung nicht vor, weil sie nicht erhoben werden.
Rheinland-Pfalz schrieb: Diese Daten haben wir nicht.
Sachsen teilte mit: Zur sozialen Herkunft liegen uns keine Daten vor
- und Thüringen schrieb: Auch dazu haben wir keine Erkenntnisse.
Nordrhein-Westfalen antwortete als einziges Bundesland gar nicht.
Lauterbach spricht von Trauerspiel
Es ist ein Trauerspiel, dass wir so wenig über diese Fragen wissen
, sagt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Das sind alles Daten, die mich auch brennend interessieren.
Der Medizinsoziologe Nico Dragano von der Universität Düsseldorf hat im ersten Halbjahr 2020 die Daten von knapp 1,3 Millionen AOK-Versicherten ausgewertet und festgestellt, dass Bezieher von Hartz-IV fast doppelt so oft wegen Corona ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten wie Erwerbstätige. Aber schon die Frage, welche Berufsgruppen möglicherweise stärker betroffen sind, kann Dragano nicht beantworten. Dabei ist er sich sicher: Es würde uns weiterbringen, wenn wir die Menschen mit besonders hohem Infektionsrisiko besser eingrenzen könnten.
In anderen Ländern gibt es Informationen
Wer in Deutschland etwas wissen will über den sozioökonomischen Hintergrund von Infizierten, muss in die USA oder nach Großbritannien schauen. Die Infektiologin Muge Cevik von der schottischen St. Andrews Universität berät die britische Regierung in der Pandemie. Sie sagt: Viel wichtiger als die Ausbreitung von Mutanten zu stoppen, ist es, die Menschen in den sozial benachteiligten Gegenden besser zu schützen.
Man sehe in vielen Ländern, dass vor allem Menschen, die in Fabriken arbeiten, als Essensauslieferer, in Supermärkten oder als Reinigungskräfte überdurchschnittlich gefährdet seien.
Auch lägen in Großbritannien mehr Menschen mit nicht typisch britischen Nachnamen auf den Intensivstationen. Aber das Risiko liegt natürlich nicht im ethnischen Hintergrund, sondern an den Lebens- und Arbeitsbedingungen
, sagt Cevik mit Blick auf die vom staatlichen britischen Gesundheitsdienst erhobenen Daten. Menschen aus ethnischen Minderheiten arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Jobs und leben in beengten Haushalten.
Das ist auch in Deutschland so: Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten überdurchschnittlich häufig in schlecht bezahlten, aber als systemrelevant geltenden Jobs, die oft nicht im Home-Office möglich sind - etwa in der Pflege, Reinigung oder Post. Laut Zahlen des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung machen sie in diesem Sektor 35,5 Prozent aus, deutlich mehr als ihr Anteil am Arbeitsmarkt von 22,9 Prozent.
Mehr Migrantinnen und Migranten auf Intensivstationen?
Ob in Deutschland mehr Menschen mit Migrationshintergrund auf den Intensivstationen liegen, ist allerdings unbekannt. Auch das wissen die Landesgesundheitsministerien nicht, und die Krankenhäuser selbst führen dazu keine Statistik, wie eine Umfrage von NDR, WDR und SZ unter den mehr als 30 Unikliniken ergab. Die Bild
-Zeitung zitierte dazu RKI-Präsident Lothar Wieler aus einem nicht-öffentlichen Gespräch. Dabei soll er gesagt haben, dass Muslime einen Anteil von 4,8 Prozent an der Bevölkerung hätten, auf den Intensivstationen betrage ihr Anteil aber 50 Prozent.
Auf Anfrage dazu lässt Wieler mitteilen, die Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen
und habe sich auf Schilderungen aus drei Intensivstationen bezogen. Generell lägen dem RKI keine Informationen zu einem etwaigen Migrationshintergrund
der Infizierten vor. Allerdings gebe es mehrere Studien über den sozialen Hintergrund von Infizierten, bei denen erste Ergebnisse im April vorgestellt werden sollen, teilte eine RKI-Sprecherin mit.
Keine einzige Interventionsstudie
In Deutschland verfügen somit nur zwei Länder über Daten zum sozioökonomischen Hintergrund von Corona-Infizierten: Berlin und Bremen. Gerade in Stadtteilen mit hoher Wohnraumdichte, niedrigem Durchschnittseinkommen und höheren Armutsquoten haben wir höhere Neuinfektionsquoten gehabt
, sagt der Sprecher der Bremer Gesundheitssenatorin. Ähnlich der Befund in Berlin: Hier sind Arbeitslosigkeit, niedriges Haushaltseinkommen, enge Wohnverhältnisse, einfache Wohnlage und Migrationshintergrund Faktoren, die das Risiko einer Infektion steigen lassen.
Forscher Sawicki sagt im Gespräch mit Panorama: Wenn wir wüssten, welche Patientengruppen kaum zu schützen sind aufgrund der beruflichen Exposition, dann könnte man die Leute zuerst impfen, die am meisten gefährdet sind. Dann hätten wir den größten Nutzen der Impfungen.
Bisher will man nur Grundschullehrerinnen und -lehrer bevorzugt impfen - allerdings ohne die empirischen Daten zu haben. Sawicki kritisiert: Wir haben in Deutschland keine einzige Interventionsstudie, die untersuchen würde, wie man Infektionen in besonders gefährdeten Gruppen reduzieren kann.
[Quelle:NDR/WDR, von Florian Flade, Armin Ghassim, Markus Grill, Jonas Schreijaeg und Andrej Reisin
Dritte Welle: Zahl der Corona-Neuinfektionen und Sieben-Tage-Inzidenz steigen
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 14.356 Corona-Neuinfektionen gemeldet - und damit 2444 mehr als vor genau einer Woche. Das geht aus Zahlen des RKI vom Donnerstag hervor. Auch die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) stieg mit 69,1 im Vergleich zum Vortag (65,4) an. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 04.50 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 321 weitere Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 11.912 Neuinfektionen und 359 neue Todesfälle registriert.
Mit dem Wert von 69,1 am Donnerstagmorgen stieg die Sieben-Tage-Inzidenz auch wieder über den Wert von vor genau vier Wochen: Am 11. Februar hatte die Inzidenz noch bei 64,2 gelegen. Die Zahl der neuen Ansteckungen in Deutschland war im Januar und Februar über Wochen deutlich zurückgegangen. Zuletzt stagnierte sie allerdings, was auch an der Verbreitung ansteckenderer Varianten liegen könnte.
Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Mittwochabend bei 0,96 (Vortag 0,97). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 96 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.
Nach Überzeugung des Robert-Koch-Instituts hat die dritte Corona-Welle inzwischen schon begonnen. Wir haben ganz klare Anzeichen dafür: In Deutschland hat die dritte Welle schon begonnen
, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler im Gespräch mit der UN-Journalistenvereinigung (ACANU) in Genf. Ich bin sehr besorgt.
Die strikte Anwendung von Schutzmaßnahmen wie Maske tragen und Abstand halten sei trotz Impfungen weiter dringend nötig.
Die Impfkampagne sei ein Wettlauf gegen das mutierende Virus. Die Ziellinie sei aber in Sicht: Wenn es keine Unterbrechungen wegen Produktionsausfällen oder aus anderen Gründen gebe, könnten bis Herbst 80 Prozent der Bevölkerung immun gegen das Virus seien. Wenn das der Fall ist, können alle Maßnahmen aufgehoben werden
, sagte Wieler. Er geht davon aus, dass nach den ersten Impfrunden Auffrischungen nötig sind - in welchen Abständen, sei bislang unklar. dpa
Dritte Corona-Welle: Tödliche Ignoranz
Wie wollen Politiker, die schon an einer konsistenten Corona-Politik scheitern, die Bürger in den großen Krisen der Zukunft hinter sich einen? Wir müssen uns dagegen wehren, taub gegen das Leid zu werden. Wir müssen uns dagegen wehren, jedes Leben als eine Statistik zu sehen
, sagte Präsident Joe Biden bei einer Gedenkfeier im Weißen Haus für die nun über 500.000 an oder mit Corona gestorbenen Amerikaner. Die USA sind trotz millionenfacher Impfungen noch weit von einer Kontrolle des Infektionsgeschehens entfernt. Kern von Bidens Corona-Politik ist das Reduzieren des Sterbens und der Erhalt der Gesundheit möglichst vieler Amerikaner, was immer es auch koste.
In der Bundesrepublik ist die dritte Welle unterwegs. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die bis auf 35 gesenkt werden muss, damit von einer Kontrolle des Infektionsgeschehens gesprochen werden kann, steigt seit Tagen wieder an und erreicht jetzt schon Werte zwischen 60 und 70 Ansteckungen pro 100.000 Einwohnern. Ursache ist die zunehmende Dominanz der gefährlicheren britischen Corona-Mutation.
Der Anteil dieser aggressiven Mutation im Verhältnis zum Ursprungsvirus wird leider weiter zunehmen
, sagt Bundeskanzlerin Merkel. Sein Anteil könne sich binnen 10 Tagen verdoppeln. Aus 20 Prozent werden zehn Tage später 40, dann 80. Und dann ist das alte Virus verschwunden. Das ist die Realität.
Merkel sagt auch, dass man im November 2020 in einer vergleichbaren Situation die Kontrolle verloren
habe.
Die Infektionszahlen steigen wieder
Die Kanzlerin warnt deshalb vor zu schnellen Öffnungen. Sie hält moderate Öffnungen nur in einer Bindung an den Fortgang der Impfungen für möglich. Sie stellt fest, dass deren dämpfende Wirkung auf das Infektionsgeschehen erst bei ca. 70 Prozent Durchimpfung eintreten wird. Umfassendes Testen könne zwar das Infektionsgeschehen transparenter werden lassen, an den zunehmenden Infektionen aber ändere das wenig.
Der Saarbrücker Pharmazieprofessor Thorsten Lehr geht davon aus (Quelle: Spiegel), dass bereits ohne die jetzt willkürlich umgesetzten Lockerungen in Schulen und anderen Bereichen Anfang April die Inzidenz wegen der britischen Mutante auf etwa 100 gestiegen wäre. Jetzt aber sei wegen der durch die Lockerungen vermehrten Kontakte damit zu rechnen, dass wie im November 2020 die Inzidenzwerte weit über 100 hinaus steigen werden. Die geöffneten Schulen sind wieder zu aktiven Hot Spots geworden.
Soll eine Ausdehnung der Corona-Infektionen bis hin zu einer nicht zu bewältigenden Belastung des Gesundheitssytems, eine Häufung von Langzeitschäden und eine Steigerung der Todeszahlen – dann verstärkt jüngerer Erkrankter – noch verhindert werden, bleibt nur ein radikal verschärfter Lockdown als Instrument der Stunde. Spiegel, UDO KNAPP
Berliner Firma erhielt etliche Filmpreise;
Ovalmedia verbreitet Verschwörungslügen – und produziert für Arte
Die Firma unterstützt Impfgegner und Corona-Verharmloser bei deren Aufklärungsarbeit
. Ovalmedia kennt sich aber auch mit Anträgen für Fördermittel aus. Dass man im Internet Videos mit Lügen und Verschwörungsmythen findet, war bereits lange vor Corona bekannt. Ungewöhnlich ist dagegen, dass solche Videos von einem Unternehmen hergestellt und veröffentlicht werden, das ansonsten ARD, ZDF und Arte beliefert, Filmförderungen erhält und in der Branche bislang als seriös galt.
Genau das ist bei Ovalmedia der Fall. Die Berliner Firma mit Sitz im östlichen Prenzlauer Berg hat in den vergangenen Jahren etliche Filmpreise gewonnen. Die Gründerin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice-Salomon-Hochschule. Ovalmedia war 2020 auch maßgeblich an der Konzeption des bundesweiten Dokumentarfilmtags LetsDok
beteiligt, der mit Steuermitteln gefördert wird.
In den Sendungen, die Ovalmedia ins Netz stellt, verbreiten szenebekannte Verschwörungsideologen wirre Thesen: etwa dass der Impfstoff gegen Corona Teufelszeug
sei, dass den Menschen bald Chips implantiert würden, dass alle Nichtgeimpften zwangsweise in QZs
gesteckt würden.
Was gerade geschehe, sei gar das Böseste, das jemals in dieser Welt geplant und umgesetzt wurde
… Widerspruch oder kritische Einordnung gibt es von Robert Cibis, dem Moderator und Mitgründer von Ovalmedia, nicht.
Dafür aber oft Zustimmung oder Bewunderung. Wenn Sucharit Bhakdi etwa fordert, man müsse die Corona-Viren laufen lassen in der Bevölkerung
, weil die Menschen so eine Koexistenz
mit den Viren aufbauen könnten, dann nickt Robert Cibis. Er nickt auch, wenn eine Verschwörungsgläubige erzählt, dass irgendwelche Konzerneliten und sehr reiche Menschen
ein böses Planspiel mit der Bevölkerung trieben. Zwei Impfgegnern schmeichelt Cibis, sie kämen ihm vor wie Superhelden
.
Wo sich Bhakdi, Wodarg und Schiffmann wohl fühlen
Ovalmedia überträgt auch exklusiv die Sitzungen des sogenannten Corona-Ausschusses
. Dort agiert ein Mann, der eine organisierte Massentötung
durch die Bundesregierung fürchtet, weil womöglich jeder vierte Deutsche an der Impfung gegen Corona sterben werde. Auch die Aktivistin, die unter Coronaleugnern als Anwältin Viviane Fischer, in der Öffentlichkeit dagegen als Hutmacherin Rike Feurstein bekannt ist, gehört dem Ausschuss an.
Woche für Woche spekuliert die Runde über vermeintliche Geheimpläne der Mächtigen sowie die Frage, ob es überhaupt eine Pandemie gibt. In seinem Zwischenbericht stellte der Ausschuss inzwischen fest, das von Corona ausgehende Risiko werde stark überschätzt. Ovalmedia-Chef Robert Cibis sagt, er sei froh, dass seine Firma die Aufklärungsarbeit
des Ausschusses unterstützen könne.
Cibis gehörte auch zu den knapp 30 Teilnehmern der illegalen Versammlung, die Mitte Januar von der Polizei in der Kneipe Scotch & Sofa
aufgelöst wurde. Ovalmedia übertrug den gescheiterten Parteigründungsversuch damals live. Gegen dutzende Personen wurden anschließend Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Infektionsschutzverordnung eingeleitet. Kurz darauf ging Ovalmedia eine Kooperation mit einem Aktivisten ein, der auch als Kameramann des rechtsextremen Volkslehrers
fungierte.
Die ersten Sendungen ihrer Reihe Narrative
durfte Ovalmedia in der Werkstatt des Haus der Statistik
am Alexanderplatz aufnehmen. Ovalmedia hatte sich dort um die Raumnutzung beworben, die Anfrage klang zunächst harmlos: Man versprach eine Debatte über die Zukunft unserer Gesellschaft
.
Nach wenigen Folgen bemerkte die Quartierswerkstatt, wem sie da ihre Räume zur Verfügung gestellt hatte – und war entsetzt. Hier sei ein Ort der Meinungsvielfalt, aber definitiv kein Ort für Verschwörungsmythologien, Wissenschaftsleugnung und Faktenverdrehung
, erklärt eine Sprecherin gegenüber dem Tagesspiegel. Ovalmedia wurde deshalb bereits im Juli 2020 die weitere Nutzung untersagt.
Wir erzählen Geschichten, die wahr sind und überraschen
, wirbt Ovalmedia auf seiner Homepage. Und auch: Wir bauen Erzählwelten.
Für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk hat das Unternehmen eine Reihe von Dokumentarfilmen produziert. Für Arte zuletzt einen, der die Wirksamkeit von Akupunktur ergründen wollte.
Robert Cibis bezeichnet sich selbst als Wissenschaftsjournalist
. Auf die Frage, ob es für einen Wissenschaftsjournalisten angemessen sei, Verschwörungsmythen nicht zu hinterfragen oder wenigstens einzuordnen, antwortet Cibis dem Tagesspiegel nicht. Auch seine Geschäftspartnerin Lilian Franck äußert sich nicht.
Eine unwahre Behauptung nach der anderen
Ein besonders anschauliches Beispiel für Cibis' Arbeitsweise, vielleicht auch für seine inhaltliche Vorbereitung, ist die Folge, in der er mit dem Verschwörungsideologen Mathias Bröckers über die Terroranschläge vom 11. September 2001 spricht. Bröckers stellt in dem Interview eine unwahre Behauptung nach der anderen auf, hantiert mit falschen Zahlen und Uhrzeiten, vertut sich hier um zehn Jahre, verdreht dort die Aussagen von Zeugen.
Er bringt Flugzeugtypen durcheinander, stellt Brandabläufe falsch dar und erfindet einen Koran im Koffer von Mohamed Atta. Ovalmedia-Chef Robert Cibis merkt dies alles nicht – oder verbirgt es tadellos. Stattdessen lobt er später seinen Interviewpartner: Ich finde es sehr toll, wie Sie das so erzählen.
Zu den vielen Preisen, mit denen Ovalmedia in den vergangenen Jahren ausgezeichnet wurde, könnte demnächst ein weiterer kommen. Bei der diesjährigen Berlinale läuft die Co-Produktion À pas aveugles. From Where They Stood
in der Reihe Forum
. Gleichzeitig plant Ovalmedia einen Kinofilm über Corona. In Videos wirbt die Firma um Spenden zur Finanzierung.
Auf Telegram betreibt Ovalmedia eine Chat-Gruppe. Dort wird etwa behauptet, die Regierung plane einen Massengenozid
beziehungsweise Völkermord mit Ansage
. Weiter heißt es: Der schlimmste Virus und Parasit heißt BRD-Regierung.
Beim Impfstoff gegen Corona handele es sich in Wahrheit um genetisch hergestellte Kampfstoffe
– außerdem steckten Juden hinter den Impfstoffen. In dem Chat von Ovalmedia wird auch für rechtsextreme Magazine geworben, werden Posts von Hetzern wie Attila Hildmann geteilt.
Die Admins greifen nicht ein.
Einen ersten Hit in der Szene der Coronaleugner gelang Ovalmedia mit dem kurzen Video von Wolfgang Wodarg, das im Frühjahr 2020 millionenfach angesehen wurde und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten landesweit in die Schlagzeilen brachte.
Unklar ist, wann und wie genau Ovalmedia Eingang in die Szene der Verschwörungsideologen fand. In einer seiner Sendungen deutet Robert Cibis eine persönliche Entwicklung an: Früher, sagt er, habe er einiges nicht durchschaut und müsse nun rückwirkend seine ganze Wahrnehmung in Frage
stellen. Er frage sich, wie naiv er denn damals gewesen sei. Seinen Prozess beschreibt er als eine Art Erwachsenwerden
.
Die Zusammenarbeit ist beendet
Von der AG DOK, dem Berufsverband von Medien- und Filmschaffenden, der zusammen mit Ovalmedia den Dokumentarfilmtag LetsDok ins Leben gerufen hat, heißt es auf Tagesspiegel-Nachfrage, Ovalmedia habe keinen Einfluss auf die Inhalte des Aktionstages LetsDok
gehabt. Zudem sei die Kooperation im September beendet worden. Bei der Neuauflage im Herbst 2021 werde es keine Zusammenarbeit mehr geben.
Bei Arte, wo zuletzt Ovalmedias Film über die Wirksamkeit der Akupunktur lief, heißt es, die Aktivitäten der Firma in der Szene der Coronaverharmloser und Verschwörungstheoretiker seien dem Sender bisher nicht bekannt gewesen. Momentan sei keine weitere Zusammenarbeit mit Ovalmedia geplant.
Die Alice-Salomon-Hochschule, bei der Firmengründerin Lilian Franck als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt ist, erklärt, Ovalmedia sei der Hochschule bislang nicht näher bekannt
gewesen. Ende des Monats wird Franck die ASH mit einem Vortrag beim Abschlussevent des Hochschulprogramms DiGiTal vertreten. Die in den Sendungen gemachten Aussagen seien selbstverständlich in keinster Weise konform mit unserer Haltung und unserem Handeln als Hochschule gegenüber der Pandemie
, heißt es seitens der ASH nun. Man werde den Fall jetzt prüfen. Tgs, Sebastian Leber
Lobbyismus: Spürt er nicht, dass das nicht geht?
Die Unionsfraktion im Bundestag ärgert sich über die Affären ihrer Parteikollegen – und sperrt sich nicht mehr gegen ein Lobbyregister. Nervosität macht sich breit in der Spitze der Unionsfraktion. Mehrfach wird CSU-Landesgruppenchef und Fraktionsvize Alexander Dobrindt am Dienstag bei einem Pressefrühstück gefragt, wie lange man denn noch warten wolle, bis aus einem finsteren Verdacht ernsthafte Konsequenzen gezogen würden: Kein Hinterbänkler, sondern der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein, 51, steht im Verdacht, Maskenherstellern Zugang zu Ministerien verschafft, dafür 660.000 Euro als Provision bekommen und auch noch keine Umsatzsteuer gezahlt zu haben. Es ist möglich, dass er die Panik und Not der Pandemie ausgenutzt und den politischen Schaden für alle billigend in Kauf genommen hat.
Scheiße
, sagt einer aus der Fraktionsspitze, wenn er nach der Stimmung unter Unionsabgeordneten gefragt wird. Unschuldsvermutung hin oder her – niemand glaubt daran, dass sich der Fall Nüßlein einfach in Luft auflösen wird.
Dobrindt beobachtet die Umfragen. So wie der glimpfliche Verlauf der Pandemie im Frühjahr und Sommer vergangenen Jahres bei der Union als der Partei der Exekutive
einzahlte, sei jetzt, wo so vieles schiefläuft, nur noch von Schuld, nicht mehr von Covid-19 die Rede
, so Dobrindt.
Und mit Schuld
ist nicht nur Georg Nüßlein gemeint, der einstweilen abgetaucht ist und seinen Vizeposten ruhen lässt – während im ganzen Land die Listen für die anstehenden Wahlen aufgestellt und Kandidaten gekürt werden. Es geht auch um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), den die dritte Welle gerade so nach unten reißt, wie ihn die erste ganz nach oben zu tragen schien. Zu viele Tote in Altenheimen, verstolperter Impfstart, unkoordinierte Schnelltestkampagnen – alle Fäden laufen bei Spahn zusammen. Für diese Probleme kann der Minister einen Teil der Verantwortung zwar bei den Ländern und Kommunen, dem Kanzleramt oder der EU-Kommission abladen. Es gibt aber andere Vorgänge, aus denen sich, auch für Parteifreunde, Charakterfragen ergeben, die nur ihn selbst betreffen.
Für Konservative – deren Posterboy Spahn war und sein wollte – ist das Private bekanntlich politisch: Loyalität, auch gegenüber Regeln und Institutionen, eine gewisse Verachtung für Prahlerei, Schaumschläger und Glitzerkram. Vor allem aber persönliche Verantwortung; darauf kommt es in diesem Weltbild an. Nicht die Gesellschaft ist schuld, sondern der einzelne Jens, der in ihr lebt.
Und in diesen Charakterfragen hat Spahn einige Weggefährten wie auch das breite Publikum enttäuscht. Dabei geht es nicht nur um die Vergabe von Deals in Millionenhöhe an ein CDU-nahes Unternehmen aus seiner Heimat. Da war auch das Leipziger Spendendinner im Oktober vergangenen Jahres, mitten in der Pandemie. Am Morgen noch hatte der Minister die Bürger im Fernsehen ermahnt, Geselligkeit zu meiden – am Abend dann hatte er laut Spiegel ein Essen mit zahlreichen Unternehmern besucht, die vom Gastgeber Peter Zimmermann ermuntert worden waren, für Spahns Bundestagswahlkampf zu spenden – 9999 Euro, wenn man nicht in den Büchern der CDU auftauchen will.
Dann ist da noch die Villa – Spahn spricht am Telefon von Haus
– im Berliner Stadtteil Dahlem, die der Minister gemeinsam mit seinem Mann Daniel Funke für mehrere Millionen Euro gekauft hat. Vom Grundbuchamt hat Spahn die Herausgabe der Namen von Journalisten verlangt, die dazu recherchieren. Ein enger Parteifreund aus Ostwestfalen, der Spahn schon in viele Ämter mitgewählt hat, erzählt dazu: Meine Frau und ich sitzen morgens am Frühstückstisch und lesen das in der Zeitung. Wir gucken uns an und sind ratlos. Natürlich ist es nichts Verbotenes, so eine Villa. Aber spürt er nicht, dass das nicht geht?
Ähnlich ging es dem Paar bei Spahns öffentlich zelebrierter Freundschaft mit dem früheren US-Botschafter Richard Grenell, seinen Auftritten bei Sebastian Kurz während dessen Rechts-rechtsaußen-Koalition beim Wiener Opernball oder dem Besuch beim Trump-Berater und rechtsextremen Aktivisten Steve Bannon im Weißen Haus. Diese Gesellschaft – ist das noch CDU? Ist das noch konservativ?
Am Telefon präsentiert sich Spahn am Dienstag als mit sich selbst im Reinen. Beim Dinner hätten sich alle an die Regeln gehalten
, und nichts anderes habe er morgens im Fernsehen gemeint. Niemand habe sich angesteckt. Und das Haus
? Dazu will Spahn öffentlich nichts sagen.
Und weil er bei sich keine Fehler sieht, macht er auch klar, dass der Fall Nüßlein und der Fall Spahn keineswegs das Gleiche seien und sie nicht über die schlichte Parteifreundschaft hinaus zusammenhingen. Georg Nüßlein ist stellvertretender Vorsitzender der Union, zuständig unter anderem für Gesundheit. Wir haben also regelmäßig miteinander gesprochen. Konkrete Angebote sind an die zuständige Fachabteilung zur Prüfung gegeben worden.
Die Union hält sich viel auf ihre wirtschaftspolitische Kompetenz zugute, und auch auf ihre Nähe zur Wirtschaft. Bei uns
, so kommentiert ein Fraktionsvize am Telefon süffisant, gilt es noch nicht als verdächtig, wenn jemand viel Geld verdient. Die Grünen mit ihren abgebrochenen Berufsausbildungen kommen da eben erst gar nicht in Verlegenheit.
Dass ein Gesundheitsminister, der mit Pharmafirmen über Millionenverträge verhandeln soll, gelernter Bankkaufmann ist und sein Politikstudium 2017 mit einer Abschlussarbeit über Die freiwillige Regulierung des Verhältnisses von pharmazeutischer Industrie und Ärzteschaft
beendete, gilt in der Union als Asset. Seine Freundschaft mit dem Pharmalobbyisten Max Müller, mit dem Spahn sich 2006 als Abgeordneter an der Gründung einer Lobby-Agentur beteiligte, das hatte für Parteifreunde schon eher etwas Anrüchiges.
Jedenfalls ahnen alle Beteiligten – von Spahn über den Fraktionsvorstand bis in die CSU-Spitze hinein –, dass der Fall Nüßlein kein Einzelfall bleiben wird. Schließlich ist um Masken, Schutzkleidung, Tests oder Impfstoffe ein regelrechter Schwarzmarkt entstanden. Viele Abgeordnete wollten in der Not auch einfach nur helfen. Andere waren Goldgräber. Die einen von den anderen zu trennen – das ist im Fall von Nüßlein jetzt Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Die Union ist nun bereit, ein Lobby-Register zu beschließen. Zeit-Online, von Mariam Lau
Berlin-Dahlem: Grundbuchamt nennt Kaufpreis für Spahns Millionen-Villa
Jens Spahn hat im Corona-Sommer ein Baudenkmal in Bestlage
erworben. Der Preis dafür kann kein Geheimnis bleiben – auch wenn Spahn es gerne so hätte.
Trotz Unterlassungsklagen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gegen Presseberichte über seinen millionenteuren Hauskauf in Berlin hat das Amtsgericht Schöneberg den Erwerb und die exakte Höhe des gezahlten Kaufpreises offiziell bestätigt.
Demnach sei es richtig, dass Herr Jens Spahn und Herr Daniel Funke ein Grundstück im Grundbuchbezirk Dahlem erworben haben
, heißt es in einem Schreiben des Gerichts an den Tagesspiegel. Spahn und sein Ehemann seien Mitte Oktober als neue Eigentümer eingetragen worden. Auch der Kaufpreis von mehreren Millionen Euro wird in dem Schreiben beziffert.
Spahn lässt Berichte über den exakten Preis sowie die Finanzierung bisher dennoch untersagen. Nach Ansicht seines Anwalts handele es sich um eine Privatangelegenheit und zudem um Informationen, die ganz offensichtlich rechtswidrig beschafft worden sind
.
Das Landgericht Hamburg hat sich dieser Ansicht vorerst angeschlossen und Spahns Antrag in erster Instanz stattgegeben, auch in einem Verfahren gegen den Tagesspiegel. Es sei der Presse zwar nicht verwehrt, über den Kauf zu berichten. Die Nennung der konkreten Zahlen verletze den Minister jedoch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, heißt es in dem Beschluss (Az.: 324 O 349/20). Ein begründetes Urteil liegt noch nicht vor.
Kredit mit Beziehung
Nach Bekanntwerden des Vorgangs im Sommer wurde der Minister dafür kritisiert, ungewöhnlich viel Geld für einen privaten Hauskauf zu verwenden, während andere Bürgerinnen und Bürger in der Coronakrise um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen müssten.
Hingewiesen wurde auch darauf, dass Spahn einen erheblichen Teil der Summe über die Sparkasse Westmünsterland finanziert haben soll, einem Kreditinstitut in der Nähe seiner nordrhein-westfälischen Heimat Ahaus, bei dem er als Bundestagsabgeordneter mehrere Jahre im Verwaltungsrat gesessen habe.
Zudem wurden Fragen aufgeworfen, wie der gelernte Bankkaufmann auch angesichts seines Ministergehalts einen solchen Kaufpreis schultern könne.
Statt eine öffentliche Debatte darum uneingeschränkt zuzulassen, entschied sich der Minister dafür, die Gerichte einzuschalten. Auf Anfrage lässt er seinen Anwalt mitteilen, die Informationen aus dem Grundbuchamt seien nicht öffentlich zugänglich
. Bloße Neugier
oder ein behauptetes journalistisches Interesse
reichten für eine Einsichtnahme nicht aus.
Eine Information, die in die Debatte gehört
Tatsächlich hat das für den Grundbuchbezirk Dahlem zuständige Amtsgericht Schöneberg sämtliche Informationen ohne weitere Darlegungen mitgeteilt. Möglich erscheint daher, dass Spahn Fehlvorstellungen darüber unterliegt, welche Informationen Behörden gegenüber der Presse mitzuteilen verpflichtet sind – und die demnach auch in die öffentliche Debatte gehören.
Ein Anhaltspunkt dafür könnte sein, dass der Tagesspiegel im Zusammenhang mit dem Thema Sterbehilfe Auskünfte des Bundesgesundheitsministeriums auch erst erhalten hat, nachdem vor den Verwaltungsgerichten Klage erhoben wurde. Wie die Justiz den Fall im Hinblick auf die nun vorliegenden Angaben des Amtsgerichts Schöneberg beurteilen wird, ist offen.
Ein Umzug des Paares hat derweil wohl noch nicht stattgefunden. In Medienberichten vom Oktober hieß es, die Villa sei wegen Bauarbeiten noch nicht bezugsfähig. Es handelt sich um ein Architektenhaus aus den zwanziger Jahren, bei dem offenbar noch Sanierungsbedarf besteht. Dem Bauherren sei es damals aber gelungen, eine vornehme
Villa zu erschaffen, wie es in einer frei zugänglichen Datenbank des Landes Berlin heißt. Tgs. Jost Müller-Neuhof
Mein Freund, Seine Exzellenz
Der Diplomat Richard Grenell, Donald Trumps neuer Botschafter in Deutschland, ist am Donnerstag offiziell im Weißen Haus vereidigt worden. Ausgerechnet Vizepräsident Mike Pence nahm dem 51-Jährigen in einer Zeremonie den Amtseid ab – Grenells Partner Matt Lashey, mit dem er seit 15 Jahren liiert ist, hielt dabei die Bibel. Der erste offen schwule US-Chefdiplomat in Deutschland brachte auch seine Mutter und seine beiden Brüder zur Zeremonie mit.
Bunteinterviewt Botschafter (8. Juni 2018 von Mats Schönauer)
Also den Mediengeschmack seines Chefs hat er schon mal. Kaum einen Monat im Amt, traf sich Richard Grenell, der frisch bestellte US-Botschafter in Deutschland, gleich mal zum Interview mit Breitbart
[1]. Drei Wochen zuvor hatte er schon die Bild
-Zeitung in seine Residenz geladen. Ein paar Tage später traf er sich mit Focus Online
.
Der vorläufige Höhepunkt seiner Qualitätsmedientour aber erschien gestern: Homestory in der Bunten
.
Hier residiert Donald Trumps neuer Botschafter
. (Im Sinne von: Da, wo die alten Botschafter auch schon residiert haben.)
Die weiße Villa, die sich hinter einem schmiedeeisernen Zaun und hohen Tannen im feinen Berlin Dahlem versteckt, wirkt, als sei sie gerade aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst worden.
Villa müsste man sein. Hundert Jahre schlafen und dann gleich so aussehen! Aber gut. Da sitzen sie jedenfalls nun, der Botschafter und sein Lebenspartner, im Garten ihrer Villa, genießen mit Hund Lola die Frühlingssonne bei einem Glas kalifornischem Rotwein zum Feierabend
und werden von der Bunten
interviewt.
Einstiegsfrage: Angela Merkel ist auch in den USA populär. Was bewundern Sie an ihr?
Nächste Frage: Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA scheint gerade etwas belastet. Was ist Ihr Plan,
Kritischer wird's dann auch nicht mehr, stattdessen gibt es viel Lob für Donald Trump, ein paar Fragen zur überstandenen Krebserkrankung des Botschafters, zu seiner Homosexualität, seiner Familienplanung. Kuschelig eben.to make it great again
?
Was der Leser bei all der Herzerei nicht erfährt: Daniel Funke, Leiter des Bunte
-Hauptstadtbüros und Verfasser des Interviews, ist privat mit dem Botschafter befreundet. Erst vor drei Wochen trafen sich die friends
noch zum Dinner: (Jens Spahn ist auch dabei, weil er mit dem Autor verheiratet ist.) Nun kann
, wie Klaus Raab im heutigen Altpapier
treffend festhält, der Mann eines Politikers natürlich einen Diplomaten und seinen Partner seine Friends nennen, auch wenn er Journalist ist. Schmierig wird es, wenn dieser Journalist anschließend eine Home-Story plus buntem Interview mit diesen Friends in der Zeitschrift platziert, deren Hauptstadtbüro er leitet – mit Fotos wie aus einem Luxuseinrichtungskatalog und mit Fragen, die sich die Pressesprecher der Friends kaum schöner hätten ausdenken können.
Wir haben bei der Bunten
nachgefragt, ob sie so etwas mit ihrer journalistischen Unabhängigkeit vereinbar hält und warum sie nicht erwähnt hat, dass Autor und Interviewpartner Kumpels sind, doch die Redaktion wollte sich nicht dazu äußern.
Der Botschafter jedenfalls ist trotz seiner noch jungen Amtszeit schon ordentlich angeeckt; nach seinem Breitbart
-Interview schaltete sich das Auswärtige Amt ein und bat um Aufklärung, deutsche Politiker kritisierten ihn scharf, manche forderten gar seine umgehende Ausweisung. Auch in seiner Heimat steht er in der Kritik, die New York Times
schrieb auf ihrer Meinungsseite erst vorgestern, warum Mr. Grenell does not, and should not, represent the United States
. Die Bunte
aber sieht das anders: Für Kanzlerin Angela Merkel könnte Seine Exzellenz zu einem wichtigen transatlantischen Brückenbauer werden.
Die Überschrift des Interviews lautet übrigens Amerikaner und Deutsche spielen im selben Team
, was auf eine Art dann doch ganz passend ist.
Und wie der Zufall es will, beim Hauskauf
von Daniel Funke und Jens Spahn handelt es sich tatsächlich um die Villa von Ex-Botschafter Grenell in Berlin-Dalem. Die ehemalige Villa vom Ex-US-Botschafter Grenell ist Spahns neues Zuhause. Zusammen mit seinem Ehemann pflegt Spahn übrigens eine enge Freundschaft zu Richard Grenell und dessen Ehemann, die beiden Pärchen sind befreundet.
[1] Breitbart News Network (auch Breitbart News, Breitbart oder Breitbart.com) ist eine US-amerikanische Nachrichten- und Meinungswebsite, die 2007 durch den Publizisten Andrew Breitbart gegründet wurde. Politisch wird sie rechtspopulistisch bis zur extrem rechten Alt-Right-Bewegung (far-right
) verortet und hat vor allem durch Falschmeldungen und der Verbreitung von Verschwörungsideologen Aufmerksamkeit erlangt. Das tägliche Radioprogramm der Sendung heißt Breitbart News Daily. Der Hauptsitz befindet sich in Los Angeles, weitere Niederlassungen in Texas, London und Jerusalem.
Kassenärzte werfen Spahn Test-Chaos
vor
Der Vize-Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Stephan Hofmeister, wirft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, in der Corona-Pandemie für ein Test-Chaos gesorgt zu haben. Zwar kämen nun vermehrt Schnelltests zum Einsatz, doch leider in einer absolut kurzfristigen, ja formal sogar rückwirkenden Umsetzung, die direkt beim Start zum Chaos geführt hat
, sagte Hofmeister dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Erst am Montag sei die neue Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums, die die Grundlagen der Testungen regele, bei den Kassenärzten eingegangen. Kein Wunder, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sich überrollt fühlen
, so Hofmeister. Voraussetzungen für ein Angebot in Arztpraxen sei eine ausreichende Verfügbarkeit von Tests sowie ein klares, unbürokratisches und rechtzeitig geregeltes Verfahren.
Zwar begrüße die KBV den vermehrten Einsatz von Schnelltests und halte diese auch für sinnvoll. Jedoch kritisierte Hofmeister: Es wird offenbar immer wieder vergessen, dass die vertragsärztlichen Praxen jeden Tag Millionen akut und chronisch Kranker sehen, diagnostizieren und behandeln und schon damit reichlich ausgelastet sind.
dpa
Stiko-Chef sieht Verstöße gegen Impf-Reihenfolge
Das Vorgehen der Bundesländer bei den Corona-Impfungen sorgt für Diskussionen. Nach Angaben des Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, setzen sich die Länder eigenmächtig über die Impfverordnung des Bundes hinweg. Der Ulmer Virologe sagte der Deutschen Presse-Agentur: De facto wird in den Ländern schon lange gegen die Priorisierung verstoßen.
Es seien schon jetzt viele geimpft worden, die nach wissenschaftlichen Kriterien der Priorisierung noch nicht an der Reihe wären - etwa Politiker, Erzieher, Lehrkräfte oder Polizisten. Ein Lockern der Priorisierung dürfe nicht dazu führen, dass die Schwächsten und Gefährdetsten für schwere Covid-19-Verläufe benachteiligt würden.
Ab April sollen die niedergelassenen Ärzte in Deutschland flächendeckend mit Corona-Impfungen beginnen sollen. Darauf einigten sich die Fachminister von Bund und Ländern am Montag in der Gesundheitsministerkonferenz. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) stehen fürs Impfen 75.000 Haus- und Facharztpraxen in Deutschland bereit. Wenn es genug Impfstoff gibt, kann es nach Modellrechnungen der KBV gelingen, am 1. August einen Impfvollschutz der gesamten Bevölkerung zu erreichen. Bis Sonntag wurden laut Bundesgesundheitsministerium 2,5 Millionen Menschen in Deutschland vollständig geimpft. Das sind drei Prozent der Bevölkerung. 5,2 Millionen Menschen haben mindestens eine Impfdosis erhalten.
Virologe Mertens erwartet mit der beginnenden Impfung durch Hausärzte eine weitere Aufweichung der Impfreihenfolge. Diese würden eine Priorisierung möglicherweise schwieriger machen
. Aber er traue den Hausärzten zu, sich möglichst bei ihren Patienten an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu halten. Zur zum Teil lautstarken Kritik am schleppenden Fortgang bei den Corona-Impfungen sagte Mertens, er könne beide Seiten verstehen. Die Länder müssten den Mangel an Impfstoff verwalten, zugleich möchten viele Menschen, die laut Priorisierung noch nicht an der Reihe sind, geimpft werden. Die Priorisierung war und ist nicht das eigentliche Problem, sondern der Mangel an Impfstoff
, sagte Mertens. Auch die fehlenden Möglichkeiten zur Umsetzung der Impfreihenfolge seien ein Problem. dpa
Politökonomin Göpel: Gegen Klimawandel ist Corona-Krise pillepalle
Die Politökonomin Maja Göpel (44) plädiert für eine radikale Wende hin zu nachhaltigerem Wirtschaften. In ihrem Bestseller Unsere Welt neu denken
beschreibt sie die Klimakrise und zeigt auf, was aus ihrer Sicht falsch läuft. Ich finde schon, dass Corona lehrt, das Leben zu schützen.
Verglichen mit der Umweltzerstörung, dem Absinken von Grundwasserspiegeln oder dem rasanten Artensterben sei die Corona-Pandemie pillepalle
.
Bisher haben wir an den großen Kreisläufen nichts getan
, sagte die Wissenschaftlerin, die Scientists for Future mitgründete und wissenschaftliche Direktorin des New Instituts in Hamburg ist. So sei 2008 nach der Bankenkrise ein verrottetes System
wieder aufgebaut worden. Es brauche meist Schocks von außen
, um Routinen zu unterbrechen.
Wichtig ist ihr in Corona-Zeiten, von Eltern und Kindern nicht immer mehr zu fordern. Wir sollten den Druck von der Schule nehmen, Bildung ist etwas anderes als Einbimsen und Ausspucken. Wir sollten loslassen vom Notendruck
, schlägt Göpel vor, die bei Potsdam wohnt und auch an der Leuphana Universität in Lüneburg lehrt. dpa
Verbandschef: Hausärzte können 2,5 Millionen Menschen pro Woche impfen
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, spricht sich für eine schnelle Einbindung der Haus- und Fachärzte beim Impfen aus. Wir sind 50.000 Hausärzte, dazu kommen Gynäkologen und Kinder- und Jugendärzte, die auch Eltern mitimpfen könnten
, sagt Weigeldt der dem Magazin WirtschaftsWoche
. Wenn jede Praxis im Schnitt zehn Patienten pro Tag schafft, dann schaffen wir sicher 2,5 Millionen Menschen pro Woche.
Reuters
Habeck sieht in Masken-Affäre strukturelles Problem in der Union
Grünen-Chef Robert Habeck sieht angesichts der Affäre um Profite von Bundestagsabgeordneten bei der Beschaffung von Corona-Masken ein grundsätzliches Problem in der Union. Keine Partei ist vor Einzelfällen von persönlichen Fehltritten gefeit. Aber im Fall der Union weist vieles darauf hin, dass es sich um ein strukturelles und systematisches Problem handelt
, sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur. Anscheinend sei in Vergessenheit geraten, dass Abgeordnete und Minister dem Wohle des Volkes verpflichtet seien, nicht dem eigenen.
Damit offenbart sich bei CDU und CSU ein krudes Verständnis von Macht, das das Vertrauen in die Integrität der demokratischen Institutionen beschädigt
, sagte Habeck. Die gesamten Vorgänge müssten systematisch aufgearbeitet werden. Es sei nicht allein mit empörten Worten getan.
Jetzt muss alles auf den Tisch - und jetzt heißt jetzt
, forderte Habeck. Alle Verträge des Gesundheitsministeriums, alle Akten im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzmaterialien sind offenzulegen. Und es ist an der Unionsführung, dafür zu sorgen, dass ihre Abgeordneten zügig detailliert darlegen, ob und in welcher Höhe sie möglicherweise im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzmaterialien profitiert haben.
Habeck erinnerte: Vor gut einem Jahr haben wir als Partei eine Pandemiewirtschaft gefordert. Ich befürchte, die Union hat eine Vetternwirtschaft daraus gemacht.
dpa
Weniger als 100 Todesfälle – aber steigende Neuinfektionen
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 8103 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 96 neue Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Sonntag hervor. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 03.11 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich.
Am Sonntag sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 7890 Neuinfektionen und 157 neue Todesfälle verzeichnet.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Sonntagmorgen bundesweit bei 66,1 - und damit im Vergleich zum Vortag (65,6) etwas höher. Die Zahl der neuen Ansteckungen in Deutschland war im Januar und Februar über Wochen deutlich zurückgegangen. Zuletzt stagnierte sie allerdings, was auch an der Verbreitung ansteckenderer Varianten liegen könnte.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.500.182 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.304.300 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 71.900.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Samstag bei 1,06 (Vortag 1,04). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 106 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Wie Abgeordnete von Deals mit Coronamasken profitierten
Dutzende Bundestagsabgeordnete haben sich für das Geschäft mit Schutzmasken interessiert. CDU-Generalsekretär Ziemiak nennt das zutiefst unanständig
. Die Affäre um mutmaßlich bezahlte Maskenlobbyisten aus dem Bundestag ist größer als bisher bekannt. Einem Bericht des Spiegel
zufolge haben außer dem CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein weitere CDU-Abgeordnete dabei mitgemischt. Einer kassierte demnach für die Vermittlung von Mund-Nase-Abdeckungen Provisionen, ein anderer soll zum Beispiel im Bundesgesundheitsministerium für Firmen aus dem eigenen Wahlkreis Lobbyarbeit betrieben und davon profitiert haben.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisierte die Betroffenen scharf. Ich empfinde es als zutiefst unanständig, dass sich Parlamentarier mit der Masken-Beschaffung in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bereichert haben
, schrieb er am Freitag auf Twitter. Die Bürgerinnen und Bürger, die Mitglieder der CDU und er selbst hätten dafür kein Verständnis.
Als Generalsekretär der CDU erwarte ich, dass dieses Fehlverhalten aufgeklärt und vollständig aus der Welt geschafft wird. Nicht irgendwann, sondern jetzt
, schrieb Ziemiak weiter. Es kann nicht sein, dass Einzelne die ganze Union und die harte Arbeit aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie der Bundesregierung in Verruf bringen.
Der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel, nach eigenen Angaben neben seinem Mandat als Unternehmensberater und Immobilienentwickler tätig, bestätigte dem Spiegel
, 250.000 Euro Provision erhalten zu haben. Der 34-Jährige bot Unternehmen aus dem Gesundheitssektor an, ihnen Schutzmasken der baden-württembergischen Firma Bricon Technology GmbH zu vermitteln.
Inzwischen räumte er Fehler ein und kündigte an, sich aus dem Auswärtigen Ausschuss zurückzuziehen. Als Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit sensibler handeln müssen
, teilte er am Freitag auf Anfrage mit.
In einer E-Mail Löbels vom 24. April 2020, in der er sich als Abgeordneter vorstellte und über die auch die Bild
-Zeitung berichtet, heißt es, über ihn könnten OP-Masken für 60 Cent ab einer Bestellmenge von 600.000 bezogen werden: Je nach Auftragsmenge ist hier am Stückpreis noch etwas machbar
, zitiert die Bild
Löbel.
Für FFP2-Masken würden 4,40 Euro pro Stück fällig.
Und dann kommt Löbel den Berichten zufolge zum Punkt: Für jede Maske, die über mich bei Bricon bezogen wird, erhalte ich vom Käufer 0,12 Euro zzgl. MwSt. je nach Bestellung.
Details könne man in einer Telefonkonferenz klären, zitiert der Spiegel
aus der Mail.
Löbel: Die Kaufpreise und Provisionen waren marktgerecht
Löbel bestätigte dem Blatt, dass er unter anderem eine Kette von Seniorenheimen und eine Krankenhausgesellschaft als Kunden gewonnen habe. In einer Mail an eine andere Firma soll er dem Bericht zufolge noch mehr Provision gefordert haben: 40 Cent für deutsche Kunden, 24 Cent für internationale. Die Firma lehnte aber ab.
In einer Stellungnahme Löbels heißt es der Bild
zufolge nun, die Vermittlungsarbeit durch seine private Projektmanagement GmbH habe nichts mit meinem Abgeordnetenmandat, geschweige denn mit einer rechtswidrigen Einflussnahme auf Schutzmasken-Bestellungen durch öffentliche Auftraggeber zu tun
. Er habe für die GmbH gehandelt
und nicht in Ausübung des Mandates
.
Dem Spiegel
sagte Löbel: Die von mir vermittelten Masken wurden dringend benötigt, und die vermittelten Kaufpreise und Provisionen waren marktgerecht.
Allerdings gesteht Löbel ein, ihm habe damals die erforderliche Sensibilität gefehlt
. Der Politiker, der seit 2017 im Bundestag sitzt, sagt: Rückblickend betrachtet waren die Vermittlungen falsch.
Vergangene Woche hatte der Fall des CSU-Abgeordneten und Vizefraktionschefs Nüßlein Empörung ausgelöst. Die Generalstaatsanwaltschaft München verdächtigt ihn, 660.000 Euro Provision dafür kassiert zu haben, dass er sich in diversen Bundes- und Landesministerien für Maskendeals eingesetzt hat. Ihm werden nun Steuerhinterziehung und Abgeordnetenbestechlichkeit vorgeworfen. Ermittler durchsuchten 13 Orte, darunter Nüßleins Abgeordnetenbüro im Bundestag. Der Bundestag hatte Nüßleins Immunität aufgehoben.
Am Freitag ließ Nüßlein dann über seinen Anwalt mitteilen, dass er sich aus der Politik zurückziehe. Er werde sein derzeit ruhendes Amt als stellvertretender Unionsfraktionschef niederlegen und bei der Bundestagswahl im September nicht mehr kandidieren.
Wie der Spiegel
weiter berichtet, hätten sich in den Panikmonaten der Pandemie im März und April 2020 viele Bundestagsabgeordnete für das lukrative Geschäft mit den weltweit knappen Schutzmasken interessiert. Firmen riefen sie an oder schickten Mails und baten um Unterstützung.
Der Spiegel
konnte nach eigenen Angaben fast zwei Dutzend Abgeordnete recherchieren, die sich im Maskengeschäft tummelten. Mit Ausnahme von Löbel haben demnach aber alle Politiker bestritten, Provisionen oder andere Gegenleistungen erhalten zu haben.
Von Schützenhilfe über Grauzone bis zu Bereicherung
Einige hätten demnach für Lieferanten beim Bund geworben, andere sich später dafür eingesetzt, dass die Firmen vom Gesundheitsministerium ihr Geld bekommen. Dabei bewegten sich die Parlamentarier in einer Zone zwischen unproblematischer Schützenhilfe für ihre Wahlkreisunternehmen über fragwürdige Türöffner-Aktivitäten und Inkasso-Unterstützung bis hin zu handfester Bereicherung
, schreibt das Blatt.
Das Magazin beschreibt dazu den Fall des hessischen Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer (CDU), der sich dem Bericht zufolge für die Stone Alliance GmbH aus seinem Wahlkreis in Wetzlar eingesetzt habe. Das Unternehmen ist normalerweise im Geschäft mit Natursteinen tätig. Nach eigenen Angaben beschafft es unter anderem Material für den Fassadenbau und gibt als Referenzen das Hotel Adlon oder den Berliner Hauptbahnhof an.
In den Wochen nach dem Ausbruch der Pandemie stieg Stone Alliance in das Geschäft mit Schutzmasken ein, wie die Firma dem Spiegel
bestätigte. Dem Bericht zufolge hatte Stone Alliance Masken an das Bundesgesundheitsministerium geliefert, wurde aber nicht bezahlt Auf Bitten des Geschäftsführers habe Irmer schriftlich bei Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angefragt, inwieweit man der Firma Stone Alliance helfen kann
. Dies habe der 69-jährige Irmer bestätigt, so der Spiegel
. Eine Antwort des Minister habe es auch gegeben: Die Rechnung sei zeitnah beglichen worden.
SPD-Chefhaushälter Rohde ist empört über Union
Im September 2020 schaltete eine andere Firma des Geschäftsführers von Stone Alliance eine Anzeige im Wetzlar Kurier
. Im Impressum wird Hans-Jürgen Irmer als Herausgeber geführt. Das Unternehmen und Irmer bestreiten, dass die Anzeige eine Gegenleistung für den Einsatz bei Spahn gewesen sei. Das sei ein ganz normaler Vorgang
. Er schreibe im Jahr 500 bis 1.000 Briefe, sagte Irmer, und achte darauf, dass alles ordnungsgemäß abläuft
. Wie viel Geld Irmer mit der Anzeige im September 2020 einnahm, habe er nicht beantworten wollen, schreibt der Spiegel
.
Die SPD warnt, die Bereicherungsfälle unterminierten das Vertrauen in Politik. Als Politiker ist es unser Job, verantwortungsvoll zu handeln und dafür zu sorgen, dass unser Land gut durch diese Krise kommt
, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dem Tagesspiegel. Es sei ganz sicher nicht
Aufgabe von Politikern, sich in der Pandemie persönlich zu bereichern. Wer so etwas dennoch macht, handelt schäbig und zutiefst unanständig
, fügte er hinzu: Das zerstört Vertrauen in Politik insgesamt.
SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde sagte der Bild
: Wir haben viel Geld der Steuerzahler in die Hand genommen, um die Folgen dieser schrecklichen Pandemie bestmöglich zu bekämpfen. Es widert mich an, dass Kollegen aus CDU und CSU dieses Geld und diese Krise offenbar nutzen, um sich persönlich zu bereichern. Die Frage, die sich jetzt aufdrängt: Wie viele Unionskollegen haben noch solche Deals abgeschlossen und wie viel wusste Bundesgesundheitsminister Jens Spahn davon?
Bundestag diskutiert die Vorfälle
Die Vorgänge wurden am Freitag auch in einer Aktuellen Stunde im Bundestag diskutiert. CDU und CSU stehen in der Verantwortung, ihren Laden aufzuräumen
, sagte in der hitzig geführten Debatte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann. Sie stehen in der Verantwortung, diesen schwarzen Filz aufzuklären.
Ihr FDP-Kollege Marco Buschmann sagte: Es kostet uns Vertrauen, wenn der Eindruck entsteht, dass hier einige sich die Taschen vollmachen anstatt für das Wohl des deutschen Volkes zu arbeiten.
Spiegel, Sven Lemkemeyer
Der Professor und sein Impfstoff
Winfried Stöcker hat in einem einfachen Verfahren einen Antigen-Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt. Doch statt Lob und Unterstützung gab es eine Strafanzeige.
Der Lübecker Forscher Winfried Stöcker entwickelt ein Antigen gegen das neuartige Coronavirus und verimpft es Freiwilligen ohne Genehmigung. Auf die Menschenversuche folgen juristische Maßnahmen – und ein merkwürdiger Beitrag von Spiegel TV.
Im kleinen Ort Groß Grönau in Schleswig-Holstein forscht Winfried Stöcker in seinem Labor. Dort hat der Lübecker Mediziner, Forscher und Unternehmer ein Antigen entwickelt, mit dem er Covid-19 bekämpfen will. Sich selbst und hundert Freiwilligen habe er das Antigen auch schon gespritzt. Der Wirkstoff ist allerdings nicht zugelassen und eine Genehmigung, ihn Probandinnen und Probanden zu verabreichen, hat Winfried Stöcker auch nicht.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), welches für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland zuständig ist, und das Landesamt für soziale Dienste (LAsD) in Schleswig-Holstein reagieren darauf mit einer Anzeige.
Genau zu diesem Vorgang hat Spiegel TV am 3. März 2021 einen Videobeitrag ausgestrahlt, der seitdem auch in den sozialen Netzwerken kursiert. Schon die Anmoderation des Beitrags suggeriert folgendes Bild, das sich im Beitrag fortsetzt: Das Antigen-Mittel sei ein Wundermittel
eines mutigen Impfstoff-Entwicklers
, welches von offiziellen Stellen ausgebremst
werde. Das Antigen soll eine mögliche Lösung sein für das Impfchaos
, in dem Deutschland im Augenblick versinke. Wie das funktionieren soll, wird aber nicht erklärt.
Nicht nur aus wissenschaftlicher, sondern auch aus journalistischer Sicht lässt der Beitrag viele Fragen offen. Die Gegenseite kommt nämlich nicht zu Wort. Es werden nur einzelne Passagen aus den offiziellen Anzeigen des PEI und des LAsD zitiert. Der Fokus des Beitrags liegt auf den Vorteilen von Stöckers Antigen.
Unbelegte Behauptungen
Der Wirkstoff von Winfried Stöcker habe eine hohe Wirksamkeit, kaum Nebenwirkungen, sei rasch lieferbar, einfach herzustellen und zu kühlen und mit kleinen Modifikationen auch gegen die Mutanten des Sars-CoV-2-Virus wirksam. Belege oder Studien für diese Behauptungen hat Winfried Stöcker bislang nicht vorgelegt.
Seine Angaben zur Wirksamkeit stammen von einem Selbstversuch und den 100 Freiwilligen, denen Stöcker das Antigen verabreicht hat. 97 Prozent der Geimpften haben, Stöckers Aussage zufolge, hohe Konzentrationen an Antikörpern entwickelt. Wie hoch diese Konzentrationen genau sind, wird nicht angegeben. Sie sollen aber ausreichen, um das Virus zu neutralisieren. Entsprechende Unterlagen oder eine belastbare Einschätzung durch ein Labor werden im Beitrag nicht angeführt. Es seien alle von ihm Geimpften jetzt gegen Corona immun, sagt Stöcker - und setzt sich damit in einen Widerspruch zu den zuvor von ihm genannten 97 Prozent, die eine hohe Konzentration von Antikörpern nach der Verabreichung entwickelt haben sollen. Nicht die einzige widersprüchliche Aussage in diesem Beitrag.
Was Christian Drosten dazu sagt
Der Beitrag von Spiegel TV stützt sich auf die Aussage, dass renommierte Wissenschaftler die Wirksamkeit des von Stöcker entwickelten Antigens bestätigt hätten. Namentlich genannt wird der bekannte Virologe Christian Drosten. Das Video vermittelt den Eindruck, als ob Drosten von Stöckers unzulässigen Menschenversuchen gewusst und sie sogar gut geheißen hätte. Wer genau zuhört, merkt aber, dass Drosten in der E-Mail, die SpiegelTV zitiert, nur auf Stöckers persönlichen Selbstversuch eingeht:
Insgesamt kann ich ihren Selbstversuch gut nachvollziehen, aber man muss natürlich beachten, dass die Vermarktung eines Impfantigens sehr hohe Qualitätsansprüche erfüllt, wenn man den Impfstoff vermarkten will.
[Christian Drosten in einer E-Mail an Winfried Stöcker (laut Spiegel TV)
Im Beitrag heißt es weiter, dass der bekannte Virologe dem Lübecker Forscher anbot, Neutralisationstests durchzuführen. Damit wird überprüft, ob sich durch die Impfung Antikörper gebildet haben, die Viren ausschalten können. Im Text des Videobeitrags ist dazu von mehreren Geimpften
die Rede. Tatsächlich gibt Stöcker im Originalton aber wiederum nur an, dass er Serum – also Blut – von sich selbst zu Drostens Labor geschickt habe. Von anderen Proband:innen ist dann keine Rede mehr.
Bewusste Manipulation?
Im Bild sind währenddessen Unterlagen zu sehen, die Stöcker sichtet. Bei genauem Hinsehen zeigt sich: Es handelt sich dabei um einen Gesamtbefund
aus Stöckers eigenem Labor, einen internen Lieferschein seiner ehemaligen Firma und einen E-Mail-Verlauf mit einem Absender, dessen Namen zwar dem von Drosten durchaus ähnelt, der aber eben nicht jener von Christian Drosten ist. Das alles ist zu sehen, während im Text von Neutralisationstests bei Dr. Christian Drosten die Rede ist. So entsteht der Eindruck einer sehr umfangreichen Korrespondenz mit ebenso umfangreichem Datenaustausch zwischen Drosten und Stöcker in Bezug auf diese Tests.
Wenn man all das außer Acht lässt, bleibt nur noch Stöckers Aussage: Dass die Neutralisationstests im Labor der Charité ergeben haben, dass die in seinem eigenen Körper gebildeten Antikörper in der Lage gewesen seien, das Virus zu neutralisieren. Zumindest theoretisch ist das möglich. Die Wirksamkeit des Antigens als Impfstoff wäre damit aber noch lange nicht erwiesen. Die wird nämlich nicht nur im Labor ermittelt – und schon gar nicht anhand nur einer einzigen Probe.
Ermittlungen gegen Stöcker
Dass die Staatsanwaltschaft gegen Winfried Stöcker ermittelt, ist kein Wunder: Wenn er tatsächlich ohne die dafür erforderliche Erlaubnis anderen Personen einen ungeprüften Impfstoff gespritzt hat, verstößt das gegen alle Regeln der Zulassung von Medikamenten. Denn wer einen vielversprechenden medizinischen Wirkstoff entdeckt, muss in der EU folgende Schritte einhalten, ehe die Substanz bei Menschen zum Einsatz kommen darf:
Zuerst muss im Reagenzglas und später in Tierversuchen geklärt werden, ob ein möglicher Impfstoff oder ein Medikament voraussichtlich ungefährlich ist. Dabei steht die Sicherheit im Mittelpunkt: Gibt es Hinweise auf toxische Effekte oder eine krebsfördernde Wirkung? Werden Embryonen geschädigt? Wird das Erbgut verändert?
Auch werden diese Ergebnisse in der Regel bereits in wissenschaftlichen Magazinen veröffentlicht, wo sie von unabhängigen Forschenden im sogenannten peer review
-Verfahren überprüft werden. Stöcker hat bisher keine Ergebnisse auf diese Art veröffentlicht.
Der erste Einsatz beim Menschen
Wenn sich in den Tierversuchen ein positiver Effekt ohne bedenkliche Nebenwirkungen abzeichnet, können Wissenschaftler den Antrag auf eine klinische Studie einreichen. In Deutschland muss das Paul-Ehrlich-Institut zustimmen; auch eine Ethikkommission aus Medizinern, Theologen, Juristen und Laien ist beteiligt. Wenn sie grünes Licht geben, kann Phase 1 beginnen: mit gesunden, jungen Freiwilligen werden Sicherheit und Verträglichkeit des Wirkstoffs geprüft. Meist laufen diese frühen Studien mit etwa sechzig bis achtzig Probanden.
Im nächsten Schritt werden Impfstoff oder Medikament an einigen hundert Freiwilligen getestet. Jetzt sind häufig auch ältere Menschen mit dabei. In Phase 2 prüfen die Forscher weiter die Sicherheit und suchen nun verstärkt auch nach der optimalen Dosis. Wie gut ein Impfstoff schützt, zeigt sich erst in Phase 3: Bei den Corona-Impfstoffen waren zehntausende von Probandinnen und Probanden beteiligt. Je eine Hälfte der Teilnehmenden hat den Impfstoff bekommen, die andere nur ein Placebo – frühestens nach zwei Monaten wird die Schutzwirkung beurteilt.
Erst wenn alle drei klinischen Testphasen erfolgreich verlaufen sind, ist die Zulassung einer neuen Wirksubstanz möglich. In Europa prüft die EMA, die Europäische Arzneimittelagentur, die Daten – bei Corona-Impfstoffen im beschleunigten rolling review
-Verfahren. Bei den Studien zu Corona-Impfstoffen dürfen die Hersteller ausnahmsweise auch Studienphasen gleichzeitig laufen lassen. Ehe ein neuer Impfstoff in Deutschland auf den Markt kommt, muss er dann noch vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassen werden.
Stöckers Impfstoff
Aber was ist das überhaupt für ein Impfstoff, den Winfried Stöcker entwickelt haben soll? Bei dem Wirkstoff handelt es sich um eine Protein-Untereinheit des Spike-Proteins des Coronavirus. Ein Protein-Impfstoff also – bei weitem keine neue Idee. Viele Grippe-Impfstoffe zum Beispiel funktionieren nach diesem Prinzip.
Und auch was Corona-Impfstoffe angeht, betritt Stöcker kein Neuland: Viele Pharmaunternehmen, zum Beispiel das US-Unternehmen Novavax, entwickeln auch gegen das Coronavirus Protein-Impfstoffe. Die europäische Arzneimittelagentur hat für das Vakzin von Novavax Anfang Februar ein rolling review
-Verfahren eingeleitet, bei dem laufend Daten des Herstellers gesichtet werden. Alle vier bisher in der EU zugelassenen Impfstoffe durchliefen ebenfalls dieses Verfahren.
Keine neue Idee
Novavax gibt für seinen Impfstoff eine Wirksamkeit von knapp 90 Prozent an – also in dem Bereich, den auch Winfried Stöcker für seinen Impfstoff angibt – allerdings ging Novavax den korrekten Weg, um zu dieser Zahl zu gelangen: Nach den präklinischen Tests und der klinischen Phase-1- und -2-Studie wurde der Impfstoff in der Phase-3-Studie 15.000 Menschen verabreicht. Weitere 15.000 erhielten ein Placebo.
Stöcker dagegen kann keine Aussage treffen, ob und in welcher Häufigkeit durch seinen Impfstoff Infektionen komplett vermieden werden können oder ob und in welcher Häufigkeit schwere oder mittelschwere Verläufe vermieden werden. Um all diese Daten zuverlässig erheben zu können, müssen eben tausende bis zehntausende Menschen untersucht werden.
Winfried Stöcker veröffentlichte das Rezept
für seinen Impfstoff in seinem Blog. In dem Artikel sagt er, bei seinem Impfstoff bestehe kein Infektionsrisiko wie bei den mRNA- und Vektorimpfstoffen. Es ist nicht ganz klar, was er damit meint, denn weder bei mRNA- noch bei Vektorimpfstoffen werden replikationsfähige Krankheitserreger verabreicht. Die Nebenwirkungen bei seinem Impfstoff seien gering, sagt Stöcker, was stimmen mag, allerdings lässt sich von seiner Testgruppe mit 100 Personen kein zuverlässiges Nebenwirkungsprofil erstellen. Nebenwirkungen, die bei einer von 1.000, 10.000, 100.000 oder 1.000.000 Personen auftreten könnten, hat Stöcker wahrscheinlich nicht entdeckt. Ob er die Nebenwirkungen bei seinen Freiwilligen überhaupt überwacht, bleibt zumindest fraglich.
Nebenwirkungen sind durchaus zu erwarten
Dass der Impfstoff ein Adjuvans – einen Wirkverstärker – beinhaltet, verschweigt Stöcker zwar nicht, unerwähnt bleibt aber, dass dadurch die Gefahr von Nebenwirkungen steigt. Das verwendete Adjuvans Alhydrogel gilt zwar als relativ sicher, kann aber dennoch zu Nebenwirkungen führen. Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion oder mit einer Aluminium-Allergie sollte solch ein Impfstoff nicht verabreicht werden.
Das alles muss nicht heißen, dass Stöckers Impfstoff nicht wirksam und sicher ist. Das Paul-Ehrlich-Institut bot ihm laut eigener Aussage auch an, ihn wissenschaftlich und in Fragen der Genehmigung von klinischen Studien und des Zulassungsverfahrens zu unterstützen. Gleichzeitig wurde Stöcker informiert, dass die von ihm beschriebene Impfung von damals vier weiteren Personen als eine nicht genehmigte klinische Prüfung
gewertet werden könne und strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Dieses und weitere Beratungsangebote schlug Stöcker nach Angaben des PEI allerdings aus.
Wird das Mittel trotzdem verimpft?
Spiegel TV muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sich durch die unkritische und dadurch tendenziöse Berichterstattung mit den fragwürdigen Praktiken Stöckers gemein gemacht zu haben. Im TV- Beitrag weist Stöcker zum Schluss auch darauf hin, dass er nun einen Plan B verfolge. Nämlich jenen, den Impfstoff nicht herzustellen, aber die Rezeptur für seinen wichtigsten Bestandteil - das Antigen - auf seine Homepage zu stellen. Mit der Offenlegung der Rezeptur des von ihm entwickelten Antigens könne dann jeder Arzt seinen eigenen Impfstoff herstellen und seinen Patienten verimpfen
. Fraglich ist, ob das rechtlich zulässig ist. Das Paul-Ehrlich-Institut, welches in Deutschland für die Zulassung von Impfstoffen zuständig ist, erklärt, dass Winfried Stöcker in verschiedenen Interviews den Begriff des individuellen Heilversuchs verwendet habe, der es ihm als Arzt erlaube, nicht zugelassene Medikamente bei Freiwilligen einzusetzen. Ganz so einfach sei die Sache allerdings nicht:
Eine prophylaktische Impfung kann schon per Definition kein Heilversuch sein. Und bis zu welcher Größenordnung von Anwendungen man von
[Dr. Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul Ehrlich Institutsindividuell
sprechen kann, müssen gegebenenfalls Gerichte klären.
Auch der Pharmarechtsexperte Professor Wolfgang Voit von der Universität Marburg meint, dass der Begriff individueller Heilversuch hier vermutlich nicht angewendet werden kann. Er sieht noch weitere rechtliche Schwierigkeiten:
Arzneimittelrechtlich kommt zunächst ein Verstoß gegen § 21 AMG in Betracht, weil auf der Internetseite angeboten wird, die Antigene gefriergetrocknet zuzusenden.
[Pharmarechtsexperte Wolfgang Voit
Ob das angebotene Produkte ein Fertigarzneimittel iSd. § 4 Abs. 1 AMG ist oder ob noch weitere Herstellungsschritte erforderlich sind, kann der Jurist nach dem Internetauftritt von Stöcker nicht beurteilen. Allein der Umstand, dass der Wirkstoff für die Anwendung vorbereitet werden muss, schließt aber nach §4 Abs. 31 AMG nicht aus, dass es sich um ein Fertigarzneimittel handelt.
Sollte es sich um ein Fertigarzneimittel handeln, so wäre bereits das Anbieten strafbar, auch wenn damit keine Gewinnerzielungsabsicht verbunden ist.
[Professor Wolfgang Voit, Sprecher der Forschungsstelle für Pharmarecht Uni Marburg
Ein SPIEGEL-TV Film von Gudrun Altrogge
Gesetzesvorschlag noch im März Grüner Pass
soll europaweit kommen
Damit das Reisen innerhalb der EU einfacher wird, schwebt der EU-Kommission ein grüner Pass
nach israelischem Vorbild vor. Bis Ende des Monats will Kommissionschefin von der Leyen den Mitgliedsländern einen Gesetzesvorschlag unterbreiten. Doch die Anforderungen sind komplex.
Die EU-Kommission will im März einen Gesetzesvorschlag für die Einführung eines europaweit einheitlichen Passes für Geimpfte vorlegen, der letztlich auch Urlaubsreisen ermöglichen könnte. In den kommenden Monaten sollen die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Rede vor Vertretern der Unionsparteien. Sie verwies dabei auf eine entsprechende Vereinbarung des EU-Gipfels.
Auf Twitter erklärte von der Leyen danach, der Ausweis solle belegen, dass ein Mensch geimpft sei, oder Corona-Testergebnisse derjenigen enthalten, die noch keinen Impftermin hatten. Auch Informationen über Menschen, die von einer Corona-Erkrankung genesen seien, sollten aufgenommen werden. Damit der grüne Pass
ein Erfolg werde, brauche Brüssel die Unterstützung aller Mitgliedstaaten
, sagte von der Leyen laut Redetext. Dies gelte auch für Deutschland.
Tatsächlich gilt das Vorhaben als komplex. Jeder Mitgliedstaat schafft nun sein eigenes digitales Impfzertifikat. Die EU-Kommission soll dann dafür sorgen, dass diese über eine zentrale Plattform kompatibel sind. Von der Leyen verwies dabei auch auf Vorgaben für Datenschutz und Sicherheit.
In Israel Vorteile für Geimpfte
Die Kommissionspräsidentin hatte nach dem Gipfel der Staats - und Regierungschefs gesagt, es werde mindestens
drei Monate dauern, um die technischen Voraussetzungen für den EU-Impfausweis zu schaffen. Corona-Geimpfte sollen vor allem fälschungssicher ihre Immunisierung nachweisen können. Das könnte über ein einheitlich lesbares Dokument mit QR-Code geschehen, das man auf Papier oder auf dem Smartphone bei sich tragen könnte - ähnlich wie ein Bahnticket.
Ob dieses Dokument Erleichterungen bei Reisen oder dem Besuch von Restaurants oder Veranstaltungen bringen würde, ist offen. Es bliebe wohl den einzelnen EU-Staaten überlassen. In Israel sind mit dem grünen Pass
Vorteile für Geimpfte verbunden. ntv.de, jug/AFP/dpa
Verkrustete Verwaltung: Deutschlands Abstieg zeigt sich nicht nur beim Impfen
Deutschlands Ruf in der Welt entspricht immer weniger der Realität. Eine tiefgreifende Reform des öffentlichen Sektors ist nötig. Not macht erfinderisch, so lautet ein Sprichwort. Ist es vielleicht ein Mangel an Not, der dazu führt, dass Deutschland im internationalen Vergleich inzwischen zurückfällt? Behäbigkeit muss man sich schließlich leisten können.
Besonders krass ist der Unterschied zwischen dem wohlalimentierten und verfetteten öffentlichen Sektor, der – wie sich jetzt zeigt – auch in der Not nicht in der Lage ist, effizient zu liefern, und dem privaten Sektor, der Firmen wie Biontech hervorbringt. Die Babyboomer, heute in ihren späten Fünfzigern, sind aufgewachsen in dem Bewusstsein, im bestfunktionierenden Land der Welt zu leben.
Nun sehen sie mit Staunen, dass sogar Länder wie Marokko das Impfen besser hinkriegen. Von Israel gar nicht zu reden, wo man bei Freibier in der Kneipe geimpft wird und danach einen Barcode erhält, der einem die Freiheit zurückgibt, Restaurants und den Fitnessclub zu besuchen.
Die Rückgabe entzogener Rechte - kein Privileg
Hierzulande diskutiert man Privilegien
für Geimpfte, statt zutreffend zu sagen, dass es sich dabei um die Rückgabe zuvor entzogener Rechte handelt, also um die Rückkehr in den Normalzustand. Nur wer sich an den Entzug von Freiheiten schon gewöhnt hat, kann deren Erteilung als Privileg begreifen.
Es gab eine Zeit, da wurde Deutschland um seine effiziente Verwaltung beneidet.
Lenin wollte den Sozialismus nach dem Vorbild der Deutschen Post gestalten, die deutschen Universitäten waren der Neid der Welt, Japan begann seinen Aufstieg zur industriellen Großmacht mit einer Verfassung, die in Anlehnung an die Preußische Verfassung geschrieben wurde, und noch nach 1989 wurden die Handelsgesetzbücher der gerade demokratisierten osteuropäischen Staaten nach dem Muster des deutschen Handelsrechts reformiert.
Das Land hat noch immer einen bombigen Ruf, sein Pass gilt als wertvollster der Welt, doch der Ruf hat gelitten.
Der Impfstoff bleibt in den Kühlschränken
Geschäftsreisende staunen über Funklöcher auf wichtigen Bahnstrecken wie der zwischen den Metropolen Hamburg und Berlin. Länder wie Rumänien, Polen und Tschechien haben besseres Internet, die Baltenrepubliken sind durchdigitalisiert.
In Mexiko holt man sich seinen neuen Reisepass im Einkaufszentrum bei einer Zweigstelle der Behörde, und man kann ihn gleich mitnehmen statt sechs Wochen zu warten. In Berlin bekommt man nicht mal einen Termin, um den Pass zu beantragen.
Abgeschlagen ist das Land bei der Digitalisierung im Bildungswesen. Deutschland landete 2020 im weltweiten Vergleich bei der digitalen Ausbildung der Lehrer auf Platz 76 von 78 Plätzen, hinter Moldawien. Es zog Spott auf sich, weil es keinen Flughafen bauen konnte, und nun blickt die Welt verwundert auf die überbürokratische Impflogistik, die dazu führt, dass Impfstoffe in Kühlschränken bleiben.
Bei technischen Innovationen wird Deutschland von anderen überholt. Woher sollen die Ideen auch kommen angesichts des maroden Bildungswesens? Dabei kann es sich das Land gar nicht leisten, auch nur eine Begabung ungenutzt zu lassen – wie viele Biontechs hätten wir haben können?
Die aktuelle Krise sollte Anlass sein, eine tiefgreifende Reform der Verwaltung in Angriff zu nehmen. Deren Strukturen sind so verkrustet, dass es den Verantwortlichen leichter erscheint, ein ganzes Volk in den Lockdown zu schicken, als die Gesundheitsämter mit einer einheitlichen Software auszustatten. Tgs. ein Kommentar von Fatina Keilani
Die brasilianische Variante des Coronavirus ist ansteckender, gefährlicher und unempfindlicher gegenüber Antikörpern
Manaus wurde Anfang Jahr von einer brutalen zweiten Corona-Welle überrollt. Forscher sind überzeugt, dass eine neue Virusvariante die Ursache ist. Sie haben sie nun charakterisiert.
Seit Januar wird gerätselt, ob eine neue Sars-CoV-2-Variante namens P.1 oder eine bereits nachlassende Immunität für den massiven Anstieg an Corona-Infizierten und Toten in der brasilianischen Stadt Manaus verantwortlich ist. Eigentlich hatten Epidemiologen wie Bewohner gehofft, dass Manaus gar keine nennenswerte zweite Welle mehr erleiden müsste. Denn gemäss einer Antikörperstudie hatten sich bereits zwei Drittel der Menschen letzten April und Mai infiziert und sollten also immun sein.
Ein brasilianisch-britisches Forscherteam ist sich nun sicher, dass die Virusvariante P.1 einen erheblichen Anteil an der brutalen zweiten Welle in der Millionenstadt am Amazonas hat. Damit könnte der Fall Manaus zum Menetekel werden, was neue Virusvarianten selbst in einer Bevölkerung mit einer hohen Immunität anrichten können.
Dominante Variante in Manaus
Zum einen spricht laut den Forschern die zeitliche Abfolge für einen deutlichen Einfluss von P.1. Gemäss den genetischen Analysen ist die Variante Anfang November in Manaus entstanden. Ab Mitte Dezember rollte die zweite Welle durch die Stadt. In nur sieben Wochen übernahm P.1 dann sozusagen die Herrschaft über Manaus: Fast 90 Prozent aller Infizierten tragen es dort mittlerweile.
Zum anderen ist das Virus durch die angesammelten 17 genetischen Veränderungen im Vergleich zu den früher in Manaus und Brasilien zirkulierenden Sars-CoV-2-Varianten ansteckender geworden. P.1 sei um den Faktor 1,4 bis 2,2 einfacher zu übertragen, schreiben die Wissenschafter. Damit ist sie etwas ansteckender als die britische Variante. Noch könne man nicht sagen, ob die P.1-Infizierten eine höhere Viruslast aufweisen oder länger infektiös seien – oder ob beides zutreffe.
Zudem könnte das Risiko für einen tödlichen Verlauf durch eine P.1-Infektion erhöht sein. Allerdings ist noch unklar, ob die nun berechnete Erhöhung ausschliesslich eine Folge der neuen Eigenschaften von P.1 sei, betonen die Forscher. Denn da die Spitäler in Manaus im Januar komplett überlastet gewesen waren, könnte auch ein Teil der erhöhten Sterblichkeit in der zweiten Welle darauf zurückzuführen sein.
Antikörper binden schlechter an P.1
Die Mutationen verleihen P.1 eine weitere besorgniserregende Eigenschaft. So kann diese Corona-Variante bei 25 bis 61 Prozent der Genesenen in Manaus zu einer erneuten Infektion führen. Derzeit gibt es keine Daten, ob die Reinfektionen milder verlaufen. Der hohe Anteil an schweren Infektionen und Todesfällen seit Dezember lässt allerdings vermuten, dass dies keineswegs immer der Fall ist.
Möglicherweise ist auch die durch eine Impfung ausgelöste Immunantwort gegenüber P.1 schwächer als gegenüber anderen Virusvarianten. Dies lassen diverse Neutralisationsexperimente vermuten. Dabei werden Seren von Geimpften in der Zellkultur mit Zellen vermischt, die Sars-CoV-2 auf ihrer Oberfläche tragen. Man testet aus, ob die in den Seren enthaltenen Antikörper die Viren binden und somit neutralisieren können. Waren die Probanden mit dem chinesischen Impfstoff Coronavac geimpft worden, der in Brasilien vielfach eingesetzt wird, gab es fünf Monate nach der Impfung kaum noch effiziente Antikörper gegen P.1. Seren von mit Biontech/Pfizer-Vakzinen Geimpften zeigten eine mehr als zweifach verminderte Neutralisation.
Auch Vergleiche mit der Virusvariante namens B.1.351, die in Südafrika entdeckt wurde und derzeit dort dominiert, lassen vermuten, dass die in Europa und den USA verfügbaren Impfstoffe gegen die brasilianische Virusvariante weniger Schutz bieten. Denn manche der Mutationen, die in P.1 enthalten sind, kommen auch bei B.1.351 vor und führen dazu, dass Antikörper schlechter an die Viren binden.
In Neutralisationsexperimenten waren Seren von Geimpften, die die Biontech/Pfizer sowie die Moderna-Vakzine erhalten hatten, sechs- bis zehnmal weniger effektiv gegen B.1.351 als gegen alte
Virusvarianten. Und in klinischen Studien boten die Impfstoffe von AstraZeneca, Johnson & Johnson sowie Novavax einen geringeren Schutz gegen die südafrikanische Variante.
P.1 ist ebenso wenig wie die anderen neuen Virusvarianten nur ein lokales Problem. Auch P.1 verbreitet sich derzeit um den Globus. Bis Ende Februar wurden laut der Datenbank Gisaid, in der Experten aus aller Welt Genomdaten von Sars-CoV-2 veröffentlichen, in insgesamt 19 Ländern mehr als 450 Fälle von P.1 festgestellt. In der Schweiz sind 15 Fälle von P.1 registriert. In Deutschland wurde diese Virusvariante vorerst noch nicht entdeckt. Neue Zürcher Zeitung, Stephanie Lahrtz
RKI registriert 11.912 Corona-Neuinfektionen und 359 neue Todesfälle
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 11.912 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 359 weitere Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Donnerstag hervor. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 11.869 Neuinfektionen und 385 neue Todesfälle verzeichnet. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 5.20 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Donnerstagmorgen bundesweit bei 64,7 - und damit etwas höher als am Vortag (64,0). Vor vier Wochen, am 4. Februar, hatte die Inzidenz noch bei 80,7 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.
Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 71.240.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Mittwoch bei 0,93 (Vortag 0,94). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 93 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Lufthansa meldet Rekordverlust von 6,7 Milliarden Euro
Ein dramatischer Einbruch der Nachfrage hat der Lufthansa im Corona-Jahr einen Rekordverlust beschert. Unter dem Strich stand ein Minus von 6,7 Milliarden Euro, wie die größte deutsche Fluggesellschaft am Donnerstagmorgen mitteilte. Der Umsatz sank demnach von 36,4 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf nur noch 13,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.
Das vergangene Jahr sei das herausforderndste in der Geschichte unseres Unternehmens
gewesen, erklärte Firmenchef Carsten Spohr. Das betreffe die Kunden ebenso wie Mitarbeiter und Aktionäre. Die zur Eindämmung der Corona-Krise beschlossenen Einschränkungen hätten zu einem einzigartigen Nachfrageeinbruch im Luftverkehr
geführt.
Die Airlines der Lufthansa Group boten demnach 2020 nur rund ein Drittel der Flüge beziehungsweise eine Kapazität von 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an. Die Zahl der Fluggäste lag mit 36,4 Millionen bei nur 25 Prozent des Vorjahreswertes.
Jetzt müssen international anerkannte, digitale Impf- und Testnachweise an die Stelle von Reiseverboten und Quarantäne treten, damit Menschen wieder Familie und Freunde besuchen, Geschäftspartner treffen oder andere Länder und Kulturen kennenlernen können
, erklärte Spohr. Der Konzern rechnet indes mit einem schwierigen Jahr 2021 und erneuten Verlusten. Die Auswirkungen seien langfristig - erst Mitte des Jahrzehnts rechnet die Fluggesellschaft wieder mit einer Auslastung von 90 Prozent. AFP
Zitat:
Lufthansa bekommt Milliardenhilfen
Der Staat hilft der Lufthansa mit einem Rettungspaket im Umfang von neun Milliarden Euro. Darauf haben sich Airline und Bundesregierung geeinigt. Langfristig gesehen soll das für den Staat ein Gewinn sein.Nach langen Verhandlungen hat sich die Bundesregierung auf finanzielle Unterstützung für die von der Corona-Krise schwer getroffene Lufthansa verständigt. Wie das Bundeswirtschafts- und das Bundesfinanzministerium mitteilten, hat das Rettungspaket einen Gesamtumfang von neun Milliarden Euro. Es sieht verschiedene Hilfen und Eigenkapitalmaßnahmen vor.
Der Staat bewahrt die Fluggesellschaft demnach mit stillen Einlagen von insgesamt 5,7 Milliarden Euro, einem staatlich abgesicherten Kredit von bis zu drei Milliarden Euro und einer direkten Beteiligung an der Lufthansa in Höhe von 20 Prozent oder 300 Millionen Euro vor der Pleite.
Aufsichtsratsposten für Regierung
Die Hilfen sind laut Regierung mit Nachhaltigkeitszielen verbunden. Dabei gehe es unter anderem um die Erneuerung der Flotte.
Bedingungen für die Staatshilfe sind zudem, dass kein Staatsgeld in Steueroasen abfließen darf und Vorstandsmitglieder bis Ende September auf ein Fünftel ihrer Grundvergütung verzichten. Während der Stabilisierungsmaßnahmen dürfen keine Boni und Dividenden ausgezahlt werden.
Im Zuge des Programms bekommt der Staat auch zwei Aufsichtsratsposten. Diese sollen mit unabhängigen Experten besetzt werden. Über das staatliche Mitspracherecht hatte es lange Auseinandersetzungen gegeben.
Finanzminister Scholz hofft auf kleinen Gewinn
Der Bund will nach der Corona-Krise erst dann wieder bei der Lufthansa aussteigen, wenn es sich wirtschaftlich lohnt. Der Zeitpunkt hänge von der Lage und dem Geschick der Unternehmens ab, sagte Finanzminister Olaf Scholz.
Ziel sei mindestens ein kleiner Gewinn, der dem Staat auch helfen solle, die Corona-Hilfsmaßnahmen zu refinanzieren. Wenn das Unternehmen wieder flott ist, dann wird der Staat seine Anteile veräußern
, kündigte Scholz an. Der von der EU-Kommission genannte Zeitrahmen von sechs Jahren solle dabei nicht ausgereizt werden. Tagesschau vom 25.05.2020 23:46 Uhr
Zahl der Neuinfektionen in Polen binnen Tagesfrist fast verdoppelt
Die Zahl der Neuinfektionen in Polen schnellt drastisch hoch. Zuletzt habe es 15.698 neue Fälle binnen 24 Stunden gegeben, nach 7937 am Vortag, sagt der stellvertretende Gesundheitsminister Waldemar Kraska im Rundfunk. Ich habe keine guten Nachrichten. Die Zahlen von heute zeigen, dass die dritte Welle an Fahrt gewinnt.
Polen hatte zuletzt einige Beschränkungen gelockert, allerdings angekündigt, sie wieder zu verschärfen, sollten die Fallzahlen steigen. Reuters
Explosion bei Coronatest-Zentrum in Holland
Bei einem Corona-Testzentrum im nordholländischen Bovenkarspel ist ein Sprengkörper explodiert. Personen kamen nicht zu Schaden, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Die Polizei geht von einer gezielten Aktion aus, wie ein Sprecher im Radio sagte. Das Zentrum befindet sich in der Kleinstadt rund 50 Kilometer nördlich von Amsterdam.
Kurz vor 7.00 Uhr explodierte bei dem Zentrum nach Polizeiangaben ein Metall-Rohr. Fünf Fensterscheiben seien zu Bruch gegangen. Zu dem Zeitpunkt war nur ein Wachmann anwesend, wie die Polizei mitteilte. Der sei nicht verletzt worden. Sprengstoff-Experten der Polizei untersuchten das Gelände nach möglichen weiteren Sprengsätzen. Angaben zu möglichen Tätern machte die Polizei nicht.
Ende Januar war bei Protesten gegen den Lockdown in der Kleinstadt Urk im Nordosten Amsterdams ein Testzentrum angezündet worden. dpa
Brasilien meldet Tagesrekord an Corona-Toten
Brasilien hat bei den an einem Tag erfassten Corona-Toten einen neuen Höchstwert registriert. 1.641 Menschen sind nach Daten des Gesundheitsministeriums vom Dienstag (Ortszeit) innerhalb von 24 Stunden gestorben. Der bisherige Höchstwert hatte am 29. Juli bei 1595 gelegen. Insgesamt sind damit in Brasilien 257.361 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Neu infiziert haben sich 59 925 Menschen, womit die Zahl der Corona-Infizierten in dem größten Land Lateinamerikas auf mehr als 10,6 Millionen stieg. Nur in den USA und in Indien sind die Zahlen noch höher.
Brasilien, das erst im Januar mit Impfungen begann, ist eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder. Nachdem die Krankenhäuser zuletzt wieder an ihre Grenzen geratenen waren, hatte der Gesundheitsrat eine landesweite Ausgangssperre gefordert. Präsident Jair Bolsonaro, der mittlerweile auch den Sinn von Corona-Impfungen grundsätzlich in Zweifel zieht, hat das Virus von Anfang an verharmlost. Einschränkungen lehnte er aus wirtschaftlichen Gründen ab. Während Deutschland in den Lockdown ging, blieb Brasilien über Weihnachten, Sylvester, die Sommerferien und die Karnevalswoche weitgehend geöffnet. dpa
Drosten: B.1.1.7-Anteil mittlerweile bei 50 Prozent
Der Virologe Christian Drosten schätzt den Anteil der in Großbritannien entdeckten Corona-Variante B.1.1.7 an den Infektionen in Deutschland inzwischen auf ungefähr die Hälfte. Der Anteil dieser ansteckenderen Mutante werde weiter steigen, das sei unausweichlich, sagte der Leiter der Virologie an der Berliner Charité im Podcast Coronavirus-Update
bei NDR-Info vom Dienstag. In Großbritannien gebe es mittlerweile nur noch Reste anderer Varianten, B.1.1.7 dominiere vollkommen. Die Maßnahmen dort seien strenger, so Drosten.
Neue Daten zur Varianten-Ausbreitung werden in dieser Woche vom Robert Koch-Institut (RKI) erwartet. Labore hatten vergangene Woche von einem Anteil von rund 30 Prozent von B.1.1.7 in Stichproben gesprochen. Ersten Studien zufolge verursacht die Mutante auch häufiger schwere Krankheitsverläufe. Ihre bessere Übertragbarkeit gilt als großes Risiko für Lockerungen. dpa
Drosten warnt vor steigender Inzidenz durch Lockerungen
Der Virologe Christian Drosten hat vor den Beratungen der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor steigenden Infektionszahlen bei Lockerungen der Corona-Maßnahmen gewarnt. Drosten sagte am Dienstag im NDR-Podcast Das Coronavirus-Update
, es sei aus gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Überlegungen berechtigt, Maßnahmen zurückzunehmen. Nur muss man eben auch ganz neutral sagen, was dann auch passieren wird. Es wird passieren, dass dann die Inzidenz wieder steigt.
Der Chefvirologe der Berliner Charité verwies dabei auf eine Modellierung der Intensivmediziner, die eine Verlängerung des Lockdowns bis mindestens 1. April gefordert hatten, da ansonsten eine schwer beherrschbare dritte Corona-Welle drohe. Die für die Berechnungen genutzten Annahmen halte er für sehr realistisch
, sagte er. Drosten kritisierte zugleich das derzeitige staatliche Vorgehen bei den Impfungen. Er habe das Gefühl, dass da ein deutscher Perfektionismus entstanden
sei. Er rief dazu auf, dringend die Hausärzte und Betriebsärzte beim Impfen mit einzubeziehen.
Man kennt seine Pappenheimer als Hausarzt
, sagte Drosten. Die Hausärzte wüssten etwa, wer bevorzugt geimpft werden sollte oder auch wer zu einer Impfung bereit sei. Auch die Betriebsärzte wüssten genau, wen sie etwa innerhalb der Belegschaft bevorzugt gegen Grippe impfen lassen würden. Dieser menschliche Faktor wird im Moment nicht genutzt
, sagte der Virologe. AFP
Zu Ostern soll nicht gereist werden – außer zu Verwandten
Trotz der Corona-Pandemie können die Menschen in Deutschland Ostern 2021 wieder mit mehr Menschen feiern als im vergangenen Jahr. Das geht aus dem Entwurf für die für Mittwoch geplante Konferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Regierungschefs der Länder hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Grundsätzlich soll der Lockdown bis zum 28. März verlängert werden – aber mit ein paar Lockerungen. Die Beratungen sind jedoch noch im Fluss, mit Änderungen ist noch zu rechnen.
Mit Blick auf Ostern ist Folgendes zu beachten:
- Bund und Länder
appellieren
an die Menschen, auf nicht zwingend notwendigen Reisen im Inland und auch ins Ausland zu verzichten. Das heißt: Explizit verboten sind die nicht, sie sollten aber besser unterbleiben. - Anders als im ersten Lockdown vor einem Jahr sollen 2021 zu Ostern aber Verwandtenbesuche dezidiert möglich sein. Die Länder wollen dafür als Ausnahme von den sonst geltenden Kontaktbeschränkungen Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen aus dem Familienkreis zulassen. Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht mitgerechnet.
- Bei Rückreisen aus dem Ausland gilt weiterhin eine Quarantänepflicht von 10 Tagen. Sie kann auf 5 Tage verkürzt werden, wenn zu dem Zeitpunkt ein negativer Test vorliegt. Bei der Rückreise aus Gebieten mit ansteckenderen Virusvarianten gilt aber weiterhin eine strikte Quarantäne von 14 Tagen.
Virus-Varianten machen 50 Prozent der Neuinfektionen aus
Der Anteil der Virus-Varianten bei den Corona-Neuinfektionen liegt nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel mittlerweile bei rund 50 Prozent. Das sagte Merkel nach Informationen von Reuters am Dienstag in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig kündigt an, dass in ihrem Bundesland der Impfstoff von Astrazeneca für Personen aus der Impfpriorität zwei freigeben wird. Man könne es sich nicht leisten, Impfdosen herumliegen zu lassen, sagt sie. In den Impfzentren in Mecklenburg-Vorpommern waren in den vergangenen Tagen zahlreiche Termine zur Impfung mit Astrazeneca nicht wahrgenommen worden. Deshalb soll der Impfstoff auch für Erzieher, Lehrer, Polizisten im Außeneinsatz und Hausärzte sowie für chronisch Kranke bereitgestellt werden.
Schwesig fordert darüber hinaus den Bund auf, Schnelltests für wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens bereitzustellen. AFP
Impfstoff wird zum Ladenhüter
Forscher zu Astrazeneca-Zweifeln: Viele Mediziner verstehen grundlegende Statistiken nicht.
Der Astrazeneca-Impfstoff wird immer mehr zum Ladenhüter. Über eine Million gelieferte Dosen wurden bislang nicht verimpft. Viele Menschen haben Zweifel und verzichten lieber. Selbst Ärzte und medizinisches Personal. Woran liegt das?
Der Impfstoff Astrazeneca hat ein PR-Problem. Angefangen hat es mit einem medienwirksamen Clinch mit der EU und einer möglichen Bevorzugung Großbritanniens bei der Impfstoff-Vergabe. FOCUS Online berichtete. Nun sorgt die Wirksamkeit von lediglich
70 Prozent für Schlagzeilen.
Was viele dabei missverstehen: Eine Wirksamkeit von 70 Prozent bedeutet nicht, dass von zehn Geimpften drei krank werden.
Das Missverständnis: 70 Prozent wirksam heißt nicht, dass 30 Prozent krank werden
Denn die Wirksamkeit einer Impfstudie bezieht sich nicht auf die Gruppe der Geimpften, sondern auf die der Infizierten. Das erklären auch FOCUS-Online-Corona-Erklärerin Katharina Schüller, sowie der Berliner Psychologe und Risikoforscher Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer in ihrer Unstatistik des Monats.
Somit bezieht sich eine Wirksamkeit von 70 Prozent also keineswegs auf sieben von zehn Menschen, die zur Impfung gehen. Auch nicht auf alle Teilnehmer der Studie, ebenso wenig auf alle Menschen in Deutschland, die sich mit dem Vakzin impfen lassen. Sie ist eine relative Risikoreduktion, die sich auf die Zahl der Erkrankten bezieht, aber keine absolute Reduktion, die sich auf alle Geimpften bezieht
, erklären die Statistik-Experten.
Um den Unterschied zwischen der relativen und absoluten Risikoreduktion besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Grippeschutzimpfung: In der Altersgruppe zwischen 16 und 65 Jahren und einer Saison mit geringer Verbreitung des Grippevirus liegt die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung etwa bei 50 Prozent. Diese Zahl bedeutet aber nicht, dass 5 von 10 Geimpften vor der Grippe geschützt sind
, erklären die Experten der Unstatistik
.
Sie bedeutet, dass von je 100 Personen ohne Impfung zwei eine bestätigte Influenzainfektion bekamen, und von je 100 Personen mit Impfung nur eine.
Es handelt sich also um eine Reduktion um die Hälfte (50 Prozent). Bei einer Wirksamkeit von 70 Prozent, bei der das Risiko um 70 Prozent reduziert wird, würden in diesem Fall also anstatt zwei Menschen, nur 0,6 Personen erkranken.
Astrazeneca-Wirksamkeit für schwere Verläufe genauso hoch wie Biontech/Pfizer
Mit einfacheren Worten: Die Zahl bezieht sich auf die Verringerung von leichten Erkrankungen, also von 100 Erkrankten unter den Nichtgeimpften auf 30 unter den Geimpften. Als Erkrankung gilt mindestens ein Symptom wie leichtes Fieber und ein positives Testergebnis
, erklärt Gigerenzer im Gespräch mit dem Spiegel
.
Wichtig ist dabei auch: Die Angabe zur Wirksamkeit der Hersteller bezieht sich auf leichte Erkrankungen. Für schwere Verläufe oder gar Todesfälle gibt es noch keine belastbaren Daten, allerdings geht man hierbei von einer deutlich höheren Wirksamkeit des Vakzins aus. Und: Dazu gibt es erste Zahlen, die praktisch keinen Unterschied zwischen den Impfstoffen von Astrazeneca und Pfizer zeigen. Soweit wir es heute wissen, schützen beide Impfstoffe gleich gut vor schweren Verläufen
, so Gigerenzer weiter.
Zugegeben das Thema ist sehr komplex. Aber Ärzte und medizinisches Personal müssten die Berechnung doch verstehen?
Astrazeneca-Zweifel unter Medizinern: Viele verstehen selbst grundlegende Statistiken nicht
Gigerenzer hat als Bildungsforscher in vielen Ländern Ärzte und Medizinstudenten befragt und getestet. Seine Beobachtung schildert er dem Spiegel
: Die wenigsten Mediziner erhalten eine angemessene Ausbildung im Verständnis von Evidenz, also wie man auf Basis von Studienergebnissen die Wirkung einer Therapie oder Impfung richtig beurteilt.
Er beklagt: Viele Mediziner verstehen selbst grundlegende Statistiken nicht, weil das nicht ausreichend gelehrt wird. Es herrscht weitgehende, aber unnötige kollektive Zahlenblindheit.
Das Problem habe dabei nichts mit Intelligenz oder Intuition zu tun, betont der Forscher. Es liegt an der mangelnden Einsicht der Institutionen, dass es eben wichtig wäre, dieses Denken so zu lehren, dass man es auch versteht.
Als nachhaltigste Lösung empfiehlt Gigerenzer eine Änderung des Mathematik-Lehrplans an Schulen - hin zu mehr Statistik. Das sei im Gesundheitsbereich ebenso essentiell wie im Finanzwesen. Und: Auch an den Universitäten müsste statistisches Denken gelehrt werden, und zwar nicht abstrakt, sondern problemorientiert.
Berechnungen verstehen als beste Medizin gegen Verschwörungstheorien
Schnellere Abhilfe schafft die Website des Harding-Zentrums für Risikokompetenz an der Universität Potsdam, das Gigerenzer leitet. Gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut haben die Wissenschaftler mehrere Graphiken und leicht verständliche Faktenboxen zu den bestimmenden Corona-Themen erstellt. Etwa: Was bedeutet es, wenn ein Corona-Schnelltest positiv ausfällt? Was bedeuten 90 Prozent Wirksamkeit bei einer Impfung? Oder wie viele Menschen leiden nach einer Impfung an welchen Nebenwirkungen?
Ich glaube, dass wir alle Zeit darauf verwenden sollten, Risiken und Ungewissheiten besser zu verstehen
, sagt Gigerenzer. Das sei auch die beste Medizin gegen Verschwörungstheorien
. FOCUS Online
Fast 80 Millionen Euro 2020 - Bund kam Corona-Beratung teuer zu stehen
Im Kampf gegen die Corona-Krise hat der Bund auf die Expertise von Beratern gesetzt - und sich das deutlich mehr kosten lassen als bisher bekannt. Gerade die Beratung und Vertragsabwicklung beim Einkauf von Schutzmasken war nicht gerade billig. Kritik gibt es auch am wichtigsten Corona-Berater EY (Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht).
Die Bundesregierung hat in der Corona-Krise im vergangenen Jahr fast 80 Millionen Euro für Berater ausgegeben. Das geht aus einer Aufstellung des Gesundheitsministeriums für die Linksfraktion im Bundestag hervor, die Capital vorliegt. Bei den Ausgaben handelt es sich um sogenannte Beratungs- und Unterstützungsleistungen, die die Bundesministerien zur Bewältigung der Corona-Pandemie eingekauft haben.
Die Aufträge reichen von der Beratung bei der Beschaffung von Schutzmasken bis zu Analysen für den Corona-Rettungsfonds WSF. Insgesamt hat der Bund im Jahr 2020 Verträge mit einem Gesamtvolumen von 103 Millionen Euro mit externen Dienstleistern abgeschlossen, die im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Pandemie stehen. Von dieser Summe flossen bis zum 31. Dezember bereits 78,4 Millionen Euro.
Damit hat der Bund mehr als doppelt so viel für Corona-Beratung ausgegeben als bisher angegeben: Noch im Dezember hatte die Bundesregierung die ihr bekannten Ausgaben mit lediglich 33 Millionen Euro beziffert. Zudem hatte sie sich über Monate geweigert, konkrete Auftragnehmer und Auftragswerte öffentlich zu benennen und dies mit dem Schutz von Betriebsgeheimnissen der Unternehmen begründet.
Gesundheits- und Wirtschaftsministerium vorne
Auf die erneute Anfrage des Linken-Finanzexperten Fabio De Masi liegt nun erstmals ein vollständiger Überblick über die Corona-bedingten Beraterausgaben vor. Demnach entfielen weit mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben auf das Wirtschafts- und das Gesundheitsministerium. So überwies allein das Ressort von Wirtschaftsminister Peter Altmaier im vergangenen Jahr 34 Millionen Euro für externe Unterstützung. Das Gesundheitsministerium gab 2020 mehr als 28 Millionen Euro aus. Insgesamt schloss das Haus von Jens Spahn 2020 Verträge in einem Volumen von 41,3 Millionen Euro ab, bei denen es um Beratung bei der Bewältigung der Corona-Krise geht.
Mit weitem Abstand dahinter liegen Innenministerium (12,5 Millionen Euro beauftragtes Vertragsvolumen), Finanzministerium (10,3 Millionen Euro) und Auswärtiges Amt (2,2 Millionen Euro). Fünf weitere Ressorts haben Beraterkosten von je unter 1 Millionen Euro gemeldet. Nicht berücksichtigt wurden laut Bundesregierung Verträge, bei denen es um die reine Erstellung von Software geht, etwa im Fall der Corona-Warnapp.
Wie aus der aktuellen Aufstellung für die Linksfraktion weiter hervorgeht, betrifft das teuerste Einzelprojekt die Beratung und Vertragsabwicklung beim Einkauf von Schutzmasken und anderer Schutzausrüstung. Dafür hat das Gesundheitsministerium mehrere Verträge mit der Prüf- und Beratungsfirma EY in einer Gesamthöhe von 37,1 Millionen Euro abgeschlossen. Bereits im April 2020 schaltete Spahns Ministerium EY ohne Ausschreibung ein, um die aus dem Ruder gelaufene Beschaffungsoffensive von Masken in den Griff zu bekommen. In der Folge übernahm die Beraterfirma ebenfalls per freihändiger Vergabe die Betriebsführung und die komplette Abwicklung der Maskenaufträge. Inklusive Rechtsberatung umfasste das Vertragsvolumen mit EY bis November 2020 insgesamt 24,8 Millionen Euro. Ende 2020 erhielt EY dann auch im Zuge einer Ausschreibung den Zuschlag für den Anschlussauftrag bis November 2021. Auftragswert: 12,3 Millionen Euro.
Mit einem Gesamtvolumen von fast 40 Millionen Euro ist ausgerechnet der Prüf- und Beratungsriese EY, der aktuell wegen seiner Rolle im Wirecard-Skandal massiv in der Kritik steht, damit der wichtigste Corona-Berater des Bundes. Neben den Großaufträgen von Spahns Ressort kam EY auch bei zwei kleineren Aufträgen des Wirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) für zusammen rund 140.000 Euro zum Zuge. Das Verkehrsministerium beauftragte die Firma für 110.000 Euro mit einer Studie, in der es um Modelle zur Kompensation von Corona-bedingten Einnahmeausfällen im öffentlichen Personennahverkehr ging.
Als zweitgrößter Empfänger von Corona-Beratungsausgaben des Bundes erhielt der IT-Dienstleister Init 29,3 Millionen Euro aus dem Etat des Bundeswirtschaftsministeriums. Dabei ging es um die Erstellung und den Betrieb eines IT-Auftragsmanagementsystems für die Corona-Hilfszahlungen des Bundes, die die Folgen des Lockdowns bei den betroffenen Firmen abfedern sollen. Bei der Software kam es jedoch zu massiven Verzögerungen und Problemen, sodass etwa die sogenannten Novemberhilfen erst verspätet komplett fließen konnten. Ungeachtet dessen schloss Altmaiers Ministerium gerade Anfang Februar einen neuen Vertrag mit Init in Höhe von 60 Millionen Euro.
Scharfe Kritik an der Auftragspolitik der Bundesregierung äußerte Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi, vor allem mit Blick auf das Gesundheitsministerium. Minister Spahn habe mitten im Maskenchaos einen goldenen Vertrag an EY ohne Ausschreibung vergeben
, sagte er. Dabei habe EY im Wirecard-Skandal kläglich versagt und scheinbar Bilanzen mit verbundenen Augen geprüft
. De Masi fügte hinzu, es sei zwar legitim, dass sich ein Ministerium in Notlagen Unterstützung ins Haus hole. Es ist aber nicht legitim, wenn das für lange Zeiträume ohne Ausschreibung geschieht und die gebotene Distanz zwischen Beratern und Ministerien verloren geht. Das weckt ungute Erinnerungen an den Beraterfilz aus dem Verteidigungsministerium
, sagte er. Zudem schaffe es Misstrauen, wenn die Bundesregierung Fragen von Abgeordneten zunächst nur unvollständig beantworte und für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage ganze zwei Monate brauche.
Noch 83 Streitfälle aus Masken-Verfahren
Bis heute sind Berater und Anwälte von EY auch damit beschäftigt, die Folgen eines chaotischen Einkaufsverfahrens für Schutzmasken aus dem Frühjahr 2020 zu bereinigen. Damals hatte Spahns Ministerium ein sogenanntes Open-House-Verfahren gestartet, in dem Lieferanten ein fester Abnahmepreis von 4,50 Euro netto pro FFP2-Maske garantiert worden war. Die Konditionen lockten so viele Anbieter an, dass mehr als 700 Zuschläge mit einem Gesamtvolumen von 6,4 Milliarden Euro erteilt wurden - ein Vielfaches mehr als im Haushalt eingeplant. Allerdings konnten zahlreiche Lieferanten die Lieferbedingungen später nicht erfüllen. Darüber hinaus trat das Ministerium von Dutzenden Verträgen zurück, vor allem wegen angeblich mangelhafter Qualität der Masken.
Einige Lieferanten wehren sich gegen die Vorwürfe mangelhafter Leistungen und pochen auf Erfüllung der Verträge. Laut Gerichtsunterlagen des Ministeriums, die Capital vorliegen, gab es mit Stand Ende Januar noch 133 offene Rechtsfälle
, also nicht geklärte Verträge. 28 davon stufen die EY-Anwälte als potenzielle Vergleichsfälle
ein. Die Zahl der Streitfälle
beziffern sie auf 83 mit einem dahinter stehenden Vertragsvolumen von rund 240 Millionen Euro. Dabei inbegriffen sind 62 bereits anhängige Klagen mit einem Streitwert von rund 160 Millionen Euro. Bei den weiteren Fällen halten die Anwälte Klagen für möglich. Insgesamt rechnet EY - je nach Ausgang der Vergleichsverhandlungen und Klagen - mit Gesamtausgaben für das Open-House-Verfahren von 1,4 bis 1,7 Milliarden Euro. Bis Ende Januar hatte der Bund rund 1,1 Milliarden Euro an Open-House-Lieferanten ausgezahlt.
Grundsätzliche Kritik an der Einschaltung von EY im April 2020 und den Folgeaufträgen formulierte auch der Vergaberechtsexperte Harald Nickel. Auch zu Beginn der Corona-Krise im vergangenen Frühjahr habe es keinen sachlichen Grund für eine externe Beauftragung
gegeben, sagte der Hanauer Anwalt Capital. Die Aufgaben der Berater und Anwälte von EY hätte auch die Bundesverwaltung selbst übernehmen können, fügte er hinzu. Zudem sei durch die ersten beiden EY-Aufträge ohne Ausschreibung Vergaberecht gebrochen worden. Derzeit klagt Nickel gegen die Vergabe des Masken-Mandates an EY. In diesem Verfahren steht im April ein Termin am Oberlandesgericht Düsseldorf an. ntv.de, der Text ist zuerst bei Capital erschienen