Teil 3 - Cöslin, 1864 bis 1870
Kapitel 2:
Die Umgebung der Stadt
Von der Umgebung der Stadt interessierte uns natürlich hauptsächlich die See. Schon den zweiten Sonntag wo wir da waren - den ersten konnten wir noch nicht dran denken - wurde am Mittag eine Fahrt an den Strand gemacht. Direkt nördlich von der Stadt war der Ostsee einer von den Strandseen, die der pommerschen Küste eigentümlich sind, der Jamunder See, vorgelagert, auch er noch etwa eine Meile von Cöslin entfernt. Den Namen hatte er von dem Dorf JamundJamund (heute: Jamno) ist heute ein Stadtteil der kreisfreien Stadt Köslin in der polnischen Woiwodschaft Westpommern. Der Ort liegt in Hinterpommern südlich des Jamunder Sees, eines Strandsees der Ostsee. Er liegt etwa fünf Kilometer nördlichvon der Stadtmitte von Köslin und etwa sechs Kilometer nordwestlich vom Gollenberg.Siehe Wikipedia.org [3], dessen Bewohner noch ihre alte Tracht bewahrt hatten: Die Männer lange weiße selbstgesponnene Röcke, die mit Haken und Ösen geschlossen wurden, darunter rote Westen mit blanken Knöpfen und hochschaftige Stiefel, auf dem Kopfe je nach der Jahreszeit einen hohen Hut oder eine runde Pelzmütze.
Die Frauen kurze faltige Röcke mit steifem, mit Stickereien versehenem Brustlatz, auf dem Kopfe mit Pelz verbrämten, nach hinten zu breiter werdenden Mützen. Friedrich Wilhelm III. hatte seinerzeit den Wunsch geäußert, dass die Tracht beibehalten wurde. Damals kam sie aber doch mehr und mehr ab. Man sah sie bei älteren Leuten noch, wenn sie nach Cöslin auf den Markt kamen. Jüngere Leute trugen sie höchstens als Sonntagsstaat. Hoffentlich dient die heutige auf Erhaltung der Volkstrachten gerichtete Bewegung auch zu ihrer Erhaltung. Die Kirche von Jamund beherbergte noch einige Merkwürdigkeiten, so den Rest eines früheren Blut schwitzenden Kruzifixes.
Der Jamunder See, etwa anderthalb MeilenEine preußische Meile betrug 7,5 km. Das entspricht ungefähr 10.000 Schritten. Die Angaben konnten in der Praxis zur Abschätzung von Reisezeiten eingesetzt werden. Zu Fuß beträgt eine solche Meile in etwa zwei Wegstunden, und mit der Postkutsche oder mit einem Reitpferd konnte sie in ungefähr einer Stunde zurückgelegt werden.Siehe Wikipedia.org [4] lang und an seiner breitesten Stelle eine halbe Meile breit, ist wie alle pommerschen Strandseen ein Süßwassersee. Die Nehrung, die ihn von der See trennt, ist nur durch eine schmale Stelle, das sog. Deep, bei dem gleichnamigen DorfeHeute: Czajcze, ein Fischerdorf in der Landgemeinde Mielno (Großmöllen) in Hinterpommern, auf der 500 bis 700 Meter breiten Nehrung zwischen dem Jamunder See und der Ostsee, etwa zwölf Kilometer nördlich von Köslin.Siehe Wikipedia.org [5] durchbrochen. Die Chaussee, die von Cöslin nach dem Strande führte, ging deshalb in nordwestlicher Richtung. Sie ging zuerst durch einen schönen Buchenwald, den wir erst später, besonders seit wir die Rinksche Wohnung mit einer am Nordende der Stadt vertauscht hatten, genossen. Die Fahrt dauerte wohl gut anderthalb Stunden und ging durch die Dörfer Güdenhagen, gleich hinter dem Buchwalde, Groß-Streitz und Groß-Möllen. Hinter letztgenanntem Dorf war der Strand. Zwischen den Dünen hindurch führte die Chaussee an denselben. Er war hier ziemlich kahl. Der Wellenschlag war an dem Tage nicht stark, der Himmel am Nachmittag bedeckt, demgemäß auch die Färbung der See düster graugrün, so dass wir nicht gerade den günstigsten Eindruck erhielten. Einen freundlicheren Eindruck hätten wir erhalten, wenn unser Fuhrmann sich dazu herbeigelassen hätte, uns noch Nest, das wirklich wie ein Nest zwischen zwei Dünenzügen auf der Nehrung des Jamunder Sees liegt, zu fahren. Dazu aber war ihm wohl der Herbstnachmittag zu kurz.
Erst später haben wir mehr gelernt, die Majestät des Meeres zu bewundern. Natürlich unterließen wir nicht, bei unserm ersten Besuch das Meerwasser zu kosten.
Tage darauf machten wir einen Spaziergang auf den Gollen. Auch hier waren wir zuerst etwas enttäuscht, denn selbst nach dem wahrlich nicht übermäßig hohen und steilen Gröditzberge kam er uns recht unbedeutend vor. Die Straße steigt fast unmerklich an. Nur von der Stelle, wo sie die Kammhöhe übersteigt, muss man noch ein wenig seitwärts steigen, um an das Kreuz zu gelangen, das auf dem höchsten Gipfel zum Gedächtnis der in den Freiheitskriegen gefallenen Kämpfer errichtet ist. Überraschend war uns ein, wie uns schien blauer Bergzug, den wir im Norden sahen. Erst als wir näher zusahen und gewahrten, dass er in völlig gerader Linie verlief, wurde es uns klar, dass dieser vermeintliche Bergzug nichts anderes war als die See. Später haben wir auch die Schönheiten des Gollen mehr und mehr schätzen gelernt. Er ist kein isolierter Kegel, sondern ein kleiner Bergzug, der sich von Nordwest nach Südost einige Stunden weit erstreckt. Wendet man sich von der Kammhöhe rechts, so kommt man auf einen Weg, der durch mehrere romantische Schluchten geht. Nahe dem südöstlichen Ende erhebt sich der allmählich niedriger werdende Zug noch zu einem spitzen Kegel, der der Haupthöhe, auf der das Kreuz steht, kaum an Höhe nachgibt und da er steiler ansteigt, noch mehr in die Augen fällt. In den südwestlichen Abhang eingebettet ist der malerische Luptow-See.
[4] Eine preußische Meile betrug 7,5 km. Das entspricht ungefähr 10.000 Schritten. Die Angaben konnten in der Praxis zur Abschätzung von Reisezeiten eingesetzt werden. Zu Fuß beträgt eine solche Meile in etwa zwei Wegstunden, und mit der Postkutsche oder mit einem Reitpferd konnte sie in ungefähr einer Stunde zurückgelegt werden.
[5] Heute: Czajcze, ein Fischerdorf in der Landgemeinde Mielno (Großmöllen) in Hinterpommern, auf der 500 bis 700 Meter breiten Nehrung zwischen dem Jamunder See und der Ostsee, etwa zwölf Kilometer nördlich von Köslin.